Hartmann Tyrell | Essay | 15.06.2020
Rationalität, Rationalisierung, Rationalismus
1. Persönliche Vorbemerkung
Es war der viel zu früh (1968) verstorbene Friedrich Jonas, der im letzten Band seiner bedeutenden vierbändigen „Geschichte der Soziologie“, die 1969 erschien, über Max Webers Wirkung im eigenen Lande, wie folgt, urteilte: „Max Weber starb zu früh, als daß er einen entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung der Soziologie in Deutschland hätte nehmen können“. Gesagt ist das in einer Darstellung der Geschichte der deutschen Soziologie, die von den Anfängen bis in die Mitte der 1960er-Jahre reicht; bezogen und begründet wird es zunächst für die Weimarer Soziologie; aber die „Folgenlosigkeit des Werkes von Max Weber“ macht Jonas ebenso für die von ihm überschaute Nachkriegssoziologie geltend.[1] Genau in diesem Punkt aber deutete sich im Jahre 1964 mit dem 15. Deutschen Soziologentag in Heidelberg eine Wende an. Der Soziologentag war rundum dem 100. Geburtstag Max Webers gewidmet.[2] Vor allem aber: er war ein internationales Ereignis, geehrt durch das Auftreten von Talcott Parsons, aber nicht minder durch das von Raymond Aron sowie von Benjamin Nelson, Herbert Marcuse und vielen anderen. Horst Baier, später einer der Herausgeber der Max Weber Gesamtausgabe, hat dem Ereignis beeindruckt beigewohnt. Noch in seinen Lebenserinnerungen hat er sich dazu geäußert und auf die Folgen hin den Akzent in etwa so gesetzt:[3] Max Weber als „Re-Import aus den Vereinigten Staaten“ und dies als soziologischer Klassiker, als Autor einer soziologischen Theorie und Verfasser der weltweit gelesenen „Protestantischen Ethik“ – seinem Wiedereintritt in die deutsche Soziologie wurde hier das Tor geöffnet. Und in den 1970er-Jahren setzte dann auch in Deutschland eine breite und anspruchsvolle klassikerbewusste soziologische Publikationstätigkeit zu Max Weber ein.
Der Verfasser dieser Zeilen hat im Sommersemester 1965, also im Jahr nach dem Heidelberger Ereignis, an der Universität Münster das Studium der Soziologie, Geschichte und Kunstgeschichte aufgenommen; er tat es von der Philosophischen Fakultät aus. Das seinerzeitige soziologische Veranstaltungsangebot muss man nicht überwältigend nennen. Immerhin: Helmut Schelsky – hier war für den Anfänger schon der Name verpflichtend – kündigte eine Vorlesung über Max Weber an; aber Bielefelder Planungsgründe standen der Realisierung im Wege, und er hat die Vorlesung bedauerlicherweise wohl auch nachher nicht mehr gehalten. Für ihn sprang aber als Assistent Horst Baier ein, seinerzeit befasst mit seiner leider niemals veröffentlichten Habilitationsschrift zur Weber’schen Wissenschaftslehre. Die Übung trug den Titel „Einführung in die soziologische Theorie Max Webers“. Sie war für mich der Ort der Erstbegegnung mit Max Webers Texten. Bei Horst Baier (+ 2017) – hochgebildet, unerhört belesen und stark berührt vom Weber’schen Pathos – war man, was solche Erstbegegnung anging, in den besten Händen.
