Reinhard Mehring | Essay |

Der letzte Kulturprotestant

Wilhelm Hennis zum 100. Geburtstag

„Um Politikwissenschaftler zu werden“, sagte Wilhelm Hennis (1923–2012) einmal, müsse man „die Politik nicht lieben“. Es genüge, sie „ernst und wichtig“ zu nehmen. Um sich ihr jedoch mit der gebotenen Sorgfalt zu widmen, müsse man zudem „auch die intellektuellen Werkzeuge, das Organon, in sich entwickeln, die zur wissenschaftlichen Erfassung und Betrachtung der politischen Dinge befähigen“. An beidem, am nötigen Ernst wie auch an der intellektuellen Befähigung, hat es ihm selbst nicht gefehlt.

1967 als Nachfolger Arnold Bergsträssers auf den Lehrstuhl für Politische Theorie an der Universität Freiburg berufen, gehörte Hennis nicht zu den Gründervätern, sondern zur sogenannten zweiten Generation der Politikwissenschaft in der Bundesrepublik. Und auch wenn er nicht schulbildend wirkte, sondern ein Solitär blieb, prägte er sowohl die Debatten um das wissenschaftliche Selbstverständnis des Faches als auch diejenigen um das politische Selbstverständnis der Bonner Republik über viele Jahre entscheidend mit. Dass seine Stimme gehört wurde, lag nicht nur an seinem leidenschaftlichen, bisweilen aufbrausenden Temperament und seinem ausgeprägten, alle Register bis hin zur ätzenden Polemik beherrschenden rhetorischen Talent; es lag auch und vor allem daran, dass er sein Fach, die Politikwissenschaft, in praktischer Absicht betrieb und sowohl in beratender als auch in kritischer Funktion immer wieder in das politische Geschehen intervenierte.

Hennis war um klare Worte und starke Werturteile nie verlegen. In den gesellschaftlichen ebenso wie in den akademischen Debatten der Bundesrepublik war sein Platz oft zwischen allen Stühlen. Mit den Genossen von der SPD, der er von 1946 bis 1958 und noch einmal von 1962 bis 1969 angehörte, lag er ebenso oft über Kreuz wie mit den späteren Parteifreunden von der CDU, in die er 1969 eintrat, ohne in ihr heimisch zu werden. Und so entschieden er die Studentenbewegung und ihre Vorstellungen einer radikalen Demokratisierung der Gesellschaft ablehnte, so vehement wandte er sich gegen die Auswüchse des modernen Parteienstaats. Mit den Protagonisten eines empirisch-sozialwissenschaftlichen Ansatzes hatte er ebenso seine Differenzen wie mit den Vertretern der Kritischen Theorie. Mit Jürgen Habermas etwa lieferte er sich 1975 eine denkwürdige Auseinandersetzung auf dem Kongress der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft in Duisburg.

Methodisch verortete sich Hennis in der aristotelischen Tradition der Politik, um deren Rekonstruktion und Wiederbelebung er sich bemühte. Noch wichtiger für die Art und Weise, wie er Politikwissenschaft als Beruf betrieb, war für Hennis aber nach eigener Auskunft „die Zeit bis zum 8. Mai 1945“. Die aristotelische Frage nach dem guten Leben konzentrierte sich für ihn in erster Linie auf „die Frage, wie man eine halbwegs erträgliche Ordnung erhalten, den Absturz in ein Gewaltsystem verhindern kann“ – eine Frage, die in einer Demokratie nie an Aktualität verliert, auch wenn sie manchmal in Vergessenheit gerät.

Am 18. Februar 2023 wäre Wilhelm Hennis hundert Jahre alt geworden. Reinhard Mehring nimmt dieses Jubiläum zum Anlass, um in einem Essay an Leben und Werk seines akademischen Lehrers zu erinnern. Dafür sei ihm an dieser Stelle herzlich gedankt. – Die Red.

 

I.

Es könnte verwundern, dass ein soziologisches Fachportal an den 100. Geburtstag des 2012 verstorbenen Politikwissenschaftlers Wilhelm Hennis erinnert. Zwar publizierte Hennis drei Bücher – eigentlich Aufsatzsammlungen – über Max Weber;[1] er verstand sich aber dezidiert als Politikwissenschaftler und „Anti-Soziologe“. Am 18. Februar 1923 in Hildesheim geboren, im 2. Weltkrieg U-Boot-Leutnant, studierte er nach 1945 in Göttingen Rechtswissenschaft und wurde ein enger Schüler von Rudolf Smend, der vor 1933 ein Hauptvertreter im sogenannten Richtungsstreit der Weimarer Staatsrechtslehre gewesen war und als Gegner des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik schuldbildend wirkte. Nach der Promotion 1951 arbeitete Hennis einige Zeit als Assistent im Bundestag und wurde dann Assistent bei dem SPD-Spitzenpolitiker Carlo Schmid in Frankfurt am Main. 1959 habilitierte er sich an der Frankfurter Universität mit der grundlegenden Arbeit Politik und praktische Philosophie, die im Verfahren, gerade bei den dortigen Soziologen, zwar umstritten war,[2] aber – 1963 publiziert – als Programmschrift zur „normativen“ und philosophischen Ausrichtung des jungen Faches stark wirkte. 1960 wurde Hennis bereits als Professor für Politikwissenschaft an die Pädagogische Hochschule Hannover berufen; 1962 wechselte er nach Hamburg, 1967 dann nach Freiburg, was er der Universität wie der Stadt wegen zwar stets bejahte, mitunter aber auch bedauerte, weil ihm die Hamburger Politik- und Regierungsnähe dort fehlte. Stets optierte Hennis für die Politik als „praktische Wissenschaft“ und für eine interventionistische, in die politische Öffentlichkeit und Mitwelt zielende Disziplin. Stets suchte er auch den kommunikativen Umgang mit Spitzenpolitikern. Seit Studientagen stand er vor allem Richard von Weizsäcker persönlich nahe, während er das in den 1980er-Jahren etablierte „System Kohl“ und den Typus seines Namensgebers entschieden ablehnte und verachtete.

