Oliver Römer | Veranstaltungsbericht | 09.01.2020
Der ewige Liberale
Bericht zum Symposium "Democracy and Civil Society in Europe – Dahrendorf Conference 2019" am 4. und 5. Dezember 2019 im Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialwissenschaft
Während der 90. Geburtstag von Jürgen Habermas, gekrönt von der Publikation eines großen philosophischen Alterswerks,[1] breite öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, ist das runde Jubiläum des ebenfalls 1929 geborenen Soziologen Ralf Dahrendorf den überregionalen Tageszeitungen kaum eine Notiz wert gewesen. Dieser Umstand ist umso bemerkenswerter, führt man sich die medialen Reaktionen des Jahres 2009 auf Dahrendorfs 80. Geburtstag und nur wenige Wochen später auf seinen Tod noch einmal vor Augen. Kein Geringerer als Jürgen Habermas nahm damals Dahrendorfs Geburtstag zum Anlass, um in einer von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung abgedruckten Rede am St. Anthonys College der Universität Oxford, wo Dahrendorf viele Jahre gewirkt hatte, einen international bedeutenden Soziologen und Intellektuellen zu ehren. Den nur wenige Monate älteren Dahrendorf beschreibt Habermas in seinen Erinnerungen an die Aufbruchsphase der westdeutschen Soziologie als einen seinen Generationsgenossen auf der „Karriereleiter“ früh weit entrückten, die wissenschaftlichen Autoritäten seiner Zeit gleichsam hinterfragenden „Saarbrücker Privatdozenten“. Bereits Mitte der 1950er-Jahre hatte sich Dahrendorf mit einem deutschen Doktortitel und einem englischen Ph.D. sowie einer fast fertigen Habilitation im Gepäck als ein pointierter Konflikttheoretiker und Kritiker des Parsons’schen Strukturfunktionalismus international profiliert, „während uns Hinterbänklern die Lektüre von Parsons selbst noch bevorstand“.[2] Ohne ihn hätte es in Westdeutschland „keine Debatte über die Rollentheorie“ und „auch keinen Positivismusstreit“[3] gegeben. Doch machte Dahrendorf in dieser Zeit nicht nur als Vertreter einer in Deutschland wenig bekannten wissenschaftlichen Soziologie angloamerikanischer Prägung von sich reden. Sein Mitte der 1960er-Jahre erstmals publiziertes Buch Gesellschaft und Demokratie in Deutschland,[4] das durchaus auch als Ergänzung und Fortsetzung des 1963 veröffentlichten Buchs über Soziologie und Gesellschaft in Amerika[5] gelesen werden sollte, ist bis auf den heutigen Tag ein in seiner Wirkung kaum zu überschätzendes Dokument westdeutscher Mentalitätsgeschichte. Es lieferte und liefert das beeindruckende Zeugnis einer Generation junger aufstrebender Intellektueller, die „zu der Epochenschwelle von 1945 nicht nicht Stellung nehmen konnte“.[6]
Wie ungenügend der von Helmut Schelsky bereits Mitte der 1950er-Jahre geprägte Topos der „skeptischen Generation“[7] zumindest diese in den 1920er-Jahren geborenen westdeutschen Intellektuellen erfasst, zeigt der Werdegang Dahrendorfs in aller Deutlichkeit. Ein kaum zu übersehendes „antiideologisches Realitätsbedürfnis“ wird bei ihm – ganz im Gegensatz zu Schelskys Diagnose – das entscheidende Moment einer Politisierung, die ihre Wurzeln in der von Dahrendorf ausgesprochen bewusst erfahrenen Unfreiheit während der Zeit des Nationalsozialismus hat.[8] Im Lichte seines durch den klassischen Liberalismus geprägten Soziologie- und Gesellschaftsverständnisses erscheint Schelskys „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“ keineswegs mehr als spezifisch deutsche Ausprägung der „technisch-industriellen Zivilisation“,[9] sondern als eine auf provinziellem Facharbeiterstolz und funktionalistischer Angestelltenmentalität gebaute Karikatur der politisch organisierten Bürgergesellschaft angloamerikanischer Prägung.[10]
Dass der Intellektuelle und streitbare Liberale Dahrendorf das Handgemenge nicht scheute, davon zeugen sein politisches Engagement sowohl in der sozialliberalen FDP als später auch in der EU-Kommission. Es verband sich auf eine nicht immer reibungslose Weise mit einer Kritik an den deutschen und europäischen Zuständen, die den ‚reifen‘ Dahrendorf schließlich aus einem reformorientierten, freilich skeptischen Beobachter westdeutscher Bildungspolitik und Brüsseler Bürokratie in einen durchaus hoffnungsvollen Kommentator der osteuropäischen Ereignisse des Jahres 1989 verwandelte, um ihn ganz am Ende als erbitterten liberalen Gegner eines neoliberalen Marktliberalismus in Erscheinung treten zu lassen.
Die Vermutung liegt also durchaus nahe, dass gerade Dahrendorfs engagierten Beobachtungen und kritisch-intellektuellen Stellungnahmen selbst zehn Jahre nach seinem Tod angesichts des Erstarkens von neurechten Tendenzen in Europa und Nordamerika, aber auch aufgrund deutlich sichtbarer autoritärer Tendenzen innerhalb des neoliberalen Projekts weiterhin ein hoher Aktualitätswert zukommen könnte. Vertieft worden ist diese Annahme unlängst anlässlich der am 4. und 5. Dezember veranstalteten Konferenz, die am Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialwissenschaft (WZB) in Kooperation mit der London School of Economics (LSE), der Mercator Stiftung, der Hertie School of Goverance und dem St. Anthony’s College ausgetragen wurde. Weder die Wahl des Veranstaltungsortes war zufällig noch die Zusammensetzung der Veranstalter, handelte es sich doch um eine Zusammenarbeit von Institutionen, denen Dahrendorf zumal in seinen späten Lebensjahren eng verbunden war.
