Regina Becker-Schmidt, Hannah Schmidt-Ott | Interview | 28.11.2018
"Es sind die gesellschaftlichen Widersprüche, die man aufspüren muss"
Regina Becker-Schmidt im Gespräch mit Hannah Schmidt-Ott
Regina Becker-Schmidt studierte und arbeitete in den 1950er und 60er Jahren am Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main. Sie promovierte zunächst bei Theordor W. Adorno, nach dessen Tod bei Ludwig von Friedeburg. 1973 nahm sie eine Professur am Psychologischen Institut der Universität Hannover an, die sie bis zu ihrer Emeritierung im Jahr 2002 inne hatte. Mit ihren Arbeiten hat sie die Verbindung von Kritischer Gesellschaftstheorie und feministischer Kritik maßgeblich vorangetrieben, nicht zuletzt im Rahmen breit rezpierter empirischer Studien. Große Bekanntheit erreichte ihr Theorem von der doppelten Vergesellschaftung der Frau, die sowohl in der Produktionssphäre der Erwerbsarbeit als auch in der Reproduktionssphäre der Familie bestehen muss. So zeigt Becker-Schmidt auf, wie die Gesellschaft in gleichem Maße durch Geschlechterverhältnisse wie durch ökonomische Verhältnisse strukturiert ist.
Wann haben Sie angefangen, sich für feministische Belange zu interessieren?
Das kann ich ziemlich genau sagen. Ich habe 1956/57 am Frankfurter Institut für Sozialforschung angefangen zu studieren. Damals war ich natürlich völlig ahnungslos, was Feministische Theorie angeht. Das Wort „Frauendiskriminierung“ sagte mir wenig. Groß geworden bin ich im Ruhrgebiet, richtig im Ruhrpott, mit Stahlindustrie und Bergbau und so weiter. Also hatte ich viel mit Arbeiterfamilien zu tun und der Klassenbegriff war mir wohl bekannt. Dass soziale Ungleichheit eine Frage von Klassenzugehörigkeit ist, schien mir offensichtlich. Dann besuchte ich in meinem zweiten oder dritten Semester ein Seminar von Helge Pross. Thema waren die ungleichen Bildungschancen von Jungen und Mädchen. Das hat mir die Augen dafür geöffnet, dass es in unserer Gesellschaft nicht nur Klassenunterschiede gibt, sondern auch geschlechtliche Ungleichheitslagen, die nicht minder wirksam sind. Und mit dieser Erkenntnis veränderte sich auch mein Blick auf die Universität. Ich begann, mir Fragen zu stellen: Wie viele Professoren und wie viele Professorinnen gibt es hier eigentlich? Wie viele männliche Studenten und wie viele weibliche? Welche Themen werden an der Universität eigentlich behandelt? Kommt Familie vor?
Und wenn Sie sagen, dass Ihnen ökonomische Klassen schon vor Beginn Ihres Studiums ein Begriff waren, sind Sie auch Marx schon vorher begegnet?
Tatsächlich ja. Und zwar in der Unterprima eines Mädchengymnasiums. Als wir im Geschichtsunterricht das 19. Jahrhundert behandelt haben, las ich in unserem Geschichtsbuch ein Kapitel zur industriellen Revolution und zur Lage der Arbeiterschaft. In diesem Kapital gab es auch eine Passage über Marx, die ganz kurz und knapp, aber ziemlich präzise die Mehrwert-Theorie erklärte. Ich war verblüfft und habe mir gesagt: „Meine Güte, wenn das so einfach zu erklären ist – die Arbeiter kriegen zur Sicherung des Lebensunterhalts ihrer Familie so viel Lohn, dass sie die Lebensmittel, die sie zum Überleben brauchen, kaufen können und den Rest, den Wert der darüber hinaus produzierten Waren, den kassiert der Kapitalist – warum ist nicht schon früher jemand darauf gekommen?“ Das hat mich nie wieder ganz losgelassen. In Frankfurt wurde Marx natürlich immer wieder behandelt. Es gab einige Marx-Experten, fortgeschrittene Studenten, die kurz vor dem Studienabschluss standen und Lektürekurse anboten. In solchen Veranstaltungen ging mir auf, dass sich die Sache wohl doch etwas komplizierter verhält als sie in unserem Geschichtsbuch dargestellt worden war.