Hennis gehörte zur zweiten Generation der Begründer bundesdeutscher Politikwissenschaft; in den 1960er-Jahren stand er im Zentrum des Faches. Linke marxistische und kadermarxistische Radikalisierung gerade der Politikwissenschaft nach 1968 lehnte er ab; Hennis engagierte sich im gegenrevolutionären Bund freier Wissenschaft, kritisierte den „organisierten Sozialismus“ – gerade in der Auslegungsvariante des einstigen Göttinger Studienfreundes Peter v. Oertzen –,[3] problematisierte die „Regierbarkeit“ der Bundesrepublik und färbte seinen alteuropäischen, angelsächsisch geschulten klassischen Liberalismus und Parlamentarismus konservativ ein. Vehement kritisierte er nun die Entwicklung zum „Parteienstaat“, auch als Wirkung von Gerhard Leibholz` Parteienstaatslehre, und verlegte sich seit den 1980er-Jahren verstärkt auf die Traditionsrekonstruktion in Auseinandersetzung mit Max Weber. Der starken Konzentration auf Weber ging dabei eine Suchbewegung voraus: Hennis schrieb einen Tocqueville-Aufsatz, der als Präludium zur Weber-Deutung gelesen werden kann, und erwog Studien zu Jean-Jacques Rousseau und Carl Schmitt. Die Konzentration auf Weber war zwar seit Studientagen schon durch Smend vorbereitet, erfolgte aber erst in den 1980er-Jahren, nicht zuletzt auch als Parallelaktion zur entstehenden Weber-Gesamtausgabe, deren Fortgang Hennis erst skeptisch, später zustimmend begleitete.

Ein Blick in die Bibliografie[4] zeigt, dass Hennis die kleineren Formate präferierte: den Zeitungsartikel, die Rezension und tagespolitische Intervention, den kritischen Essay und die geschwungene, rhetorisch glänzend verfasste und polemisch pointierte Abhandlung. Dicke Wälzer schrieb er nicht, obgleich er sie durchaus schätzte. Selbst seine Habilitationsschrift trägt kompilatorische und fragmentarische Züge. Dabei wirkte Hennis mit seinem unbändigen, überbordenden Temperament und dem Gewitter der Einfälle und Pointen auf seine Mitwelt stets stark, mitunter streitbar und polarisierend, aber auch mit noblem Takt, Stil und Herz. Gelegentlich verkrachte er sich mit Kollegen. Das Gerücht ging um, dass er seinen Wagen einmal absichtlich gegen die Wand eines benachbarten Instituts gelenkt habe. Es war ihm zuzutrauen! Eine seiner Weber-Studien heißt: „Die ‚Protestantische Ethik‘ – ein ‚überdeterminierter‘ Text?“ Das Fragzeichen ist für Hennis selbst zu streichen: Er agierte stets in voller Fahrt, analytisch wie persönlich, mit starkem emotionalem Engagement auch für seine Schüler, für die er eigentlich immer Zeit fand.

Ich lernte Hennis 1981 als akademischen Lehrer kennen, nahm an seinen Seminaren teil und blieb ihm auch nach seiner Emeritierung und meiner Dissertation (1988) zeitlebens eng verbunden. Rief man ihn an, so meinte er meist: „Kommen Sie vorbei!“ Wann? „Sofort!“ Man saß dann in seinem stilvollen Haus am Freiburger Anemonenweg zum Tee; Frau Hennis, promovierte Kunsthistorikerin, nahm teil, bevor sie in den Garten verschwand. So sehr Hennis mit Weber die zeitgenössischen „Götzen“ ablehnte, so intensiv bejahte er mit seinem Lehrer Smend doch das persönliche Zeugnis und „politische Erlebnis“, mit kulturprotestantischer Note, die Hennis bei aller Skepsis gegen Doktrinen und Dogmen achtete. Seine Präsenz im Gespräch, seine Sprachgewalt, sein Freimut und heiterer, oft auch polemischer Witz waren so stark, dass man erschöpft und bereichert nach Stunden ging. Seine Anregungen wirkten nach. Heute ist er mir so präsent wie je, wie sein Lehrer Smend ihm blieb, von dem Hennis mehr geprägt war, als es auf den ersten Blick scheint.

