Nils C. Kumkar | Essay |

Die Radikalisierung der Radikalisierungsbehauptung

Zum Diskurs über die Letzte Generation

Die Proteste der Letzten Generation, besonders aber der politische Diskurs über diese Proteste, haben in den vergangenen Wochen die Schlagzeilen der überregionalen Presse in einem Maße dominiert, das zumindest auf den ersten Blick überrascht. Selbst wenn man, soziologisch-abgeklärt, nicht mehr in der Lage ist, eine Überraschung zu spüren, weil man die Erklärung immer schon parat hat und hier dann zum Beispiel auf die Aufmerksamkeitsökonomie der Medien verweist, wird man doch nicht umhin kommen, etwas anderes irritierend zu finden: nämlich die Fassungslosigkeit, die in Beiträgen zu diesem Diskurs vorherrscht, deren Ton und Inhalt in weiten Teilen bestimmt. Da ist zum einen die Fassungslosigkeit der imaginierten Öffentlichkeit (dazu unten mehr) über die „Sinnlosigkeit“ der Aktionen der Letzten Generation,[1] die doch erkennbar der „Sache schade(te)n“, wie auch und gerade Politiker:innen urteilen, die der „Sache“ sympathisierend gegenüberzustehen bekunden,[2] aber zum anderen auch die Fassungslosigkeit der Aktivist:innen selbst, die ihr Entsetzen darüber ausdrücken, dass „ein ganzes Mediensystem“ sich gegen sie gewendet hätte.[3] Eins von beidem ist also mindestens aus soziologischer Perspektive erklärungsbedürftig, wenn man sich nicht für sehr viel schlauer als alle Beteiligten hält: Entweder warum die Debatte derart hitzig gerät, oder warum alle Beteiligten ihre Fassungslosigkeit darob bekunden, dass die anderen so in Hitze geraten.

Ich möchte in der Folge den Versuch unternehmen, beide Rätsel aneinander zu erhellen. Die leitende These ist dabei, dass wir es mit ineinander verkeilten Dilemmata zu tun haben, die sich Akteuren stellen, die sich gegenseitig beobachten, vor allem aber darum wissen, dass sie von den anderen beobachtet werden: Bewegungsakteure, die zwar äußerst erfolgreich darin sind, Themen zu setzen, aber nicht über die Ressourcen verfügen, die Bearbeitungsweise des Themas nennenswert zu beeinflussen. Akteure im politischen System, die von der Präsenz des Themas dennoch unter Druck gesetzt werden und deshalb Wege erproben, das Thema nicht nicht zu kommentieren. Und schlussendlich die Massenmedien, die einen Weg finden müssen, die Nichtthematisierung des Themas mit Nachrichtenwert zu versehen. Das Ergebnis ist eine Themenverlagerung im Diskurs, die selbst die „Sinnlosigkeit“ produziert, an der die Themenverlagerung sich reproduziert – analog zu dem, was ich an anderer Stelle[4] als kommunikative Funktion alternativer Fakten herausgearbeitet habe, wobei in diesem Fall interessanterweise alternative Fakten nicht in nennenswertem Umfang in Dienst genommen werden. Man könnte sagen, die Themenverlagerung der moral panic ist funktionsäquivalent zur Themenverlagerung durch alternative Fakten.

Zwei Vorbemerkungen seien allerdings, gerade wegen der Hitzigkeit des Diskurses, vorweggeschickt, bevor ich mich daran mache, die Dilemmata nacheinander zu skizzieren:[5] Die Legitimität der Protestformen wie auch der Reaktion auf diese Proteste (zu der ich selbstverständlich eine Meinung habe), soll hier nur insofern eine Rolle spielen, als sie im Diskurs thematisch wird. Außerdem handelt es sich bei den hier formulierten Gedanken, auch wenn sich redlich um Nüchternheit bemüht wird, um im Strom der Ereignisse Mitgerissenes, das sein Material unmethodisch aus alltagsweltlichen Beobachtungen zusammenfügt und an vielen Stellen gedanklich ergänzt. Gerade dort, wo es, wenn man überhaupt etwas Sinnvolles zur Diskussion beitragen will, unvermeidlich ist, daraus auch Schlüsse über Entwicklungsdynamiken abzuleiten, muss also davon ausgegangen werden, dass die Gedanken sich an der Empirie schnell blamieren können, wenn die Dinge voranschreiten. Ich hoffe, dass die Inferenzen, die im Folgenden postuliert werden, solide genug sind, um auch im Falle eines solchen Scheiterns noch zur Erkenntnis beitragen zu können.

Das Dilemma der Proteste: Druck ohne Gegner

Zunächst also zu den Protestformen des „Bilder-mit-Suppe-Bewerfens“ und „sich-auf-die-Straße-Klebens“. Die vermeintliche Sinnlosigkeit dieser Aktionen wird meist mit zwei unterstellten Zwecken belegt, die die Aktionen angeblich verfehlen. Sie seien, so wird berichtet, den Menschen unverständlich, weil sie nicht selbst etwas gegen den Klimawandel bewirkten (die Bilder stoßen kein CO2 aus, im Stau stehende Autos dafür umso mehr). Und sie würden nicht „die Massen“ von der Notwendigkeit des Klimawandels überzeugen, sondern, im Gegenteil, potenzielle Sympathisant:innen der „Sache“ gerade von der Unterstützung abschrecken. Unabhängig davon, ob diese Diagnosen zutreffen, sollte festgehalten werden: Dahinter steckt eine alles andere als alternativlose Deutung davon, was soziale Bewegungen sich zum Ziel setzen sollten, um ihrem Anliegen (und damit ihrem Begriff) gerecht zu werden: nämlich Wahlbevölkerungsmehrheiten zu erzeugen, die dann über den Umweg des politischen Systems zu kollektiv bindenden Entscheidungen im Sinne der Protestierenden führen können.

