Markus Holzinger | Literaturessay | 21.09.2017
Neues über die „Dinge“?
Zum gegenwärtigen Stand der Latourwissenschaften
1. Die Soziologie und das „Neue“
Wer heute, im Zeitalter des Postfaktischen, in der Zunft der Soziologie Aufsehen erregen will, kann es auf zwei Wegen versuchen: Zum einen kann er den Weg über die Gesellschaftsdiagnostik einschlagen und dem Reigen der „Risiko-“, „Erlebnis-“, „Multioptions-“, „Welt-“, „Prekarisierungs-“, „Organisations-“ und „Abstiegsgesellschaft“ noch einen weiteren zeitdiagnostischen Befund hinzufügen. Auch wenn sich in unserer „Diagnosegesellschaft“ – wie man ironisch bereits metatheoretisch vermerkte – die Beschreibungsformen der Gesellschaft explosionsartig vermehrt haben,[1] dürfte die Strategie zumindest für das kurze Zeitfenster, das der Gesprächsstoff öffnet, aufgehen. Zum anderen kann der nach Sichtbarkeit Drängende dadurch Staub aufwirbeln, dass er sich als Innovator inszeniert und auf eine Problematik aufmerksam macht, die von den werten KollegInnen bisher (vermeintlich) entweder gar nicht oder nur mangelhaft beleuchtet wurde.
Beide Strategien, die rhetorisches Geschick, aber nicht unbedingt wissenschaftliche Seriosität verlangen, bergen Risiken in sich. Der Gesellschaftsdiagnostiker riskiert, dass er „die“ Gesellschaft – was auch immer sich hinter dem Begriff verbergen mag – maßlos simplifizieren muss, was die „Haltbarkeitsdauer“ seiner Gegenwartsdiagnose empfindlich begrenzt.[2] Unter Umständen lösen sich schon nach kurzer Zeit die Evidenzen seiner unterkomplexen Gesellschaftsdiagnose auf. Um die allfällige Blamage abzuwenden, müssen dann Aufräumarbeiten geleistet werden. Sie führen in der Regel zu dem Eingeständnis, es so „wörtlich“ gar nicht gemeint, vielmehr bewusst mit Überspitzungen gearbeitet zu haben. Auch im zweiten Fall, dem des Wegbereiters des Neuen, ist das Risiko groß, die Fachöffentlichkeit gegen sich aufzubringen. Wer blinde Flecken im Wissenschaftssystem dingfest macht, wird sich vorzugsweise als Problemlöser empfehlen, der die auffällig gewordene Forschungslücke gleich selber schließt. Dabei erweist sich der inkriminierte Missstand häufig als ein Problem, das der Innovator höchst selbst produziert hat. Bei Lichte besehen zeigt sich, dass die Forschungslücke nur deshalb beklagt werden konnte, weil Arbeiten nicht zur Kenntnis genommen wurden, die in Wahrheit zur einschlägigen Thematik bereits vorlagen: „Literaturkenntnis schützt vor Neuentdeckungen und ist das Elementarste an jenem zweckmäßigen Verhalten, das man etwas hochtrabend historische Methode zu nennen pflegt.“[3]
Um fingierte Innovationen zu dokumentieren, eignet sich das weite Feld der soziologischen Beschäftigung mit Artefakten ganz besonders. Nichts scheint in den Augen so mancher SoziologIn dringender der Innovation zu bedürfen als die Auseinandersetzung mit der alteuropäischen Dichotomie zwischen Kultur respektive Gesellschaft und Natur. Und also gehört nicht zuletzt die Frage der (auch politischen) Integration nichtmenschlicher Akteure in das Soziale auf die Tagesordnung des Faches. Es gehe nun um die vorbehaltlose Hinwendung zu den Dingen. Auch das Thema der Nachhaltigkeit habe die Soziologie sträflich vernachlässigt. Offenbar hat das Fach nicht vermocht, die Bedeutung der als ‚ökologische Krise‘ bezeichneten Phänomene im Besonderen sowie der Problematik der Naturbeziehung moderner Industriegesellschaften im Allgemeinen zu würdigen. Diesen Problemstellungen einen nicht nur empirischen, sondern auch zentralen theoretischen Stellenwert einzuräumen, habe die Gesellschaftswissenschaft verabsäumt. Dass sie entsprechend wenig zu den gesellschaftlichen Kontroversen um diese Konfliktfelder beigetragen habe, kann da nicht verwundern. Vielmehr falle ganz generell „ein Mangel an soziologischer Befassung mit der Problemstellung Ökologie und Nachhaltigkeit“ auf.[4] Ratsam sei es jetzt, „eine genuin sozialwissenschaftliche, zunächst soziologische, im Weiteren transdisziplinäre Perspektive“ einzunehmen.[5]
Angesichts derart haarsträubender Behauptungen dürfte es sachdienlich sein, ohne den geringsten Anspruch auf Vollständigkeit zumindest an einige Tatbestände zu erinnern, die augenscheinlich leicht dem Vergessen anheimfallen: Die bekanntgewordenen ökologischen Probleme, wie etwa die Gefährdung der Erdatmosphäre durch Reduktion des stratosphärischen Ozons und durch Klimaveränderungen, werden seit Jahren genauestens vermessen und katalogisiert, selbstverständlich aber auch von SoziologInnen erforscht.[6] Zumindest „bemühen sich die Sozialwissenschaften um eine Rekonstruktion der Art und Weise, wie soziale Systeme und Akteure Klima als soziales Faktum herstellen und verändern“.[7] Seit den 1980er-Jahren hat die Umweltsoziologie durch die öffentliche Debatte über Umweltprobleme zahlreiche neue Impulse erhalten.[8] Der „Economic and Social Research Council“ initiierte bereits 1991 ein Forschungsprogramm unter dem Namen „Globale Umweltveränderungen“, das insbesondere die sozialen Prozesse globaler Umweltveränderungen thematisieren sollte.[9] Seit Jahren existiert eine sozial-ökologische Forschung, die die „Krise der gesellschaftlichen Naturverhältnisse“ thematisiert.[10] Angesichts einer solchen Forschungssituation ist eine kaum mehr zu überblickende Flut von Einzelstudien entstanden: etwa zur britischen Debatte über den sauren Regen,[11] über das Ozonloch,[12] über DDT und FCKW,[13] über Agrar- und Gentechnik,[14] über Hochwasserschutz und -vorsorge,[15] über die BSE-Krise,[16] über Klima-,[17] Umwelt- und Ressourcenkriege,[18] über Umwelteinstellungen,[19] über ökologische Bewegungen[20] und Umweltwahrnehmungen,[21] über Energieversorgung und Gesellschaft,[22] über Naturbilder und institutionelle Selektionsmechanismen,[23] über Stadtentwicklung in Afrika unter umwelt- und raumsoziologischer Perspektive.[24] Selbstverständlich gibt es eine Tierethik[25] und leidenschaftlich geführte Diskussionen um Tierrechte.[26] Außerdem gibt es nicht nur eine Klima- und Verantwortungsethik,[27] sondern auch den Versuch, so etwas wie eine Ethik unternehmerischen Handelns zu begründen.[28] Ganz grundsätzlich und prinzipiell ist das Anthropozän zum Gegenstand engagierter Auseinandersetzungen geworden.[29] Es gibt eine Diskussion im Umweltrecht,[30] aber auch durchaus unterschiedliche Diskurse über „nachhaltige Entwicklung“,[31] feministische Nachhaltigkeitspolitik,[32] nachhaltige Mobilität,[33] und nachhaltigen Konsum.[34] Seit den 1990er-Jahren thematisieren die Sozialwissenschaften – etwa in der Akteur-Netzwerk-Theorie – die Bedeutungen gewisser natürlicher (physischer, biologischer, chemischer, physiologischer etc.) Faktoren für soziologische, ökonomische, historische oder anthropologische ‚Erklärungen‘.[35] Wissenschaftstheoretische Fragestellungen, die sich aus den Herausforderungen eines szientistischen Naturalismus ergeben, werden seit mindestens 30 Jahren in den „Science and Technology Studies“ rezipiert.[36] Spuren dieser kontinuierlich geführten Auseinandersetzung schlagen sich im Begriff einer objekt-orientierten Techniksoziologie[37] nieder oder im Konzept eines neuen Materialismus.[38] Selbst der französische Ethnologe Philippe Descola, über den als Nachfolger von Claude Lévi-Strauss am renommierten Collège de France gebetsmühlenartig behauptet wird, er liefere ganz „neue“ Erkenntnisse, präsentiert seine Naturkonzepte – gerade im Rahmen der Umweltsoziologie –, schon seit Jahrzehnten.[39]
Mit anderen Worten: Inzwischen ist die sozialwissenschaftliche Forschung, die an Umweltfragen interessiert ist, kaum mehr zu überschauen. Niemand wird heute noch ernsthaft von sich behaupten können, ihm sei der Forschungsstand zum Verhältnis Gesellschaft und Natur vollständig präsent. Die These, es gäbe einen Mangel an Studien zur Problemstellung Ökologie und Nachhaltigkeit, ist schlichtweg unhaltbar, im Grunde genommen eine unfassbare Mär, die alle beschämt, die seit Jahren in diesem Forschungsfeld Pionierarbeit geleistet haben.