Eröffnet wurde die Konferenz mit einer kurzen Ansprache der WZB-Präsidentin JUTTA ALLMENDINGER. Neben einer pointierten Vergegenwärtigung von Dahrendorfs Tätigkeit am WZB in den Jahren 2005 bis 2009 und einigen eher allgemeinen Verweisen auf dessen „passioniertes europäisches Leben“, akzentuierte die Soziologin ein erstes inhaltliches Schlaglicht: Dahrendorf zitierend wies Allmendinger darauf hin, dass ein „Leben mit Komplexität“ geradezu eine Bestandsvoraussetzung für eine ihrem Selbstverständnis nach offene Gesellschaft sei und auch weiterhin bleibe.
Damit war derjenige Ton gesetzt, den der über viele Jahrzehnte mit Dahrendorf im engen freundschaftlichen wie intellektuellen Austausch stehende Oxforder Historiker TIMOTHY GARTON ASH in seinem Hauptvortrag aufnahm. Unter dem Titel „Ralf Dahrendorf und die Krise des Liberalismus heute“ diskutierte Ash den Pyrrhussieg des Liberalismus in den europäischen Revolutionen des Jahres 1989. Dass diese Jahreszahl weder für ein Ende der Geschichte noch für ein finales Abdanken aller Totalitarismen des 20. Jahrhunderts stehe, habe kaum jemand so klar gesehen wie Dahrendorf. Ein in vielen osteuropäischen Staaten zu beobachtender autoritärer roll back müsse dementsprechend als Ausdruck einer Krise des Liberalismus diskutiert werden, die Dahrendorf in ihren Anfängen erlebt und bereits diagnostiziert habe. Betrachte man dessen Analysen heute, so ließen sich mindestens vier Gründe für diese Krise namhaft machen: Der erste Grund sei nichts anderes als die Erbschaft des Kommunismus selbst, der Gesellschaften ohne eine demokratische Kultur hinterlassen habe. Der in Ansätzen erfolgreiche Aufbau von Zivilgesellschaften habe bereits für die Wahrnehmung Dahrendorfs in den meisten osteuropäischen Ländern zu selten mit einer Etablierung funktionierender rechtstaatlicher Institutionen korrespondiert, was im Resultat deren gegenwärtig stattfindenden autoritativen Umbau begünstige. Zweitens sei die zeitgenössische Krise des Liberalismus nicht zuletzt eine Krise seines eigenen Erfolges: Die seit 1989 fortschreitende Durchsetzung demokratischer politischer Ordnungen habe sie deutlich als massive Herausforderung illiberaler politischen Systeme erkennbar werden lassen, mithin den Liberalismus selbst zu einer Feindfigur gemacht. Drittens hätten liberale Politiker und Denker in den 1990er-Jahren gerade hinsichtlich dieser Entwicklungen wenig Voraussicht bewiesen, wären vielmehr viertens einer kompletten Fehleinschätzung des Liberalismus erlegen: Dieser sei, wie man von Dahrendorf und dessen Lehrer Karl Popper lernen könne, kein politisches System und keine selbstverständliche Normalität menschlichen Zusammenlebens, sondern ein auf stetem Versuch und Irrtum beruhendes, prekäres demokratisches Experiment.
Die Antworten auf diese Krise, die Ash im letzten Teil seines Vortrags formulierte, leuchteten die Dramatik der Situation aus, in der sich das liberale Denken gegenwärtig befindet, erinnerten sie doch unter gewissen Hinsichten an die hilflose Orientierungssuche mancher linker Intellektueller nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion: Die bisher im Nationalstaat organisierte liberale Solidarität und Gleichheit müsse in supranationale Organisationen übertragen werden, der Liberalismus selbst habe sich auf seine größte Tugend – die schonungslose Selbstkritik – zu besinnen. Folge man Dahrendorfs soziologischen Analysen, dann sei höhere Bildung ein wesentlicher Faktor zur erfolgreichen Durchsetzung liberaler Formen menschlichen Zusammenlebens.
Ashs Vortrag streifte wesentliche Aspekte der folgenden fünf Panel und erwies sich damit im besten Sinne als Keynote. Den Auftakt bildete eine Vortrags- und Diskussionsrunde zur „Krise der Demokratie und der Rolle des Nationalstaats“. Im ersten Beitrag konzentrierte sich DANIEL ZIBLATT (Harvard/WZB) auf die Krisen der Parteiendemokratie. Wenig überraschend lief seine Diagnose auf die These hinaus, dass die gate keeper-Funktion des demokratischen Parteiensystems in Fragen der politischen Teilhabe zerstört sei. Vermochten die bürokratischen Parteistrukturen in den Demokratien des 20. Jahrhunderts noch den Aufstieg charismatischer Führerpersönlichkeiten vom Schlage eines Berlusconi oder Trump zu verhindern, so setzten sich inzwischen Karrieremuster ganz außerhalb von Parteienhierarchien durch, welche die Illusion bedienten, direkte politische Kommunikation würde stattfinden.
