Claudia Vogel, Harald Künemund | Literaturessay |

Erdrückt uns die Alterslast?

Ein Literaturessay über schrille Märchen unter dem Deckmantel der Aufklärung

Stefan Schulz:
Die Altenrepublik. Wie der demographische Wandel unsere Zukunft gefährdet
Deutschland
Hamburg 2022: Hoffmann und Campe
224 S., 10,99 EUR
ISBN 978-3-455-01469-3

1. Einleitung

Seit Jahrzehnten werden die demographischen Veränderungen Deutschlands in so genannten Sachbüchern, Reportagen und Zeitungsartikeln als Krisenszenario ausgemalt. Dabei wird der Ton immer schriller, die Behauptungen immer übertriebener – vermutlich um mit diesem alten Hut auch heute noch Leser:innen hinter dem Ofen hervorzulocken: Die Argumente selbst sind nicht neu, aber damit ihnen noch etwas Neuigkeitswert zukommt, wird gerne noch eine Schippe draufgelegt. Schauen wir uns Sachbücher der heutigen Bundesrepublik an, fiele da zunächst einmal Hans Mohl auf, der Anfang der 1990er-Jahren eine „Altersexplosion“ prognostizierte und für das Jahr 2010 (zahlenmäßig korrekt) einen Anteil der über 65-Jährigen von knapp 21 Prozent der Bevölkerung in Aussicht stellt.[1] Dies deutet Mohl als große Alterslast und empfiehlt Leistungsbegrenzungen im Gesundheitswesen, die mit Hilfe von Altersgrenzen umgesetzt werden könnten. Heidi Schüller hält den steigenden Anteil von Älteren für eine nicht mehr finanzierbare Last für die mittlere, im Erwerbsleben stehende Altersgruppe, befürchtet eine politische Dominanz der höheren Altersgruppen und fordert deshalb eine Herabsetzung der Altersgrenzen im Wahlrecht sowie ebenfalls am Alter orientierte Leistungsbegrenzungen im Gesundheitssystem.[2] Hermann Schreiber lobt sogar „das gute Ende“, welches in Anbetracht der „anrollenden Alten-Lawine“[3] nicht zu spät kommen solle, und sieht einen „Altersklassenkampf“ aufziehen, weil die Älteren „in schmucken Ferienhäusern am Mittelmeer“ [4] überwintern, während die mittlere Altersgruppe dies finanzieren müsse. Jörg Tremmel zieht auch noch Umweltzerstörung und Staatsverschuldung hinzu und spricht vom „Generationsbetrug“,[5] Bernd W. Klöckner beklagt eine „gierige Generation“ der Alten, die „auf Kosten der Jungen abkassiere[n]“,[6] und Frank Schirrmacher machte mit dem „Methusalem-Komplott“ das Thema Alterslast zum Bestseller.[7] Um solche Erfolge zu wiederholen oder gar zu übertreffen, scheinen immer neue Superlative und Dramatisierungsfloskeln das Mittel der Wahl.

Offensichtlich knüpft der Journalist Stefan Schulz mit seinem Buch Die Altenrepublik: Wie der demographische Wandel unsere Zukunft gefährdet genau hier an: nochmals neue Superlative und immer schrillere Dramatisierungsfloskeln.[8] So wird der demographische Wandel von Schulz (S. 8) als „historische Zäsur“ ausgerufen. Er behauptet irreführend: „In die aktuelle Legislaturperiode fällt das Jahr 2023, das erste ‚Babyboomerjahr‘ der Rentenversicherung. Der 1958er-Geburtsjahrgang springt dann über die Altersgrenze von 65 Jahren und damit ins Rentenalter“, so Schulz (S. 13) – dabei wurde das Renteneintrittsalter für diesen Jahrgang bereits auf 66 Jahre hochgesetzt. Mit dieser Schilderung schürt der Autor Ängste, etwa vor einem vermeintlichen Wohlstandsverlust, und heizt den mutmaßlichen Generationenkonflikt an: „Der demographische Wandel bedroht uns. Nicht nur damit, dass er unseren Wohlstand mindern kann, sondern auch, weil er sich in unsere Körper und Köpfe frisst. […] Junge Menschen leiden unter Perspektivlosigkeit und Resignation.“ (S. 12) Er beschwört erneut Generationenkonflikte, etwa wenn viele ältere Wahlberechtigte einer deutlich geringeren Zahl jüngerer Wahlberechtigter gegenüberstehen. Seiner Ansicht nach leben wir bereits in einer Altenrepublik, in der „mit den Grundsätzen der Generationengerechtigkeit gebrochen“ wurde (S. 84). Mit pauschalen Aussagen wie „Der Altersquotient steht vor einer Verdopplung, die Rentenerwartung vor einer Halbierung“ (S. 120) befeuert Schulz eine affektiv geführte Debatte und schürt Ängste etwa vor der Armut im Alter für die heute Jüngeren. Die von ihm formulierten Forderungen beinhalten dann etwa ein demographiepolitisches „1,8-Kinder-pro-Frau-Ziel“ (S. 179) sowie längeres Arbeiten, also beispielsweise ein weiteres Anheben der Regelaltersgrenze für den Renteneintritt.