2. Neues aus der Wissenschafts- und Techniksoziologie?
Nimmt man den Band Science and Technology Studies zur Hand,[40] drängt sich angesichts der beschriebenen Forschungslandschaft unmittelbar die Frage auf, für welches Publikum diese Anthologie von Texten eigentlich konzipiert wurde. Schwebte den Herausgebenden ein Einführungskurs auf dem Niveau eines Bachelorkurses mit Schwerpunkt Wissenschafts- und Techniksoziologie vor, dann wäre der Band genau das richtige Organ. Er bietet einem Anfänger alles, was für einen derartigen Kurs notwendig ist: zum einen wichtige Originaltexte beispielsweise von Bruno Latour (aus Laboratory Life), David Bloor (aus Knowledge and Social Imagery), Michel Callon („Domestikation der Kammmuscheln“), Donna Haraway („Situiertes Wissen“), Wiebe E. Bijker und Trevor Pinch („Die soziale Konstruktion von Fakten und Artefakten“), Annemarie Mol („Krankheiten tun“), Helen Verran („Ein postkoloniales Moment in der Wissenschaftsforschung“) und Karen Barad („Agentieller Realismus“) und zum anderen Überblicksdarstellungen aller wichtigen Forschungsgebiete und Theoriepositionen. Steuert er als Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft ein bewandertes Fachpublikum an, dann wird man – um es vorwegzunehmen – konstatieren müssen, dass diese Textsammlung ungefähr 30 Jahre zu spät kommt.
Erinnern wir uns: STS und insbesondere das Arbeitsprogramm der im Umkreis der Akteur-Netzwerk-Theorie agierenden AutorInnen artikulierte sich in einer Reihe von empirischen Studien, die die praktisch-experimentelle Dimension von Wissenschaft betonen wollten. Hierbei differenzierten sich in den 1980er-Jahren verschiedene Schulen aus. Die Edinburgher Schule (Barnes, Bloor) greift die Unterscheidung zwischen internen und externen Faktoren auf, wobei interne Faktoren die konkreten Wissensinhalte der Wissenschaft sind und externe Faktoren mit außerwissenschaftlichen und sozialen Einflüssen gleichgesetzt werden.[41] Bekannt wurde ebenso Harry Collins Empirisches Programm des Relativismus (EPOR). Collins, der sich näher an Thomas Kuhn und an der „interpretativen Soziologie“ orientiert, widmet seine Aufmerksamkeit den sozialen Aushandlungsprozessen, die wissenschaftlichen Daten vorausgehen. Das von ihm vorgeschlagene Modell versucht, „den Inhalt wissenschaftlichen Wissens soweit wie möglich in ‚sozialen Begriffen‘ zu erklären“.[42] Collins zentrale These lautet, dass Tatsachen in den Wissenschaften flexibel interpretiert werden. In Anlehnung an Kuhns These von der Inkommensurabilität der paradigmatischen Bezugssysteme wird darauf hingewiesen, dass es keine objektive Bezugnahme auf Daten gebe. Denn jede wissenschaftliche Gemeinschaft sehe (vermeintlich) naturale Phänomene nur relativ zu ihren je eigenen Kategorien. Die Technology Studies – im Sinne von Wiebe E. Bijker und Trevor Pinch – sattelten dieser Basis ihre Technikforschung auf.
Schließlich sind diejenigen Studien zu nennen, die sich an einem „down-to-earth materialism“[43] orientierten. Sie thematisierten ganz explizit die wissenschaftliche Praxis und erforschten das Tun konkreter WissenschaftlerInnen, die im Laboratorium arbeiten. Ebenso wie dem amerikanischen Pragmatismus auch ging es den sogenannten Laborstudien[44] darum, Wissen nicht als eine Form des Sehens, Beobachtens oder bloßen Rezipierens, sondern als ein Machen zu begreifen. Gerade Bruno Latour hat immer wieder betont, es sei nicht die Wissenschaft und schon gar nicht die Wissenschaftstheorie, die ihn interessiere, sondern die Wissenschaftsforschung.[45] Dass in diesem Forschungskontext Objekte eine bedeutende Rolle spielten, war naheliegend. Ging es doch darum, sich mit der faktischen Praxis der Wissenschaften zu konfrontieren, also den Akzent von der vermeintlichen Repräsentation der Welt auf die Intervention der Prozeduren von Wissenserzeugung zu verschieben, das heißt von der Theorie auf die Beschäftigung mit den technischen Experimenten.[46]
Betrachtet man den theoretischen oder philosophischen Kern des STS-Programms, wie er sich nicht zuletzt in Latours Denkweise darstellt, so wird deutlich, dass sich der Einfluss des späten Ludwig Wittgenstein gar nicht hoch genug veranschlagen lässt.[47] Dass die Philosophie und andere Metatheorien „den tatsächlichen Gebrauch der Sprache in keiner Weise antasten“ dürfen, „ihn am Ende also nur beschreiben“ können, war Wittgensteins Überzeugung.[48] Ist die Bedeutung eines Wortes, wie es in den Philosophischen Untersuchungen heißt, „sein Gebrauch in der Sprache“,[49] liegen die Konsequenzen auf der Hand: Semantische und epistemologische Fragen nach Sinn und Bedeutung lassen sich nur durch die Analyse praktischer Handlungsvollzüge beantworten. Alles andere sind und wären leerlaufende Sprachspiele von Philosophen, über deren Sitz im Leben keine Auskunft erteilt werden kann. Der Grundfehler der Metatheorie besteht also darin, die Bedeutung und den Gegenstandsbezug einer Proposition außerhalb des praktischen Situationskontextes, innerhalb dessen sie verwendet wird, bestimmen zu wollen. Was derartige Ambitionen produzieren, sind – laut Wittgenstein – „Luftgebäude“[50]. Mit diesem Verdikt war für Wissenschaftshistoriker und Wissenschaftssoziologen wie Latour der Weg in eine normative Wissenschaftstheorie oder eine transzendentalphilosophisch inspirierte Reflexion auf die Bedingung der Möglichkeit wissenschaftlicher Erkenntnis versperrt. Wittgenstein hatte, anders gesagt, einen „point of no return“ markiert.
Dass ein solcher Antitranszendentalismus, insbesondere manch einem deutschen Soziologen, fremdartig erschien, belegt Latours Kontroverse mit Niklas Luhmann. Auf einem 1996 in Bielefeld veranstalteten Kongress kam es zwischen den beiden zu einem Eklat. Der französische Gast verließ sichtlich erregt den Hörsaal. Was hatte Latour Luhmanns Systemtheorie vorzuwerfen?