Nun ist es aber so, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung in Umfragen ohnehin die Meinung bekundet, Klimaschutz sei eine zentrale Herausforderung; ja, im Juli 2022 bekundete sie überdies, er dürfe selbst in der aktuellen Situation (gemeint war der Krieg in der Ukraine) nicht „hintenanstehen“.[6] Dass die Menschen die Aktionen nicht verstehen, ist ebenfalls alles andere als einleuchtend, wenn man bedenkt, dass überall berichtet und kommentiert wird, dass die Proteste ihr Anliegen nicht richtig transportieren, dieses also thematisch immer mitkommuniziert wird. Wer von den Protesten erfährt, weil er die Berichte zur Kenntnis nimmt, nimmt also auch die Anliegen zur Kenntnis. Es liegt also nahe, dass die Aktivist:innen das eigentliche Problem nicht darin sehen, Mehrheiten zu schaffen oder über die Notwendigkeit des Klimaschutzes aufzuklären, sondern in dem Umstand, dass diese Mehrheiten und dieses Wissen sich nicht in politische Entscheidungen übersetzen, die sie dem von ihnen identifizierten Notstand angemessen fänden.

Um ein solches Problem zu bearbeiten, stehen sozialen Bewegungen vor allem zwei (oft nur heuristisch zu unterscheidende) Wege offen: Sie können sich darum bemühen, das Thema in der Öffentlichkeit präsent zu halten (also seine De-Thematisierung zu verhindern), und sie können versuchen, Druck auf bestimmte Akteure aufzubauen, damit das Thema in ihrem Sinne bearbeitet wird – und zwar sowohl durch Druck auf „Gegner:innen“ (klassisch hierfür zum Beispiel die Blockade von Castor-Transporten vor dem Atomausstieg) oder durch Druck auf „Verbündete“, die unter Zugzwang gesetzt werden sollen. Die Massenproteste von Fridays for Future (FFF) waren außerordentlich erfolgreich in allen diesen Hinsichten. Mit dem glaubhaft vermittelten Claim, für (mindestens) die Masse der Schüler:innen zu sprechen, schienen sie an der Schaffung von Mehrheiten zu arbeiten,[7] das Thema wurde öffentlichkeitswirksam platziert, und Freund wie Feind wurden damit unter Druck gesetzt. Allerdings stieß diese Aktionsform irgendwann sowohl an eine natürliche als auch an kontingente Grenzen. Massenmobilisierungen erschöpfen sich, wenn sie aufhören zu wachsen – nicht nur, aber auch weil unveränderte Teilnehmer:innenzahlen für die Massenmedien kaum Nachrichtenwert besitzen. Die Corona-Pandemie verdrängte nicht nur das Thema aus den Schlagzeilen, sie machte auch die Organisation von Massenmobilisierungen außerordentlich schwierig; und schlussendlich hatte FFF sich in gewisser Hinsicht zu Tode gesiegt: Sieht man von einigen Akteuren wie der AfD oder der rechtslibertären Presse ab, dann beugten sich fast alle dem Umstand, dass eine Stellungnahme gegen Klimaschutz als illegitim behandelt worden wäre. Seit der Corona-Pandemie und besonders nach dem russischen Überfall auf die Ukraine fanden sich die Aktivist:innen also in einer Situation wieder, in der ihr Anliegen scheinbar von allen geteilt wurde, im Schutz der De-Thematisierung aber dennoch in ihren Augen viel zu wenig bearbeitet wurde.

Aus dieser Situation heraus muss die Entstehung des Protestrepertoires der Letzten Generation verstanden werden. Nicht umsonst nahm dieser Teil der Klimabewegung seinen öffentlichkeitswirksamen Ausgangspunkt mit einem Hungerstreik im Vorfeld der letzten Bundestagswahl, mit dem die Aktivist:innen Gespräche mit den Kanzlerkandidat:innen erzwingen wollten – was ihnen schlussendlich gelang. Das Ziel dieser Aktionen war eben, die politischen Akteure zu zwingen, sich offen zu dem Thema zu positionieren. Die Proteste waren wohl getragen von der Hoffnung, dass diese De-De-Thematisierung von sich aus Druck entfalten würde, weil, wie besagt, gegen Klimaschutz Position zu beziehen keine legitime Diskursposition mehr wäre. Über Kausalitäten soll hier keine Aussage getroffen werden, aber wenige Monate später wurde ein Koalitionsvertrag unterzeichnet, der sich in Sachen Klimaschutz in der Tat ambitionierter gab, als mancher vermutet hatte, so dass es naheliegt, anzunehmen, dass zumindest die Aktivist:innen ihre Aktionen nicht für gescheitert hielten.