Wir nehmen die neuerliche Konjunktur der Alterslast-Thematisierung zum Anlass, einige Punkte zu diskutieren, bei denen Argumentationen wie diejenige von Schulz unserer Ansicht nach das Ziel der Aufklärung verfehlen und vielmehr zu einer Verschleierung von Sachverhalten beitragen.[9] Dies betrifft einerseits die Generationenproblematik als solche, andererseits die Altersgruppen und jene Zahlenverhältnisse, die zumeist als „Alterlast“ problematisiert werden. Beides kommt nun in den aktuellen Debatten um die sogenannten „Baby-Boomer“ zusammen: Geburtenstarke Jahrgänge, denen als Gruppe der heutigen „Alten“ ein kollektives Fehlverhalten angelastet wird.

2. Alter, Altersgruppen, Generationen

Die Begriffe „Alter“ und „Generation“ sind mehrdeutig und unscharf, auch wenn dies im Alltag kaum auffällt. Alter ist zwar eine beinahe allgegenwärtige Größe: Neben rechtlichen Regelungen zu Altersgrenzen – etwa zum Beginn der Schulpflicht, der Volljährigkeit, der Berechtigung zum Führen von Fahrzeugen oder dem Bezug von Altersrenten – existieren zahlreiche Normen und Regeln, wie man sich altersgemäß zu verhalten habe. Zugleich werden regelmäßig individuelle Merkmale mit entsprechenden Durchschnittswerten anderer Personen ähnlichen Alters verglichen – beispielsweise schulische Leistungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen – und Kollektive hinsichtlich ihres Durchschnittsalters bewertet – zum Beispiel Fußballmannschaften, Beschäftigte in einem Unternehmen oder ganze Bevölkerungen. Schließlich werden jährlich wiederkehrende Ereignisse wie etwa Geburts- oder Hochzeitstage gefeiert. Dennoch sind die Jahre eine weitgehend ungeeignete „Maßeinheit“ für das menschliche Alter. Dies ist im Alltag eigentlich auch wohlbekannt: Jede:r kennt eine Person, die für ihr Alter noch sehr jung ist, oder eben auch sehr alt. Der Kalender und die Sonnenjahre vermögen ganz offensichtlich nicht in jeder Hinsicht angemessen abzubilden, was mit „Alter“ eigentlich gemeint ist. Kalendarisch gleichaltrige Personen können beispielsweise durchaus biologisch mehr oder weniger „gealtert“ oder auch unterschiedlich „weise“ und in verschiedenen sozialen Kontexten sogar gleichzeitig unterschiedlich „alt“ sein – man denke etwa an eine Fußballspielerin, die in diesem Zusammenhang mit 30 Jahren schon zu den „Alten“ zählt, während sie in anderen sozialen Kontexten durchaus noch zu den „Jungen“ zählen dürfte, etwa als Wissenschaftlerin. Wahrscheinlich gibt es in diesen Dimensionen zudem unterschiedliche Geschwindigkeiten, Phasen beschleunigten Alterns, vielleicht auch Phasen der Verjüngung. Messinstrumente für diese Prozesse fehlen weitgehend, der Kalender – anhand der Bewegungen der Planeten über viele Generationen hinweg mühsam entwickelt, um soziale Interaktionen koordinieren zu können – ist kein valides Messinstrument für das menschliche Alter. Es eignet sich daher nur wenig für eine pauschale Zuweisung von physischen, psychischen oder sozialen Eigenschaften. Besser wäre es, konkrete Phänomene wie kognitive Leistungsfähigkeit oder körperliche Fitness zu thematisieren statt pauschal das kalendarische Alter heranzuziehen.

Ähnliches gilt für den Begriff der Generation und die damit einhergehenden pauschalen Zuweisungen von Einstellungen oder Handlungen. Hier müssen zwei grundverschiedene Bedeutungen des Begriffs „Generation“ differenziert werden: familiale und gesellschaftliche Generationen. Im ersten Fall wechselt die individuelle Generationenzugehörigkeit im Lebenslauf – etwa im Familienkontext vom Kind zum Großelternteil (sofern weitere Kinder folgen), oder in der Gesellschaft von der jungen über die mittlere zur älteren Generation. Zwar bleibt man zeitlebens Kind seiner Eltern, aber die dominante Rolle in diesem Sinne der Generationenzugehörigkeit verändert sich im Lebenslauf. Man ist zunächst ein Angehöriger der jungen, dann der mittleren, und später der älteren Generation. Auf diesem Wechsel der Generationenzugehörigkeit basiert auch der sogenannte „Generationenvertrag“, bei dem die jeweils mittlere Generation für alle gleichzeitig lebenden Generationen aufkommt: Im Lebenslauf wechseln Individuen in diese mittlere Generation und verlassen sie beim Übergang in den Ruhestand. Bei einer solchen Definition können dann Generationenkonflikte einerseits zwischen Familienangehörigen unterschiedlichen Alters, andererseits auf gesellschaftlicher Ebene als Konflikte zwischen Alt und Jung thematisiert werden. Es scheint daher angemessen, in solchen Fällen besser von Altersgruppen statt von Generationen zu sprechen, um die Verwechslung mit einer zweiten Bedeutung auszuschließen.