Mit Smend teilte er eigentlich auch den sparsamen, bedachten Umgang mit dem eigenen Werk. So temperamentvoll Hennis zwischen Skepsis und Zuversicht, Enthusiasmus und Pessimismus oszillierte, so deutlich zerfällt sein Werk doch in eine Zeit des Aufbruchs und der Gründung sowie eine Zeit der Resignation. Das Jahr 1968 markiert dabei eine Wegscheide. Die Zwischensumme Politik als praktische Wissenschaft bündelt die wegweisenden frühen Aufsätze noch mit einer Zuversicht für die parlamentarische Demokratie der Bundesrepublik, die 1973 mit der Sammlung Die missverstandene Demokratie schon mit einigen Fragezeichen versehen wird; alle späteren Publikationen sind dann eher ein Abgesang auf den „Parteienstaat“ und „teleokratischen Programmstaat“ der Bundesrepublik, den technokratischen „Geist des Rationalismus“ und das „Projekt der Moderne“. Wo Hennis in den 1960ern, im Zeichen des „Positivismusstreites“, Politikwissenschaft und praktische Common-Sense-Vernunft noch gegen Soziologismus und Szientismus zu profilieren suchte, wurde ihm der akademische Betrieb der „organisierten“ Politikwissenschaft seit den 1970er-Jahren doch sehr fremd. Der Aufsatz „Tocquevilles ‚Neue Politische Wissenschaft‘“ markiert 1982 dann gleichsam den Ausstieg und Umstieg in die erneute Traditionserinnerung, die Hennis als „Kampf“ um Weber führte.

So temperamentvoll er als Causeur und Redner war, so gewandt er auch mit der Feder focht, so sehr hielt er doch im Alter die Tinte und sorgte für Zusammenfassung, bündige Aussage und Botschaft. Hennis schrieb vor allem für die Mitwelt, die politische „Erziehung“ des Publikums; was bleiben sollte, steht neben den Weber-Büchern vor allem in dem Reclam-Bändchen Auf dem Weg in den Parteienstaat sowie den zwei Bänden Politikwissenschaftliche Abhandlungen, die Hennis selbst publizierte.[5] Es folgten 2003, zum 80. Geburtstag, noch zwei „Nachträge“: die Sammlung Max Weber und Thukydides, die den Deutungskampf um Weber im Spiegel der Begleitmusik der Rezensionen dokumentierte, sowie der Auftakt der juristischen Dissertation Das Problem der Souveränität.[6] Hennis schaute zurück, fand sich aus der Zeit gefallen und sah sich als „unzeitgemäßer“ Denker, Mahner und Pathognostiker, der Politikwissenschaft im weiteren – sokratischen – Sinne als ärztliches Tun begriff: als Diagnose und therapeutischen Versuch am mehr oder weniger untauglichen Subjekt: den „unruhigen“ Deutschen.[7]

Unverstanden blieb er als Autor aber eigentlich nicht; er wirkte vielmehr seit seinen akademischen Anfängen stets stark im Fach wie im weiteren Publikum, wurde mit seiner Biografie auch bereits bei Lebzeiten – von Stephan Schlak – geradezu kongenial erfasst und mit seinem Werk – etwa in einem gewichtigen, von Andreas Anter herausgegebenen Sammelband – profund rekonstruiert. Seine letzten Lebensjahre waren dennoch furchtbar bitter, einsam und tragisch: Auf einer Reise ins geliebte Italien steuerte Hennis seinen Wagen vor der letzten Ausfahrt unverschuldet in einen Unfall; seine Frau verstarb als Beifahrerin, während er selbst fast unverletzt blieb. Dazu kamen diverse Krankheiten und Altersgebrechen. „No sports!“, meinte er öfters: „Wenn ich nicht sitze, liege ich!“ Er wanderte nicht in Freiburger Wäldern, wurde in der Stadt kaum gesichtet, lebte zurückgezogen.

Ein letzter öffentlicher Auftritt erfolgte 2009 auf dem DVPW-Kongress in Kiel; ihm wurde der Eschenburg-Preis verliehen, der später abgeschafft wurde. Hennis schätzte Theodor Eschenburg als Kollegen, hätte nicht jeden Preis angenommen und vielleicht gezögert, wenn ihm der Sachstand und die Bedenken gegen die Umstände von Eschenburgs Wirken in der NS-Zeit damals bekannt gewesen wären.[8] In Kiel hatte ich die Laudatio zu halten und besuchte Hennis zuvor am Nachmittag im Hotelzimmer. Er lag auf dem Bett, klagte über seinen Gesundheitszustand, meinte, er habe es in drei Tagen Kiel nur bis zum Marine-Denkmal Laboe geschafft: Der alte U-Boot-Leutnant wollte seinen gefallenen Kameraden damals noch einmal die Ehre erweisen; sein Überleben war geradezu unwahrscheinlich gewesen, wurde er im Mittelmeer doch gleich dreimal abgeschossen. Die Preisverleihung war eine große, festliche Feier, vor Hunderten von Teilnehmern aus dem Fach und vielen geladenen Gästen. Es ist mir unvergesslich, wie der zierliche alte Hennis die Stufen zum Podium erklomm: unter donnerndem Applaus, wie ein totwunder Fuchs, der seine Gebrechen übertreibt, um dem Auftritt das Pathos letzter Worte und eines Vermächtnisses zu geben. Tatsächlich sind seine anrührenden Dankesworte der letzte Titel in der Bibliografie.[9] Hennis zeigte beim Abschied noch einmal seine ganze Kunst, Präsenz zu erzeugen und das Publikum zu fangen. Viele werden damals gedacht haben, dass sie ihn nicht mehr wiedersehen.