In dieser Logik müssen eben auch die beiden heute vieldiskutierten Protestformen verstanden werden: Sie sind offensichtlich darauf ausgelegt, das Thema in der öffentlichen Kommunikation präsent zu halten – im Vertrauen darauf, dass die Präsenz des Themas von sich aus Druck auf die politischen Akteure ausübt, dass das Wissen über den Klimawandel, wenn es denn kommunikativ re-aktualisiert wird, von sich aus eine Bearbeitungsweise im Sinne der Aktivist:innen nahelegt. Die Aufmerksamkeit wird dabei nicht bei bestimmten Akteuren erzielt, die man unmittelbar unter Druck setzt, sondern über spektakuläre Aktionen, die Gesellschaft als diffuses Ganzes adressieren. Dazu bedienen sie sich – als historisches Zitat – bei etablierten Aktionsformen, denen gegenüber sie sich einerseits durch das Hinzuziehen von Sekundenkleber und andererseits durch ein sichtlich verstärktes Bemühen um Schadensbegrenzung auszeichnen. Die Suffragetten, auf die die Aktionsform des Angriffs auf Bilder in Museen zurückgeht, hatten diese Bilder wirklich intentional beschädigt, während die Aktivist:innen der Letzten Generation bisher ausschließlich Suppe auf Bilder warfen, die durch eine Glasscheibe geschützt waren. Auch Eingriffe in die öffentliche Infrastruktur durch Sabotage oder den Bau von Barrikaden, wie sie in den 1980er- und 1990er-Jahren häufig die Aktionsform der Blockaden ergänzt hatten, nahmen sehr viel weniger Rücksicht auf eventuell zu befürchtende nicht intendierte Nebenfolgen, als Aktist:innen, die heute nach eigenem Bekunden immer eine nicht-geklebte Rettungsgasse in ihren Blockaden lassen und überdies jedes Mal die Polizei informieren, bevor sie in den Straßenverkehr eingreifen.

Damit einher gehen zwei Stärken und eine entscheidende Schwäche dieser Aktionsformen: In dem Maße, indem sie gerade darauf verzichten, bestimmte Akteure unmittelbar unter Druck zu setzen, sondern diesen Druck vermittelt über eine diffuse Adressierung der „Gesamtgesellschaft“ aufzubauen suchen, sind sie (im weitesten Sinne) polizeilich kaum zu kontrollieren. Einen Tagebau oder eine Castorstrecke als Infrastruktur eines bestimmten, als Gegner auserkorenen Akteurs kann man (nicht vollständig, aber für die Zwecke oft hinreichend) absichern, die gesamte Verkehrsinfrastruktur der Gesellschaft aber kaum. Das senkt den organisatorischen Aufwand und die für diese Aktionen benötigte Teilnehmer:innenzahl enorm. Außerdem ist diese Form der Adressierung hervorragend anschlussfähig an die moralisierende Bearbeitung des Klimaschutzes in der massenmedialen Debatte, die sich ja ständig um ein „wir“ dreht (das sich fragen muss, ob es genug tut, das seinen Konsum umstellen sollte, das sich auf Wohlstandsverluste einstellen muss) und das kaum weniger diffus ist als die Adressierung durch die Proteste. Genau damit öffnet sich aber eine Flanke, die für die Bearbeitung des Dilemmas der Politik entscheidend ist.

Das Dilemma der Politik: Thema ohne legitime Nein-Stellungnahme

Das Problem der politischen Akteure, die sich zu den Protesten verhalten, entsteht aus der spezifischen Form des Problems Klimawandel in der politischen Kommunikation, die zugleich den außergewöhnlichen Erfolg der Klimaaktivist:innen der Letzten Generation, aber auch die harte Grenze dieses Erfolgs verständlicher macht, gegen die sie zur Zeit anzurennen scheinen. Der Klimawandel ist – und das liegt beileibe nicht nur an der Rhetorik der Aktivist:innen, die hier eigentlich nur das Implizite explizit machen, – ein apokalyptisches Problem:[8] Während seine Nicht-Bearbeitung Folgen zeitigen würde, die den Horizont des gesellschaftlich Vorstellbaren überschreiten, gilt das in gewisser Weise auch für seine Bearbeitung. In diesem Sinne ist die Bearbeitung des Klimawandels durch die Politik, sobald ihr der Latenzschutz[9] entzogen ist, immer von einem „Unbehagen“[10] begleitet, das sich daraus speist, dass diese Bearbeitung gleichermaßen hinter den Ansprüchen zurückbleibt wie die Grenzen des Zumutbaren überschreitet. Nun ist weder die Ausprägung dieses Unbehagens noch seine Verantwortungszurechnung in der Kommunikation entlang des politischen Spektrums gleichverteilt. Das erzeugt Verschiebungen in seiner Wirkung, je nachdem, wer regiert.

Während in der Zeit der letzten großen Koalition, also während der Proteste von FFF, Grüne und Linke als Opposition das „Ungenügen“ des Klimaschutzes betonten, und die Regierungsparteien, die bei diesem Thema eher auf Aufrechterhaltung des Latenzschutzes hinarbeiteten, ihnen allein deswegen rhetorisch entgegenkommen mussten, ist es mit der aktuellen Bundesregierung genau umgekehrt. Und damit bricht sich die oben angedeutete Schwäche der Protestform Bahn. Denn während sie sehr effektiv darin ist, Themen in der Kommunikation zu setzen, erlaubt sie kaum einen Einfluss darauf, wie das Thema in der Kommunikation bearbeitet wird.[11] Was also passiert, wenn niemand sagen will, dass er gegen Klimaschutz ist, zugleich aber auch kaum jemand im politischen Feld sich reale Gewinnchancen dafür ausrechnen dürfte, in dieser Situation stärker durchgreifende Maßnahmen des Klimaschutzes zu fordern (weil es etwa für die Grünen das Eingestehen des eigenen Ungenügens, für die CDU aber ein Verprellen von Unterstützer:innen bedeuten würde)?