In diesem zweiten Fall der gesellschaftlichen Generationen bleibt die individuelle Generationenzugehörigkeit im Lebenslauf konstant, man wechselt genau nicht. Dies ist beispielsweise bei den Angehörigen der 68er-Generation oder der Kriegsgeneration der Fall – eine solche Generationenzugehörigkeit geht typischerweise nicht bei Erreichen eines bestimmten Alters verloren, sondern die Angehörigen einer Generation altern kollektiv, gehen beispielsweise im Großen und Ganzen betrachtet gemeinsam in den Ruhestand. Für diese Bedeutung eignet sich der Begriff der Geburtskohorte besser: Er zielt auf Gemeinsamkeiten aufgrund gleicher oder benachbarter Geburtsjahrgänge im Sinne generationstypischer Erfahrungen und – möglicherweise – gemeinsamer Werte oder Lebensstile. Allerdings ist ein gemeinsamer Geburtsjahrgang für die meisten analytischen Zwecke noch kein hinreichendes Kriterium für Generationen im engeren Sinne: Bereits Karl Mannheim merkt hierzu an, dass wohl niemand behaupten wolle, die chinesische und deutsche Jugend um 1800 herum gehörten einer Generation an.[10] Er konzipiert einen Begriff der Generationenlagerung in Analogie zur Klassenlage für die (zumindest potenziell) gemeinsame Partizipation an verbindenden Ereignissen und Entwicklungen. Welche Ereignisse und Entwicklungen dann welche Personengruppen in ähnlicher Weise verarbeiten und sich vielleicht sogar selbst als Generation identifizieren und stilisieren, bleibt zu beobachten. Es ergibt sich aber nicht zwangsläufig aus der Zugehörigkeit zu einem Geburtsjahrgang oder dem öffentlichkeitswirksamen Auftreten einer Teilgruppe zu bestimmten historischen Zeitpunkten. Zugespitzt formuliert: Ein Mitglied einer schlagenden Verbindung muss trotz „passendem“ Geburtsjahr und Universitätsstudium in den späten 1960er-Jahren nicht zwingend den 68ern zugerechnet werden.

Wir haben es entsprechend mit mehreren unterschiedlichen Phänomenen zu tun, wenn von Konflikten zwischen den Generationen die Rede ist. Auf Seiten der Zugehörigkeit zu Altersgruppen kann man vermuten, dass das Verhältnis zwischen den Generationen – von Ausnahmen abgesehen – schon immer problematisch und konfliktreich war. Angeblich hat schon Sokrates vor mehr als 2.000 Jahren über die Jugend geklagt, diese habe keinen Respekt vor älteren Menschen, schlechte Manieren und verachte die Autorität. Solche Konflikte zwischen Jung und Alt wie auch solche zwischen Generationen können sich innerhalb der Familie wie auch auf der gesellschaftlichen Ebene abspielen – die Jugendbewegung, die Studentenbewegung oder die Klimabewegung sind Beispiele aus der jüngeren Geschichte. Aber während sich die Auseinandersetzungen beispielsweise gegen Ende der 1960er-Jahre als Problem einer blockierten Modernisierung oder der zunehmenden Geschwindigkeit des gesellschaftlichen Wandels – dem Entstehen einer Jugend, der die Älteren kein Vorbild mehr sein können, weil ihre Orientierungen gewissermaßen veraltet sind – interpretieren ließen,[11] geht es bei der heutigen in zunehmend schrillerem Ton geführten Diskussion eher um einen Verteilungskonflikt zwischen Geburtsjahrgängen unterschiedlicher Größe. Eine knappe Skizze mag dies verdeutlichen.

Nach der Rentenreform von 1957 ist der Lebensstandard der Älteren schrittweise gestiegen; Benachteiligungen aufgrund des Alters wurden abgebaut, die Altersarmut wurde zurückgedrängt. Seit Ende der 1980er-Jahre leidet das Ansehen der Älteren in der Öffentlichkeit jedoch deutlich. Ein Beispiel: Jörg Tremmel, Mitbegründer der „Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen“, sieht eine Altenlobby am Werk, die die Zukunftschancen der Jüngeren ruiniert. Er malt das Schreckensbild einer „Diktatur der Senioren und Senilen“[12] an die Wand und fordert deshalb die Abschaffung von Seniorenbeiräten sowie eine generelle Senkung der Renten. Den Hintergrund dafür bildet ein Diskurs über „intergenerationelle Gerechtigkeit“, der zunächst vor allem in den USA geführt worden ist.[13] Dort wird behauptet, die Älteren hätten sich auf Kosten der nachfolgenden Generationen unrechtmäßig bereichert und würden heute vom Wohlfahrtsstaat unverhältnismäßig begünstigt: Der Wohlstand der heutigen Rentner:innen und Pensionsbezieher:innen verursache enorme ökonomische Folgekosten (Arbeitslosigkeit durch zu hohe Lohnnebenkosten, Kinderarmut, Staatsverschuldung) sowie ökologische Schäden (hemmungslose Ausbeutung natürlicher Ressourcen, Umweltzerstörung), unter deren Folgen zukünftig vor allem die jüngeren Generationen zu leiden haben. Die Älteren würden sich derweil geruhsam in eine sozial abgefederte Konsumentenrolle zurückziehen und „in schmucken Ferienhäusern am Mittelmeer“ überwintern.[14] Die „Wohlfahrtsbilanz über den gesamten Lebenslauf“[15] sei somit ungerecht zwischen den Generationen verteilt. Zuweilen wird dahinter im Sinne einer Verschwörungstheorie ein organisierter kollektiver Egoismus der heutigen Älteren vermutet: Eine „gierige Generation“ verbaue nachfolgenden Generationen die Zukunft.[16] Diese Interpretationen finden sich seit etwa Ende der 1980er-Jahre regelmäßig in der Tages- und Meinungspresse sowie in zahlreichen Sachbüchern, und nun einmal mehr in Schulzes Die Altenrepublik.[17] Ebenso lassen sie sich in der Politik finden, etwa in einer Pressemitteilung der Jungen Liberalen aus dem Jahr 2005:

„Die Alten leben auf Kosten der Jungen. Während es jungen Menschen immer schlechter geht, ist die Altersarmut fast beseitigt. Es wird Zeit, dass die Alten von ihrem Tafelsilber etwas abgeben – einen Löffel oder besser gleich ein paar davon […]. Die Rentenversicherung vom Umlageverfahren auf Kapitaldeckung umzustellen ist nicht genug. Auch die heutigen Rentner müssen einen Teil ihrer Kohle rausrücken. Wir Jungen können nicht gleichzeitig unseren Lebensunterhalt verdienen, ihre Rente finanzieren und obendrein noch für unser eigenes Alter vorsorgen. Diese Dreifach-Belastung ist zuviel.“[18]

Die Rahmung all dieser Probleme als Generationenkonflikt oder Altersklassenkampf verdeckt – sei es beabsichtigt oder nicht – die Relevanz „traditioneller“ sozialer Ungleichheiten, also der ungleichen Verteilung von beispielsweise Einkommen und Vermögen oder Macht und Prestige sowie einer entsprechenden Schichtzugehörigkeit. Längst nicht alle Älteren können es sich leisten, im sonnigen Süden zu überwintern, nicht alle haben die Umwelt gleichermaßen vernachlässigt oder ihr gar geschadet. Es gibt auch Jüngere, die Zweitwohnungen im Ausland besitzen, und es sind sicher eher Personen mittleren Alters, die beispielsweise heute Giftmüll in ferne Länder exportieren. Soziale Ungleichheiten ebenso wie egoistisches Handeln sind keine Fragen des Alters. Die entscheidenden Fragen, wer also hier zu viel hat oder wer zu stark belastet wird, wer sich eine private Altersvorsorge leisten kann und wer daran etwa durch die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen oder Arbeitslosigkeit gehindert wird – all dies kommt gar nicht in den Blick, sobald alles wie im Beispiel der Pressemitteilung der Jungen Liberalen als Alters- beziehungsweise Generationenproblem stilisiert wird. Auch ob und in welcher Hinsicht die Staatsverschuldung die Zukunftschancen jüngerer Menschen und künftiger Geburtsjahrgänge einschränken – genauer wäre eigentlich zu fragen, welcher Teile dieser Jahrgänge –, und dass den Schulden Sicherheiten (zum Beispiel Liegenschaften der Gebietskörperschaften) gegenüberstehen, sowie Forderungen und Zinseinkünfte, die ja ebenfalls „vererbt“ werden[19] – all dies wird nicht berücksichtigt. Es müsste viel stärker im Hinblick auf Verteilungsfragen diskutiert werden, denn diese Forderungen und Zinseinkünfte sind ohne Zweifel stärker konzentriert als die Steuern, mit denen sie bedient werden: Staatsschulden müssten als Umverteilung „von unten nach oben“ verstanden statt irreführenderweise als Umverteilung von Jung zu Alt interpretiert werden.

Bücher wie die hier vorgestellten (und entsprechende politische Maßnahmen) befördern das Entstehen und Eskalieren genau jenes Generationenkonflikts, den sie zu diagnostizieren vorgeben.