Wie können Marx’sche Analysen zu einer kontemporären feministischen Kritik beitragen?
Es ist die zunehmende Durchsetzung neoliberaler Ökonomiekonzepte durch die Marx in kritischen Ökonomie- und Gesellschaftstheorien neue Aktualität erfährt. Und selbstverständlich bietet er auch Feministinnen eine wichtige Orientierung für die Analyse der Ökonomisierung des Sozialen. Das zeigt die Kritik an der herrschenden Care-Ökonomie ja sehr anschaulich. Und gerade weil Marx die privat organisierten, nicht an der Mehrwertproduktion orientierten Arbeitsfelder – in denen zu großen Teilen Frauen tätig sind – vollständig ausblendete, gab er den Anstoß dazu, seinen Arbeitsbegriff, der allein auf die Warenproduktion bezogen war, ganz neu zu fassen. Und das heißt, ihn wirklich zu transformieren, also strukturell zu verändern und seinem Verständnis von Arbeit nicht nur etwas hinzuzufügen. Es geht darum, die privat organisierten Lebens- und Arbeitswelten, in denen Leben generiert, regeneriert und aufrechterhalten wird, in die Analyse von Wirtschaft wie Gesellschaft mit einzubeziehen.
Der Marx’sche Begriff von Ausbeutung wirft Licht auf einen Tausch, der formal als Transfer von Äquivalenten – nämlich Arbeitskraft und Lohn – erscheint, aber keineswegs ein Aquivalententausch ist: der im Arbeitsprozess produzierte Mehrwert fällt allein dem Kapitalisten zu. Dieses Konzept, das Machtgefälle in die Untersuchung gesellschaftlicher Konstellationen einbezieht, ist für meine wissenschaftliche Arbeit immer ein relevantes Modell geblieben, auch für die Analyse von Geschlechterverhältnissen – allerdings unter Berücksichtigung der feministischen Kritik an Marx, der die ungleiche soziale Stellung von Frauen und Männern nicht gesehen hat. Gerade in methodischer Hinsicht ist die Vorgehensweise von Marx bei der Untersuchung von Ungleichheitslagen unverzichtbar geblieben: Er zeigt, welche gesellschaftlichen Widersprüche existieren, aber strukturell verdeckt sind, und wie sie sich in verkehrter Art und Weise im Bewusstsein darstellen, nämlich als Ideologie.
Es sind überhaupt die gesellschaftlichen Widersprüche, die man aufspüren muss, um sich an ihnen abzuarbeiten. Würde man sich dabei nur und ausschließlich auf die kapitalistischen Produktionsverhältnisse beschränken, die so übermächtig sind, dass die Differenz zwischen gesellschaftlicher Realität und ihrer ideologischen Erscheinung unkenntlich wird, gäbe es keinen Anhaltspunkte für ein kritisches Bewusstsein mehr und man müsste – wie Adorno zum Beispiel – resignieren und zu der Schlussfolgerung gelangen, dass sich diese Welt so schnell nicht verändern lässt. Aber es gibt andere schwerwiegende Widersprüche, die Konflikte auslösen: zum Beispiel die anhaltende Frauendiskriminierung trotz des Gebots geschlechtlicher Gleichstellung.
Was verstehen Sie denn unter Emanzipation und ist sie unter den gegebenen Produktionsbedingungen denkbar?
Emanzipation bedeutet die Erweiterung von Selbstbestimmungs- und Mitbestimmungsrechten, etwa in der Lebensführung. Ebenso wichtig ist die Ausbildung von Kritik- und Urteilsfähigkeit, die Widerständigkeit gegen Anpassungsdruck und die Verteidigung von Teilhaberechten, die ganz unabhängig von sozialer Herkunft, Geschlecht oder Hautfarbe für alle gelten. Grundsätzlich geht es darum, ohne Angst vor Ausgrenzung „anders“ sein zu können.