Es wird über die Proteste gesprochen. Es nimmt zunächst nicht weiter Wunder, dass vonseiten der bürgerlichen Parteien für Recht und Ordnung plädiert, vor dem allgemeinen Verfall der Sitten gewarnt wird und dass die Ordnungskräfte (vor allem die Vertreter:innen der Polizei, aber in geringerem Ausmaß durchaus auch die Feuerwehr) darauf drängen, die Störung ihres Arbeitsgebiets zu unterbinden und dafür Kompetenzen einfordern oder – wie im Falle des Art 17 I Nr 2 BayPAG – auch schon nutzen, selbst wenn diese zumindest dem Laien in keinem Verhältnis zur beobachteten Ordnungswidrigkeit zu stehen scheinen. Anders als 2019 findet dies aber in einem Kontext statt, in dem Regierung wie Opposition erkennbar wenig Interesse daran haben, über den Inhalt der Proteste zu sprechen. Während man sich vor allem bei den Grünen gegen allzu scharfe Anwürfe von Oppositionsseite, also gegen Schreckgespenster einer grünen RAF, Verbotsverfahren etc. verwahrt (wohl auch, weil man weiß, dass man durchaus mitgemeint sein könnte), übernimmt man zugleich die grundsätzliche Herangehensweise, den Protesten die Legitimität abzusprechen und ihnen, darüber hinaus, in einer seltsamen Volte, die Verantwortung dafür zuzuschreiben, dass der Klimaschutz hinter seinen Ansprüchen zurückbleibt.

Die weitgehende Einhelligkeit, mit der schon auf die Kartoffelbrei-Attacke auf den Monet in Potsdam reagiert wurde, lässt sich in meinen Augen ohne die Kenntnis dieser Spannung nicht verstehen: Einerseits einer Politik, die insgesamt mit dem Dilemma zu kämpfen hat, im Rahmen der selbstgesteckten Möglichkeiten den Klimawandel nicht kommunikativ satisfaktionsfähig bekämpfen zu können, andererseits aber einer Konfiguration des politischen Feldes, in dem der oppositionelle Pol zur Zeit vor allem von Parteien besetzt ist, die dieses notwendige Ungenügen vor allem von der Seite ihres „zu weit“ thematisieren. Hier rächt sich nun auch die Diffusität der Adressierung der Gesamtgesellschaft, wobei man durchaus eine gewisse strategische Zweisprachigkeit politischer Akteure konstatieren muss. Denn während auch vonseiten der Politik bei Fragen des Klimaschutzes immer wieder auf die Verantwortung „von uns allen“ verwiesen wird, wird nun der Umstand, dass die Aktionen sich an alle richten (und auch einen hinreichend diffusen Kreis von Menschen ganz praktisch stören) so gedeutet, als nähmen die Aktivist:innen die Gesellschaft „in Geiselhaft“. Zugleich wird so getan, als wäre damit moralisch unzweifelhaft, was juristisch ja durchaus noch offen ist – nämlich dass ihnen Nebenfolgen ihrer Aktionen, selbst in Unkenntnis der Frage, ob es sich überhaupt um eine Nebenfolge handelt, als in Kauf genommenes Ergebnis der Aktion zugerechnet werden können, weil die Zielsetzung der Aktion ja gerade in der Störung bestehe:[12] Diese Frage wurde bisher bei anderen Blockaden, etwa dem tagelangen Protest von Landwirt:innen mit ihren Traktoren in Berlin, in dieser Nachdrücklichkeit nicht gestellt. Mir geht es wohlgemerkt nicht darum, wie diese Frage nach der Verantwortung korrekterweise beantwortet werden sollte, sondern darum, dass es alles andere als selbsterklärend ist, dass sie mit diesem Nachdruck öffentlich thematisiert wird. Man stelle sich nur einmal kurz vor, was diskursiv losbrechen würde, wenn die Aktivist:innen nicht vermittelt über die Gesamtbevölkerung politischen Druck aufzubauen, sondern von ihnen als verantwortlich identifizierte Akteure gezielt unter Druck zu setzen versuchten, wie es ja die Rede von der „Ziellosigkeit“ der Aktionen zu suggerieren scheint. Es scheint paradoxerweise, als würde den Aktivist:innen der Letzten Generation gerade ihre Weigerung, sich wirklich zu radikalisieren als verurteilenswerte Radikalisierung zugerechnet, die dann ziemlich hemdsärmelig in die Zukunft extrapoliert wird, um den Grusel komplett zu machen. Im Verlauf des Jahres 2022 jedenfalls lässt sich, trotz einiger spektakulärer Einzelaktionen und trotz wiederholter Ultimaten vonseiten der Aktivist:innen, keine klare Radikalisierung der Protestformen ausmachen; und auch die Forderungen nach der Wiedereinführung des Neun-Euro-Tickets und einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen[13] sind nicht gerade eindeutig eine Radikalisierung gegenüber den Forderungen von FFF.