Auch die immer wieder vorgebrachte Gefahr einer zukünftig drohenden Altenmacht, gegen die Veränderungen angeblich nur noch schwer durchsetzbar sein würden, ist unplausibel. Eine gealterte Bevölkerung muss nicht primär die Interessen der Älteren bedienen und die nachfolgenden Generationen benachteiligen – die meisten Älteren würden dem sicher sofort widersprechen: Natürlich denkt man an die Kinder und Enkel, denen es einmal besser gehen soll. Auch gibt es praktisch keine öffentlichkeitswirksamen und schlagkräftigen Organisationen Älterer, die ähnlich plakativ Jüngeren einen kollektiven Egoismus vorwerfen, wie dies umgekehrt der Fall ist – etwa die rücksichtslose Maximierung ihrer Wohlfahrtsbilanz als kinderlose Doppelverdiener, bei der die Alten nur als „Renditekiller“ im Weg stehen. Auf Seiten der Jüngeren gibt es solche Organisationen, und hier wird aktiv gegen die Älteren mobilisiert, wie exemplarisch in der Pressemitteilung der Jungen Liberalen deutlich wird. Aber gerade weil die Gruppe der Älteren derart heterogen ist – etwa hinsichtlich sozialer Schicht, Bildung, Gesundheit usw. –, scheint eine Organisationsbildung ihrerseits eher unwahrscheinlich. Wenn die Jüngeren nun durch massive Schlechterstellung der Älteren bei Alterseinkommen oder Gesundheitsleistungen keine solche Solidarisierung quer zu den traditionellen Ungleichheitsdimensionen forcieren, wäre also keineswegs ausgemacht, dass die Älteren allein aufgrund ihres Alters kollektiv Altersinteressen verfolgen und sich als Altersgruppe formieren müssten. So gesehen befördern Bücher wie die hier vorgestellten (und entsprechende politische Maßnahmen) das Entstehen und Eskalieren genau jenes Generationenkonflikts, den sie zu diagnostizieren vorgeben. Kurzum: Pauschale Zuschreibungen von Eigenschaften, Einstellungen, Handlungen oder Benachteiligungen aufgrund von Alter oder Generationenzughörigkeit lenken von zugrundeliegenden Verteilungskonflikten ab und führen erst zu Konflikten zwischen Altersgruppen und zwischen Generationen.[20] Beides in Kombination wird von Schulz aktuell aufgegriffen und verbunden, wenn er beschwört, die Generation der Baby-Boomer erreiche exakt jetzt das Rentenalter.

3. „Baby-Boomer“ und „Alterslast“

Zunächst einmal ist der Begriff „Baby-Boomer“ nicht passend, sondern eher irreführend. Er stammt aus den Vereinigten Staaten von Amerika und bezieht sich dort auf die Zeit nach dem II. Weltkrieg, es sind die Jahrgänge 1946 bis 1960 gemeint (seit etwa 1958 gingen dort die Geburten zurück, bis etwa Mitte der 1970er-Jahre). In der Bundesrepublik Deutschland hat man diesen Begriff übernommen, obgleich es hier andere, später geborene Kohorten betrifft und der Begriff auch diese nicht wirklich gut beschreibt: Es ist nicht die gleiche „Generation“, es sind auch nicht ähnliche Mentalitäten oder Lebensstile wie in den USA, weder in der Bundesrepublik und noch viel weniger in der ehemaligen DDR. In Deutschland erreichten zudem selbst die geburtenstarken Jahrgänge zwischen 1958 und 1965 nicht das Geburtenniveau, welches vor den Weltkriegen die typische Pyramidenform des Bevölkerungsaufbaus prägte. Sie erscheinen retrospektiv als „Boom“, weil die Jahrgänge zuvor aufgrund der Weltkriege und der Wirtschaftskrisen zu dieser Zeit so schwach besetzt waren. Dies lässt sich sehr deutlich an der Bevölkerungspyramide für das Jahr 1964 erkennen, wo selbst dieser Jahrgang nur knapp die Zahl der zu diesem Zeitpunkt noch verbliebenen Angehörigen der Geburtsjahrgänge 1940 bis 1941 erreicht hat.[21] Die geburtenstarken Jahrgänge der frühen 1960er-Jahre waren also weder in West- noch in Ostdeutschland ein wirklicher „Boom“, sondern Teil des langfristigen Geburtenrückgangs. Der Bevölkerungsaufbau war übrigens auch damals schon ein – aus heutiger Sicht unbegründeter – Anlass zur Sorge: Die Folgen der bereits dort erkennbaren Alterung der Bevölkerung und des Geburtenrückgangs würden sich auf die finanzielle Lage der Rentenversicherung entscheidend auswirken, so wurde schon in den frühen 1960er debattiert.[22]

Heute kennt jedes Kind diese Logik der Argumentation – der steigenden Zahl von älteren würden immer weniger jüngere Menschen gegenüberstehen, was die Finanzierbarkeit der sozialen Sicherung über den Generationenvertrag unmöglich oder zumindest ungerecht mache. Die „Alterslast“ (oder auch der „Alterslastquotient“) wird typischerweise als Verhältnis der über 64-Jährigen (über dem Bruchstrich) zu den 18- bis 64-Jährigen (unter dem Bruchstrich) berechnet und meist über 50 Jahre fortgeschrieben, mit dem Ergebnis, dass die so berechnete Alterslast sich verdoppele. Derartige Berechnungen und Abbildungen existieren seit weit mehr als 50 Jahren, immer mit in etwa dem gleichen Ergebnis der Verdoppelung in 50 Jahren. Wir halten diese Berechnungen für irreführend, und zwar aus einer ganzen Reihe von Gründen:

  1. Die Lebenserwartung steigt. Bereits allein deshalb muss zwingend die Anzahl der über 64-Jährigen steigen – selbst wenn alle Geburtsjahrgänge gleich besetzt wären, käme man bei steigender Lebenserwartung stets zu diesem Ergebnis. Es gab schon mehrfach Vorschläge, um die Alterung der Gesellschaft zu beschreiben, besser rückwärts zu zählen, also etwa die – an der durchschnittlichen Lebenserwartung gemessene – Zahl der Personen in den letzten zehn Lebensjahren in ein Verhältnis zu den Jüngeren zu setzen.[23] Folgt man dieser Vorgehensweise, verjüngt sich eine Gesellschaft, in der alle Geburtsjahrgänge in etwa gleich besetzt sind: In diesem Fall sinkt nämlich der Anteil der Älteren bei steigender Lebenserwartung, weil die Personen in den letzten zehn Lebensjahren einen immer geringeren Anteil im Verhältnis zur steigenden Zahl der Jüngeren ausmachen.
  2. Mit Blick auf die Finanzierung der Alterssicherung ist das Festhalten am Bezugspunkt von 65 Jahren in den Vorausberechnungen auch deshalb irreführend, weil die Rentenzugangsalter nicht konstant bleiben und die Altersgrenzen bereits angehoben wurden. Es ist zu vermuten, dass das Rentenzugangsalter in 50 Jahren auch nicht bei 67 Jahren liegen wird, die Zahl der über 65-Jährigen ist dann irrelevant.
  3. Zudem wurde das Rentenniveau vor dem Hintergrund solcher dramatisierenden Prognosen bereits gesenkt, die zu schulternde „Last“ wird also auch aus diesem Grund geringer ausfallen.
  4. Die Rentenanwartschaften der geburtenstarken Jahrgänge sind überdies (relativ betrachtet) geringer als jene ihrer Eltern, weil sie sich zunächst auf den Schulbänken und später auch auf dem Arbeitsmarkt drängeln mussten. Es gab nicht genug Lehrstellen und Arbeitsplätze, viele studierten so lange wie möglich ohne klare Perspektive, die Jugendarbeitslosigkeit war hoch. In der Folge haben diese Jahrgänge durchschnittlich weniger in die Rentenversicherung eingezahlt und erhalten entsprechend auch geringere Renten.  Zudem wären beispielsweise auch die steigenden Anteile Selbständiger zu berücksichtigen, deren Rentenanwartschaften im Schnitt ebenfalls geringer ausfallen.
  5. Mit Blick auf die Kosten im Gesundheitswesen bleibt zu berücksichtigen, dass die künftigen über 64-Jährigen im Durchschnitt mit besserer Bildung und bei besserer Gesundheit altern, sie werden dann auch qualitativ nicht die gleiche „Last“ darstellen.
  6. Unter dem Bruchstrich könnte aufgrund der steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen der Anteil der Einzahlenden in die gesetzliche Alterssicherung steigen, sofern zukünftig noch mehr Frauen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen nachgehen. Einwanderung trägt ebenso dazu bei, dass bereits heute eine Rekordzahl von mehr als 45 Millionen Personen sozialversicherungspflichtig erwerbstätig ist und der Großteil davon Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt. Die bisherigen Prognosen haben die Zuwanderung dagegen deutlich unterschätzt. Unter dem Bruchstrich werden so gesehen wesentliche Aspekte der möglichen Bewältigung des demographischen Wandels verdeckt.
  7. Der Alterslastkoeffizient bezieht die Zahl der Älteren auf die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter (wie argumentiert, ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Ansprüche, Leistungen, Kompetenzen usw., sondern allein anhand der Zahl der Köpfe). Ein analog konzipierter Jugendlastkoeffizient setzt zudem die Zahl der Kinder und Jugendlichen in ein Verhältnis zu den Personen im erwerbsfähigen Alter, beides wird dann als „Gesamtlast“ verrechnet. Faktisch müssen aber die Personen im erwerbsfähigen Alter auch ihre eigene Altersgruppe „mitversorgen“, nicht nur die Älteren und Kinder beziehungsweise Jugendlichen. Setzt man aber die Gesamtbevölkerung über dem Bruchstrich ein, ergeben sich nur minimale Veränderungen über die Zeit (und bei steigendem Ruhestandsalter könnte die Last theoretisch auch abnehmen). Die „Gesamtlast“ ist also nicht wirklich die „Gesamtlast“, vielmehr wird durch das Herausrechnen der mittleren Altersgruppe die Belastung dramatisiert. Die Überzeichnung der Alterslast geschieht durch die alleinige Berücksichtigung der Älteren über dem Bruchstrich – die wirkliche Leistungsfähigkeit der Gesellschaft, die sich in den vergangenen Jahren immer wieder erwiesen hat, gerät gar nicht erst in den Blick.
  8. Das Aufsummieren über 50 Jahre dramatisiert all dies zusätzlich: Eine Verdoppelung der Last in 50 Jahren entspricht in etwa einem Zuwachs von jährlich zwei Prozent, was bei den Produktivitätsfortschritten zum Beispiel durch technische Innovationen wenig problematisch wäre, würden die Produktivitätszuwächse bei den Lohnnebenkosten ankommen. Nur wird so immer wieder der Eindruck erweckt, das wäre nicht zu schaffen – bereits seit mehr als 50 Jahren.