Der hier erfolgten Weichenstellung bin ich bis heute verpflichtet geblieben, und das wurde schon während der Studienzeit auch durch das mitlaufende Geschichtsstudium befestigt. Mit Max Weber konnte man sich auch unter Historikern sehen lassen. Im Übrigen galt in der Folgezeit das, was für die Soziologie galt, ja durchaus auch für die Geschichtswissenschaft und mithin für „Max Weber, den Historiker“. Es spricht einiges für die Auffassung von Jürgen Kocka, der zufolge „die Faszination der 60er und frühen 70er Jahre für Marx und sein Denken“ dem ohnehin gesteigerten Interesse an Max Weber erheblich nachgeholfen hat:[4] als dem Antipoden, und sehr zu Recht kam Karl Löwiths berühmter „Max Weber und Karl Marx“-Aufsatz von 1932 hier wieder zu Ehren. So jedenfalls konnte man unter Soziologen und Historikern die Dinge gerade in Bielefeld sehen, wo es eine Fakultät für Soziologie ebenso gab wie eine für Geschichtswissenschaft und wohin mich der Weg nach dem Studium geführt hatte. Daselbst hatte man indes in Niklas Luhmann einen Gesellschaftstheoretiker, der Marx wie Weber den Rücken kehrte. Wie dem auch sei, in Max Weber sah und sehe ich systematische Soziologie und Geschichte zusammengeführt wie nirgendwo sonst und seither nie wieder, wobei Geschichte Universalgeschichte heißt und politische oder Rechtsgeschichte, Religions- oder Musikgeschichte, Wirtschafts- oder (ungleichheitsbezogene) Sozialgeschichte heißen kann. Und den Leitideen und Gesichtspunkten, die die Weber’schen Arbeiten führen, haben, soweit sie denn adäquat mitvollzogen werden, die hundert Jahre, die uns von ihrem Gedachtsein trennen, erstaunlich wenig Abbruch getan. Und auf Obsoletes, Abgetanes stößt man so gut wie nie. Gründliche Lektüre und Nachfrage bei Weber lohnt also weiterhin, und dafür ist man nach langen Jahren nun durch das fast abgeschlossene Vorliegen der MWG besser ausgestattet denn je, gerade auch durch die erleichterte Zugänglichmachung des uns vielfach gänzlich fremd gewordenen historischen Stoffs.[5] Und all das ganz und gar nicht im Sinne einer historisierenden Soziologie, die es unvermeidlich macht, ihr eine Soziologie als ‚Gegenwartswissenschaft’ entgegenzusetzen.
Seit Längerem indes ist mir im Blick aufs Weber’sche Werk ein ceterum censeo auf den Lippen. Es ist der Satz: Nahezu alles – und schon die Protestantische Ethik – ist Torso geblieben, kaum etwas zum Abschluss gebracht! Natürlich drängt das immer neu die Frage auf: Was verrät uns das geschriebene Werk über das ungeschrieben gebliebene? Und diese Frage drängt uns Weber selbst auf. Man bekommt ja, teils vertagend, teils vertröstend, mehrfach erklärt, dass ‚Definitorisches’ „erst am Schlusse“ der Verhandlungen zu erwarten sei.[6] Aber in allen (und durchaus prominenten) Fällen, in denen sich der Autor mit solchem Vorverweis auf den ‚klaren Begriff’, der erst am Ende zu erwarten sei, auf den Weg gemacht hat, wurde dieses Ende nicht erreicht. Und ich wiederhole mich: „Wirtschaft und Gesellschaft“, das riesige Vorhaben „ohne Vorbild“ (Weber), brach im zweiten, auf Verknappung abzielenden (paragraphenförmigen) Anlauf in der kaum erreichten Mitte ab, und im Falle der absehbar vielbändigen „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ nahm der Tod Max Weber den Stift aus der Hand, nachdem der Orient (China und Indien) absolviert und der Gang durch die okzidentale Geschichte mit dem „Antiken Judentum“ gerade in Angriff genommen war. Vom Ende des Krieges und dem seit 1919 ‚neuen Deutschland’, dessen Verfassung er mitentworfen hatte, will ich nicht reden, nur davon, dass es irritiert und für die eigene Person zu denken gibt, dass die eigene ‚Bekanntschaft’ mit Max Weber (seit Studienbeginn) nun fast schon so lange währt wie dessen 56jährige Lebenszeit.