Das Dilemma der Massenmedien: Der Nachrichtenwert ausbleibender Veränderungen

Eine regelrechte moral panic wird aus der Themenverlagerung hin zur Beurteilung der Protestform aber vor allem dadurch, dass die politische Kommunikation über die Proteste selbst eine politische Öffentlichkeit konstituiert, die dann wiederum die Debatte selbst befeuert. Vor allem nach den symbolischen Angriffen auf Bilder in Museen ab August 2022, die der Letzten Generation ein Hoch öffentlicher Aufmerksamkeit verschafften, nachdem die Straßenblockaden, die in schwankender Häufigkeit vor allem in Berlin schon das gesamte Jahr über stattfanden, diese Aufmerksamkeit kaum noch generierten, waren es vor allem die konservativen und rechtslibertären Presseorgane – allen voran die Bild-Zeitung –, in denen in merklich verschärftem Ton dem „Volkszorn“ gegenüber den Aktionen Ausdruck verliehen wurde. Das zeigte sich besonders deutlich, als die Letzte Generation im Vorfeld des Klimagipfels in Ägypten die Frequenz der Aktionen zu erhöhen schien. „Was passiert, wenn Autofahrer Klima-Klebern eine kleben?“ titelte die Zeitung Ende Oktober 2022 und raunte darunter: „Die Wutwelle gegen Klima-Kleber wächst mit jeder Blockade, mit jeder ,Aktion‘. Opfer fragen sich: Bin ich eigentlich machtlos? Oder kann ich denen eine kleben?“.[14] Bild suggerierte damit zweierlei: Dass es eine wachsende Wut-Welle gäbe (von der unklar ist, ob sie jenseits der Zeitungskampagne ein empirisches Korrelat hatte) und dass diese sich legitimerweise durch Gewalt Ausdruck suchen könnte. Offen ließ die Zeitung nur die Frage, ob dies auch legal wäre. (Der interviewte Anwalt erklärte für all jene, die den Artikel denn lasen, dass die Ohrfeige als „erste Maßnahme“ wohl „unverhältnismäßig“ wäre, die Menschen auch unter Inkaufnahme von Verletzungen von der Straße zu reißen, allerdings ein weniger eindeutiger Fall wäre.)

Dies war wohlgemerkt vor dem Tod einer Radfahrerin, die nach einem Unfall mit einem Betonmischer am 31. Oktober 2022 ums Leben kam, wofür, wie es noch am selben Tag in verschiedenen Zeitungen unter Berufung auf die Feuerwehr hieß, die Blockade einer Autobahn in der Nähe der Unfallstelle, die das Eintreffen von Rettungsfahrzeugen verzögert habe, verantwortlich sei. Bis heute ist unklar, ob irgendeine Form von kausalem Zusammenhang zwischen der Blockade und dem Tod der Frau besteht. Die verantwortliche Notärztin bestreitet diesen Zusammenhang laut Pressemeldungen,[15] laut einem Artikel im Tagesspiegel vom 9. November bekräftigt die Feuerwehr, dass ein Zusammenhang bestünde.[16] Für diese Überlegungen ist die relevante Feststellung allerdings, dass die Möglichkeit eines solchen kausalen Zusammenhangs in der massenmedialen Kommunikation bereits im Vorfeld etabliert und wohl auch von zumindest der Berliner Politik organisatorisch vorbereitet worden war; Presseberichten zufolge hat der Senat die Feuerwehr schon im Juli beauftragt, gesondert zu vermerken, wenn Einsätze im Umfeld von Klimaprotesten verzögert wurden – was bei keiner anderen Form der Verkehrsbehinderung erfolgt.[17] Verfahrensmäßig ungeregelte kausale Zurechnungen von Effekten auf Bedingungen in komplexen Situationen sind durch eine derart vorstrukturierte selektive Wahrnehmung auf jeden Fall stark konditioniert.[18] Wenn diese Form der Presseberichterstattung dann mit den oben skizzierten Dynamiken der politischen Kommunikation amalgamiert, dann ist das Ergebnis ein öffentliches Scherbengericht. Der Nachrichtenwert der Aktionen, der sich sonst durch Wiederholung ziemlich schnell abnutzen dürfte (was über den Sommer ja zu beobachten war), wird dabei darüber generiert, dass sie immer noch stattfinden, immer noch umstrittener werden, und mit Stellungnahmen von Politiker:innen verbunden werden, deren eskalierende Verurteilung immer mehr zum eigentlichen Inhalt der Nachricht wird. Die Aktionsformen der Letzten Generation, die eben primär auf Aufmerksamkeitserzeugung durch diffuse ‚Störung‘ setzen, sind für diese Form der Rezeption wie geschaffen. Wie man aus einigen Äußerungen von Aktivist:innen auch heraushören kann,[19] lesen die Aktivist:innen die ihnen entgegenschlagende Feindseligkeit mitunter geradezu als Bestätigung ihres Protestrepertoires.

Dass die Polizei in München unter Berufung auf das neu verabschiedete Gefahrenabwehrgesetz Aktivist:innen für das wiederholte Festkleben auf der Straße für 30 Tage in Gewahrsam nimmt;[20] dass die Innensenatorin von Berlin erklärt, die juristische Schuldfrage zum Tod der Radfahrerin sei offen, die moralische hingegen nicht[21] (eine wirklich seltsame Argumentation, wenn man bedenkt, dass ein, wenn nicht der wesentliche Teil der juristischen Klärung darin bestehen dürfte, zu ermitteln, ob mit Vorsatz gerechnet werden kann); dass die Gewerkschaft der Polizei ein Verbotsverfahren gegen die Letzte Generation fordert[22] – all das ist für sich genommen aufgrund der oben erörterten Konstellationen zumindest nachvollziehbar, mündet allerdings, gerade wenn es im Zusammenhang mit andauernder Spekulation über den Tod der Fahrradfahrerin gemeldet wird, in einen selbstverstärkenden Kreis massenmedialer Vorverurteilung, der zunehmend von den realen Ereignissen entkoppelt scheint.