Die Berechnungen dramatisieren also die Entwicklung in mehrfacher Weise. Ohnehin stellen nicht alle Älteren per se eine „Last“ dar, und sie werden dies vermutlich künftig immer weniger tun, etwa aufgrund ihrer längeren Erwerbstätigkeit, ihrer höheren Bildung und ihrer bislang durchschnittlich besseren Gesundheit. Sie bringen sich vielmehr zunehmend in Familie und Gesellschaft ein, etwa in Form von (Enkel-)Kinderbetreuung und ehrenamtlichem Engagement. Das könnte man eigentlich als gute Nachricht stehenlassen, wäre da nicht das ständige Gerede von den „Baby-Boomern“, der steigenden „Alterslast“ und den drohenden Generationenkonflikten. Um es nochmals an einem Punkt zu benennen: Nur eine kleine Minderheit der Älteren kann derzeit über nennenswerte Kapitalerträge verfügen, und offensichtlich gibt es auch Jüngere, die dies können. Die pauschalisierende Zuschreibung auf „Generationen“ oder Altersgruppen ist irreführend und lenkt von den tatsächlich relevanten sozialen Ungleichheiten und den Problemursachen ab.

Die pauschalisierende Zuschreibung auf „Generationen“ oder Altersgruppen ist irreführend und lenkt von den tatsächlich relevanten sozialen Ungleichheiten und den Problemursachen ab.

Ohnehin lässt sich jede „Generation“ als benachteiligt darstellen. Dies war bei den Eltern der geburtenstarken Jahrgänge so, denen man Kindheit und Jugend im Krieg und der frühen Nachkriegszeit gestohlen hat,[24] bei den geburtenstarken Jahrgängen, die in der Schule, auf dem Arbeitsmarkt, bei der Rente und vermutlich in den nächsten 25 bis 30 Jahren bei den Pflegeleistungen um die knappen Plätze und Ressourcen streiten mussten und weiter müssen,[25] wie auch bei deren Kindern, die diese „Alterslast“ nun über den Arbeitsmarkt schultern sollen. Dabei können Betroffene nichts dafür, dass es von ihrem Jahrgang so viele (oder so wenige) gibt. Dieses Problem liegt auf der Ebene der Geburtskohorten, nicht auf jener des Alters – entsprechend sollten Lösungsvorschläge auch nicht am Alter ansetzen. Unseres Erachtens wäre es dabei durchaus sinnvoll, einen Ausgleich zwischen den Geburtskohorten über Steuermittel herzustellen, nicht über Lohnnebenkosten (bei denen manche dann gar nichts „schultern“ müssen) oder Altersgrenzen (bei denen auch unbeteiligte Geburtskohorten die Folgen tragen, etwa wenn Leistungen im Gesundheitssystem nach Alter rationiert werden, die geburtenstarken Jahrgänge aber beispielsweise längst verstorben sind). Benötigt werden gerechte Verteilungen sowohl der Lasten als auch der Leistungen, und eine Gesellschaft, in der man alt werden möchte. Dabei hilft eine sachliche Diskussion der Lage und der Lösungsmöglichkeiten, nicht aber Panikmache, Altenfeindlichkeit oder Generationen-Bashing, schon gar nicht irreführende Statistiken zu einer vermeintlichen Alterslastverdoppelung im Zeitraum von 50 Jahren.