Dass ein solcher Begriff von Emanzipation grundsätzlich über das Bestehende hinausweist, wird auch und nicht zuletzt daran sichtbar, dass die Erkenntnisse der Frauenforschung sich gerade nicht auf die Analyse von Produktionsverhältnissen, die sich vorrangig mit den Konflikten zwischen Kapitaleignern und Lohnabhängigen beschäftigt, beschränken können. Eine emanzipative Geschlechterforschung thematisiert über die Reproduktionsarbeit in der Familie hinaus die gesamten Arbeits- und Lebensverhältnisse der Menschen in und außerhalb der Warenproduktion. Ihr geht es um die Frage, ob und wie die beiden Welten gesellschaftlicher Reproduktion – die markt- und die privatorganisierte Sphäre – in ihrer Gestaltung aufeinander abgestimmt sind.
Wie hat sich ihre Auffassung von Feminismus im Laufe Ihrer intellektuellen Entwicklung verändert?
Wie bei vielen anderen Feministinnen mit gesellschaftstheoretischem Anspruch habe auch ich mit Frauenforschung angefangen und bin dann über die Geschlechterforschung schließlich zur Geschlechterverhältnisforschung gelangt, also zu der Frage, wie Geschlecht als Bestimmungsmoment von gesellschaftlicher Strukturierung wirkt. Jeder dieser Schritte in der Theorieentwicklung bedeutete natürlich nicht, dass vorangegangene Erkenntnisse verworfen wurden. Insofern bleibt Geschlechterverhältnisforschung immer auch Geschlechterforschung und Geschlechterforschung immer auch Frauenforschung.
Und was kann eine feministische Kritik, die dezidiert an die erste Generation der Frankfurter Schule anknüpft, über andere feministische Theorien hinaus leisten?
Ich würde es etwas anders formulieren: Die Frankfurter Schule hat uns Marx nahe gebracht. Sie hat uns gezeigt, wie Marx unsere eigenen gesellschaftsanalytischen Arbeiten anleiten kann. Horkheimer war ja Marxist, wenn auch einer mit kritischen Akzenten, und auch Adorno wollte die herrschenden ökonomischen Verhältnisse aufbrechen.
Horkheimer hat wunderbare Vorlesungen gehalten, etwa zur Geschichte der Soziologie. Immer stand die Frage im Mittelpunkt, wo spätere Gesellschaftstheorien an vorherige Konzepte anknüpfen konnten und wie sich mit historischen Veränderungen von Sozialgefügen auch die Theorien über die Organisationsformen von Gesellschaft verändern.
Letztlich habe ich aber doch – was methodisches Vorgehen bei Sozialstrukturanalysen betrifft – von Marx mehr gelernt als im Frankfurter Lehrbetrieb. Im Umgang mit empirischer Forschung hat man uns das präzise Festlegen von Analyseschritten nicht ausreichend vermittelt. Das hat mir gefehlt. Auch im Umgang mit Theorie blieb für mich manches vage. Wenn ich heute zum Beispiel Adornos Einführung in die Soziologie lese, dann sind mir manche gesellschaftskritischen Betrachtungen zu abstrakt, sie sind nicht detailliert und bestimmt genug. Bei der Erforschung von Geschlechterverhältnissen ist mir deutlich geworden, wie komplex und mehrdimensional die Untersuchung von sozialen Verhältnissen angelegt sein muss: die Unterdrückung von Frauen zum Beispiel ist ja nicht nur ein Resultat der kapitalistischen Wirtschaftsweise, sondern hat vielmehr ihre Vorgeschichte in patriarchalen Sozialstrukturen.
Nichtsdestotrotz haben bestimmte Postulate der Frankfurter Schule bis heute analytische Relevanz. Zum Beispiel, dass Gesellschaftstheorie sowohl Herrschaftsanalyse als auch Subjekttheorie ist. Und ganz auf der Linie solcher Forderungen erlebt selbst Freud eine gewisse Renaissance unter Feministinnen mit gesellschaftstheoretischem Anspruch. Darüber hinaus ist an Adornos Einsicht festzuhalten. dass Gesellschaftstheorie immer auch Erkenntnistheorie ist, oder andersherum gesagt, Gesellschaftskritik ist Erkenntniskritik. Denn Kritik an der Gesellschaft lässt sich erst formulieren, wenn man Fehlentwicklungen in ihr erkennt. Reflexion über Soziales schließt Selbstreflexion über unser Verständnis von „Realität“ und die Vermittlung derselben ein. Das ist ein erkenntnistheoretisches Postulat, das in der in Sozialwissenschaft heute selten geworden ist. Danach zu fragen, von welchem Standpunkt aus man ein Urteil fällt, ist doch keine Erkenntnistheorie. Das reicht einfach nicht.