Nach einer Lesart des Luhmann-Schülers André Kieserling lassen sich in Luhmanns Soziologie der Funktionssysteme, ergo auch in dessen Auseinandersetzung mit der Wissenschaft der Gesellschaft, latente und manifeste Strukturen identifizieren. Dabei liegt die Stärke einer soziologischen Theorie funktionaler Ausdifferenzierung nach Kieserling vor allem im Aufbau einer Gesellschaftsbeobachtung, „die auch manifeste Systemstrukturen behandeln“ könne.[51] Doch fand Latour im Gegensatz zu Kieserlings Lesart bei Luhmann weder das Eine noch das Andere. Was Latour in Luhmanns systemtheoretischer Deduktion von Wissenschaft vermisste, war die möglichst akkurate Beschäftigung mit dem, was die empirisch arbeitende Zunft der Wissenschaftshistoriker und -soziologen bereits seit 20 Jahren anstrebte, nämlich die Praxis der Wissenschaft zu ergründen und eine Kultur der Forschung zu etablieren.[52] Für Latour offerierte Luhmanns Wissenschaftssoziologie keinen Vorstoß in die manifeste Welt der Wissenschaft, auch keinen in irgendwelche Latenzen von Laboratorien oder Feldforschungen, sondern eine Rückkehr in die platonische Welt von „Luftgebäuden“. Die Sterilität von Luhmanns Analyse resultierte, seiner Meinung nach, aus einer Perspektive, die man mit Dewey die „Zuschauertheorie der Erkenntnis“ oder mit Bourdieu als „scholastische Haltung“ bezeichnen könnte.[53] In der Regel, so glaubte Latour, würde Luhmann weder die Entstehungsbedingungen moderner Wissenschaft soziologisch thematisieren, noch sich für die Art und Weise, das heißt für die Pragmatik wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns interessieren. Luhmanns Wissenschaftstheorie sei nur Metatheorie – Science of Science. Diese Entkörperung und metatheoretische Überfrachtung von Wissenschaft hatte für Latour wenig zu tun mit einer soziologischen Würdigung realer Forschungspraktiken, bei denen Metareflexionen und die Pflege von Semantiken nur in Gestalt von Idealisierungen und Grenzfällen auftauchen. Luhmann, so behauptete Latour in einem Interview mit dem Mittelweg 36, hätte „nur Banalitäten über die Autonomie der Wissenschaft“ verbreitet.[54] Angesichts des Umstands, dass die gesamte jüngere Wissenschaftsforschung bestrebt war, wissenschaftstheoretische Fragestellungen, wie sie Luhmann noch umzutreiben schienen, einfach abzuklemmen,[55] zeigte sich Latour befremdet: „Offenbar siedelt sich Luhmann in den 50er Jahren an oder in einer anderen Welt als der Erde, in der der Meta-Theorie!“[56]
Das war, wohlgemerkt, der Stand der Debatte vor gut 20 Jahren! Dass „Dinge, Artefakte und Objekte (…) zunehmend thematisiert und neu konzeptualisiert“ (S. 551) würden – eine These, die in den Beiträgen des Bandes unentwegt wiederholt wird –, ist deshalb keineswegs der Weisheit letzter Schluss. Auf die unübersehbare Diskrepanz zwischen diesem vermeintlichen Befund und der Wirklichkeit antworten die Herausgebenden mit zwei Behauptungen:
Sie stellen erstens fest, dass Forschungen zu Dingen und technischen Artefakten in Deutschland „bislang kaum institutionalisiert“ seien (S. 9). Diese Aussage mag den Erkenntnisstand der Herausgebenden wiedergeben, doch entspricht sie kaum dem Status quo der hiesigen Wissenschafts- und Techniksoziologe. Jeder kennt die Laborstudie von Latour und Woolgar seit Jahren, jeder, der sich für Techniksoziologie interessiert, kennt den Aufsatz von Wiebe E. Bijker und Trevor Pinch sowie das Programm von SCOT. Und niemandem sind Donna Haraways Einsichten unbekannt. Warum „zahlreiche aktuelle Forschungsprojekte und Dissertationen“, die selbst nach Überzeugung der Herausgeber das „Potential der STS für neue konzeptionelle Ansätze und empirische Zugänge“ (S. 9) nutzen, nicht eher für eine starke denn für eine schwache Institutionalisierung von STS im deutschsprachigen Raum sprechen, bleibt deren Geheimnis. Ihnen scheint daran zu liegen, an zwei Thesen festzuhalten, obwohl sie sich direkt widersprechen.
Zweitens wird behauptet, die klassischen Texte lägen „noch immer nicht in deutscher Sprache“ (S. 9) vor, was der Band – zumindest partiell – gleich selbst widerlegt. Denn von den acht ausgewählten Texten waren immerhin drei bereits in deutscher Übersetzung zugänglich. Zieht man die Kommentare zu den eigentlichen (Original)Texten ab, bleiben von den 646 Seiten des Reader circa 254 Seiten übrig, die Aufsätze bieten, die in Deutschland bislang – angeblich – kaum zur Kenntnis genommen wurden.
Apropos Kommentierung: Geht man davon aus, dass die STS in Deutschland sehr wohl institutionalisiert sind, nimmt man hinzu, dass es einige der Beitragenden für angemessen gehalten haben, ihre kommentierenden Texte dem Publikum in kaum veränderter Form zum wiederholten Male anzudienen, berücksichtigt man schließlich, dass schon vor drei Jahren ein Buch erschienen ist, das bei leicht variierenden Schwerpunkten durchweg ähnliche Schlüsselwerke der Science & Technology Studies interpretiert,[57] so drängt sich die Frage auf, warum jetzt noch einmal längst Bekanntes und bereits hinreichend Expliziertes aufgewärmt werden musste. Einer erfahrenen Wissenschafts-und Techniksoziologin sind die exegetischen Anstrengungen ohnehin entbehrlich.
Der Sammelband offeriert kurzum keinen wirklich originellen Beitrag zu einem noch wenig rezipierten Forschungsfeld oder einer theoretischen „Konjunktur“ (S. 551), vielmehr bestätigt er im Resultat einen sich in Deutschland abzeichnenden Trend zur „Musealisierung der Soziologie“. Nichts scheint derzeit einen größeren Appeal zu besitzen als die Publikation von Lexika, Handbüchern und Einführungen, selbst wenn es sich dabei um das zehnte Vademecum für das Werk Niklas Luhmanns oder Bruno Latours handelt.
3. Gaias Rache. Bruno Latours aktuelle Diskussion über das Klimaregime
Auch das jüngste in deutscher Übersetzung erschienene Buch von Bruno Latour bietet der Leserin nicht wirklich bahnbrechend Neues.[58] Vielmehr handelt es sich um Variationen zu bereits bekannten Grundthesen des Autors, die jetzt angesichts des drohenden Klimawandels re-modelliert und miteinander vernäht werden. Immerhin finden sich ältere Gedankenmotive, die in Latours Texten mitschwangen, jetzt pointierter herausgearbeitet. In seinen Arbeiten ist Latour immer dann besonders originell und innovativ gewesen, wenn sich seine theoretischen Reflexionen eng an die empirische wissenschaftliche Praxis anlehnten und mit Beispielen aus den Naturwissenschaften unterfüttert waren. Kaum jemand in der Wissenschaftsforschung versteht es gekonnter als Latour, einen jüngst erschienen Aufsatz aus „Science“ oder „Nature“ etwa mit den philosophischen Höhenflügen eines Alfred North Whitehead zu verknüpfen. Der wichtigste Impuls für die soziologische Erforschung wissenschaftlicher Praxis ging – nach der Publikation von Laboratory Life[59] – ganz ohne Frage von Latours Science in Action. How to Follow Scientists and Engineers Through Society aus, einem der tatsächlich bahnbrechenden Bücher in der Wissenschaftsforschung seit Thomas S. Kuhns Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen.[60] Schon in diesem 1987 erschienenen Zentralwerk der Akteur-Netzwerk-Theorie gewinnen fundamentale Konzepte der Latour’schen Wissenschaftssoziologie Kontur: vom Aktanten- bis hin zum Netzwerkbegriff etc. Auch Latours berühmt gewordene Studie zum französischen Chemiker Louis Pasteur,[61] die Sammlung seiner Aufsätze, die unter dem Titel Die Hoffnung der Pandora erschienen ist, und sein Buch Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft belegen, zu wie originellen und aufschlussreichen Einsichten Latours Verbindung von geradezu ethnografischer Wissenschaftsforschung mit ambitionierter Gesellschaftstheorie vorstößt.[62]
Qualitätseinbußen in puncto Präzision sind bei Latour jedoch hinzunehmen, sobald er sich auf das Feld der bloßen Theorie und anschauungsloser Spekulation begibt, wofür Publikationen wie Das Parlament der Dinge oder, noch unlängst, eine Abhandlung wie Existenzweisen typische Beispiele liefern.[63] Auch Kampf um Gaia gehört sicherlich eher zu Latours spekulativen Werken. Seitenweise traktiert er seine Leserschaft mit Reflexionen, Analogien, Kalauern und Spekulationen, die rätselhaft und dunkel bleiben. Ein enormes Wissen geistert durch den Text, doch häufig nicht, um eine These zu begründen, sondern nur als Optimierung des rhetorischen Ornats. Eine Kostprobe liefert gleich der erste Vortrag, der auf schleppenden 50 Seiten letztendlich Latours alte These ausbreitet, „Natur“ könne nur als Hybrid, als „diesseits“ (S. 67) der Grenze zwischen Natur und Gesellschaft situiert, gedacht werden. Ein solcher Hybrid ist Latour zufolge selbstverständlich auch das Klima, das weder rein zur Gesellschaft, noch allein zur „Natur“ gehört. Eine trennscharfe Unterscheidung zwischen Mensch und Natur gibt es ebenso wenig, in Wahrheit hat sie nie existiert.