Wenn ich nun seitens der Herausgeber nach einem Weber’schen Begriff gefragt werde, der für mich „von besonderer Bedeutung“ war und es nach wie vor ist, so ist es die Begriffstrias von ‚Rationalität’, ‚Rationalisierung’ und ‚Rationalismus’. Es ist klar, dass Webers große Botschaften in sozialtheoretischer wie universalhistorischer Hinsicht ohne Bezugnahme auf diese Begrifflichkeit gar nicht zu haben sind. Auch fügt sich diese zusammen mit dem Pathos, das Webers Botschaften mit sich führten. Adorno hat es 1964 in Heidelberg das Pathos „eines düsteren, allem offiziellen Optimismus und aller Phrase feindlichen Werkes“ genannt; schon Jonas zitiert dies.[7] Rückblickend darf ich selbstbezogen sagen, dass ich mich an der Weber’schen ‚Rationalität’ wiederholt festgebissen habe, ihr in den Kontexten des Handelns, von Herrschaft und Bürokratie, Wissenschaft („intellektuelle Redlichkeit“) und Religion Klarheit abzugewinnen versucht habe. Was mich aber, trotz mancher Einsicht, an der Rationalitätsthematik festhält, das sind die Rätsel, die der Weber’sche Begriffgebrauch nach wie vor aufgibt. Ihnen gelten die Überlegungen der beiden folgenden Abschnitte.
2. Rationalität, Rationalisierung und Rationalismus – Begriffsgeschichtliches und Begriffliches
Hält man sich an das Historische Wörterbuch der Philosophie (Rolke 1992),[8] so ist es nach 1900 Max Weber gewesen, der die Ökonomendebatte des 19. Jahrhunderts – vom Utilitarismus hin zum homo oeconomicus – bleibend in das Vokabular von ‚Rationalität’ und ‚Rationalisierung’ überführt hat. Schon in der frühen Fassung der Protestantischen Ethik (1904/5) war das vollzogen.[9] Seine Anschaulichkeit und Überzeugungskraft bezog das rationale Vokabular zunächst aus seiner Referenz auf eine bestimmte Handlungstypik, die, aufdringlich modern, wesentlich dem wirtschaftlichen Kontext zugehörte. Es war (vor Weber) Werner Sombart,[10] der diese zweckorientiert-rechenhafte Handlungstypik auf den ‚rationalistischen’ Begriff gebracht und zugleich mit der Kapitalismusbegrifflichkeit zusammengeführt hat: Die „Thätigkeit kapitalistischer Wirtschaftssubjekte ist stets (…) eine rationalistische. Will sagen, daß ihr Handeln zu allen Zeiten ein bewusstes Handeln nach Gründen ist“.[11] Die Sache hat zunächst ihre Handlungsdimension. In der hat Weber sie dann typologisch – über die Wirtschaftstätigkeit und auch über die Zweck-Mittel-Rationalität und den Interessenbegriff hinaus – ausgebaut und später mit der ‚Wertrationalität’ einen weiteren, deutlich im Religiösen[12] beheimateten Rationalitätstyp des Handelns geltend gemacht.[13]
Von Sombart hat sich Weber aber auch, in heutiger Terminologie geredet, auf die ‚Makroebene’ führen lassen. Ausdrücklich hat er sich schon 1904 in der Protestantischen Ethik (im Weiteren: PE) die Sombart’sche Makroformel vom „ökonomischen Rationalismus“ zu eigen gemacht,[14] dies aber von Beginn an so, dass er den Rationalismus, wie zuvor schon Simmel,[15] nicht nur der Ökonomie überließ, sondern ihn von ihr auch lösen konnte. Über die ökonomische Sphäre hinaus war damit eine Begrifflichkeit gewonnen, die, wie man sagen darf, gesellschaftstheoretisch ausbaufähig war. Schon 1904 war Weber in diesem Sinne die okzidentale „Geschichte des Rationalismus“ vor Augen, und sie wird ihrerseits, desaggregiert, sogleich als eine Geschichte ganz verschiedener Rationalisierungen (beziehungsweise Rationalismen) präsentiert. Betont wird vor allem, dass die Rationalisierung „auf den einzelnen Lebensgebieten“ durchaus nicht eine „parallel fortschreitende Entwicklung“ darstellt. Weber illustriert das an innereuropäischen Ungleichzeitigkeiten zwischen der „Rationalisierung des Privatrechts“ hier und der kapitalistischen Wirtschaftsentwicklung dort.