Wie schätzen Sie die Situation der wissenschaftlich etablierten Geschlechterforschung heute ein?
Einerseits ist zu beobachten, dass es der wissenschaftlichen Geschlechterforschung schwer gemacht wird, aus ihrem Nischendasein herauszukommen. Im gegenwärtigen Hochschulbetrieb schrumpft das Interesse an kritischer und nicht unmittelbar anwendungsbezogener Wissenschaft ja insgesamt. Erfreulich finde ich dagegen die Entwicklung des feministischen Nachwuchses. Da bewegt sich einiges. Vielleicht sollte man sich vor Augen halten und daran erinnern, dass es zu allen Zeiten so war, dass die großen Talente – gemessen an der Masse der Studierenden – in der Minderheit waren. Jedenfalls bin ich immer wieder ganz begeistert davon, an wie vielen Universitäten sich Studentinnen und Studenten zu selbstständigen Arbeitskreisen zusammen finden, um sich außerhalb der Curricula feministische und andere kritische Theorie anzueignen. Deshalb bin ich sicher, dass die Geschlechterforschung ein lebendiges Forschungsfeld bleiben wird: In diesem Gegenstandsbereich liegen die Widersprüche auf der Hand. Sie sind in der lebensweltlichen Erfahrung der jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler präsent, was dazu motiviert, diese Widersprüche in übergreifende soziale Kontexte zu stellen, um sie nicht nur zu verstehen, sondern auch zu verändern. Dieses Potenzial sollte man nicht unterschätzen, nur weil es nicht von der breiten Masse getragen wird. Es könnte das Salz in der Suppe sein.
Dafür ist es jedoch unabdingbar, dass feministische Theorie und Kritik auch offen bleiben für Erkenntnisse, die aus anderen Wissenschaftstraditionen kommen. Konkret meine ich Namen und Paradigmen wie Marx, Foucault, Bourdieu, den Sozialkonstruktivismus, die Intersektionalitätsforschung oder die Queer-Theory.
Dass es in der Geschlechterforschung auch Positionen gibt, die kritikbedürftig sind, will ich gar nicht bestreiten. Dass in für mich überzogenen Konzepten der Queer-Theory eine bestimmte sexuelle Orientierung ausschlaggebend dafür sein soll, wer als „revolutionäres Subjekt“ anzuerkennen ist, halte ich für Dogmatismus. Doch abgesehen von solchen Merkwürdigkeiten ist die Einsicht, dass diese Gesellschaft eine bestimmte Ordnung der Sexualität, nämlich die heterosexuelle, etabliert hat, die bestimmte Herrschaftsstrukturen produziert und reproduziert und so vornehmlich heterosexuelle Männer mit Macht ausstattet, absolut richtig.
Das ist in der Tat plausibel. Und es würde mich dann auch zu Ihrer akademischen Tätigkeit in Hannover führen. Hatten sie den Eindruck, dass das intellektuelle Umfeld dort Erkenntnisse aus verschiedenen Wissenschaftstraditionen produktiv zusammen führen konnte? Wie hat Sie das beeinflusst?
Die sozialwissenschaftlichen Institute gehörten in Hannover zu einer bunten und vielfältigen Fakultät. In ihr saßen viele Professoren, die aus der Frankfurter Schule kamen und in Hannover weiterhin Kritische Theorie betrieben. Da waren also vertraute Gesichter. Und es gab den eigenwilligen, den wissenschaftlichen Mainstream durchkreuzenden Hochschullehrer Peter Brückner. Er und der Kreis von Wissenschaftlern um ihn herum, die das Klima im Psychologischen Seminar bestimmten, in das ich als Feministin einrückte, hatten natürlich ihre Schwierigkeiten mit mir. Da kam eine Frau in den geschlossenen Männerclub und ging Theorien und Themen nach, die nicht unbedingt die ihrigen waren – das erzeugte natürlich Konflikte. Aber ich hatte Rückhalt bei anderen Kolleginnen und Kollegen und es fanden sich auch andere Wissenschaftlerinnen, die mein Interesse an Frauen- und Geschlechterforschung teilten. Wir haben schließlich einen interdisziplinären „Arbeitskreis feministische Theorie“ gegründet, in dem die Fächer Geschichte, Soziologie, Politik- und Sprachwisssenschaften vertreten waren. Die Kooperation in diesem Kreis war überaus produktiv und hat im Übrigen ganz erfolgreichen wissenschaftlichen Nachwuchs hervorgebracht.