WOLFGANG MERKEL (WZB), der nach der kurzfristigen Absage von Cornelia Koppetsch als Referent einsprang, thematisierte in seinem gelungen improvisierten Vortrag ein langes Interview, das Dahrendorf Anfang der 2000er-Jahre zur Krise der Demokratie gegeben hatte. Ins Zentrum rückte die Frage nach einem demokratischen Raum jenseits des Nationalstaats. Merkel verwies unter anderem auf Dahrendorfs politisch-soziologische Überlegungen zu einer neuen kosmopolitischen Klasse, die durch ihre „unantastbaren Güter […] – die drei ‚C‘: concepts, competence und connections –“[11] dem Großteil der weiterhin an den Nationalstaat gebundenen Bevölkerungen entrückt sei. Dahrendorfs damaliger Befund lässt sich durchaus als Fortsetzung von Überlegungen aus C. Wright Mills’ Power Elite lesen[12] – das heißt als Umkehrung des Marx’schen Satzes, wonach Geschichte nicht von Einzelnen, sondern von den Massen gemacht werde. Die Bedingungen ökonomischer Globalisierung sind demnach zur Voraussetzung für das Entstehen einer transnational agierenden, ungemein macht- und einflussreichen Elite geworden, die in ihren Werthaltungen als liberal, ökologisch und kosmopolitisch einzuschätzen ist. Gleichzeitig verhält sich diese Klasse, aus der sich einflussreiche politische Entscheidungsträger rekrutieren, neutral gegenüber dem Neoliberalismus, profitiert sogar von aktuellen ökonomischen Polarisierungen und sieht im Gegensatz zu den wirtschaftlichen Eliten des 20. Jahrhunderts die Arbeiterklasse – wie Merkel es in seinem Resümee unverhohlen formulierte – als „nutzlos“ an.
Merkels Beobachtung, dass soziale und politische Bürgerrechte nur noch in einen sich zunehmend verkleinernden Raum kosmopolitischer Eliten wahrgenommen werden, nahm JOHN KEANE (Sydney University/WZB) in seinem Kommentar wieder auf. Im Rückgriff auf die an beiden Konferenztagen häufig bemühte, inzwischen weltberühmte historische Unterscheidung zwischen liberalen, politischen und sozialen Rechten, für die Dahrendorfs britischer Doktorvater T. H. Marshall ursprünglich verantwortlich zeichnet, identifizierte Keane einen primär ökologisch operierenden Staat, der sich weniger durch die dominante Ideologie bürgerschaftlicher Freiheitsrechte, sondern durch sein totales Vertrauen in die Vorhersagekraft naturwissenschaftlicher Prognosen auszeichne. Dieser neue Totalitarismus, der eigentlich ein Technokratismus ist, bedrohe auch die letzte Bastion der liberalen Rechte.
Zudem war Keane einer der wenigen Diskutanten und Kommentatoren dieser Tagung, der Grundprobleme des Liberalismus offensiv zur Sprache brachte – also die von Timothy Garton Ash geforderte liberale Selbstkritik mit Leben füllte. Ganz im Sinne seines Doktorvaters C. B. Macpherson erinnerte Keane daran, dass der klassische, auf besitzindividualistischen Voraussetzungen gebaute Liberalismus des 18. und 19. Jahrhunderts eine Trennung politischer von ökonomischen Fragen überhaupt nicht kenne.[13] Ob das politökonomische Fundament des Liberalismus im Übergang vom Konkurrenz- zum Monopolkapitalismus im frühen 20. Jahrhundert längst ins Rutschen geraten sei, inwiefern der gerade von Dahrendorf selbst praktizierte Sozialliberalismus folglich auf inzwischen tönern gewordenen Füßen moderner Wohlfahrtsstaatlichkeit ruhte und ob eine Analyse antiliberaler Theorie und Praxis ohne ein politikökonomisches Fundament überhaupt zu leisten sei[14] – all diese wichtigen Fragen, die Keane aufgeworfen hatte, wurden im weiteren Verlauf der Tagung leider nur selten kritisch vertieft.
Das zweite Panel widmete sich dem Thema „Zivilgesellschaft heute“. Eröffnet wurde es mit dem zweiten Podiumsbeitrag John Keanes, der kritisch eine enge Wahlverwandtschaft zwischen Zivilgesellschaft und einem sich staatlichen Zugriffen entziehenden Neoliberalismus konstatierte. Wiederholt hoben die Vorträge und Diskussionsbeiträge dieses Panels Unschärfen und Unklarheiten des Begriffs „Zivilgesellschaft“ hervor. Die Vermutung, dass „Zivilgesellschaft“ sogar als ein Gegenbegriff zur (vermeintlich) staatszentrierten Hegel’schen „bürgerlichen“ Gesellschaft zu verstehen ist, leuchtet mit Blick auf Dahrendorf und Popper ein.[15] Während etwa der in der Tradition von Marx stehende Antonio Gramsci stets von dem um die Zivilgesellschaft erweiterten Staat gesprochen hatte,[16] versteht Dahrendorf unter Zivilgesellschaft „Ligaturen“, die eher polyzentrisch und horizontal strukturierten Netzwerken gleichen und dem Zugriff direkter staatlicher Gewalt entzogen bleiben.[17]
Mit Blick auf die osteuropäischen politischen Transformationen während der letzten drei Jahrzehnte erinnerte die Budapester Politikwissenschaftlerin KRISZTINA ARATÓ (Eötvös-Loránd-Universität) schließlich an Dahrendorfs Diktum, der Aufbau einer Verfassung benötige sechs Monate, eine Reform der Ökonomie sechs Jahre, die feste Verankerung einer Zivilgesellschaft in der politischen Kultur hingegen mindestens sechzig Jahre.[18] Dass die liberale Differenzierung von Staat und Zivilgesellschaft gerade in Osteuropa zur Zielscheibe genuin antiliberaler Übergriffe geworden sei, belegten nicht zuletzt Scheinzivilorganisationen, wie sie von der ungarischen Fides-Partei initiiert wurden und weiterhin kontrolliert werden.