So mag es nicht verwundern, dass im Kommentar auf der ersten Seite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 3. November 2022 die Aktionen der Letzten Generation abgelehnt werden. Da der Kommentar allerdings mit „Die größte Gefahr“ übertitelt und im Text geraunt wird, diese bestünde darin, dass diese Proteste von breitem Wohlwollen getragen und nur deswegen noch nicht breiten Raum im Verfassungsschutzbericht einnähmen, obwohl so schließlich „Terror beginnen“ könne,[23] muss man konstatieren, dass die Empörung sich hier recht eindeutig von ihrem empirischen Gegenstand freigemacht hat. Denn zu diesem Zeitpunkt hatten sich alle relevanten politischen Parteien bereits von den Aktivist:innen distanziert. Das breite Wohlwollen, das in dem Kommentar unterstellt wird, ist also empirisch mindestens so fragwürdig wie die von der Bild-Zeitung beschworene Wut-Welle.

Nicht besonders extrem, aber eben exemplarisch aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang eine im Auftrag der Augsburger Allgemeinen Zeitung durchgeführte repräsentative Meinungsumfrage des Umfrageinstituts Civey, über deren Ergebnisse in zahlreichen überregionalen Tageszeitungen berichtet wurde, ohne dass sie, meines Wissens, irgendwo kritisch diskutiert worden wären. „Mit ihren Straßenblockaden und ähnlichen Protestformen würde die ,Letzte Generation‘ ihrem Anliegen Klimaschutz eher schaden. Das jedenfalls glauben 86 Prozent der Deutschen.“[24] So das Ergebnis der Umfrage, die doch aber nichts anderes misst, als den Umstand, dass die Befragten in den Tagen zuvor in den Medien verfolgt haben dürften, dass Politiker:innen und Kommentator:innen ebenjenes behauptet hatten. Der soziologisch neugierigen Leser:in drängt sich die Frage auf, wie dieses „Schaden“ genau vonstattengehen sollte: Es liegt nahe zu vermuten, dass von denselben Befragten sehr wenige geantwortet hätten, dass sie wegen der Proteste ihre Meinung zum Klimaschutz geändert hätten. Was in dieser Umfrage also re-inszeniert wird, ist genau das Scherbengericht, das die Medien über die Legitimität der Proteste abhalten: Die öffentliche Meinung ist gebeten, ein Votum über die Legitimität von Protesten abzugeben, die erkennbar nicht auf ihre Beeinflussung zielen – was seltsam, aber nicht weiter verheerend wäre, wenn es nicht als Bestätigung für die vermeintliche Wut-Welle gegen die Proteste herangezogen würde. Während die Befragten also in dieser Umfrage vor allem signalisieren dürften, dass sie zur Kenntnis nehmen, dass die Proteste von politischen Akteuren und Kommentator:innen kritisiert werden, lesen ebenjene Akteure und Kommentator:innen die Umfrageergebnisse als Legitimierung ihrer Verurteilung der Proteste. Das Ergebnis ist eine Selbstbestätigung des politischen Unwillens, sich dem Thema der Proteste zu stellen, die im selben Zug auf eine vermeintliche Radikalität der Proteste selbst zurückgeführt wird.

Geradezu mustergültig vorgeführt wird die Übertragung des kommunikativ unterstellten Unbehagens über das Ungenügen der Bekämpfung des Klimawandels auf die Angst vor einer Radikalisierung der Klimabewegung im Leitartikel der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 13. November: „Klimabewegung am Abgrund“. Neben vagen Äußerungen von Interviewpartner:innen („Ob manche in der Bewegung in den Extremismus abdriften könnten? ‚Ja, das kann passieren,‘ sagt Gerhardt.“) bezieht der Artikel die artikulierte Furcht vor der Radikalisierung vor allem aus dem „Druck“, unter dem die Aktivist:innen stehen, weil ihre Aktionen im Angesicht der von ihnen (ja aber eben nicht nur von ihnen, aber das wird geflissentlich nicht thematisiert) befürchteten Katastrophe bisher zu wenig Ergebnisse erzielt hätten. Zitiert wird daraufhin Nietzsche: „Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein“.[25] Man mag mir nachsehen, wenn ich nicht ganz genau sagen kann, wer hier Abgrund ist, wer blickt, und wer daraus Schlüsse ziehen sollte.

Schluss

Diese tentativen Überlegungen zur Logik der hitzigen Debatten um die Aktionen der Letzten Generation können selbstverständlich nicht in praktisch brauchbare Schlüsse münden, weil sie zum einen viel zu abstrakt sind und ihre empirische Basis zum anderen viel zu dürftig ist, um sich guten Gewissens auf Aussagen über zu erwartende empirische Ereignisse festzulegen. Dennoch möchte ich am Ende drei Thesen formulieren, die mir plausibel genug scheinen, um weitere Diskussion auch zu lohnen, wenn sich herausstellen sollte, dass die hier präsentierten Überlegungen auf in Teilen unzutreffenden Beobachtungen beruhen.