Wie ertragreich die Lektüre des vierten Vortrags ausfällt, den Latour dem zweiten Band aus Peter Sloterdijks Sphären-Trilogie widmet, dürfte von Leser zu Leser stark variieren. Nicht jeder wird mit Sloterdijks eigenwilliger Erneuerung der philosophischen Anthropologie so vertraut sein, dass er Latours Interpretationen zu würdigen vermag. Dass das von Sloterdijk vehement kritisierte ‚Behälter-Denken‘ eine gewisse Nähe zu Latours eigener Anthropologie aufweist, bleibt dabei unbenommen. Dennoch bietet das Buch auch einige Kapitel, die durchaus lesenswert sind, weil sie basale Grundthesen Latours mit Blick auf den Klimawandel verdeutlichen. Interessanter ist etwa der zweite Vortrag, in dem Latour nochmals seine aus der Erzähltheorie abgeleitete Aktantentheorie erklärt (S. 77-133). Latour möchte die unausgesprochene Prämisse einer Dualität von Subjekt und Objekt auflösen. Fordert Latour, nicht nur Menschen, sondern auch Objekten einen bestimmten Grad an Handlungsfähigkeit (agency) zuzusprechen, verfolgt er weniger das Ziel, Menschen und Dinge, was ihre Handlungskompetenz anlangt, auf eine Stufe zu stellen oder Objekten womöglich gar eigene Intentionen zuzuschreiben. Was Latour demgegenüber hervorhebt, ist der Umstand, dass in komplexen menschlichen Konfigurationen nicht nur soziale Tatsachen wirksam sind. Gerade in pragmatischen Kontexten bringen sich ganz unterschiedliche Mächte und Wirkursachen zur Geltung. Daher behandelt er Menschen, Mikroben und Maschinen alle gleich als „Aktanten“, die wirken, also die Pläne der humanen Akteure durchkreuzen können. Es scheint mir – auch techniksoziologisch – vollkommen legitim und sachangemessen zu sein, Mensch/Umwelt-Konstellationen durch eine „Verteilung der Wirkungsmächte“ (S. 246) darzustellen. Selbst wenn es menschliche Einwirkungen sind, die eine Situation geschaffen haben, in denen sich das Klima Richtung Katastrophe entwickelt, so bleibt doch festzuhalten, dass diese Ereignisse eben nicht allein von Menschen kontrolliert werden. Der deutsche Techniksoziologe Werner Rammert kommentiert eine solche Sichtweise folgendermaßen: „Der Gewinn dieser symmetrischen Sichtweise besteht darin zu erkennen, dass Handeln auf verschiedene Instanzen verteilt sein kann, eben nicht nur auf Menschen, sondern auch auf natürliche Dinge, die einbezogen werden, und künstliche Sachen, die gemacht werden.“[64]
Hier lassen sich durchaus Verbindungen zu anderen Handlungstheorien herstellen, wie etwa zur pragmatischen Handlungstheorie. Inmitten der Handlungspraxis, das wusste auch John Dewey, ist die Welt für den menschlichen Akteur niemals vollständig disponibel. Oftmals geraten menschliche Akteure in Situationen, in denen sie etwas „erleiden“ (Dewey). „Situationen sind nicht stumm, sondern muten uns Handlungen zu.“[65] Eine solche Deutung – darauf will Latour aufmerksam machen – sieht den Handlungskontext des Akteurs als etwas an, in das er verstrickt ist, in dem ihm, anders gesagt, Geschehnisse widerfahren können. Wir müssen den Kontext für den Handelnden, wie Dietrich Böhler unterstreicht, gerade auch als Herausforderung interpretieren, die Handlungen vorausgeht und auf die menschliches Handeln zu „antworten“ hat.[66] Das erkennende Subjekt steht der Welt der Objekte nicht unbeteiligt oder gar souverän gegenüber, sondern ist unentwirrbar mit dem Handlungsgeflecht verwoben. Die Rückwirkung der Mittel auf die Zwecke wird nicht als Intervention einer autonomen, bereits abgeschlossenen Zweckordnung verstanden, sondern als Bedingung der Möglichkeit von Bereicherung und Innovation. Es ist diese „Zone der Transaktionen“ (S. 121), in der sich die Geschicke von Menschen und Dingen in einer Weise miteinander kreuzen und ineinander verstricken, die Latour immer schon stark interessiert hat.
Auch der dritte Vortrag ist lesenswert. Latour verdeutlicht hier seinen Naturbegriff, der für viele konstruktivistische Wissenschaftssoziologinnen dunkel geblieben ist, nach meinem Dafürhalten allerdings den eigentlichen Kern des Latour‘schen Denkens ausmacht. Die Welt ist, Latour zufolge, zwar kein Super-Organismus, besteht letztendlich aber – und hier zeigt sich in Latours Werk nicht nur der Einfluss von Isabelle Stengers und Ilya Prigogine, sondern auch derjenige von Whiteheads Prozessontologie – aus komplexen Netzwerken von Organismen und Objekten.[67]
Der Hintergrund von Latours Absicht, eine neuartige Kosmologie ins Blickfeld zu rücken, die gerade keine rigide Unterscheidung zwischen Menschen und Nichtmenschen trifft, besteht in seiner kritischen Frontstellung gegenüber allen Spielarten des Konstruktivismus in seiner eigenen Zunft und derjenigen der modernen Naturwissenschaften. Diesen Konstruktivismus identifiziert Latour in der Überzeugung, Natur sei letztendlich ein (soziales) Artefakt beziehungsweise ein Technofakt, „aus de[m] die Wirkungsmacht aller Entitäten getilgt wurde“ (S. 127). Von der Konstruktion und Anwendung gewisser Messinstrumente über die faktische Erzeugung neuer Phänomene, die als Grundlage des Experimentierens gelten (Luft-Wasserdruck, Pumpen, Erzeugung eines Vakuums durch Luftpumpen), bis hin zum experimentellen Handeln erweisen sich die Gegenstände der Naturwissenschaft als sozial konstruierte Artefakte. Modern sein, heißt für Latour, zu meinen, dass die Objekte beherrschbar seien, mithin „der Welt die Historizität zu entziehen“ (S. 128). Mit der Herrschaft über die passiven, stummen Objekte ließ sich die Last, Mühe und Notwendigkeit beseitigen, der der vormoderne Mensch noch ausgesetzt war. Es galt, eine zivilisatorische Kunstwelt zu errichten, die das Äußere ins Innen hineinholt und zu einem nichtigen, wiewohl bearbeitbaren Etwas einschrumpft.