Hennis hatte das schöne Haus im Anemonenweg bereits verkauft und lebte weiter in Freiburg in einer kleinen Wohnung. Er stürzte nun gelegentlich und kam kaum noch auf die Beine. Im Juli 2012 verstarb einer seiner Lieblingsschüler, Christoph Braun, dem er mit väterlicher Sorge angehangen hatte. Hennis war ganz fassungslos über diesen Tod, während er selbst bereits mit einem Bruch im Krankenhaus lag und bald kaum noch ansprechbar war. Einer der letzten Briefe, die er schrieb, ist ein Kondolenzbrief an die Witwe des geliebten Christoph. Eine der wichtigsten Weber-Studien heißt: Max Weber als Erzieher. Das gleichnamige Buch wäre ohne Christophs Hilfe und aufmunternde Zuwendung kaum entstanden; Hennis selbst hat es jedenfalls so gesagt. Er war gewiss kein einfacher Lehrer, beherrschte die ganze Klaviatur der schwarzen, weißen und rosaroten Pädagogik; er konnte knallhart zurechtstutzen und Rosen regnen lassen. Wer es mit ihm aushielt, hat einiges durchgemacht. Als ich nicht mehr so häufig nach Freiburg kam, telefonierten wir regelmäßig. Die Gespräche nahmen einen typischen Verlauf: Man tauschte Informationen aus, klagte und lamentierte über die Lage, frotzelte und witzelte über dies und das und verabschiedete sich am Ende mit dröhnendem Lachen. Hennis war zugewandt und witzig. Über den Wolken wurde er gewiss mit frechen Worten und symphilosophischem Gelächter empfangen.

II.

Wenn für das Werk hier eine pessimistische Wendung nach 1968 konstatiert wird, so ist der Anti-Soziologismus doch eine durchgängige Konstante. Stets hat Hennis auch die Eigenart politikwissenschaftlicher Methodik und Rhetorik gegenüber der Soziologie betont und empirische Sozialforschung ignoriert. Schien er mit seiner Habilitationsschrift zunächst einen Neoaristotelismus zu propagieren und Weber dabei, ähnlich wie Mommsen, als Machtstaatstheoretiker zu kritisieren, verzichtete er später unter Verweis auf Common-Sense-Moral auf jeden normativen Begründungsanspruch und suchte die Profilierung des politikwissenschaftlichen Anspruchs nicht mehr im Feld philosophischer Klassiker, sondern stärker bei Tocqueville und Weber. Dieser Übergang zeigt sich auch im Rekurs auf die Antike: Hennis stellte Weber mit Thukydides zuletzt in die Tradition des machtanalytischen Realismus; Webers Nähe zur neukantianischen Kulturphilosophie marginalisierte er dagegen und rekonstruierte den Traditionsbezug von der Stellung zur Historischen Schule der Nationalökonomie her.[10] Anter verwies dagegen, von Hennis ansonsten stark beeinflusst, mehr auf die juristische Prägung.[11] Es ist erstaunlich, dass Hennis selbst den juristischen Zugang zu Webers normativen Voraussetzungen mied und lieber von Nietzsche sprach.

Die Entstehung der Weber-Studien habe ich seit den frühen 1980er-Jahren aus der Nähe beobachtet und begleitet. Nach ersten Überlegungen zu einer vergleichenden Dissertation zwischen Hegel und Weber, die Religionsphilosophie und Religionssoziologie kontrastieren sollte, entschied ich mich damals dafür, auf eine Weber-Dissertation zu verzichten und stattdessen über Schmitt zu arbeiten, um von Erwartungen und Vorgaben unabhängig zu sein. Hennis’ Weber-Studien haben seit den 1980er-Jahren stark gewirkt: nicht nur auf Freiburger Dissertationen (u. a. von Edith Hanke und Christoph Braun), sondern auch auf etablierte Kollegen wie Laurence Scaff und Stefan Breuer, mit denen Hennis den Austausch suchte. Was von diesen Studien im Detail bleibt, ist hier nicht zu erörtern. Hennis lag vor allem daran, Weber der soziologischen Vereinnahmung zu entreißen und ihn als politischen Denker für die Politikwissenschaft zu reklamieren. Im Deutungskampf verstritt er sich dabei bald mit Friedrich Tenbruck, der ihm im Ansatz durchaus nahestand. Maßlos empörte er sich dann darüber, dass Wolfgang Schluchter plötzlich von „Lebensführung“ sprach, hatte Hennis dieses Schlüsselwort zuvor doch für sich entdeckt.[12] Der Kampf um Weber ließe sich zugespitzt auch als Showdown zwischen Hennis und Schluchter, den „Generalstabschef“ der MWG,[13] um die „Lebensführung“ rekonstruieren.

