Dossier
Für die Insel
Eine Reihe über besondere Bücher und Lektüren
Bücher belehren und beflügeln, sie bringen uns zum Lachen oder zum Weinen, sie können langweilen, Zorn erregen, aufpeitschen oder abstumpfen, treue Begleiter oder lästige Blagen sein, sie erweitern den eigenen Horizont, entführen in fremde Welten oder zeigen das unheimlich Vertraute. Die größten Entdeckungsreisen beginnen in Bibliotheken, die sehr Verschiedenes beherbergen: informierende Studien, erzählende Sachbücher, Romane oder Verse. Vieles, was wir lesen, vergessen wir rasch wieder, manches bleibt ein Leben lang in Erinnerung. Wir lesen auf unterschiedliche Weise, mal flüchtig und nur obenhin, mal mit dem Bleistift in der Hand vom ersten bis zum letzten Buchstaben, mal bloß blätternd, nach Stichworten suchend.
Wissenschaftler:innen sehen sich mit ganz spezifischen Anforderungen an Form und Inhalt ihrer Lektüren konfrontiert. Aus guten Gründen vermittelt ein akademisches Studium gleich zu Beginn die für das wissenschaftliche Lesen nötigen Kompetenzen. Und wer in seinem Fach mitreden will, muss dessen Klassiker kennen und sich in Diskussionen an der richtigen Stelle auf sie berufen können. In den zahllosen Videokonferenzen der letzten Jahre gehörten gut gefüllte Bücherregale zu den beliebtesten Bildhintergründen. Sie dienten auch der Inszenierung gediegener Bildung, erweckten einen freundlichen Eindruck, vor allem aber kitzelten sie die Neugier: Was steht da in ihrem, in seinem Regal? Und in welcher Nachbarschaft? Wer hat was mit welchen Gedanken und Emotionen gelesen? Und welches Buch würde er, würde sie mit auf eine einsame Insel nehmen?
Danach haben wir Wissenschaftler:innen und Autor:innen gefragt, sie um Auskunft über diejenigen Bücher gebeten, die für sie entscheidend waren, die sie froh oder ärgerlich stimmten, die sie berührten oder abstießen, die sie im Gedächtnis behalten oder möglichst schnell wieder vergessen wollten. Der Titel dieser Reihe – „Für die Insel“ – rückt jene Bücher ins Zentrum, die man zur ständigen (Re-)Lektüre empfehlen würde, es geht aber auch um besondere Leseerfahrungen und mit Lektüren verbundene Gedanken, Erlebnisse, Enttäuschungen, um Stationen der immer individuellen Lesebiografie.
Den Auftakt zur Reihe machen die Geschlechterforscherin Sabine Hark und der Soziologe Dirk Baecker. Ihnen folgen die Direktorin des Leibniz-Zentrums für Literatur- und Kulturforschung Eva Geulen, der Kulturjournalist René Aguigah, die Soziologin Martina Löw, ZEIT-Redakteurin Elisabeth von Thadden, der Soziologe Armin Nassehi, die Soziologin Nicole Mayer-Ahuja, die Philosophin Beate Rössler, der Soziologe Wolfgang Eßbach, die Autorin Kübra Gümüşay, die Historikerin und Soziologin Theresa Wobbe, den Politikwissenschaftler Herfried Münkler, der Historiker Jürgen Osterhammel sowie viele weitere. Ihre Antworten, so viel sei an dieser Stelle vorab in Aussicht gestellt, gewähren ebenso ungewöhnliche und intime wie unterhaltsame Einblicke in die privaten Bibliotheken und Leseerfahrungen unserer Gesprächspartner:innen. Wir danken allen Beteiligten für Ihre Bereitschaft, uns Auskunft zu geben. Eine anregende Lektüre wünscht
Die Redaktion
Dirk Baecker | Interview
Von außergewöhnlichen und Neid auslösenden Lektüren
Sieben Fragen an Dirk Baecker
Eva Geulen | Interview
„Mir wird ganz schlecht bei dem Gedanken, was hier alles fehlen muss“
Sieben Fragen an Eva Geulen
René Aguigah | Interview
Bücher als beständig abrufbare Referenz und Resonanzraum
Sieben Fragen an René Aguigah
Martina Löw | Interview
„Nach der Lektüre dieses kleinen Taschenbuches waren wir Feministinnen geworden“
Sieben Fragen an Martina Löw
Elisabeth von Thadden | Interview
„Leidenschaftlich zu lesen kann wirklich eine Tölpelfalle sein“
Sieben Fragen an Elisabeth von Thadden
Armin Nassehi | Interview
Über befreiende Leseerlebnisse und unsägliche Bücher
Sieben Fragen an Armin Nassehi
Nicole Mayer-Ahuja | Interview
Über provozierende Bücher und solche, die Hoffnung machen
Sieben Fragen an Nicole Mayer-Ahuja
Beate Rössler | Interview
„Diese Transformationen, die wir durch das Lesen erfahren, sind für mich das Kennzeichen einer gelungenen Lektüre“
Sieben Fragen an Beate Rössler
Kübra Gümüşay | Interview
„Autor:innen sollten respektvoll mit der Zeit der Lesenden umgehen“
Sieben Fragen an Kübra Gümüşay
Theresa Wobbe | Interview
„Der Akt des Lesens entscheidet über das Schicksal eines Buches“
Sieben Fragen an Theresa Wobbe
Herfried Münkler | Interview
Über Lesen mit Bewunderung und nachhaltig angeeignete Lektüren
Sieben Fragen an Herfried Münkler
Jürgen Osterhammel | Interview
Über heilige Grundtexte und die Rolle von Rezensionen
Sieben Fragen an Jürgen Osterhammel