[16] Aber auch (in heutiger Terminologie) auf der ‚Mesoebene’ überschreitet die Weber’sche Rationalitätsthematik die Grenzen des Ökonomischen. Man denke dafür nur an den Nachdruck, mit dem der Herrschaftssoziologe sie in die sozialwissenschaftliche Bürokratie-, Verwaltungs- und Organisationstheorie hineingetragen hat; auch hier war sie forciert modernitätsbezogen.[17]
Anzufügen bleibt, dass ‚der Rationalismus’ um 1900, hält man sich an die zeitgenössischen Lexika, im wissenschaftlichen Sprachgebrauch ein eher limitiertes Auskommen hatte. In philosophischen und theologischen Diskursen kam er mit je verschiedenen Gegenbegriffen terminologisch zur Geltung.[18] Einiges daran bot Rückhalt für den exponierten und expansiven Begriffsgebrauch, wie man ihn dann im Werk Max Webers findet. Gesondert herausgestellt sei hier, weil in Webers Nähe führend, eine philosophie- und kulturgeschichtliche Begriffsvariante, die auch der Brockhaus von 1903 aufführt: ‚der Rationalismus’ als (ein anderer) Titel für die Aufklärungsepoche, dabei ‚die Aufklärung’ teilweise verdrängend.[19] Bei Simmel ist in diesem Sinne vom „Rationalismus des 18. Jahrhunderts, der sich zur Revolution aufgipfelte“, die Rede,[20] und ebenso kennt Marianne Webers Eherechtsgeschichte das 18. Jahrhundert als „Zeitalter des Rationalismus“.[21] Auch bei Weber selbst finden sich noch Anklänge daran.[22] Im Weiteren aber ist der Anschluss an dieses (historisch gebundene) Begriffsverständnis gekappt und ‚der Rationalismus’ fungiert nun als Einheits- und Sammelformel für die heterogenen (modernisierenden) Rationalisierungsprozesse auf den verschiedenen Feldern in der europäischen Gesellschaftsgeschichte.[23] Der ‚ökonomische Rationalismus’ zeigt sich damit als „Teilerscheinung in der Gesamtentwicklung des Rationalismus“.[24]
Im Zuge der Arbeit an Wirtschaft und Gesellschaft hielt die Sprache des Rationalen dann Einzug in die soziologische Grundbegrifflichkeit Webers, in die Handlungskategorien und darüber hinaus in weite Felder der soziologischen Analyse, sei es in die Rechts-, die Religions- oder die Herrschaftssoziologie. Auf den Höhepunkt kommt Webers, wie man zu sagen verführt ist, Verfallenheit an die Semantik des Rationalen aber in der vielzitierten und biographisch späten „Vorbemerkung“.[25] Hier findet sich fast kein Satz, der ohne das Wort ‚rational’ auskommt. Vor allem aber findet sich hier die Formel vom „modernen okzidentalen Rationalismus“[26] mitsamt der Liste seiner „Originalleistungen“, wie Habermas treffend formuliert hat;[27] der Schwerpunkt der Darstellung liegt dabei auf dem ‚rationalen Kapitalismus’.[28] Nimmt man es genau, so wird man hier ‚modern’ und ‚rational’ allerdings stärker dissoziieren müssen, denn Webers Liste der rational-okzidentalen Besonderheiten ist von beträchtlicher historischer Tiefe; auch Errungenschaften der griechisch-römischen Antike oder der Renaissance zählen dazu.[29]