In seinem Kommentar brachte der Heidelberger Soziologe HELMUT K. ANHEIER den Begriff der „Zivilgesellschaft“ in direkten Zusammenhang mit dem in den Vereinigten Staaten weit verbreiteten non profit sharing-Sektor. Er verwies etwa auf die Wichtigkeit von nach US-amerikanischem Vorbild gegründeten Stiftungen für die Konstitution zivilgesellschaftlicher Zusammenhänge in Osteuropa – ein Aspekt, der auch in den Überlegungen Dahrendorfs unter dem Stichwort „Teilhaber-Ökonomie (‚stakeholder economy‘)“[19] auftaucht. Gleichzeitig betonte Anheier die Dialektik des Erfolges zivilgesellschaftlicher Organisationen. Dort, wo sie – wie etwa die Stiftungen des ungarisch-amerikanischen Philanthropen George Soros – nicht in direkte Opposition zu herrschenden Mächten geraten, würden einst graswurzelbewegte NGOs und non profit-Organisationen häufig vom Staat „kannibalisiert“ – sie verwandeln sich mit anderen Worten in pressure- oder Lobbygruppen, die ihre Ansprüche und Bedürfnisse nicht mehr in regierungsfernen Assoziationen austarieren, sondern gleich und direkt an den Staat herantragen.
Den Abschluss des ersten Konferenztages bildete das Conference-Dinner im gleich neben dem Brandenburger Tor gelegenen Max Liebermann-Haus. Als nicht-kulinarischer Höhepunkt des Abends war eine Ansprache des ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert angekündigt. Geraten solche Auftritte amtierender oder vormaliger politischer Prominenz nicht selten zu peinlichen Pflichtübungen, über die Tagungsberichte besser dezent hinweg gehen sollten, so erwies sich Lammert, der seine Reden – wie Wolfgang Merkel in seiner Moderation ausdrücklich betonte – tatsächlich noch selbst verfasse, als eine ausgesprochen kluge Wahl. Der Christdemokrat lieferte eine bemerkenswert konzise Rekonstruktion eines nur wenig bekannten Beitrags Dahrendorfs zu den sozialen Konsequenzen der Globalisierung: Mit der spätestens in den 1990er-Jahren virulent werdenden ‚Befreiung‘ des kapitalistischen Weltmarktes aus den regulatorischen Zugriffen nationalstaatlicher Einhegung habe sich, so Dahrendorfs These, die Integration der für den modernen Wohlfahrtsstaat konstitutiven Werte von Freiheit, Solidarität und Wohlstand immer mehr als „Quadratur des Kreises“ herausgestellt.[20] Wie Lammert nun in tief pessimistischer Einschätzung der gegenwärtigen Lage festhielt, stehe man Dahrendorfs Feststellung zufolge gewissermaßen vor der Wahl, entweder Freiheit und Wohlstand auf Kosten der Solidarität zu institutionalisieren (das angloamerikanische Modell) oder ganz auf Solidarität und Freiheit zu setzen, um dafür geringere ökonomische Wachstumsraten in Kauf nehmen zu müssen (das deutsche Modell). Die dritte Variante festigt schließlich zwar Solidarität und Wohlstand, tut dies freilich zu Ungunsten der Freiheit (das asiatische Modell). In der anschließenden Diskussion sprach sich Lammert entschieden für das unter zeitgenössischen Globalisierungsbedingungen stark gefährdete „Modell Deutschland“ aus, was ihm die ausdrückliche, gewissermaßen überparteiliche Zustimmung der ebenfalls anwesenden Sozialdemokratin Gesine Schwan eintrug. Ob sich Dahrendorf selbst in diese spontan geschmiedete Große Koalition hätte einreihen wollen, blieb an diesem Abend eine offene Frage. Es ist allerdings zu vermuten, dass er seine weltpolitische Lageeinschätzung heute wohl relativieren würde, stammt sie doch aus einer Zeit, in der sich das „Modell Deutschland“ noch nicht gravierend durch die Arbeitsmarktreformen der Schröder-Regierung transformiert fand.[21]
Der zweite Konferenztag begann mit einem Panel zur gegenwärtigen Situation in Osteuropa. Die Frage, ob der vermeintlich hoffnungsvolle Beginn des Jahres 1989 mittlerweile nicht in einen „illiberalen Sonderweg“ umgeschlagen sei, stand zur Debatte. Den Auftakt machte ein Beitrag IVAN KRASTEVS vom Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM), der gleich eingangs Bertold Brechts Gedicht Die Lösung zitierte,[22] das anlässlich der Niederschlagung des Volksaufstandes in der DDR im Jahre 1953 zu Papier gebracht worden war. Brechts zynisch-ironischer Vorschlag, die Regierung möge doch einfach das Volk auflösen und sich ein anderes wählen, sei in den meisten osteuropäischen Staaten, so Krastev, längst bittere Realität geworden. Entgegen des gängigen Vorurteils, Osteuropa kenne nur wenig Migration, müsse von massiven demografischen Verschiebungen gesprochen werden, die einer direkten Kontrolle und Regulation durch autoritäre politische Regierungen unterlägen. Krastev skizzierte eine nach Westen ausgerichtete Migration junger Menschen, die in ihren jeweiligen Aufnahmeländern gern gesehene, oft günstige Arbeitskräfte seien, gleichzeitig jedoch keinerlei Aussicht auf den Erwerb voller staatsbürgerlicher Rechte besäßen. Dies sei durchaus im Sinne autoritär-populistisch agierender Regierungen, die ihre Wählerbasis tendenziell aus älteren Bevölkerungsschichten und ländlichen Milieus rekrutierten. Eine illiberale Politik beschleunige so zum Teil ganz bewusst den Exodus junger, gebildeter Bevölkerungsschichten, die durch migrantische Arbeitskräfte ohne Staatsbürger- und damit verbundene politische Wahlrechte ersetzt würden.