Die Verfahren rationaler und systematischer Rekonstruktion im Stile von Jürgen Habermas oder Schluchter lehnte Hennis vehement ab; er empfand sie als Formen der Verkennung und Vergewaltigung von Webers eigener „Fragestellung“ und seiner „Wissenschaft vom Menschen“. Dagegen bestand er mit forschem Selbstbewusstsein und Originalitätsanspruch auf initialen Intuitionen und philologisch-hermeneutischen Entdeckungen. In einem späten Interview mit Stephan Schlak meinte er am Ende: „Ich habe mich hier in Freiburg zuletzt auf den Text zurückgezogen, Nietzsche, Max Weber neu gelesen. Im nächsten Leben will ich Philologe werden.“[14] Hier interessiert nicht der Detailertrag, sondern mehr das Anliegen einer Traditionsrekonstruktion, das starke Vorbehalte gegen soziologistischen Positivismus und Szientismus hatte, ja das ganze „Projekt der Moderne“ skeptisch sah. Man wird Hennis schwerlich als dogmatischen Weberianer bezeichnen dürfen; von Webers zentralen Kategorien machte er kaum Gebrauch. Nur die „Legitimität“ hatte er mit und gegen Weber und Habermas in den 1970er-Jahren revidiert; Webers Staatsbegriff kritisierte er früher schon mehr mit Smend. Dessen politisches Denken stand ihm letztlich näher als das Denken Webers. Insoweit hat Hennis seine frühe Weber-Kritik von 1959, seine Ausführungen zum „Problem der deutschen Staatsanschauung“ auch nicht widerrufen, in denen, mit einer Formulierung Ernst-Wolfgang Böckenfördes gegenüber Schmitt, „die Kübel des kontinentalen Irrweges, der in den Nihilismus führt, ausgegossen werden“.[15]

Um der „Rekonstruktion der politischen Wissenschaft“ willen beschrieb Hennis 1963 in seiner Habilitationsschrift den „Abbruch“[16] einer Tradition: die Umstellung von topischer phronesis auf poietisches Herstellen. Am Ende meinte er:

„Die gegenwärtige Lage der politischen Wissenschaft in Deutschland ist eine Folge des einzigartigen Traditionsabbruchs, den sie erlitten hat. Den Begriff von Wissenschaft, der ihrem Gegenstand gemäß ist, hat die Moderne in Frage gestellt oder auf weniger als den zweiten Rang verwiesen. Worum es in der politischen Wissenschaft daher heute vor allen Einzelfragen geht, ist die Wiederbewußtmachung, die Rückbesinnung auf ihre fundierenden Probleme, die Revindikation des Politischen als legitimem Gegenstand wissenschaftlichen Fragens. Die Besinnung auf ihren Wissenschaftsbegriff ist dazu eine unerläßliche Vorarbeit.“[17]

Hennis beteiligte sich damit an jener „Rehabilitierung der praktischen Philosophie“ nach 1945, die in Deutschland vor allem von Hans-Georg Gadamer ausging. Hennis hat bei Gadamer, wie Manfred Riedel[18] erinnert, zwar einmal in Heidelberg vorgetragen; engere Kontakte hatte er aber wohl nicht. Ich erinnere mich an einen großen Vortrag Gadamers Mitte der 1980er-Jahre im Freiburger Audimax, das prall gefüllt war und bei dem Hennis mich bat, als er mich in der Schlange sah, für ihn eine Eintrittskarte mitzukaufen. Die halbe Professorenschaft stand ehrfürchtig um Gadamer herum, wie die Schuljungen, Hennis aber stellte sich nicht dazu. Hannah Arendt lud ihn einmal bei einem ihrer Deutschlandbesuche zum Gespräch; Hennis erzählte später, sie habe ihn streng examiniert. Warm begeistert sprach er dagegen von seinen Begegnungen mit Hans Jonas bei einem Forschungsaufenthalt in New York. Er schätzte auch den Freiburger Kollegen und Gadamer-Schüler Wolfgang Wieland, vor allem dessen Buch Diagnose,[19] auf das Hennis immer wieder hinwies. Engere Fachkontakte zu führenden Philosophen hatte er aber meines Wissens nicht. Auch an dem Freiburger „Kränzchen“, das für Hennis wichtig war und an dem Kollegen wie Ernst Schulin oder Böckenförde teilnahmen, waren keine Philosophen enger beteiligt. Wo Hennis sich 1963 auf Aristoteles und insbesondere dessen Topik, bezog, situierte er die „andere Tradition“, in die Weber gehörte und die ihm aktuell anschlussfähig schien, jenseits philosophischer Metaphysik. In Max Webers Fragestellung heißt es am Ende ziemlich unvermittelt und apodiktisch:

„Weber gehört in eine andere Tradition des modernen politischen Denkens, die durch die Namen Machiavelli, Rousseau und Tocqueville gekennzeichnet sein mag. Hier geht es nicht um die Sicherung von Interessen und Bequemlichkeit, sondern um die Entfaltung der Kraft der Seele, eine Entfaltung, die nicht auf individualistischer, sondern nur auf mitmenschlicher, verbundener, d.h. letztlich im antiken Sinne politischer Basis möglich schien.“[20]

Und kurz darauf:

„Ich meine, es ist keine Überpointierung, wenn man den großen Gegensatz im politischen Denken im Zeitalter der Bürgerlichkeit durch die Begriffe Selbsterhaltung und Hingabe charakterisiert.“[21]

In seiner letzten Sammlung Max Weber und Thukydides schreibt Hennis an zentraler Stelle:

„Alle politische Philosophie ist eine Fußnote zu Platon. Die politische Wissenschaft in der Tradition des Thukydides – das ist, sofern man davon überhaupt zu sprechen wagt – verstohlen, hinter vorgehaltener Hand: Machiavelli, Hobbes, der arg verschlüsselt schreibende Montesquieu, das Beste an Tocqueville, und, wie ich meine, Max Weber. Die Linie der politischen Wissenschaft hat, jedenfalls in Deutschland, keine Konjunktur. Leo Strauss, Hannah Arendt, Eric Voegelin – vor Weber schauderte ihnen geradezu – ‚diese Rücksichtslosigkeit des Blicks‘ und alles auf Gewalt gegründet, Kampf und immer nur Kampf. Das darf doch nicht sein!“[22]

