Thomas Hoebel, Autor:innenkollektiv Leipziger Kultursoziologie | Essay |

Abschlussarbeiten schreiben – oder: Die wissenschaftliche Monografie

Während Bachelorarbeiten im Kern als längere Hausarbeiten gelten und daher ebenfalls mit einem wissenschaftlichen Artikel oder Sammelbandbeitrag vergleichbar sind, orientieren sich Masterarbeiten und Dissertationsschriften eher an wissenschaftlichen Monografien. Hierfür stehen viele Vorbilder in den Regalen der Universitätsbibliotheken.

Bachelorarbeiten[1]

Im optimalen (oder zumindest befriedigenden) Fall haben Ihnen die im Laufe Ihres Bachelorstudiums angefertigten Hausarbeiten die nötige Sicherheit und die akademischen Fähigkeiten gebracht, die Sie benötigen, um das Studium mit einer erfolgreichen Bachelorarbeit abzuschließen. Was die Ausführlichkeit und den Eigenanteil angeht, stellt sich die Bachelorarbeit noch einmal anspruchsvoller als eine Hausarbeit dar. Sie stehen nun vor der Herausforderung, einen pointierten, begründeten und nachvollziehbaren wissenschaftlichen Text in größerem zeitlichem und inhaltlichem Umfang zu verfassen. Gleichwohl können Sie sich grundsätzlich weiterhin am Modell von Hausarbeiten orientieren.

Auch wenn die Bachelorarbeit sicher eine neue Herausforderung darstellt, handelt es sich um eine lösbare Aufgabe, vor allem wenn Sie Ihre eigenen Erwartungen realistisch halten. Fast permanent lauert die Gefahr der konzeptionellen Überfrachtung Ihrer Bachelorarbeit. Lassen Sie Vorsicht walten und lehnen Sie sich nicht zu weit aus dem Fenster. Das Ganze ist keine eine Masterarbeit und schon gar keine Dissertation.

Masterarbeiten

Sie haben mittlerweile genügend Hausarbeiten geschrieben und wissen aus der Zeit Ihrer Bachelorarbeit, wie Sie für sich gut mit der speziellen Situation vor dem Studienende umgehen. Kurzum: Wissenschaftliches Arbeiten und wissenschaftliche Texte sind Ihnen vertraut, wenn Sie den erfolgreichen Ausklang Ihrer studentischen Laufbahn mithilfe einer Masterarbeit angehen!

Damit korrespondieren auch die an diese Abschlussarbeit geknüpften Anforderungen: Formale Fehler, aus denen Sie schon nach den ersten Hausarbeitsversuchen gelernt haben sollten, dürfen hier nicht mehr auftreten. Die von Ihnen über die vielen Semester ausgiebig antrainierte Eignung zum wissenschaftlichen Arbeiten prägt den Charakter Ihrer Masterarbeit. Auf den Punkt gebracht verlangt das: Hinsichtlich Vorbereitung, Fragestellung, Literaturrecherche, Quellenverarbeitung, Aufbau, Argumentation und Analyse müssen und werden Sie zeigen können, dass Sie in den Semestern zuvor mit offenen Augen und wachsender eigener Kreativität studiert haben. Dafür steht Ihnen deutlich mehr Gestaltungsraum als in Haus- und Bachelorarbeiten zur Verfügung, für gewöhnlich werden mehr als 60 Seiten von Ihnen erwartet – je nach Prüfungsordnung und Betreuungsperson. Hier sollen und können Sie in einem angemessenen sprachlichen Stil eindeutig erkennbare eigene Schwerpunkte, Interessen und Stärken in der Empirie und/oder in theoretischen Überlegungen präsentieren.