Während sich der anschließende Vortrag von KATHARINA BLUHM (FU Berlin) darum bemühte, die Frage des illiberalen Sonderweges mit zeitgenössischen Erscheinungsformen des Neoliberalismus zu kontextualisieren, ging RADOSLAW MARKOWSKI von der Hochschule für Sozialpsychologie in Warschau speziell auf die Situation in Polen ein. Die aktuellen illiberalen Tendenzen dort seien gerade nicht als Ausfluss wirtschaftlicher Ungleichheiten oder Unsicherheiten zu interpretieren, die zuletzt tendenziell sogar abgenommen hätten. Dafür verantwortlich sei vielmehr eine genuin polnische Erscheinung, die Markowski auf den Namen „homo katholicus“ taufte. Die machtvolle Verbindung von Kirche und Staat in Polen müsse als ein „autoritärer Klientelismus“ verstanden werden, der nicht auf das Volk als solches, sondern auf zum Teil sozial differenzierte Bevölkerungsgruppen ziele – politische Macht also gerade nicht durch eine Zusammenführung, sondern durch ein Spaltung des Demos sichere.
Es war wiederum John Keane vorbehalten, in der Diskussion auf ein massives Problem des Liberalismus im postkommunistischen Europa hinzuweisen. Dieser habe auch deshalb die falschen Antworten auf die Fragen ethnisch heterogen zusammengesetzter Länder in Mittel- und Osteuropa gegeben, weil er seine Ambitionen, die Kräfte der jeweiligen Zivilgesellschaften zu stärken, stets an eine Programmatik „nationaler Reinigung“ („national purification“) gebunden habe. Keanes Punkt ergänzend, ließe sich hinzufügen, dass die Liberalisierung postkommunistischer Länder die bereits im real-existierenden Sozialismus ungelöste nationale Frage neuerlich verschärft hat, womit diese politischen Gemeinwesen womöglich erst für „illiberale Sonderwege“ empfänglich wurden.
Einen Ausgangspunkt für das vierte Konferenzpanel zum Thema „Europäische Demokratie und Integration“ bot nicht zuletzt Dahrendorfs eigene, widersprüchliche Doppelrolle als Mitglied der europäischen Kommission und Kritiker des europäischen Demokratie- und Partizipationsdefizits. In seiner Anmoderation verwies CHRISTIAN RAUH (WZB) auf zwei Beiträge in der Wochenzeitung Die Zeit aus dem Jahre 1971, in denen Dahrendorf noch während seiner Brüsseler Zeit unter dem Pseudonym Wieland Europa die europäischen Instituten als „bürokratischen Leviathan“ kritisiert und die Forderung nach einem „zweiten Europa“ ohne „Harmonisierungswahn“ erhoben hatte.[23]
Der anschließende Vortrag von KALYPSO NICOLAÏDIS (University of Oxford) versuchte den von Dahrendorf formulierten Anspruch einer bürgergesellschaftlichen Reorganisation der europäischen Integration zu aktualisieren. Was Nicolaïdis dabei unter dem Oberbegriff „demoicrazy“ diskutierte, ähnelte in vielen Punkten den bereits vor rund zehn Jahren formulierten Überlegungen von Jürgen Habermas zur Frage eines europäischen Verfassungsvertrages.[24] Wie Habermas ging Nicolaïdis nämlich davon aus, dass es die europäische Integration nicht nur mit einem noch zu konstituierenden Demos, sondern mit einer Reihe von bereits konstituierten politischen Gemeinschaften zu tun habe. Den Sozialphilosophen hatte diese Feststellung zu der Konsequenz geführt, dass als konstituierende Subjekte einer europäischen Verfassung keineswegs nur Staaten, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger miteinzubeziehen seien. Man kann sich deshalb durchaus die Frage stellen, ob eine solche – streng genommen – asymmetrische Gründungssituation dem liberaldemokratischen Postulat, wonach ausschließlich die Bürgerinnen und Bürger Autoren wie Adressaten ihrer eigenen Rechte sein sollen,[25] nicht widerspricht, also die Möglichkeit einer nichtliberalen Begründung von Demokratie zulässt – und damit die demokratietheoretische Tradition von Kant bis Popper, auf die sich Dahrendorf mit einer gewissen Emphase bezieht, streng genommen dementiert.
Der zweite Beitrag von Helmut K. Anheier griff das von Norbert Lammert am Vorabend eindrucksvoll referierte „Trilemma“ aus Freiheit, Demokratie und Wohlstand auf. Auf der Grundlage empirischer Befunde zeigte Anheier, inwiefern sich dieses Problem angesichts der gegenwärtigen Situation im globalisierten Europa noch zusätzlich verkompliziere – ein Punkt, den der Politikwissenschaftler MICHAEL ZÜRN (WZB) in seinem Panel-Kommentar aufnahm, um mit Blick auf die europäische Integration die Komplexität des globalen Mehr-Ebenen-Regierens zu erörtern.