  1. Es gibt kaum Anzeichen für die vielfach befürchtete Radikalisierung der Klimabewegung in Deutschland. Diese These ist zugegebenermaßen weniger Ergebnis meiner Überlegungen als vielmehr ihre Voraussetzung. Jedoch scheint mir diese Behauptung nicht allein durch alle mir verfügbaren Informationen gedeckt, ich weiß mich in ihr auch mit allen mir bekannten Protestforscher:innen einig, die sich zu der Frage geäußert haben.[26] Vielmehr ist der Eindruck der Radikalisierung der Klimabewegung nicht zuletzt der Schärfe der Reaktionen auf die Protestformen einer bestimmten Gruppe innerhalb der Klimabewegung geschuldet, die sich über diese vermeintlich stattfindende oder drohende Radikalisierung legitimiert.
  2. Die Schärfe der Reaktionen auf die Aktionen der Letzten Generation speist sich nicht zuletzt aus dem Dilemma, dass die Aufmerksamkeit, die diese Aktionen generieren, es unmöglich macht, sich nicht zu ihnen zu verhalten, ein Verhalten zu den Inhalten der Proteste aber für kaum einen politischen Akteur zur Zeit eine politisch vielversprechende Strategie sein dürfte. In diesem Zusammenhang ist die Skandalisierung der Form also eine Form des Sich-Nicht-Nicht-Verhaltens zu den Protesten, die es erlaubt, sie zu thematisieren, ohne ihre Inhalte thematisch werden zu lassen. Die Radikalisierung, die den Protestierenden zugeschrieben wird, ist dabei zum einen legitimierende Grundlage dieser Form der Kommunikation (denn die Schärfe der Reaktion könnte aus dem faktisch Vorfindlichen schwer begründet werden), zum anderen aber wohl auch Reflex auf das Unbehagen an der Politik zur Bekämpfung des Klimawandels selbst. Weil man als geteiltes Wissen der an der Kommunikation Beteiligten voraussetzen kann (und muss), dass die bisherigen Maßnahmen hinter der Dringlichkeit des Problems zurückbleiben, scheint die Annahme, dass diejenigen, die sich der Thematisierung dieser Diskrepanz verschrieben haben, eigentlich zu radikaleren Maßnahmen greifen müssten, geradezu geboten.
  3. Die moral panic um die Aktionen der Letzten Generation hat zumindest vorübergehend selbstverstärkende Tendenzen, weil der Nachrichtenwert der Aktionen, der sich zu Beginn aus dem Neuigkeitswert der Aktionsformen speiste, zunehmend aus der politischen Verurteilung der Proteste bezogen wird, was dann wiederum auf eine vermeintliche Radikalisierung(sgefahr) der Proteste zurückgerechnet wird. Sollten die präsentierten Überlegungen zutreffen, dann ist ein Durchbrechen dieser Spirale nur zu erwarten, wenn sich eines der betrachteten Dilemmata auflöst: zum Beispiel weil sich innerhalb der Klimabewegung Aktionsformen entwickeln, die erfolgreich Aufmerksamkeit generieren, dies aber auf thematisch weniger diffuse Art und Weise tun, oder weil die Aktionen aus Erschöpfung weniger werden; weil sich doch eine politische Partei auf die Seite der Protestierenden schlägt; oder weil in den Massenmedien schlicht ein anderes Thema die Proteste verdrängt. Nichts davon ist unwahrscheinlich, aber nichts davon zeichnet sich zum jetzigen Zeitpunkt ab, so dass zumindest in unmittelbarer Zukunft nicht mit einem Ende der Spirale zu rechnen ist.

Zu dem letzten Punkt gestatte ich mir abschließend doch eine explizite Bewertung: Wenn man weiß, dass in Teilen des rechtsextremen Spektrums die Klima- und Umweltbewegung seit geraumer Zeit als Feindbild etabliert wurde und dass antisemitische Megaverschwörungstheorien, wie sie rund um die Corona-Pandemie in einschlägigen Foren aktualisiert in Umlauf gebracht wurden, selten ohne Verweis auf eine vermeintliche Klimawandelverschwörung auskommen, dann ist der aktuelle Ton der Presseberichterstattung besorgniserregend, ganz egal was man von seinem Gegenstand hält. Wenn man bedenkt, dass diese Eskalation der Debatte über die Klimabewegung, relativ unabhängig von deren Aktionen selbst, naheliegt, mag der Wunsch soziologisch naiv scheinen, aber es wäre doch wünschenswert, dass die Stellungnahmen zu den Aktionsformen vor allem derjenigen sich mäßigen, die sie ablehnen. Zu einer weiteren Verschärfung der Verurteilung der Proteste besteht derzeit in Bezug auf die Sache selbst höchstens ein schäbiger Anlass: Die Gelegenheit, sie ‚fertigzumachen‘, war diskursiv vielleicht noch nie so günstig wie gegenwärtig. Dass es Akteure gibt, die daran, über die skizzierten Dynamiken hinaus, ein Interesse haben, muss man vermutlich hinnehmen. Neben allen grundsätzlichen ethischen und demokratischen Einwänden gegen ein solches Vorhaben sollte man aber niemandem Nichtwissen in Bezug darauf zugestehen, dass solche Radikalisierungspaniken gerade auch zu Gewaltausbrüchen gegenüber denjenigen führen können, denen in der Öffentlichkeit die Radikalisierung zugerechnet wird.