Die eigene Abschlussarbeit vorbereiten[2]

Suchen Sie bereits frühzeitig das Gespräch mit Ihren Lehrenden, wenn Sie Ihre Abschlussarbeit schreiben möchten. Gleichzeitig gibt es einige Schlüsselfragen, die Sie sich im Hinblick auf Ihr Projekt stellen sollten. Setzen Sie sich mit diesen Fragen idealerweise frühzeitig und intensiv auseinander. Sie betreffen Erwartungen, die Sie in der Regel neben den allgemeinen Anforderungen, die in der Prüfungsordnung oder den fächerspezifischen Bestimmungen Ihres Studiengangs formuliert sind, erfüllen müssen. Diese Erwartungen beziehen sich vor allem auf fachliche und arbeitsmethodische Kenntnisse und das Betreuungsverhältnis zwischen Ihnen und einer/einem Lehrenden des Arbeitsbereichs. Die Orientierung an den Schlüsselfragen ersetzt allerdings in keinem Fall die frühzeitige Betreuung Ihrer Abschlussarbeit durch Ihre Lehrenden.

Was ist der erste zentrale Schritt, wenn ich beginnen möchte, meine Abschlussarbeit in Angriff zu nehmen?

Machen Sie sich mit den prüfungsrechtlichen Anforderungen an Ihren Studienverlauf vertraut: Ist es realistisch, dass Sie alle nötigen noch nicht bestandenen Prüfungsleistungen bis zur geplanten Anmeldung Ihrer Arbeit erbracht haben?

Wie erarbeite ich mir eine geeignete Fragestellung für meine Abschlussarbeit?

Seien Sie aufmerksam! Werden in Uniseminaren, Lesekreisen oder Studiengruppen Fragen aufgeworfen, die sich im entsprechenden Zusammenhang möglicherweise nicht abschließend klären ließen und die sich für eine Bachelorarbeit eignen? Schlagen die Lehrenden mögliche Forschungsfragen vor? Haben Sie einmal etwas beobachtet, gelesen oder gehört, das Ihnen fachlich interessant oder erklärungsbedürftig erschien und das Sie mit den in den Lehrveranstaltungen erarbeiteten Begriffen und Konzepten analysieren könnten?

Konfrontieren Sie die Lehrenden und Ihre Kommiliton:innen mit Ihren Ideen! Bieten Sie Ihre verschriftlichte Idee zur Diskussion an! Werden Vorschläge gemacht, wie Sie Ihre Idee zu einer eigenständigen Untersuchung ausbauen können? Müssen Sie das Thema gegebenenfalls weiter einschränken? Es ist klug, mögliche Fragestellungen der Abschlussarbeit bereits in einem Seminar oder in einer Studiengruppe zu entwickeln und diese Arbeits- und Diskussionszusammenhänge aktiv zu nutzen, um die Konkretisierung des Themas bereits vor der eigentlichen Phase der Bearbeitung möglichst weit voranzutreiben.

Des Weiteren können Sie auch Hausarbeiten, vor allem gut gelungene, zu einer Abschlussarbeit ausweiten. Ebenso kann es sinnvoll sein, die Abschlussarbeit in Verbindung mit Themen zu schreiben, die im Rahmen von studentischen Hilfskraftjobs, Werkverträgen in Forschungsprojekten, Praktika oder auch dem eigenen ehrenamtlichen Engagement in einer Gruppe oder einem Verein entstehen.

Gibt es brauchbare Methoden, um eine Fragestellung für die Abschlussarbeit zu finden?

Ja. Konsultieren Sie beispielsweise die Handreichung Fragestellung formulieren.

Wann sollte ich mit der Themenfindung für meine Abschussarbeit anfangen?