Es ist nun weiterhin bemerkenswert, wie reichhaltig und wie verschiedenartig die Sachverhalte beschaffen sind, in die Weber, der „Begriffsrevisionist“,[30] mit seiner Begrifflichkeit von Rationalität und Rationalisierung eingedrungen ist. Weniges davon sei hier mit ausdrücklich religionssoziologischem Schwerpunkt beim Namen genannt.[31] Vom Handeln, von rational-legaler Herrschaft und Bürokratie und den verschiedenen Lebensordnungen/Wertsphären und ihrer Rationalisierung hat der Verfasser bereits andernorts des Näheren gesprochen;[32] desgleichen von Rationalisierung bezüglich der Weltbildentwicklung, dies am Fall der (in Naturbeherrschung und in Berechenbarmachung sich verlängernden) ‚Entzauberung der Welt’.[33] Auf religiösem Terrain ist es – handlungsnah – zuerst ‚die Lebensführung’, die sich bei Weber schon in der PE aufs Engste mit der Rationalitätsthematik verbindet.[34] Das Rationale im Sinne der Systematisierung und Konsequenz ist dort tonangebend; vom religiösen Heilsziel her geht es um die „Zusammenfassung (…) des praktischen Verhaltens zu einer Lebensführung“; mit Blick auf Webers Puritaner gesprochen: zu einer, konsequent sinnintegrierten und selbstkontrollierten Lebensführung. Das ruft dann andere Momente des Rationalen auf den Plan, solche von psychophysischem Belang und leibbezogener Naturbeherrschung. Man blicke nur auf das ‚rationale’ Askeseverständnis Webers und man sieht dann, wie es das „Gebot der Konsequenz“ ist, das den Asketen zur Dauerwachheit/Bewusstheit, zur Selbstbeobachtung, zur Stabilisierung der Affekt- und Selbstkontrolle und so weiter nötigt.[35] Aber Weber kann im Kontext der Erlösungsreligiosität auch von der „Rationalisierung der Aneignung religiöser Heilsgüter“ in ganz anderer Hinsicht sprechen, nämlich in einem psychologischen Sinne und mit Bezug auf die religiös erzeugten und sinnbesetzten Gefühlslagen; das ‚innere’ Bezugsproblem (des Mystikers etwa) ist dabei die Beseitigung des „Widerspruchs zwischen alltäglichem und außeralltäglichem religiösem Habitus“.[36] Die Dauerzuständlichkeit der Gnade, die perseverantia gratiae als ‚psychische Heilsprämie’ ist hier am Horizont. Einen kulturellen Bezug hat es dagegen, wenn Weber „die römische Kirche im Okzident“ und den „Konfuzianismus in China“ als „die beiden größten religiös-rationalistischen Mächte der Geschichte“ bezeichnet.[37] Das zielt (bis in den Musikbetrieb hinein) auf den ‚praktisch-nüchternen’, antiekstatischen Zug, der beiden Kulturträgern eignet und dem sie hegemonial Geltung verschaffen. Das hat nach der irrationalen Seite hin zur Folge, dass den affektuell-ekstatischen („orgiastischen“) Dimensionen des religiösen Verhaltensinventars die Prämierung oder Wertbesetzung versagt bleibt, und besagt deren Unterdrückung oder Marginalisierung. Weber verfügt aber auch über stärker differenzierende Begriffe, die die ‚Rationalisierung’ teils flankieren, teils substituieren, so den der Sublimierung.[38] Wo es zum Beispiel um die intellektuelle Arbeit am religiösen Ideengut geht, um die Sinnvertiefung und ethische Verfeinerung religiöser Konzepte, da kommt dieser (psychoanalysenahe) Begriff zum Tragen.[39]
Schon aus dem, was hier recht freihändig zusammengestellt ist, ist ersichtlich, welch heterogene Phänomenvielfalt Weber unter dem Dach der Rationalität beziehungsweise des Rationalismus versammelt. Vom Ausgangspunkt des ‚ökonomischen Rationalismus’ führt das vielfach recht weit weg, und man sieht auch, wie häufig dabei das Rationale und das Moderne auseinanderfallen.