Angesichts der Debatten um die ausgeblendeten Unsicherheitsreste gentechnisch veränderter Organismen, die Klimakrise, die BSE-Krise, die Unkontrollierbarkeit des HI-Virus oder des Vogel- und Schweinegrippevirus, hat sich diese Vorstellung jedoch endgültig als Irrglaube erwiesen. Das Gleichgewicht der Mächte hat sich für Latours Begriffe keineswegs zugunsten des Menschen verschoben. In dem Maße, in dem sich die Moderne eine zivilisatorische „Leonardo-Welt“[68] errichtet und in der operativen Fiktion lebt, sich von einer unverfügbaren Natur abgespaltet zu haben, breiten sich unterhalb derartiger Illusionsbildungen die nicht intendierten Nebenfolgen in Gestalt übergreifender „Handlungswellen“ (S. 178) und „Rückkopplungsschleifen“ (S. 400) aus. Je mehr eine lineare Modernisierung externe Bindungen kappt, unachtsam mit der Natur verfährt und Biotope antastet, desto gravierendere Nebenfolgen setzt sie frei.
Man kann, anders gesagt, in der Tat nicht mehr von so etwas wie einer unberührten Natur ausgehen, denn die jüngeren und jüngsten Naturgefährdungen sind vor allem auf anthropogen verursachte Veränderungen zurückzuführen (S. 248). Doch lassen sich die nicht intendierten Nebenfolgen umgekehrt auch nicht zur Gänze der Gesellschaft zuschlagen. Damit würde man sich einem überzogenen Anthropomorphismus überlassen. Was die Naturgefährdungen signalisieren, ist die Widerständigkeit einer Natur, welche die Bewegungsspielräume der gegenwärtigen technischen Zivilisationen in naturale Schranken verweist. Das Produkt der gesellschaftlichen Aneignung von Natur ist mithin nicht eine anthropomorph überformte Natur, sondern ein Ensemble nicht intendierter Nebenfolgen, das als Ganzes gerade das Misslingen von Naturbeherrschung und die „Nicht-Identität der Natur mit den reduktionistischen Formeln ihrer Beherrschung“ bezeugt.[69]
Die Gaia-Hypothese des englischen Wissenschaftlers James Lovelock dient Latour dazu, die Vorstellung zu transportieren, dass „die Erde ein sich entwickelndes System“ ist.[70] „Wenn es keinen Rahmen, kein Ziel, keine Leitung gibt, müssen wir GAIA als Namen für den Prozeß auffassen, durch den variable und kontingente Möglichkeiten die Gelegenheit erhielten, spätere Ereignisse wahrscheinlicher zu machen. In diesem Sinn ist GAIA ebenso wenig ein Produkt des Zufalls wie der Notwendigkeit. Was bedeutet, daß sie sehr dem ähnelt, was wir schließlich als die Geschichte selbst wahrnehmen.“ (S. 187)
Anders als die metaphysische Tradition fasst Latour Natur offenkundig nicht als eine überzeitliche und mit sich identische Substanz.[71] Vielmehr interpretiert er sie als eine nicht-lineare Sequenz von Ereignissen. Sie besteht, wie man Latours Deutung in Anlehnung an eher poetische Ausdrucksformen interpretieren könnte, „aus lauter Anfängen.“[72] Jedem Seienden wird mithin nicht nur eine eigene Temporalität zugesprochen, sondern ein mit seiner je spezifischen Zeitlichkeit verbundenes Aktivitäts- oder Wirksamkeitspotential: „Keiner auf dieser ERDE ist passiv“ (S. 174). „Jede Wirkungsmacht modifiziert die benachbarte, sei es auch nur ganz leicht, um ihr eigenes Überleben etwas weniger unwahrscheinlich zu machen.“ (S. 173)
Latours Überlegungen zu einer produktiven Natur als Akteur causa sui und als Netzwerk zwischen Organismen und Objekten mit eigener Dynamik erfreuen sich gegenwärtig besonderer Aufmerksamkeit. Im Rahmen neorealistischer, um nicht zu sagen, neovitalistischer Tendenzen in der Soziologie empfehlen sie sich als Fluchtpunkt, an dem ein neuer Materialismus, ein „spekulativer Realismus“, der noch hinter Kants Transzendentalphilosophie zurück will, und die Faszination für Gilles Deleuzes Ontologie des Virtuellen eine Amalgamierung eingehen, die noch nicht hinreichend analysiert ist.[73]
Vortrag Sieben und Vortrag Acht resümieren Latours jüngste Thesen zur politischen Ökologie. Die globale Dimension von Naturgefährdungen, wie sie in der Klimakrise zu Tage tritt, setzt gemäß Latour – zumindest auf einer basalen materiellen Ebene der Überlebensressourcen – ein „kosmopolitisches Moment“ frei. Insofern legitimieren die gesellschaftlichen Naturverhältnisse, dass nicht nur politische Institutionen, sondern auch soziale Bewegungen Staatsgrenzen überschreitende Maßnahmen zur Begrenzung und Steuerung der globalen Risiken ergreifen respektive anmahnen. Im Unterschied zu Ulrich Beck lässt sich dieses kosmopolitische Moment Latour zufolge aber nicht mehr ohne die Berücksichtigung nichtmenschlicher Agenten (S. 400) erfassen, woraus eine Infragestellung der „modernen Kosmologie“ folge.[74] Wir befinden uns, laut Latour, in einem ganz neuen Naturzustand, „in dem ein Krieg aller gegen alle entbrannt“ ist, „in dem die Protagonisten nicht nur der Wolf und das Schaf sein können, sondern auch der Thunfisch und das CO2, der Meeresspiegel, die Pflanzenknollen oder die Algen“ (S. 384). Die entscheidende Frage lautet jetzt, „ob die versammelten Aggregate eine lebensfähige Welt bilden oder nicht – können wir zusammenleben?“[75]
Anders als Beck, der immer wieder mit dem Gedanken gespielt hat, die ökologische Krise integriere womöglich „kosmopolitische Risikogemeinschaften“,[76] ist Latour skeptisch: Bei den in Zukunft anstehenden (Gewalt)Konflikten des 21. Jahrhunderts werde es nicht zuletzt um lebenswichtige Ressourcen wie etwa Trinkwasser oder Land gehen. Wie in der Fernsehserie Game of Thrones würden sich Menschen „gegen jene verteidigen, die ihnen Grund und Boden zerstören wollen“ (S. 259). Aus Latours Perspektive wird die Klimafrage folglich zu einer existentiellen „Streitsache“, an der sich, wie er mit Rekurs auf Carl Schmitt sagt, Freund und Feind scheiden (S. 398 ff., S. 416 ff.). Die Konsequenzen aus derlei Konfliktlagen könnten Massengewalt, ethnische Säuberungen, Bürgerkriege und endlose Flüchtlingsströme sein. Längst ginge es schon nicht mehr nur um die prophylaktische Vorwegnahme dessen, was „auf uns zukommt“ (S. 384), sondern um die Anerkennung der Schäden, die bereits zu verzeichnen seien. Allein die Statistik der durch Luftverschmutzung verursachten Todesfälle spricht für sich: „Zwischen 1950 und 2010 dürfte durch toxische Verbindungen belastete Luft global zwischen 30 und 40 Millionen Menschen das Leben gekostet haben, in jüngster Zeit vor allem in China. Das entspricht ungefähr der Zahl der Toten aller rund um die Welt geführten Kriege dieser Zeit.“[77]
Infolgedessen sind es für die Betroffenen gar nicht die globalen, sondern die lokalen, territorialen Facetten geopolitischer Konflikte, die alle zukünftige Tagespolitik bestimmen werden (S. 414). Auch wenn die ökologische Krise ein global verursachtes Phänomen ist, führt sie zu „Raumordnungskriegen“ (S. 427). Dabei werden sich Umweltprobleme in Zukunft sicherlich auch als Verteilungsfragen zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen stellen. Schon heute sind Zugang zu und Kontrolle über natürliche(n) Ressourcen bereits innerhalb von Territorien umkämpft. Die Folgen werden umso dramatischer sein, weil gemäß Latours Interpretation eine politische Ökologie nicht auf die Intervention eines unbeteiligten Dritten, etwa in Form eines Weltstaates, hoffen kann, sondern „von der Gespaltenheit“ (S. 417) der Menschengattung ausgehen muss. Latour erinnert an einen Satz de Gaulles: „So sahen wir im Club der Großen so viele geheiligte Egoismen, wie es eingetragene Mitglieder gab.“ (S. 453). Repräsentanten einer Theorie kosmopolitischer Weltinnenpolitik werden an diesen Argumenten einiges auszusetzen haben.