Außerdem haben wir eigene Forschung betrieben, beispielsweise mit unseren Studien zu Arbeiterinnen,[1] die über Hannover hinaus Bedeutung erlangte. So entstand in Hannover ein Arbeitsklima, in dem wir unsere Vorhaben durchsetzen konnten.
In den USA läuft gerade die Debatte zwischen intersektionalen feministischen Ansätzen und klassentheoretisch fundierter Gesellschaftskritik wieder an. Auch Sie haben schon in den frühen 2000ern zu dem Thema geschrieben. Warum wird es Ihrer Meinung nach gerade jetzt wieder virulent?
Die feministische Intersektionalitätsdebatte reagiert meines Erachtens vor allem auf zwei gesellschaftliche Veränderungen. Erstens hat sich die mit der Durchsetzung des Kapitalismus entstandene bipolare Bevölkerungsstruktur ausdifferenziert. Neben dem Antagonismus zwischen Lohnabhängigen, die weder industrielle Produktionsmittel noch Investitionsmittel besitzen, und Kapitalbesitzern, die über ökonomische Herrschafts- und politische Machtmittel verfügen sind weitere Konfliktlinien auszumachen. Die sozialen Ungleichheitslagen haben sich vervielfältigt: es gibt Einheimische und Zugewanderte, Bildungsaufsteigerinnen und Bildungsferne, gesicherte Existenzen und prekäre Lebenslagen. Zweitens sind die verschiedenen Formen sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Selbstbeschreibungen sichtbarer geworden. Daher hat sich diejenige feministische Forschung, die nicht ausschließlich kapitalismuskritisch ausgerichtet ist, zum Ziel gesetzt, zu erforschen, in welcher Weise sich Ungleichheit qua Geschlecht und Klasse mit anderen Merkmalen sozialer Benachteiligung, wie Ethnizität, Hautfarbe, Nationalität, sozialer Status, Alter, Gesundheit, Religionszugehörigkeit und sexueller Orientierung verschränkt. In der aktuellen Renaissance klassentheoretischer Ansätze wird jetzt meiner Meinung nach versucht, die Frage zu beantworten, innerhalb welcher konkreten Machtstrukturen die einzelnen Kategorien sozialer Differenzsetzung relevant für die Entstehung oder Perpetuierung von Ungleichheitslagen werden. Dabei sind die institutionellen Arrangements zu berücksichtigen, die soziale Ungleichheit abzuschwächen suchen – etwa Wohlfahrtseinrichtungen, Regulative des Arbeitsmarktes und anderes. Das sind Problemstellungen, die klassentheoretisch fundierte Ansätze im Feminismus beschäftigen.
In diesem Sinne vielleicht als abschließende Frage: Was würden sie jungen, theoretisch ambitionierten Feministinnen mit auf den Weg geben?
Neugierig zu bleiben, auf die Schultern von wegweisenden Geschlechterforscherinnen zu klettern, sich dort zu orientieren, herausbekommen, wo sie weiter und anderes sehen, sich dann aber wieder auf die eigenen Füße stellen, um den eigenen Weg – mit Lot und Kompass im Gepäck – zu finden und zu gehen.
Das ist hübsch gesagt, herzlichen Dank für das Interview!
Fußnoten
- Regina Becker-Schmidt u. a., Arbeitsleben - Lebensarbeit. Ambivalenzkonflikte und Widerspruchserfahrungen von Industriearbeiterinnen, Bonn 1983.
Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Martin Bauer.
Zur PDF-Datei dieses Artikels im Social Science Open Access Repository (SSOAR) der GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften gelangen Sie hier.