Vor diesem Hintergrund gilt es, die ersichtliche Vieldeutigkeit oder Uneindeutigkeit der Weber’schen Rationalitätsbegrifflichkeit deutlicher anzusprechen. Der Mangel an Klärung und Systematik ist dieser Begrifflichkeit wiederholt angelastet worden; er ist seit Langem im Gespräch.[40] Niklas Luhmann, ‚die Rationalität’ in den Plural überführend, spricht gar vom „Dschungel der Rationalitätsbegriffe, die Weber hinterlassen hat“.[41] Für Weber aber war dies, wie eingangs angesprochen, bemerkenswerterweise kein Mangel. Im Gegenteil: er machte aus der Not eine Tugend, er macht aus der Vieldeutigkeit des Rationalen ein Argument gerade zugunsten des Begriffsgebrauchs. So wird die Sinnaufklärung des Mehrdeutigen hier selbst zum Erkenntnisziel, und der späte Weber hat es, bezogen auf die PE, sein maßgebliches Anliegen genannt, „den nur scheinbar eindeutigen Begriff des ‚Rationalen’ in seiner Vielseitigkeit aufzudecken“.[42] Allerdings: über die Vieldeutigkeitsbeschwörungen hinaus ist es zur definitiven Aufklärungsarbeit, wie sie in den ‚Soziologischen Grundbegriffen’ ausdrücklich angekündigt wird,[43] dann nicht mehr gekommen. Immerhin scheint es, als habe es Weber in Sachen ‚Rationalisierung’ so halten wollen wie schon im Falle der aufgeschobenen Definition des „Geistes des Kapitalismus“ in der PE: „Die endgültige begriffliche Erfassung (…) muß am Schluß der Untersuchung stehen“.[44] Auch hinsichtlich der „Vieldeutigkeit des Begriffs der ‚Rationalisierung’ des Handelns“ hat er in WuG „Begriffliches“ eben erst „am Schluß!“ erledigen wollen.[45]
Dreierlei aber verwundert in dieser Angelegenheit. Zunächst: nimmt man die Luhmann’sche Formel vom „Dschungel der Rationalitätsbegriffe“ einmal auf, so gibt sie bei Licht besehen Anlass, darüber zu staunen, dass Webers Sprachgebrauch sich von der ‚Rationalität’ (oder dem ‚Rationalismus’) im Singular nie gelöst hat. Zwar führt er spät die handlungsbezogene Unterscheidung von Zweck- und Wertrationalität ein; in diese aber gehen selbst schon verschiedene Rationalitätsdimensionen ein.[46] Seine ‚Rationalität’ meidet den Plural, und gerade in der Betonung der Vieldeutigkeit bleiben die Einheit des Begriffs und sein (wie auch immer strapazierter) letztlich doch unterstellter Sinnzusammenhalt festgehalten. Andererseits ist diese festgehaltene Einheit zweifellos auch eine Klammer, die das so heterogene Werk beisammen hält. Weiterhin aber erstaunt angesichts der erklärten Vieldeutigkeit dies: man stößt bei dem Anwalt klarer Begriffe, der Weber ja war, nirgendwo auf die nahe liegende Gebrauchsanweisung, vom Rationalen solle man möglichst nur mit jeweils spezifizierendem Zusatz sprechen, also von ‚rational’ im Sinne von ‚Bewusstheit’/Reflexivität oder aber von ‚Konsequenz’ und so weiter. Weber selbst folgt dieser Instruktion gelegentlich, besonders engagiert zu Beginn der Zwischenbetrachtung.[47] Aber hier waltet kein Gebot der Konsequenz und so gilt wohl: Webers Zutrauen in die Einheit, in den Sinnzusammenhalt und die Aussagekraft, die dem Rationalitätsbegriff von sich aus zukommt, war – aller Bedeutungsausweitung zum Trotz – nicht zu erschüttern. Drittens schließlich: es ist auffällig, dass Webers historische Zuschreibungen von Rationalität und Rationalismus gern solche in voller Dosierung sind: ohne Abstriche, ohne Einschränkung, ohne Relativierung. Zumindest klingen sie so. Man denke etwa an die nachdrückliche Rede vom „konfuzianischen Rationalismus – denn dieser Name gebührt ihm“.[48] Der Name gilt einer gehobenen Bildungsschicht; er meint indes, sieht man genauer hin, keinen ‚Rundumrationalismus’, sondern würdigt hier vorrangig eine besondere kulturelle Disposition, die indes auch der Oberschicht des antiken Rom zuerkannt wird.[49] Im Übrigen findet sich in Webers Sprachgebrauch nur selten die Bezugnahme auf reduziert oder nur tendenziell Rationales oder auf, wie es gelegentlich heißt, ‚relativ Rationales’.[50]