Es bedarf kaum der Erwähnung, wie unbefriedigend und erstaunlich diese laxen Bemerkungen im Kontext der programmatischen Aufgabestellung von 1963 eigentlich sind: der Aufgabe einer wissenschaftsgeschichtlichen „Revindikation“ einer abgebrochenen Tradition. Was Hennis gegen das neuzeitliche Selbsterhaltungs-Paradigma hier auffährt, würde man heute wohl als klassischen Republikanismus bezeichnen. Schon dessen Profilierung durch eine polemische Disjunktion von politischer Philosophie und Wissenschaft ist aber fraglich. Die für die „andere Tradition“ herbeizitierten Namen sind ein wilder Mix, aus dem Hennis sich eigentlich nur zu Tocqueville und Weber näher geäußert hat; die Absetzung der Weber-Studien von Strauss, Arendt und Voegelin wirkt wie ein akademischer Prioritätsstreit. Hennis hat aber selbst die Aufgabe einer wissenschaftsgeschichtlichen Traditionsbesinnung und Traditionsrekonstruktion nicht wirklich ernst genommen. Jenseits von Weber äußerte er sich dazu äußerst vage. Aus Sicht der jüngeren Generation, etwa so bedeutender Ideenhistoriker wie Henning Ottmann oder Herfried Münkler, ist das zweifellos zu kritisieren. „Im nächsten Leben will ich Philologe werden“: So sehr Hennis die politische Ideengeschichtsschreibung in Hamburg wie Freiburg angeregt hat, so fremd war ihm doch der philologische Historismus.

Seine Skepsis bezog sich nicht nur auf den philosophischen Begründungsanspruch und sozialwissenschaftlichen Empirismus, sondern selbst auf den Standard „geisteswissenschaftlicher“, historisch-philologischer Rekonstruktion. Das war für Hennis nicht nur eine Temperamentsfrage, sondern darüber hinaus auch eine skeptische Sinnbestimmung der „Politikwissenschaft als Beruf“. Hennis situierte seine Wissenschaft aktualistisch zwischen Theorie und Praxis, in der Mitwelt und einer bürgerlichen Öffentlichkeit, die sich über publizistische Medien und Formen wie den Zeitungsartikel und den anregenden Essay austauschte. Er zielte nicht auf enzyklopädische Kenntnisse und Doktrinen, sondern auf diskursive Impulse und Anregungen. Die skeptische Grundstimmung und verdüsterte „Weltanschauung“, um Wilhelm Dilthey zu bemühen, von der Hennis seit den 1970er-Jahren getrieben war, zeigt exemplarisch etwa die Studie über Die Vernunft Goyas und das Projekt der Moderne, ein Vortrag von 1993,[23] mit dem Hennis seine Sammlung Politikwissenschaft und politisches Denken von 2000 beschloss. Soll man von einer Altersstimmung sprechen? Hennis war gerade 70 Jahre alt, und auf Goyas Capricho 43 hatte er bereits Jahre früher, 1981, in seiner Studie „Der Geist des Rationalismus und die moderne Politik“ verwiesen.[24]

Hennis verband seine Kritik am neuzeitlichen poietischen Denken, am projektiven Herstellen – er wohnte am Anemonenweg nur einen Steinwurf von Martin Heidegger entfernt –, mit einer Rationalismuskritik, die dem eigenen früheren Hinweis auf die diversen Formen der Vernunft, wie sie Aristoteles im ganzen Organon analysierte, nicht weiter nachging. Er pauschalisierte seine Rationalismuskritik, weil seine „Wissenschaft vom Menschen“ das Individuum vom Leben und den Leidenschaften her verstand. Es wurde bereits erwähnt, dass Hennis hier über Weber hinaus wohl vor allem von Smend geprägt war,[25] der mit kulturprotestantischer Emphase und Religiosität vom „politischen Erlebnis“ sprach. Hennis gehört in die Linie kulturprotestantischer Auslegung der „Irrationalität“ des Lebens, die den Schritt von Dilthey zu Karl Jaspers, zu einer existenzphilosophischen Rationalisierung des „Lebens“, mit religiöser Scheu gleichsam verpönte.

Weber hatte die katholisch geprägte, ästhetisierte und hierokratisch auratisierte Variante dieses Erlebniskultes einst mit Stefan George abgelehnt; Hennis war diese Variante bei Carlo Schmid, seinem Frankfurter Lehrer, begegnet und er bejahte den Widerstand gegen eine gänzliche Säkularisierung und Profanisierung des Lebens. Daraus bezog er als akademischer Lehrer auch seine starke Anteilnahme an seinen Schülern. Er lebte in Beziehungen und blühte im Gespräch auf. So sehr er die kommerzialisierte „Erlebnisgesellschaft“ verachtete, so lebensbejahend war er. Seinen 90. Geburtstag am 18. Februar 2013 hätte er noch gerne mitgenommen. Er verstarb aber am 10. November 2012 daheim nach längeren Krankenhausaufenthalten.