Um dem Krieg dennoch Einhalt zu gebieten, macht Latour im achten Vortrag seines Buchs einige Vorschläge. In diesem Kapitel resümiert er in aller Kürze Überlegungen, die er im Parlament der Dinge ausführlich expliziert hatte. Das parlamentarisch-demokratische System der Repräsentation soll zur politischen Gestalt eines Kollektivs erweitert werden, dem potenziell alle Wesen angehören (oder in dem sie durch ihre Repräsentanten vertreten werden können). Warum sollten die Mandelfarmer des kalifornischen Central Valleys nicht den Grundwasserraum repräsentieren (S. 458)? Im institutionellen Rahmen eines Zweikammersystems soll es zur Einberufung von Versammlungen um solche Dinge gehen, in deren Verhandlung sich eine gemeinsame Welt herauskristallisiert. Hier wird über die Zahl der Wesenheiten und über die Modi ihres Zusammenlebens entschieden. Die Grundidee besteht darin, möglichst viele Repräsentanten „situierten Wissens“ (S. 447) zur Sprache kommen zu lassen, wobei den Naturwissenschaftlerinnen „keine bedeutendere Rolle als die eines Sprechers neben anderen“ (S. 446) eingeräumt würde. „In allen diesen Fällen geht es um Streitobjekte, um die sich die jeweiligen Opponenten scharen.“ (S. 416)
Es ist in diesem Rahmen unmöglich, detaillierter auf alle Aspekte und Verfahrensschritte von Latours politischer Ökologie einzugehen.[78] Im Fazit wird man aber zu dem Schluss gelangen, dass Latour eine politische Utopie entwirft, bei der freilich unerkennbar bleibt, was ihre Verwirklichung konkret bedeuten würde. Wer beispielsweise auf welche Weise „in Latours Utopia“ über die „Streitobjekte“ entscheiden wird, geht aus seinem Text schlicht nicht hervor.[79] Erkennbar ist ebenso wenig, welche Instanz in diesem „Krieg der Welten“ (S. 383) Neutralität beanspruchen könnte, zeigt sich Latour doch davon überzeugt, dass ein solcher interessenloser, schlichtender Dritter „niemals existiert hat“ (S. 416). Ein kohärentes, politisches Konzept lässt sich aus Latours Extrapolationen also nicht herausdestillieren. Auffällig ist stattdessen, dass er auch in diesem Buch umständlich argumentiert, sobald eine zukünftige Politik des Klimaregimes zum Thema wird. Viel zu häufig verlieren sich seine Ausführungen im Allgemeinen. Selten lässt er sich auf konkrete Beispiele ein, in denen sich politische Lösungen im Bereich der Klima- und Umweltpolitik abzeichneten und den Komplexitäten einer erfolgversprechenden Klimaproblematik Rechnung getragen würde. Die Leserschaft erfährt einfach zu wenig etwa über das Handeln des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), über internationale Klimakonferenzen, über das Regime des Emissionshandels zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen, über verbandlich-lobbyistische Interessenvermittlung auf EU-Ebene, über die vielfachen lokalen Infrastrukturen, von der regionalen Energieproduktion bis hin zu den umfangreichen Klimaanpassungsstrategien.[80]
Auch dieses Buch gehört, so ist zusammenfassend festzuhalten, sicherlich nicht zu den Highlights aus der Werkstatt Latours. Viel Neues erfährt man nicht, was angesichts des Umstands, dass die Schrift aus den renommierten Gifford Lectures hervorgegangen ist, vielleicht auch nicht zu erwarten war. Für eine erste Auseinandersetzung mit dem Werk dieses schillernden Theoretikers reicht es hingegen allemal.
Fußnoten
- Ursula Bohn / Stefan Kühl, „Beratung, Organisation und Profession. Die gescheiterte Professionalisierung in der Organisationsentwicklung, systemischen Beratung und Managementberatung“, in: Rainer Schützeichel / Thomas Brüsemeister (Hrsg.), Die beratene Gesellschaft. Zur gesellschaftlichen Bedeutung von Beratung, Wiesbaden 2004, S. 57–77, hier S. 57.
- Ute Volkmann, „Soziologische Zeitdiagnostik. Eine wissenssoziologische Ortsbestimmung“, in: Soziologie 44 (2015), 2, S. 139-152.
- Hermann Heimpel, „[Rezension zu] Friedrich August Freiherr von der Heydte, Die Geburtsstunde des souveränen Staates [...]“, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen 208 (1954), S. 197–221, Zitat S. 210.
- Michael Opielka, „Soziale Nachhaltigkeit aus soziologischer Sicht“, in: Soziologie 45 (2016), 1, S. 33–46, hier S. 33.
- Ebd., S. 38; eine tendenziell gleiche Botschaft wurde, was die konjunkturelle Entwicklung derartiger Klagen belegt, bereits vor knapp 20 Jahren formuliert: „Sociologists have been slow to address directly the questions raised by the issue of sustainability, despite the prominence of the idea in other disciplines and policy fields.“ Eve Passerini, „Sustainability and Sociology”, in: The American Sociologist 29 (1998), 3, S. 59–70, hier S. 59.
- Z. B. Harald Heinrichs / Heiko Grunenberg, Klimawandel und Gesellschaft, Wiesbaden 2009; Martin Voss (Hrsg.), Der Klimawandel. Sozialwissenschaftliche Perspektiven, Wiesbaden 2010; Christina Besio / Gaetano Romano (Hrsg.), Zum gesellschaftlichen Umgang mit dem Klimawandel – Kooperationen und Kollisionen, Baden-Baden 2016; Theory, Culture & Society 27 (2010), 1, Special Issue: Changing Climates; Harald Welzer / Hans-Georg Soeffner (Hrsg.), KlimaKulturen: Soziale Wirklichkeiten im Klimawandel, Frankfurt am Main / New York 2010; Reiner Grundmann, „Ozone and Climate. Scientific Consensus and Leadership“, in: Science, Technology and Human Values 31 (2005), 1, S. 73–101; Reiner Grundmann, „Climate Change and Knowledge Politics”, in: Environmental Politics 16 (2007), 3, S. 414–432; Peter Weingart / Anita Engels / Petra Pansegrau, „Risks of Communication. Discourses on Climate Change in Science, Politics, and the Mass Media”, in: Public Understanding of Science 9 (2000), 3, S. 261–283; Willy Viehöver, „Die Klimakatastrophe als ein Mythos der reflexiven Moderne”, in: Lars Clausen / Elke Geenen / Elísio Macamo (Hrsg.), Entsetzliche soziale Prozesse. Theorie und Empirie der Katastrophen, Münster 2003, S. 247–286; Gill Ereaut / Nat Segnit, Warm Words. How Are We Telling the Climate Story and Can We Tell It Better? London Institute for Public Policy Research 2006.
- Fritz Reusswig, „Klimawandel und Gesellschaft. Vom Katastrophen- zum Gestaltungsdiskurs im Horizont der postkarbonen Gesellschaft“, in: Martin Voss (Hrsg.), Der Klimawandel. Sozialwissenschaftliche Perspektiven, Wiesbaden 2010, S. 75–101, hier S. 75.
- Z. B. Michael Redclift / Graham Woodgate (Hrsg.), The International Handbook Of Environmental Sociology, Northampton 2000; Andreas Diekmann / Carlo C. Jaeger (Hrsg.), Umweltsoziologie. Opladen 1996. Matthias Groß, Die Natur der Gesellschaft. Eine Geschichte der Umweltsoziologie, Weinheim 2001; Matthias Groß, Handbuch Umweltsoziologie, Wiesbaden 2011.