Nun hat Weber aber in Sachen ‚Vieldeutigkeit’ noch etwas Zusätzliches im Sinn: ein Problem, dem abermals eine prioritäre Bedeutung zugesprochen wird[51] und das stärker von der Irrationalitätsseite her aufgezogen wird. Die Mehrdeutigkeit zielt dabei auf ein Zugleich von rational und irrational. Zudem kommen hier Wertfragen mit ins Spiel. Weber sagt es so: „‚Irrational’ ist etwas stets nicht an sich, sondern von einem bestimmten ‚rationalen’ Gesichtspunkte aus. Für den Irreligiösen ist jede religiöse, für den Hedoniker jede asketische Lebensführung ‚irrational’, mag sie auch an, an ihrem letzten Wert gemessen, eine ‚Rationalisierung’ sein“.[52] Man sieht: hier wird Webers großes Thema der Pluralität, vor allem aber der Kollision der Werte zusammengeführt mit der Sprache der Rationalität/Irrationalität. Es geht um Wert und Gegenwert, um die intellektualisierte (positive) Wertartikulation als „rational“ und um die Negierung des Gegenwerts als „irrational“. Weber kann dann sagen: „Der ‚Rationalismus’ ist ein historischer Begriff, der eine Welt von Gegensätzen in sich schließt“.[53] Es ist dabei die begriffliche Aktivierung des Irrationalen, welche diese Welt denkbar macht, in der im Gegenüber verschiedener Wertstandpunkte Rationales und Irrationales verdoppelt und im Konflikt miteinander auftreten. Man hat den Eindruck: für Weber war das Denken von dieser Konstellation her eine maßgebliche Quelle der intellektuellen Inspiration; es förderte die Einsicht in immer neue Widerspruchslagen zutage. Auch die PE, der es um die Genese des ‚ökonomischen Rationalismus’ zu tun ist, war in solche Widersprüche verstrickt, denn schon von einem „rein eudämonistischen“ Wertstandpunkt aus stellt sich dieser Rationalismus ja als unbedingt irrational dar (ebd.).[54] Und umso unwahrscheinlicher erscheint dann dessen okzidental-evolutionärer Durchbruch.[55]
3. Religiöse Rationalisierung in drei Hinsichten
Die Rationalitäts- beziehungsweise Irrationalitätsfrage hat zumal in Webers Spätwerk einen Zug von Omnipräsenz und kommt dort unter den verschiedensten Vorzeichen zum Tragen – mit starkem Modernitätsbezug, aber auch ohne. Es ist an dieser Stelle nicht möglich, dieses Fragenarsenal detaillierter auszuleuchten oder auch dem Weber’schen Sprachgebrauch des Rationalen und (vor allem auch) Irrationalen genauer nachzugehen. Vom gedanklichen Nachvollzug ‚des Begrifflichen’, vom Nachvollzug also jener Sinnaufklärung der vieldeutigen ‚Rationalisierung’, wie Weber sie sich für den „Schluß“ von „Wirtschaft und Gesellschaft“ im Kopf bereitgelegt haben mag, sind wir, aller Weber-Industrie zum Trotz, meilenweit entfernt. Natürlich wäre das ein reichlich utopisches Vorhaben. Hier hat es dagegen abschließend und relativ zitierfreudig um drei große geschichtliche Linien religiöser Rationalisierung zu gehen, die Weber vergleichsweise stark ausgezogen und herausgestellt hat. Teilweise ist Pathos im Spiel. Auf die Moderne hin aber ergibt sich ein je anderes Bild.