Sucht man letzte Zeugnisse für die Art von Politikwissenschaft, die er sich wünschte, so wäre neben der Kieler Dankesrede von 2009 etwa das Vorwort zu Michael Oakeshotts nachgelassenem Werk Zuversicht und Skepsis zu nennen. Hennis erwähnte Oakeshott häufig, betonte immer wieder seine Freude darüber, dass er dessen Hauptwerk Rationalismus in der Politik in die von 1960 bis 1975 von ihm mitherausgegebene Politica-Reihe[26] gebracht und für eine gute Übersetzung durch Klaus Streifthau gesorgt hatte. Am Ende des Vorworts schreibt Hennis, Oakeshott habe im Spätwerk „den Gegenstand der Politikwissenschaft auf seinen Kern reduziert: die immer gegebene Tatsächlichkeit des Regierens und Regiertwerdens. Dabei lässt Oakeshott alles Juridische beiseite; die Staats- und Regierungsformen als solche produzieren nicht das erwünschte Gute. Die leitenden Fragen lauten vielmehr: Wie erfahren, wie erleben die Regierenden und Regierten die Möglichkeiten, die der berauschende Zuwachs an menschlicher Macht – gewonnen durch Wissenschaft und Technik, Organisation und Disziplin – eröffnet hat? Mit Zuversicht, die Welt und den Menschen immer vollkommener zu machen? Oder mit Skepsis, mit Furcht vor Übereilung und anmaßender Hybris?“[27] Keine Frage, wo Hennis hier stand und heute stünde.