Es ist sinnvoll, schon zwei bis drei Semester vor dem geplanten Studienende Ideen für Fragestellungen zu sondieren und zu entwickeln. Halten Sie erste Ideen in kurzen Notizen schriftlich fest, zum Beispiel in Ihrem Lerntagebuch oder in einem extra für die Themenfindung vorgesehenen Dokument auf Ihrem Computer. Ihre Notiz sollte dabei so aussagekräftig sein, dass Sie sich auch einige Wochen später erinnern, was Sie damit eigentlich gemeint haben. Idealerweise beschränken Sie sich sogar nicht nur auf eine kurze Notiz, sondern zwingen sich, die Idee in einem Fließtext mit mehreren Absätzen oder auch in Form einer Mind-Map zu beschreiben. Denken Sie dabei auch schon darüber nach, welche Literatur Sie zu diesem Thema bereits kennen, und darüber, welche soziologischen Begriffe oder Konzepte Ihnen hilfreich erscheinen, um das Thema zu behandeln.

Wie viel Zeit wird das Verfassen meiner Abschlussarbeit in Anspruch nehmen?

Diese Frage ist nicht pauschal zu beantworten. Die formal vorgesehenen Bearbeitungszeiten reichen oftmals nicht aus, um von der ersten Idee bis zur letzten Textzeile zu gelangen. Planen Sie daher für die Zeit zwischen dem Erstkontakt mit Ihrem/Ihrer Betreuer:in und der Abgabe der Arbeit mindestens einige Wochen ein, gegebenenfalls sogar ein paar Monate.

Wann sollte ich den Kontakt zu einem/einer Lehrenden aufnehmen, den/die ich für die Betreuung gewinnen möchte?

Suchen Sie das Gespräch bereits frühzeitig vor dem Termin, an dem Sie Ihre Arbeit beim Prüfungsamt anmelden möchten. Ein allzu spontaner Kontakt ohne entsprechende Kennenlernzeit ist nicht wirklich zielführend.

Wie nehme ich den ersten Kontakt zu einer Betreuungsperson für meine Arbeit auf?

Nutzen Sie die Sprechstunden von Lehrenden. Dafür bereiten Sie eine ein- bis zweiseitige Skizze mit Ihrer thematischen Idee vor und senden sie dem/der Lehrenden rechtzeitig vor dem Sprechstundentermin per E-Mail zu. Setzen Sie sich dazu insbesondere mit der Frage auseinander, ob und inwiefern Ihr Forschungsinteresse bei der Person, die Sie ansprechen möchten, überhaupt thematisch passend angesiedelt ist. Naheliegend und sinnvoll ist es sicher, wenn Sie zunächst Lehrpersonen ansprechen, die Sie bereits aus Ihrem Studium kennen.

Die Skizze dient als Gesprächsgrundlage, damit sich auch der/die Lehrende möglichst zielgerichtet auf die Beratung vorbereiten kann. Gerne können Sie auch mehrere alternative Themen skizzieren. Wir empfehlen Ihnen, in der Skizze eine möglichst konkrete Fragestellung für Ihre Arbeit zu formulieren. Recherchieren Sie dazu einschlägige Literatur und prüfen Sie diese auf ihre Brauchbarkeit für Ihr Vorhaben.

Unter welchen Voraussetzungen kann ich mit einer Zusage für die Betreuung meiner Bachelor- oder Masterarbeit rechnen?

Die meisten Lehrenden setzen voraus, dass Sie auf der Basis Ihrer ersten Skizze und den Absprachen während des ersten Beratungsgesprächs ein aussagekräftiges Exposé entwerfen, das Sie dann wiederum mit der Betreuungsperson diskutieren. Erst wenn der/die Lehrende das Exposé akzeptiert, werden die Betreuung und die Erstbegutachtung fest verabredet.

Die übliche interne Arbeitsteilung sieht vor, dass Sie sich in Betreuungsfragen in der Regel nur an den/die Erstgutachter:in wenden, mit dem/der Sie dann zentrale Absprachen treffen. Zweitbetreuer:innen stellen in der Regel keine gesonderten Erwartungen an Sie.

Wann melde ich meine Bachelorarbeit beim Prüfungsamt an?