  1. Hans Mohl, Die Altersexplosion: Droht uns ein Krieg der Generationen? Stuttgart 1993.
  2. Heidi Schüller, Die Alterslüge. Für einen neuen Generationenvertrag, Reinbek 1995.
  3. Hermann Schreiber, Das gute Ende. Wider die Abschaffung des Todes, Reinbek 1996, S. 83.
  4. Ebd., S. 93.
  5. Jörg Tremmel, Der Generationsbetrug. Plädoyer für das Recht der Jugend auf Zukunft, Frankfurt 1996.
  6. Bernd W. Klöckner, Die gierige Generation. Wie die Alten auf Kosten der Jungen abkassieren, Frankfurt 2003.
  7. Frank Schirrmacher, Der Methusalem-Komplott, München 2004.
  8. Stefan Schulz, Die Altenrepublik, Hamburg 2022.
  9. Wir stützen uns dabei auf Formulierungen und Überlegungen, die wir bereits an anderer Stelle publiziert haben, insbesondere Harald Künemund, Gibt es einen Generationenkonflikt?, in: Nils Goldschmidt (Hg.), Generationengerechtigkeit. Ordnungsökonomische Konzepte, Tübingen 2009, S. 11–33; und Harald Künemund, Demografie, Politik und Generationenbeziehungen. in: Michael Hüther / Gerd Naegele (Hg.): Demografiepolitik. Wiesbaden 2013, S. 164–176; sowie Harald Künemund / Claudia Vogel, Alter und Altern – Kritik der Messung und Auswertung am Beispiel des Wohnens, in: Andrea Teti / Enno Nowossadek / Judith Fuchs / Harald Künemund (Hg.), Wohnen und Gesundheit im Alter, Wiesbaden 2022, S. 277–285.
  10. Karl Mannheim, Das Problem der Generationen, in: Kölner Vierteljahrshefte für Soziologie (1928), 7, S. 157–185.
  11. Margaret Mead, Der Konflikt der Generationen. Jugend ohne Vorbild, Olten 1971.
  12. Jörg Tremmel, Der Generationsbetrug. Plädoyer für das Recht der Jugend auf Zukunft, Frankfurt 1996, S. 60.
  13. Samuel H. Preston, Children and the elderly: Divergent paths for America´s dependents, in: Demography 21 (1984), S. 435–457.
  14. Hermann Schreiber, Das gute Ende. Wider die Abschaffung des Todes, Reinbek 1996, S. 93.
  15. Christoph Conrad, Arbeit, Ruhestand und Gerechtigkeit zwischen den Generationen, in: Sozialer Fortschritt 37 (1988), S. 217–220, hier S. 219.
  16. Bernd W. Klöckner, Die gierige Generation. Wie die Alten auf Kosten der Jungen abkassieren, Frankfurt 2003.
  17. Exemplarisch: „Wir wollen die Suppe nicht auslöffeln, die uns die Alten eingebrockt haben! Und wir wollen erst recht nicht dafür schuften, dass sie es sich auf unsere Kosten auch noch gut gehen lassen. Sie waren es doch, die dieses Land zubetoniert haben. Sie haben es mit Atombomben und Chemiewaffen vollgestopft. Sie haben den Wald kaputt gemacht. Sie haben unsere Atemluft verpestet. Sie haben unsere Lebensmittel verseucht. Sie haben die Atomkraftwerke gebaut und uns den strahlenden Müll hinterlassen. Kurzum: Sie haben unsere Welt ruiniert und uns die Zukunft genommen.“, in: WIENER(1989), 3. Weitere Beispiele wären etwa „Die Republik der Alten“, in: Der Spiegel (1993), 13; „Die Rentenreform. Wie die Alten die Jungen ausplündern“, Der Spiegel (1997), 6 u.v.a.m.; bis heute werden solche Meldungen immer wieder verbreitet.
  18. Pressemitteilung der Jungen Liberalen vom 2.3.2005 (inzwischen nicht mehr online verfügbar).
  19. Irene Becker / Richard Hauser, Soziale Gerechtigkeit – eine Standortbestimmung, Berlin 2004.
  20. Berger hatte beispielsweise im Hinblick auf die 68er-Diskussion vermutet, die Thematisierung als Generationenkonflikt hätte die „ideological function of distracting attention from its class basis“ (Bennet M. Berger The resonance of the generation concept, in: Vjenka Garms-Homolowá / Erika M. Hoerning / Doris Schaeffer (Eds.), Intergenerational relationships, Lewiston 1984, S. 219–227, hier S. 223. Ähnlich argumentiert zum Beispiel Winfried Schmähl in: ders., Leben die „Alten“ auf Kosten der „Jungen“? Anmerkungen zur Belastungsverteilung zwischen „Generationen“ in einer alternden Bevölkerung aus ökonomischer Perspektive, in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie (2002), 35, S. 304–314.
  21. Dies lässt sich in der interaktiven Darstellung der Bevölkerungsstruktur sehr gut nachvollziehen, die vom Statistischen Bundesamt auf der Internetseite DESTASTIS bereitgestellt wird, hier das Jahr 1964 eingeben und vergleichen: https://service.destatis.de/bevoelkerungspyramide.
  22. In den Jahrzehnten zuvor lag der Fokus der Klagen über geringe Geburtenzahlen eher auf der gefährdeten Wehrfähigkeit (vgl. etwa Julius Wolf, Der Geburtenrückgang. Die Rationalisierung des Sexuallebens in unserer Zeit, Jena 1912); der Fokus auf Alterssicherung kam erst mit der Rentenreform von 1957, die eine auskömmliche Rente sicherstellte, aber damit auch der privaten Versicherungswirtschaft einen lukrativen Geschäftszweig verhagelt hat. Seither ist insbesondere von dieser Seite das Argument der Alterlast immer wieder in die Diskussion eingebracht worden, etwa über das „Deutsche Institut für Altersvorsorge“ und zahlreiche weitere institutionelle bzw. Forschungsförderungen (ausführlicher hierzu: Reinhard Messerschmidt, Aussterben vertagt? Demografischer Wandel in der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion, Frankfurt am Main 2018).
  23. Norman Ryder, Notes on stationary populations, in: Population Index 41 (1975), S. 3–28; ähnlich zum Beispiel: Warren C. Sanderson / Sergei Scherbov, Average remaining lifetimes can increase as human populations age, in: Nature (2005), 435, S. 811–813.
  24. Herbert Oberste-Lehn, Probleme und Perspektiven von Menschen des 6. Lebensjahrzehnts: Handlungsfeld Freizeit, in: Margret Dieck / Gerhard Naegele / Roland Schmidt (Hg.): „Freigesetzte“ Arbeitnehmer im 6. Lebensjahrzehnt – eine neue Ruhestandsgeneration? Berlin 1985, S. 374–393.
  25. Jürgen Wolf, Krieg der Generationen? Sozialstaatliche Verteilung und politische Handlungspotentiale Älterer in der „alternden“ Gesellschaft, in: Prokla 20 (1990), 3, S. 99–117.

Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Stephanie Kappacher.

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Claudia Vogel

Prof. Dr. Claudia Vogel ist Soziologin und Professorin für Methoden der quantitativen Sozialforschung an der Hochschule Neubrandenburg.

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Harald Künemund

Harald Künemund ist Professor für Empirische Alternsforschung und Forschungsmethoden an der Universität Vechta. Seine Forschungsschwerpunkte sind Gesellschaftliche Partizipation älterer Menschen, Generationenbeziehungen, Lebenslauf und Biographie sowie Methoden der empirischen Sozialforschung (qualitativ und quantitativ).

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