- Michael Redclift / James F. Skea, „Globale Umweltveränderungen. Der Beitrag der Sozialwissenschaften“, in: Andreas Diekmann / Carlo C. Jaeger (Hrsg.), Umweltsoziologie, Opladen 1996, S. 380–390.
- Egon Becker / Thomas Jahn, Soziale Ökologie. Grundzüge einer Wissenschaft von den gesellschaftlichen Verhältnissen, Frankfurt am Main 2006; Thomas Jahn, Krise als gesellschaftliche Erfahrungsform, Frankfurt am Main 1991.
- Marten Hajer, The Politics of Environmental Discourse. Ecological Modernization and the Policy Process, Oxford 1995.
- Karen T. Litfin, Ozone Discourses. Science and Politics in Global Environmental Cooperation, New York 1994; Reiner Grundmann, „Politiknetzwerke und globale ökologische Probleme: Der Fall der Ozonschicht“, in: Politische Vierteljahresschrift 38 (1997), 2, S. 247–273.
- Stefan Böschen, Risikogenese: Prozesse gesellschaftlicher Gefahrenwahrnehmung, Opladen 2000.
- Birgit Peukert, Der Streit über die Agrargentechnik, Bielefeld 2010.
- Harald Heinrichs / Heiko Grunenberg, Klimawandel und Gesellschaft, Wiesbaden 2009, S. 47 ff.
- Stefan Böschen / Willy Viehöver / Jens Zinn, „Rinderwahnsinn. Können Gesellschaften aus Krisen lernen?“, in: Berliner Journal für Soziologie 13 (2003), S. 35–58.
- Harald Welzer, Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird, Frankfurt am Main 2008.
- Michael T. Klare, Resource Wars. The New Landscape of Global Conflict. New York 2002; Michael L. Ross, „How Do Natural Resources Influence Civil War? Evidence from Thirteen Cases”, in: International Organization 58 (2004), 1, S. 35–67.
- Riley Dunlap / William Catton, „Environmental Sociology”, in: Annual Review of Sociology (1979), 5, S. 243.
- Hanspeter Kriesi / Marco Giugni, „Ökologische Bewegungen im internationalen Vergleich“, in: Diekmann / Jaeger (Hrsg.), Umweltsoziologie, S. 324–350; Russel Dalton, „The Greening of the Globe? Crossnational Levels of Environmental Group Membership”, in: Environmental Politics 14 (2005), 4, S. 441–459; Joachim Radkau, Die Ära der Ökologie. Eine Weltgeschichte, München 2011.
- Carmen Tanner / Klaus Foppa, „Umweltwahrnehmung, Umweltbewusstsein und Umweltverhalten“, in: Diekmann / Jaeger (Hrsg.), Umweltsoziologie, S. 245–271.
- Theory, Culture & Society 31 (2014), 5, Special Issue: Energy & Society.
- Mary Douglas / Aron Wildavsky, Risk and Culture, Berkeley, CA 1982; Bernhard Gill, Streitfall Natur, Opladen 2003; Niklas, Luhmann, Ökologische Kommunikation, Opladen 1986; Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt am Main 1986; Ulrich Beck, Weltrisikogesellschaft, Frankfurt am Main 2007.
- Cedric Janowicz, Zur Sozialen Ökologie urbaner Räume. Afrikanische Städte im Spannungsfeld von demographischer Entwicklung und Nahrungsversorgung, Bielefeld 2008.
- Friederike Schmitz (Hrsg.), Tierethik, Berlin 2014.
- Sue Donaldson / Will Kymlicka, „Bill und Lou in der Zoopolis. Über Tiere als Mitbürger“, in: Mittelweg 36 23 (2014), 5, S. 5–26; dies., Zoopolis. Eine politische Theorie der Tierrechte, Berlin 2013.
- Bernward Gesang, Klimaethik, Frankfurt am Main 2008.
- Walther Ch. Zimmerli / Klaus Richter / Markus Holzinger (Hrsg.), Corporate Ethics and Corporate Governance, Berlin u.a. 2007; Stephanie Hiß, Warum übernehmen Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung? Frankfurt am Main / New York 2005.
- Z. B. Theory, Culture & Society 22 (2016), Special Issue: Geosocial Formations and the Anthropocene; Christophe Bonneuil / Jean-Baptiste Fressoz, The Shock of the Anthropocene. The Earth, History and Us, London 2016.
- Rudolf Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, Frankfurt am Main 1998; Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, Tübingen 2001.
- Joseph Huber, Nachhaltige Entwicklung, Berlin 1995; John A. Dixon / Louise A. Fallon, „The Concept of Sustainability. Origins, Extensions and Usefulness for Policy”, in: Society and Natural Resources 2 (1989), S. 73–84; Tom R. Burns, „The Sustainability Revolution. A Societal Paradigm Shift”, in: Sustainability 4 (2012), 6, S. 1118-1134; Elisabeth Shove / Nicola Spurling (Hrsg.), Sustainable Practices. Social Theory and Climate Change, London 2013; Felix Ekardt, Theorie der Nachhaltigkeit. Ethische, rechtliche, politische und transformative Zugänge - am Beispiel von Klimawandel, Ressourcenknappheit und Welthandel, 2. Auflage, Baden-Baden 2016.
- Z. B. Patricia Perkins, „Feminist Ecological Economics and Sustainability”, in: Journal of Bioeconomics 9 (2007), S. 227–244; Melody Hessing, „The Sociology of Sustainability. Feminist Economic Approaches to Survival”, in: Michael Metha / Eric Ouellet (Hrsg.), Environmental Sociology. Theory and Practice, North York 1995.
- Z. B. Stephan Rammler, Schubumkehr. Die Zukunft der Mobilität, Frankfurt am Main 2015.
- Z. B. Frank-Martin Belz / Georg Karg / Dieter Witt (Hrsg.), Nachhaltiger Konsum und Verbraucherpolitik im 21. Jahrhundert, Marburg 2007; Elisabeth Shove, „Putting Practice Into Policy. Reconfiguring Questions of Consumption and Climate Change”, in: Contemporary Social Science 9 (2012), 4, S. 415–429.
- Z. B. Bernward Joerges, Technik-Körper der Gesellschaft, Frankfurt am Main 1996; Graham Harman, Prince of Networks. Bruno Latour and Metaphysics, Melbourne 2009; Peter Wehling, Im Schatten des Wissens, Konstanz 2006; Markus Holzinger, Natur als sozialer Akteur. Realismus und Konstruktivismus in der Wissenschafts- und Gesellschaftstheorie, Wiesbaden 2004; Markus Holzinger, „Welcher Realismus? Welcher Sozialkonstruktivismus? Ein Kommentar zu Georg Kneers Verteidigung des Sozialkonstruktivismus und zu Bruno Latours Akteur-Netzwerk-Theorie“, in: Zeitschrift für Soziologie 38 (2009), 6, S. 521–534; Markus Holzinger, „Where Are The Missing Practices? Bruno Latours experimentale Metaphysik“, in: Zeitschrift für Theoretische Soziologie (2013), 1, S. 31–55.
- Z. B. Werner Callebaut, Taking the Naturalistic Turn or How Real Philosophy of Science is Done, Chicago, IL / London 1993; Andrew Pickering (Hrsg.), Science as Practice and Culture, Chicago, IL 1992; Jed Z. Buchwald (Hrsg.), Scientific Practice. Theories and Stories of Doing Physics, Chicago; IL 1995; Andrew Pickering, The Mangle of Practice, Chicago, IL 1995.
- Siehe nur: Dean Pierides / Dan Woodman, „Object-Oriented Sociology and Organizing in the Face of Emergency. Bruno Latour, Graham Harman and the Material Turn”, in: The British Journal of Sociology 63 (2012), 4, S. 662–667.
- Jane Bennett, Vibrant Matter. A Political Ecology of Things, Durham, NC 2010.
- Philippe Descola / Gisli Palsso (Hrsg.), Nature and Society. Anthropological Perspectives, London 1996.
- Susanne Bauer / Torsten Heinemann / Thomas Lemke (Hrsg.), Science and Technology Studies. Klassische Positionen und aktuelle Perspektiven, Berlin 2017. Zahlen in Klammern verweisen nachfolgend hierauf, sofern kein anderer Text ausgewiesen wird.