  1. Wilhelm Hennis, Max Webers Fragestellung. Studien zur Biographie des Werks, Tübingen 1987; ders., Max Webers Wissenschaft vom Menschen. Neue Studien zur Biographie des Werks, Tübingen 1996; ders., Max Weber und Thukydides. Nachträge zur Biographie des Werks, Tübingen 2003.
  2. Wilhelm Hennis, Politik und praktische Philosophie. Eine Studie zur Rekonstruktion der politischen Wissenschaft, Neuwied 1963. Dazu sowie zu Hennis’ Werk und Wirkung siehe vom Verfasser u.a. Teleologie und Topik. Hennis’ Habilitationsschrift, in: Andreas Anter (Hg.), Wilhelm Hennis’ Politische Wissenschaft. Fragestellungen und Diagnosen, Tübingen 2013, S. 47–72; Das politische Dasein erhellen. Zu Wilhelm Hennis’ Politikbegriff, in: Politisches Denken. Jahrbuch 1991, S. 147–155; Summe des Werkes: Wilhelm Hennis sammelt seine Schriften, in: Zeitschrift für Politik 48 (2001), S. 218–221; Rezension zu: Wilhelm Hennis, Max Weber und Thukydides. Nachträge zur Biographie des Werks, Tübingen 2003, in: Philosophischer Literaturanzeiger 56 (2003), S. 150–153; Laudatio auf Wilhelm Hennis zur Verleihung des Eschenburg-Preises der DVPW, in: Politische Vierteljahresschrift 50 (2009), S. 816–823. Aus der weiteren Literatur vgl. Stephan Schlak, Wilhelm Hennis. Szenen einer Ideengeschichte der Bundesrepublik, München 2008; Andreas Anter (Hg.), Wilhelm Hennis’ Politische Wissenschaft, Tübingen 2013.
  3. Wilhelm Hennis, Organisierter Sozialismus. Zum ‚strategischen‘ Staats- und Politikverständnis der Sozialdemokratie, Stuttgart 1977.
  4. Die Bibliografie ist abgedruckt in: Andreas Anter (Hg.), Wilhelm Hennis’ Politische Wissenschaft, Tübingen 2013, S. 339–362.
  5. Wilhelm Hennis, Auf dem Weg in den Parteienstaat. Aufsätze aus vier Jahrzehnten, Stuttgart 1998; ders., Regieren im modernen Staat. Politikwissenschaftliche Abhandlungen I, Tübingen 1999; ders., Politikwissenschaft und politisches Denken. Politikwissenschaftliche Abhandlungen II, Tübingen 2000.
  6. Wilhelm Hennis, Das Problem der Souveränität. Ein Beitrag zur neueren Literaturgeschichte und gegenwärtigen Problematik der politischen Wissenschaften, mit einem Vorw. von Christian Starck, Tübingen 2003.
  7. Wilhelm Hennis, Die deutsche Unruhe. Studien zur Hochschulpolitik, Hamburg 1969.
  8. Die Debatte ist dokumentiert in Rainer Eisfeld (Hg.), Mitgemacht. Theodor Eschenburgs Beteiligung an „Arisierungen“ im Nationalsozialismus, Wiesbaden 2016.
  9. Wilhelm Hennis, Dankesrede anlässlich der Verleihung des Theodor-Eschenburg-Preises 2009 der DVPW, in: Politische Vierteljahresschrift 50 (2009), S. 824–825.
  10. Hennis, Webers Wissenschaft vom Menschen, S. 120 ff.
  11. Andreas Anter, Max Weber und die Staatsrechtslehre, Tübingen 2016.
  12. Vgl. Hennis, Max Webers Fragestellung, S. 34 u. S. 96; ders., Webers Wissenschaft vom Menschen, S. 99.
  13. Hennis, Max Weber und Thukydides, S. 88.
  14. „Die existentielle Dimension des Politischen“. Wilhelm Hennis im Gespräch mit Stephan Schlak, in: Anter (Hg.), Wilhelm Hennis’ Politische Wissenschaft, S. 329–338, hier S. 338.
  15. Böckenförde am 17. 4. 1963 an Schmitt, in: Welch gütiges Schicksal: Ernst-Wolfgang Böckenförde / Carl Schmitt: Briefwechsel 1953–1984, hrsg. von Reinhard Mehring, Baden-Baden 2022, S. 352. Die Aussage bezieht sich auf Wilhelm Hennis, Zum Problem der deutschen Staatsanschauung, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 7 (1959), S. 1–23. Schmitt hat damals mit Hennis korrespondiert. In Schmitts Nachlass ist ein Brief vom 28. Februar 1959 erhalten (Nachlass Carl Schmitt, Landesarchiv NRW. Standort Duisburg, RW 265-5948), in dem Hennis sich für die Zusendung von Schmitts Besprechung von Webers politischen Schriften in der Zeitschrift Das Historisch-Politische Buch bedankt und anfügt: „Ich wäre ehrlich bestürzt, wenn Sie den Passus auf S. 21 so verstehen würden, als wollte ich Ihnen ,unterschieben‘, Sie hätten die angeführten Konsequenzen Ihres Politikbegriffes selbst gezogen. Das nicht, aber Ihr Begriff enthielt keinerlei Sicherung vor jenen, die sich selbst nicht scheuen würden, zu einem solchen Begriff zu greifen, um auch das Nicht-mehr-Menschliche als das Politische zu sanktionieren.“
  16. Hennis, Politik und praktische Philosophie, wiederabgedruckt in und zitiert nach: ders., Politikwissenschaft und politisches Denken, S. 1–125, hier S. 24.
  17. Ebd., S. 125 f.
  18. Manfred Riedel, Seinsverständnis und der Sinn für das Tunliche. Der hermeneutische Weg zur praktischen Philosophie, in: Hans Maier u.a. (Hg.), Politik, Philosophie, Praxis. Festschrift für Wilhelm Hennis zum 65. Geburtstag, Stuttgart 1988, S. 107–120.
  19. Wolfgang Wieland, Diagnose. Überlegungen zur Medizintheorie, Berlin 1975.
  20. Hennis, Max Webers Fragestellung, S. 235.
  21. Ebd., S. 236.
  22. Max Weber und Thukydides, S. 51; vgl. auch S. 70 f.
  23. Der Vortrag war Hennis sehr wichtig. Er hielt ihn erstmals im Dezember 1993 an der Universität Karlsruhe und im Januar 1994 dann auch auf Einladung von Herfried Münkler an der Humboldt-Universität zu Berlin. Hennis bat mich damals um die Vermittlung der Einladung durch Münkler.
  24. Wilhelm Hennis, Der Geist des Rationalismus und die moderne Politik, in: ders., Politikwissenschaft und politisches Denken, S. 331–349, hier S. 333.
  25. Siehe dazu insbesondere Rudolf Smend, Der Einfluss der deutschen Staats- und Verwaltungsrechtslehre des 19. Jahrhunderts auf das Leben in Verfassung und Verwaltung (1939); ders., Politisches Erlebnis und Staatsdenken seit dem 18. Jahrhundert (1943); beide Aufsätze sind abgedruckt in: ders., Staatsrechtliche Abhandlungen, Berlin 1955, S. 326–345 bzw. S. 346–362. Vgl. auch ders., Besprechung von Max Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland, in: Schmollers Jahrbuch 42 (1918), S. 369–373. Zu Smend siehe auch Reinhard Mehring, Integration und Verfassung. Zum politischen Verfassungssinn Rudolf Smends, in: Politisches Denken. Jahrbuch 4 (1994), S. 19–35.
  26. Michael Oakeshott, Rationalismus in der Politik, übers. von Klaus Streifthau, Neuwied 1966 (= Reihe Politica, Bd. 25).
  27. Wilhelm Hennis, Vorwort, in: Michael Oakeshott, Zuversicht und Skepsis. Zwei Prinzipien neuzeitlicher Politik, übers. von Christiana Goldmann, Berlin 2000, S. 7–14, hier S. 14.

Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Karsten Malowitz.

Kategorien: Demokratie Geschichte der Sozialwissenschaften Philosophie Politische Theorie und Ideengeschichte Wissenschaft

Reinhard Mehring

Reinhard Mehring lehrt Politikwissenschaft und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Er hat zahlreiche Bücher unter anderem zu Carl Schmitt, Martin Heidegger und Thomas Mann veröffentlicht. Seine Biografie „Carl Schmitt. Aufstieg und Fall“, erstmals 2009 veröffentlicht, erschien vor Kurzem in 2., überarbeiteter, aktualisierter und gekürzter Auflage.

Alle Artikel

PDF

Zur PDF-Datei dieses Artikels im Social Science Open Access Repository (SSOAR) der GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften gelangen Sie hier.

Empfehlungen

Grit Straßenberger

Über den Mut, Widersprüche zu riskieren

Rezension zu „Der Streit um Pluralität. Auseinandersetzungen mit Hannah Arendt“ von Juliane Rebentisch

Artikel lesen

Jürgen Unger-Sirsch

Utopie trifft Realismus

Rawls’ Konzeption idealer und nicht-idealer Theorie

Artikel lesen

Newsletter