  1. Zum Beispiel: Fabian Kluge, Acht von zehn Deutschen verurteilen Klima-Proteste der „Letzten Generation“, in: Augsburger Allgemeine, 8. November 2022.
  2. Habeck und Kretschmann kritisieren Klimaschützer, in: Spiegel Online, 8. November 2022.
  3. Statement zum Unfall. Es ist Zeit, eine Grenze zu ziehen, Pressemitteilung vom 4.11.2022, Letzte Generation 🧡 (blog).
  4. Nils C. Kumkar, Alternative Fakten. Zur Praxis der kommunikativen Erkenntnisverweigerung, Berlin 2022.
  5. Die Reihenfolge ist dabei nebensächlich und dient allein der besseren Lesbarkeit. In der Tat können die Proteste, über die ich zunächst sprechen werde, genauso gut als Reaktion auf die politische Bearbeitung des Problems gelesen werden, auf die ich erst danach eingehen werde.
  6. ARD-DeutschlandTrend: Klimaschutz soll nicht hintenanstehen, in: tagesschau.de vom 7.7.2022.
  7. Hinter dieser Formulierung verbirgt sich keine ironische Distanz – vielmehr ist in Bezug auf die politische Wirkung das „Scheinen“ von Mehrheiten ihr eigentlicher Effekt.
  8. Vgl. Kumkar, Alternative Fakten, S. 300 f.
  9. Mit Latenz ist hier, im Sinne von Luhmanns Unterscheidung, Kommunikations- und nicht Bewusstseinslatenz gemeint. Das heißt, es geht darum, dass das politische System, wenn es die Klimakrise bearbeitet, nur um den Preis von Dysfunktionalitäten explizit machen kann, dass es die Klimakrise eben vor allem als politisches Problem bearbeitet, und sich damit allerlei Abwägungen einkauft, die sich mit der Dringlichkeit des Problems in der öffentlichen Kommunikation eigentlich nicht vereinbaren lassen. Wissen können das trotzdem alle die ganze Zeit (was sie dann ja auch ex-post oft bekunden), vgl. Niklas Luhmann, Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt am Main 2015, S. 556–59, siehe auch nächste FN.
  10. Ganz im Sinne von: Armin Nassehi, Unbehagen. Theorie der überforderten Gesellschaft, München 2021.
  11. Das ist selbstverständlich ein gradueller Unterschied: Ein Beitrag zur Kommunikation kann über seine Anschlüsse nie verfügen. Aber wenn ein Castor-Transport blockiert wird, dann können die Aktivist:innen doch sicher sein, dass, egal wie viele Politiker:innen über Chaoten schimpfen, die Einsatzkosten der Polizei als Kosten eines Castortransports verbucht werden und in die weiteren Kalkulationen zur zivilen Nutzung der Atomkraft eingehen. Analoges gilt nicht für besuppte Gemälde oder blockierte Autobahnzufahrten.
  12. So zum Beispiel Berlins SPD-Innensenatorin Spranger: Daniel Böldt, „Keine Rechtfertigung, das Leben anderer zu gefährden“ : Berlins Innensenatorin Spranger kritisiert Klimademonstranten nach verzögertem Rettungseinsatz, in: Der Tagesspiegel Online, 31. Oktober 2022.
  13. Letzte Generation, Forderungen, in: Letzte Generation 🧡 (blog).
  14. Hans-Jörg Vehlewald, „Notwehr ist ein scharfes Schwert“, in: Bild, 25.10.2022.
  15. Ronen Steinke, Klimaprotest hatte keinen Einfluss auf Versorgung des Unfallopfers, in: Süddeutsche Zeitung, 4. November 2022,.
  16. Alexander Fröhlich, Berliner Feuerwehr legt Bericht vor: Klimakleber erschwerten Rettung einer Radfahrerin erheblich, in: Der Tagesspiegel, 9. November 2022.
  17. Lena Niethammer, Die Schuldfrage, in: Die Zeit, 9. November 2022.
  18. Was wohlgemerkt nicht heißt, dass sie sich nicht auch durch verfahrensmäßig geregelte Überprüfung als plausibel erweisen können.
  19. Vgl. etwa BR24, Possoch klärt: Klimaaktivisten: Was bringen die Proteste eigentlich?, 10. November 2022.
  20. Joachim Mölter, München: Klimaaktivisten müssen bis zu 30 Tage in Gewahrsam, in: Süddeutsche Zeitung, 4. November 2022
  21. Böldt, Keine Rechtfertigung, das Leben anderer zu gefährden.
  22. dpa, Klimaaktivisten: Polizeigewerkschaft fordert Prüfung von Verbot der Letzten Generation, in: Die Zeit, 3. November 2022, Abschnitt Gesellschaft.
  23. Reinhard Müller, Die größte Gefahr, online verfügbar unter: Klebende Klimaaktivisten: Die Verhöhnung von Demokratie und Rechtsstaat, in: FAZ.NET, 3. November 2022.
  24. Kluge, Acht von zehn Deutschen verurteilen Klima-Proteste der ‚Letzten Generation‘.
  25. Justus Bender / Morten Freidel, Klimabewegung am Abgrund, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 13. November 2022.
  26. Vgl. zum Beispiel Michael Brüggemann et al., Radikalisiert Sich Die Klimabewegung?, in: Rapid Reaction, 2022.

Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Jens Bisky, Stephanie Kappacher.

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Nils C. Kumkar

Nils C. Kumkar ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am SOCIUM – Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen. Seine Forschungsgebiete sind qualitative Methoden und Gesellschaftstheorie, mit Fokus auf sozialer Ungleichheit, Protest und Kritik. (© Falk Weiss)

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