- Barry Barnes, Scientific Knowledge and Sociological Theory, London 1974.
- Harry Collins, „Die Soziologie des wissenschaftlichen Wissens“, in: Wolfgang Bonß / Heinz Hartmann, Entzauberte Wissenschaft, Göttingen 1985, S. 129–149, hier S. 136.
- Ian Hacking, „The Self-Vindication of the Laboratory Sciences“, in: Andrew Pickering (Hrsg.), Science as Practice and Culture, Chicago, IL 1992, S. 29–64.
- Z. B. Karin Knorr-Cetina, Die Fabrikation von Erkenntnis, Frankfurt am Main 1991.
- Bruno Latour, „From the World of Science to the World of Research?”, in: Science 280 (1998), 1, S. 208–209.
- Z. B. Ian Hacking, Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften, Stuttgart 1996; Michael Hagner u. a. (Hrsg.), Objekte, Differenzen und Konjunkturen, Berlin 1994.
- Siehe etwa explizit David Bloor, Wittgenstein. A Social Theory of Knowledge, Columbia, NY 1983.
- Ludwig Wittgenstein, „Philosophische Untersuchungen“, in: Ludwig Wittgenstein, Werkausgabe, Bd. 1, 6. Auflage, Frankfurt am Main 1989, § 199, S. 31.
- Ebd., § 43, S. 262 f.
- Ebd., § 118, S. 301.
- André Kieserling, „Drei Vorbehalte gegen ‚Funktionssysteme‘”, in: Zeitschrift für Soziologie 34 (2005), 6, S. 433–436, hier S. 433.
- Bruno Latour, „From the World of Science to the World of Research?”, in: Science 280 (1998), 5361, S. 208–209.
- John Dewey, Die Suche nach Gewißheit, Frankfurt am Main 2001; Pierre Bourdieu, Meditationen. Zur Kritik der scholastischen Vernunft, Frankfurt am Main 2001.
- Bruno Latour / Gustav Roßler, „Ein neuer Empirismus, ein neuer Realismus. Bruno Latour im Gespräch mit Gustav Roßler“, in: Mittelweg 36 6 (1997), 1, S. 40–52, hier S. 47.
- Wie Latour sagt: „What should disappear is philosophy of science.“ (Callebaut, Naturalistic Turn, S. 316)
- Latour / Roßler, „Ein neuer Empirismus", S. 47. International betrachtet wird Latours Wissenschaftsforschung und STS weltweit diskutiert. Luhmanns Wissenschaftssoziologie ist hingegen, nach meiner Einschätzung, außer in einzelnen Hochburgen der Systemtheorie in Deutschland, nahezu gänzlich unbekannt.
- Diana Lengersdorf / Matthias Wieser (Hrsg.), Schlüsselwerke der Science & Technology Studies, Wiesbaden 2014.
- Bruno Latour, Kampf um Gaia. Acht Vorträge über das neue Klimaregime, Berlin 2017. Zahlen in Klammern verweisen nachfolgend hierauf, sofern kein anderer Text ausgewiesen wird.
- Steve Woolgar, Laboratory Life. The Social Construction of Scientific Facts, Beverly Hills, CA 1979.
- Bruno Latour, Science in Action. How to Follow Scientists and Engineers Through Society, Cambridge, MA 1987.
- Bruno Latour, The Pasteurization of France, Cambridge, MA 1988.
- Bruno Latour, Die Hoffnung der Pandora. Untersuchungen zur Wirklichkeit der Wissenschaft, Frankfurt am Main 2000; Bruno Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, Frankfurt am Main 2007.
- Bruno Latour, Das Parlament der Dinge. Über politische Ökologie, Frankfurt am Main 2001; Bruno Latour, Existenzweisen. Eine Anthropologie der Modernen, Berlin 2014.
- Werner Rammert, Technik-Handeln-Wissen. Zu einer pragmatistischen Technik- und Sozialtheorie, Wiesbaden 2007, S. 33.
- Hans Joas, Die Kreativität des Handelns, Frankfurt am Main 1992, S. 236.
- Dietrich Böhler, Rekonstruktive Pragmatik. Von der Bewußtseinsphilosophie zur Kommunikationsreflexion: Neubegründung der praktischen Wissenschaften und Philosophie, Frankfurt am Main 1985, S. 251 ff.
- Ilya Prigogine / Isabelle Stengers, Dialog mit der Natur. Neue Wege naturwissenschaftlichen Denkens, München 1981; Alfred N. Whitehead, Prozeß und Realität. Entwurf einer Kosmologie, Frankfurt am Main 1987.
- Jürgen Mittelstraß, Leonardo-Welt. Über Wissenschaft, Forschung und Verantwortung, Frankfurt am Main 1992.
- Christoph Görg / Michael Scharping, „Natur in der Soziologie", in: Christoph Görg (Hrsg.), Gesellschaft im Übergang, Darmstadt 1994, S. 179–201, hier S. 194.
- James Lovelock, Gaias Rache. Warum die Erde sich wehrt, Berlin 2008, S. 15.
- Siehe jetzt dazu Markus Holzinger, „Das naturwissenschaftliche Experiment als ,Ereignis'. Zur Objekt- und Naturkonzeption bei Latour und Dewey“, in: Hella Dietz / Frithjof Nungesser / Andreas Pettenkofer (Hrsg.), Pragmatismus und Theorien sozialer Praktiken. Sozialtheoretische Perspektiven, Campus (i.V.). Siehe aber auch Holzinger, Natur als sozialer Akteur.
- Adolf Muschg, Der weiße Freitag, München 2017, S. 147.
- Levi Bryant / Nick Srnicek / Graham Harman (Hrsg.), The Speculative Turn. Continental Materialism and Realism, Melbourne 2011; paradigmatisch (aber ohne Bezug auf Latour): Quentin Meillassoux, Nach der Endlichkeit. Versuch über die Notwendigkeit der Kontingenz, 2. Auflage, Zürich/Berlin 2013.
- Bruno Latour, „Whose Cosmos, Which Cosmopolitics? Comments on the Peace Terms of Ulrich Beck, Symposium: Talking Peace with Gods Part 1”, in: Common Knowledge 10 (2004), S. 450–462; Isabelle Stengers, Cosmopolitics, Minneapolis, MN 2010.
- Latour, Eine neue Soziologie, S. 436.
- Beck, Weltrisikogesellschaft, S. 154.
- John Mc Neill / Peter Engelke, „Mensch und Umwelt im Zeitalter des Anthropozän“, in: Akira Iriye (Hrsg.), Geschichte der Welt. 1945 bis heute. Die globalisierte Welt, Bonn 2014, S. 357–534, hier S. 381.
- Siehe dazu aber Jörn Lamla, Verbraucherdemokratie. Politische Soziologie der Konsumgesellschaft, Berlin 2013, S. 98–107.
- Gesa Lindemann, „,Allons enfants et faits de la patrie...’. Über Latours Sozial- und Gesellschaftstheorie sowie seinen Beitrag zur Rettung der Welt“, in: Georg Kneer / Markus Schroer / Erhard Schüttpelz (Hrsg.), Bruno Latours Kollektive. Kontroversen zur Entgrenzung des Sozialen, Frankfurt am Main 2008, S. 339–360, hier S. 357.
- Über die Klimapolitik von unten siehe etwa: Stefan Böschen u. a. (Hrsg.), Klima von unten. Regionale Governance und gesellschaftlicher Wandel, New York / Frankfurt am Main 2014.
Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Martin Bauer.
Kategorien: Ökologie / Nachhaltigkeit Technik Wissenschaft
Zur PDF-Datei dieses Artikels im Social Science Open Access Repository (SSOAR) der GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften gelangen Sie hier.
Empfehlungen
„Man kann nach Latour nicht mehr an Latour vorbeiforschen“
Drei Fragen zum Werk von Bruno Latour
Ein Werk radikaler Gegenwärtigkeit
Nachruf auf Bruno Latour (1947–2022)
„Eine Praxis, die das soziologische Denken offenhält“
Drei Fragen zum Werk von Bruno Latour