In ihrem letzten Teil widmete sich die Konferenz unter dem Titel „Bildung ist Bürgerrecht“ schließlich einer von Dahrendorf bereits Mitte der 1960er-Jahre diskutierten Problematik, der er seinerzeit ein vielbeachtetes Buch gewidmet hatte.[26] Ausgehend von seinen Überlegungen zum Komplex der von ihm sogenannten „Lebenschancen“[27] in modernen Gesellschaften erörterte CLAUDIA BUCHMANN (Ohio State University) die Praxis der affirmative action in den USA – also die normative Frage, inwiefern gleiche Bildungschancen mit gleichen Standards einhergehen müssten. BARBARA ISCHINGER, ehemalige Bildungsdirektorin der OECD in Paris, die derzeit unter anderem kommissarisch im Stiftungsrat der Universität Göttingen tätig ist, spannte einen weiten Bogen von den Hochschul- und Bildungsreformen der 1960er-Jahre zu den von ihr mitverantworteten Pisa-Reformen zu Beginn des 20. Jahrhunderts und erinnerte in diesem Zusammenhang an ihre gemeinsame Tätigkeit mit Dahrendorf in der Zukunftskommission des Landes Nordrheinwestfalen während der Jahre 2008 und 2009. In ihrem resümierenden Fazit griff Jutta Allmendinger schließlich die Formel „Bildung ist Bürgerrecht“ auf, um die mangelnde Durchlässigkeit von Bildungsmilieus in der heutigen Bundesrepublik zu problematisieren. Allmendingers unmissverständliche Vereinnahmung Dahrendorfs für akzentuiert sozialdemokratische Gerechtigkeitsforderungen blieb in der anschließenden Diskussion allerdings nicht unwidersprochen. So stellte etwa DIETER GOSEWINKEL (WZB) zu Recht die Frage, ob Bildung bei dem Sozialliberalen Dahrendorf eigentlich als ein soziales oder liberales Bürgerrecht fungiere. Für letztere Lesart spricht, dass sich Dahrendorf in der Regel gegen die Nivellierung von Bildungsstandards ausgesprochen und stattdessen deren Anhebung favorisiert hat, was offenkundig keinen Einspruch gegen sich deutlich formierende Unterschiede im Rahmen garantierter Chancengleichheit darstellt.[28]
Am Ende der Konferenz und dieses Konferenzberichts angekommen, bleibt zu erwägen, welche wichtigen Fragen denn nicht gestellt wurden. Während die Themen Demokratie und Zivilgesellschaft zumal mit Blick auf die Verhältnisse in Osteuropa intensiv erörtert wurden, war es doch erstaunlich, dass die jüngsten politischen Ereignisse in Großbritannien zwar allenthalben in den Diskussionsrunden und Flurgesprächen einer international ausgerichteten Veranstaltung mit starkem britischen Akzent stets präsent waren, im eigentlichen Tagungsprogramm jedoch völlig fehlten. Ein Panel zur Situation der Demokratie in Großbritannien wäre allein deshalb fällig gewesen, weil Dahrendorf Mitglied des House of Lords war, in dem sich zuletzt ein ja durchaus bemerkenswerter Widerstand gegen den Brexit-Kurs der konservativen Regierung regte.
Dass er mit vielen Briten grundsätzliche Zweifel am europäischen Projekt teilte, daraus hat Dahrendorf nie ein Hehl gemacht. Dementsprechend hielt er sich zwar nicht für einen Europa-Skeptiker, jedoch für einen „skeptischen Europäer“.[29] In seinen Augen war die Europäische Union kaum mehr als ein ‚Not- und Verstandesstaat‘ im Hegel’schen Sinne, jedenfalls kein genuin demokratisch verfasstes Projekt transnationaler Integration. Die Wurzeln der Demokratie suchte Dahrendorf demgegenüber in den jeweiligen Mitgliedsländern und fand sie insbesondere in Großbritannien. Die für die ‚Zivilisierung‘ zumal der osteuropäischen Gesellschaften unabdingbaren „Ligaturen“ waren für Dahrendorf geradezu paradigmatisch in der britischen Zivilgesellschaft greifbar. Das besondere Merkmal der britischen politischen Kultur identifizierte er in der ihr eigenen ebenso rationalen wie pragmatischen Tradition, die es ermöglichte, soziale Konflikte einer produktiven Moderation und Kompromissbildung zuzuführen, bevor sie überhaupt nach staatlicher Intervention verlangen.[30] Ein für eine zivile Kultur fruchtbarer Konflikt, den die beteiligten sozialen Gruppen einzuhegen vermochten, konnte sich so niemals zu dem Typ antagonistischer Auseinandersetzung entwickeln, der kennzeichnend für kontinentaleuropäische Konfliktintensitäten gewesen war.