Erst wenn Sie die definitive Betreuungszusage einer/eines Lehrenden bekommen haben. Behalten Sie dafür die notwendigen Fristen und Termine im Blick, indem Sie zum Beispiel für sich einen Arbeitsplan anfertigen. Ansprechpartner:innen für alle terminlichen Fragen sind normalerweise die Mitarbeitenden in den Prüfungsämtern.

Gibt es weitere Möglichkeiten als die Gespräche mit meinem/meiner Betreuer:in, um meine Forschungsskizze, das Forschungsexposé oder bereits fertige Textteile meiner Abschlussarbeit zu diskutieren?

Wir empfehlen Ihnen dringend, Ihre Texte in Ihren Seminaren oder in Kolloquien zur Diskussion zu stellen, um dort weitere Anregungen zu erhalten. Sprechen Sie dafür die betreffenden Lehrenden frühzeitig an.

Was sollte ich vor der Abgabe der Arbeit in keinem Fall vergessen?

Die Antwort ist simpel, aber voraussetzungsvoll: Lesen Sie Ihre Arbeit gründlich Korrektur, Ihre Prüfenden werden es Ihnen danken.

Dazu zwei Empfehlungen:

  1. Häufig lohnt es sich, die vermeintlich endgültige Version des Textes einige Tage liegen zu lassen und sie dann noch einmal auf ihre Qualität hin zu prüfen. Man sieht dann häufig Ungereimtheiten und formale oder orthografische Fehler, die zunächst unentdeckt geblieben sind.
  2. Geben Sie den Text einem/einer guten Bekannten, dem/der Sie vertrauen, und fragen Sie danach, wie er/sie die Qualität des Textes einschätzt. Gibt es noch Flüchtigkeitsfehler? Ist er verständlich? Gibt es einen roten Faden? Ist eine Passage überflüssig, zu knapp oder zu lang geraten? Leuchtet die erarbeitete Argumentation ein? Aus den Rückmeldungen zum Text ergibt sich häufig noch die eine oder andere Verbesserungsmöglichkeit.
  1. Bei den Passagen unter den Zwischenüberschriften „Bachelorarbeiten“ und „Masterarbeiten“ handelt es sich um leicht überarbeitete und gekürzte Auszüge aus dem lesenswerten Leitfaden „schöne wissenschaftliche texte“, den Johanna Häring, Maximilian Hendel, Roman Kreusch, Wibke Liebhart, Thomas Schmidt-Lux und Monika Wohlrab-Sahr für Leipziger Kultursoziologie-Studierende zusammengestellt haben (Stand: Januar 2015). Autoren und Redaktion danken dafür, die Auszüge hier übernehmen zu dürfen.
  2. Bei den nachfolgenden Passagen handelt es sich um eine grundlegend überarbeitete Fassung des Leitfadens „Ihr Weg zu einer erfolgreichen Bachelorarbeit“ von Thomas Hoebel, Sven Kette und Hannah Mormann (Stand: März 2016), der sich im Original an Studierende der Organisationssoziologie an der Universität Bielefeld richtete.

Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Wibke Liebhart.

Kategorien: Universität Wissenschaft

Thomas Hoebel

Thomas Hoebel, Soziologe, arbeitet am Hamburger Institut für Sozialforschung. Er forscht zu organisierter Gewalt, schreibt an einer Methodologie prozessualen Erklärens und befasst sich mit dem Rätsel, wie gute wissenschaftliche Texte entstehen.

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Autor:innenkollektiv Leipziger Kultursoziologie

Der Leitfaden „schöne wissenschaftliche texte“ wurde 2015 erstellt von Johanna Häring, Maximilian Hendel, Roman Kreusch, Wibke Liebhart, Thomas Schmidt-Lux und Monika Wohlrab-Sahr sowie 2018 überarbeitet von Jan Beuerbach, Uta Karstein, Christiane Reinecke, Ringo Rösener und Kathrin Sonntag.

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