Bereits in einem 1982 veröffentlichten Länderbericht verteidigte Dahrendorf das britische Modell ausdrücklich gegen einen sich nach der Wahl von Ronald Reagan und Margaret Thatcher immer klarer konturierenden, wirtschaftlichen Neoliberalismus. Während die Premierministerin Thatcher in diesem Bericht allenfalls eine Nebenrolle spielte, diskutierte Dahrendorf mit sicherem Gespür für ihre Relevanz die ‚marktradikalen‘ Wirtschaftstheorien Friedrich von Hayeks, Milton Friedmans und Arthur Laffers, die zu diesem Zeitpunkt bereits mit Nobelpreisen dekoriert waren. Die Formel, Steuersenkungen begünstigten private Investitionen, hielt Dahrendorf bestenfalls mit Blick auf die Vereinigten Staaten von Amerika für plausibel. Mithin attestierte er der ‚neukonservativen‘ Wirtschaftstheorie „a short life in political practice“.[31]
Dahrendorfs gründliche Fehleinschätzung, sein fataler historischer Irrtum, wiegt umso schwerer, als sich damals bereits eine Analyse des Thatcherismus finden ließ, die ihm alle Facetten eines heute etwa in Osteuropa zu beobachtenden autoritären Populismus zuschrieb. So diskutierte Stuart Hall in einem 1979 veröffentlichten Artikel – erschienen war der Text in Marxism Today, einer Zeitschrift, die Dahrendorf unter ‚Ideologieverdacht‘ gestellt hatte – den Thatcherismus mitsamt der ihm zugehörigen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Weichenstellungen als eine das britische System der Kompromissbildung aushebelnde Bewegungsform, die auf eine direkte Transformation der Staatsapparate ziele.[32]
Sucht man nach den Gründen dafür, dass sich in Großbritannien seit den späten 1970er-Jahren ein Umbau von Staat, Gesellschaft und Industrie vollziehen konnte, gegen den sich die in Westdeutschland etwa gleichzeitig ausgerufene ‚geistig-moralische Wende‘ wie ein laues Lüftchen ausnimmt, so geraten fast zwangsläufig die von Dahrendorf positiv hervorgehobenen zivilgesellschaftlichen Strukturen in den Blick. Bereits im Jahre 1968 beschäftigte den britischen Historiker Perry Anderson in der New Left Review die Frage, wie das Ausbleiben einer Soziologie in Großbritannien soziologisch zu erklären sei, gab es zu dieser Zeit doch weder in Cambridge noch in Oxford Lehrstühle für Sozialwissenschaft. Anderson entfaltete eine mit Dahrendorf in zentralen Punkten übereinstimmende Analyse der britischen Gesellschaft, die er als eine politische Kultur beschrieb, die auf vorpolitische Kompromissbildung abstellte, folglich – „mittelmäßig und schwerfällig“ – jede „ernsthafte sozialistische Bewegung“ blockiert habe.[33] Sie verfüge damit weder über politische Erfahrungen noch über institutionelle Sicherungen gegen soziale Bewegungen, die fundamentale politische Transformationen anstreben. Fast schon neidisch blickte Anderson mit seiner Behauptung über den Ärmelkanal, die großen Soziologietraditionen Frankreichs und Deutschlands seien nur „als eine bürgerliche Gegenreaktion auf den Marxismus“[34] verständlich.
Vielleicht sollte an dieser Stelle die alte englische Lebensweisheit genügen, der zufolge das Gras auf der anderen Seite des Zauns stets grüner grüne? Dann wäre der Hinweis ausreichend, dass wir es jeweils mit Außenansichten eines britischen Marxisten beziehungsweise eines deutschen Liberalen zu tun haben, die sich beide auf ihrer Suche nach dem gelobten Land in die Fremde begeben. Allerdings verdeutlichte die Berliner Tagung mit wünschenswerter Klarheit, dass die Lage des zeitgenössischen Liberalismus zu ernst ist, um sich mit derartigen Injektionen wissenssoziologischen Relativismus’ sedieren zu lassen. Die von Timothy Garton Ash eingangs geforderte liberale Selbstkritik müsste in der Tat damit beginnen, den Liberalismus zu kritisieren. Für den von Dahrendorf in Theorie und Praxis vorgelebten Sozialliberalismus könnte dieses Exerzitium mit der durchaus schmerzhaften Einsicht einhergehen, dass die notorisch beschworene Differenz zwischen einem ‚guten‘ politischen Liberalismus, der sich in einer Linie mit Popper als ein Verfahren experimenteller Demokratie zu bewähren vermag, und dem ‚schlechten‘ ökonomischen Neoliberalismus in der Linie von Hayek-Friedman-Laffer nur im Lichte der relativ gleichen Lebensverhältnisse des keynesianistischen Wohlfahrtsstaats überzeugen konnte, unter denen ein Großteil von Dahrendorfs Schreiben und Wirken stattfand. Nachdem sich der Liberalismus jedoch von einer im Schatten des Leviathans wirkenden, im Grunde vorpolitischen Kraft zu einer auf die wirtschaftliche und soziale Transformation von Gemeinwesen selbst abzielenden, globalen politischen Bewegung gewandelt hat, stellt sich die Frage nach einem „autoritären Liberalismus“ mehr denn je[35] – zu überlegen wäre also, ob und inwiefern wir es heute mit einem ‚illiberalen Sonderweg‘ des Liberalismus zu tun haben, das heißt mit Fleisch von seinem Fleische.
Fußnoten
- Vgl. Jürgen Habermas, Auch eine Geschichte der Philosophie, 2 Bd., Berlin 2019.
- Jürgen Habermas, Rationalität aus Leidenschaft. Ralf Dahrendorf zum 80. Geburtstag, In: ders., Im Sog der Technokratie. Kleine Politische Schriften XII, Frankfurt am Main 2013, S. 161–165, hier S. 162.
- Ebd.
- Vgl. Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1965.
- Ralf Dahrendorf, Die angewandte Aufklärung. Gesellschaft und Demokratie in Amerika, München 1963.
- Habermas, Rationalität aus Leidenschaft, S. 164.
- Vgl. Helmut Schelsky, Die skeptische Generation. Eine Soziologie der deutschen Jugend, Düsseldorf 1957.
- Vgl. Franziska Meifort, Ralf Dahrendorf. Eine Biographie, München 2017, S. 29 ff.
- Vgl. Helmut Schelsky, Der Mensch in der wissenschaftlichen Zivilisation, in: ders., Auf der Suche nach Wirklichkeit. Gesammelte Aufsätze zur Soziologie der Bundesrepublik, München 1979, S. 449–499.
- Zu Dahrendorf und Schelsky vgl. Gerhard Schäfer, Der Nationalsozialismus und die soziologischen Akteure der Nachkriegszeit: am Beispiel Helmut Schelskys und Ralf Dahrendorfs, in: Michaela Christ / Maja Suderland (Hg.), Soziologie und Nationalsozialismus. Positionen, Debatten, Perspektiven, Berlin 2014, S. 119–161.
- Ralf Dahrendorf, Die Krisen der Demokratie. Ein Gespräch mit Antonio Polito, München 2002, S. 21.
- Vgl. C. Wright Mills, Die Machtelite, Frankfurt am Main 2019.
- Vgl. Crawford B. Macpherson, Politische Theorie des Besitzindividualismus. Von Hobbes bis Locke, Frankfurt am Main 1967.
- Vgl. Philip Manow, Die politische Ökonomie des Populismus, Berlin 2018.
- Vgl. Karl R. Popper, Falsche Propheten. Hegel, Marx und die Folgen. Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd. II, Bern 1958.
- Vgl. Robert W. Cox, Gramsci, Hegemony and International Relations: An Essay in Method. In: Millenium. Journal of International Studies 12 (1983), 2, S. 126–155.
- Dahrendorf selbst präferierte den ins Englische als civil society nur unpräzise zu übersetzenden Begriff der „Bürgergesellschaft“: „Der Begriff ‚Bürgergesellschaft‘ [im englischen Original: civil society, Anm. O.R.] ist weniger präzis als ein Hinweis etwa darauf, daß die Menschen in dieser Gesellschaft zivilisiert miteinander umgehen oder daß ihre Mitglieder den Status von Bürgern haben. Die Kernbedeutung des Begriffs ist indes sehr präzis. ‚Bürgergesellschaft‘ beschreibt die Assoziationen, in denen wir leben und die aus unseren Bedürfnissen heraus und auf unsere Initiative entstanden sind, nicht von Staats wegen.“ Ralf Dahrendorf, Die Quadratur des Kreises. Freiheit, Solidarität und Wohlstand, in: Transit 12 (1996), 2, S. 5–28, hier S. 14 f.
- Vgl. Ralf Dahrendorf, Über die Revolution in Europa in einem Brief, der an einen Herrn in Warschau gerichtet ist, Stuttgart 1991.
- Dahrendorf, Die Quadratur des Kreises, S. 27.
- Vgl. ebd.
- Vgl. hierzu bereits Ralf Dahrendorf, Ein neuer dritter Weg? Reformpolitik am Ende des 20. Jahrhunderts, Tübingen 1999.
- Vgl. Berthold Brecht, Gesammelte Gedichte. Bd. 3, Frankfurt am Main 1976, S. 1009 f.
- Vgl. Meifort, Ralf Dahrendorf, S. 193.
- Vgl. Jürgen Habermas, Zur Verfassung Europas. Ein Essay, Berlin 2011.
- Vgl. hierzu insbesondere Jürgen Habermas, Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, Frankfurt am Main 1992 sowie Ingeborg Maus, Zur Aufklärung der Demokratietheorie. Rechts- und demokratietheoretische Überlegungen im Anschluß an Kant, Frankfurt am Main 1994.
- Vgl. Ralf Dahrendorf, Bildung ist Bürgerrecht. Ein Plädoyer für eine aktive Bildungspolitik, Hamburg 1965.
- Vgl. Ralf Dahrendorf, Lebenschancen. Anläufe zur politischen und sozialen Theorie, Frankfurt am Main 1979.
- Beim Frankfurter Soziologiekongress im Jahre 1968 verstrickte sich Dahrendorf bekanntlich in eine folgenreiche Auseinandersetzung mit Theodor W. Adorno und führenden Vertretern des SDS. Den emanzipatorischen Forderungen der Studentenbewegung hielt er folgende Fragen entgegen: „Ist es eigentlich wünschenswert, daß jede Herrschaft von Menschen über Menschen abgeschafft wird? Könnte es nicht sein, daß Herrschaft in menschlichen Gesellschaften eine bedeutende Produktivkraft ist, die zwar gebändigt werden muß, aber auch Veränderungen erlaubt?“ Ralf Dahrendorf, Herrschaft, Klassenverhältnis und Schichtung, in: Theodor W. Adorno (Hg.), Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft? Verhandlungen des 16. Deutschen Soziologentages vom 8. bis 11. April 1968 in Frankfurt/M., Stuttgart 1969. Dahrendorfs eigene Macht- und Herrschaftskonzeption basiert auf einer Theorie der positionalen Rollendifferenzierung in der Tradition Georg Simmels, die Verhältnisse von Überordnung und Unterordnung in ausdifferenzierten sozialen Handlungsbereichen als eine wesentliche Funktion von sozialer Integration begreift. Vgl. Ralf Dahrendorf, Homo Sociologicus. Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle, Köln 1959.
- Dahrendorf, Die Krisen der Demokratie, S. 46.
- Dahrendorf spricht, was sein eigenes Verständnis einer Bürgergesellschaft anlangt, von einem „Netzwerk von Tätigkeiten und Assoziationen, die nicht eigentlich politisch oder parteiisch sind“. Ders., Die Krisen der Demokratie, S. 93.
- Ralf Dahrendorf, On Britain, Chicago, IL 1982, S. 165.
- Vgl. Stuart Hall, The Great Moving Right Show, in: Marxism Today 1979 (1), S. 14–20.
- Perry Anderson, Großbritannien: Soziologische Gründe für das Ausbleiben der Soziologie, in: Wolf Lepenies (Hg.), Geschichte der Soziologie. Studien zur kognitiven, sozialen und historischen Identität eine Disziplin, Bd. 3, Frankfurt am Main 1981, S. 413–442, hier S. 414.
- Ebd., S. 421.
- Vgl. Grégoire Chamayou, Die unregierbare Gesellschaft. Eine Genealogie des autoritären Liberalismus, Berlin 2019.
Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Martin Bauer.
Kategorien: Politische Theorie und Ideengeschichte Geschichte der Sozialwissenschaften Gesellschaftstheorie
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