Es sei hier zum ersten ein Gedankengang angesprochen, in dem Weber verschiedenartige Richtungen religiöser Rationalisierung auseinanderhält, denen sämtlich eine an die protestantische Ethik heranführende Disposition innewohnt. Weber war ein Autor, der seinen Lesern vorab eher selten Einblick in seine konzeptionellen und Forschungsfragen gewährt hat. In der enorm langen Fußnote aber, die am Beginn der Studie zum ‚Antiken Judentum’ der Literaturlage gewidmet ist, tut er es. Das Problem ist die israelitische Religionsgeschichte in ihrer Besonderheit. Die Fragen, vier an der Zahl, sind nach der Art von comparative religion gestellt und vergleichen das Judentum mit seiner religiösen Umwelt. Die erste Frage kann hier beiseite bleiben.[56] Die folgenden drei zielen des Näheren darauf, ob das religiöse Kultur- und Ideengut alten Israel, ob dessen „Konzeptionen (…) 2. mehr oder weniger intellektualisiert und (im Sinne des Abstreifens magischer Vorstellungen) rationalisiert, oder 3. mehr oder weniger einheitlich systematisiert, oder 4. mehr oder weniger gesinnungsethisch gewendet (sublimiert) erscheinen als die entsprechenden Konzeptionen der Umwelt“.[57] Man sieht: die zweite Frage hat den Magieabbau im Blick und berührt das Entzauberungsthema; der dritten geht es um die intellektuelle Arbeit an Weltbild und Gotteskonzeption, als Arbeit an deren Systematisierung/Vereinheitlichung; die vierte Frage wendet sich ins Ethische, man darf auch sagen: ins Wertrationale. Die drei ‚Rationalisierungen’, die hier in der Frageform zusammenfinden, haben Berührung mit jenen (nur) zwei „Maßstäben“, an denen sich in der Chinastudie das Niveau oder die „Stufe der Rationalisierung, die eine Religion repräsentiert“, bemisst.[58] Der erste dieser beiden Maßstäbe wiederum hat sein Echo in dem berühmten, der PE eingefügten Passus von dem „große(n) religionsgeschichtliche(n) Prozeß der Entzauberung der Welt“, „welcher mit der altjüdischen Prophetie einsetzte“ und seinen Abschluss bei den Puritanern und vor den Toren zur Moderne fand.[59] Für religiöse Rationalisierung steht als Intellektuellenprodukt aber auch die Theologie Calvins, die unerhörte Konsequenz ihrer Gotteskonzeption und Gnadenwahllehre.[60] Und für Weber versteht sich erst recht, dass auch in der dritten, der ethischen Hinsicht der Puritanismus allen religiös-rationalen Ansprüchen genügt.[61]
Der zweite Gedankengang führt auf „das Rationale im Sinne der logischen oder teleologischen ‚Konsequenz’ einer intellektuell-theoretischen (…) Stellungnahme“ (Ich betone das „im Sinne von“).[62] Er führt zugleich auf das Feld der religiösen Metaphysik, zu dem also, was sich bei Weber mit der ‚Sinn’-Semantik verbindet. Von der Begriffswahl her geht es um die Zusammenführung von ‚Sinn’ und ‚Rationalität’, vor allem die von ‚sinnlos’ und ‚irrational’; religionsgeschichtlich aber geht es um Probleme von Theodizee und Erlösung. Man denke als widersprüchlichen Ausgangspunkt des Theodizeeproblems nur an „das landläufige Problem des ungerechten Leidens“,[63] von Weber so gut als ‚sinnlos’ wie als ‚irrational’ bezeichnet. Zugleich ist in diesem Zusammenhang von einer Trägerschicht die Rede, die hier in besonderer Weise problem- und widerspruchsempfindlich wie religiös ideenproduktiv war. Den ‚religiösen Intellektualismus’ schätzte Weber – je nach der „Eigenart der Intellektuellenschichten“ – als religionsgeschichtlich „von der größten Tragweite“ ein.[64] Es muss an dieser Stelle genügen, ein längeres Zitat aus der Einleitung darzubieten, in dem rationalitätsbezogen das hier Wesentliche gesagt ist: Den religiösen Intellektualismus provozierte stets „etwas, was an der realen Welt als spezifisch ‚sinnlos’ empfunden wurde und also die Forderung: daß das Weltgefüge in seiner Gesamtheit ein irgendwie sinnvoller ‚Kosmos’ sei oder: werden könne oder solle. Dies Verlangen aber, das Kernprodukt des eigentlich religiösen Rationalismus, wurde durchaus von Intellektuellen getragen. Wege und Ergebnisse dieses metaphysischen Bedürfnisses und auch das Maß seiner Wirksamkeit waren dabei sehr verschieden“.[65] Sie waren es, zumal was die Erlösungsreligionen angeht, im Orient wie im Okzident; anzufügen bleibt nur: „in der Vergangenheit“. In der modernen, prophetenlosen Zeit dagegen und bezogen auf „die religiöse Entwicklung der Gegenwart“ steht in Webers Augen – angesichts solcher Vergangenheit – der sinnsuchende Intellektualismus nachgerade impotent da.[66] Der „eigentlich religiöse Rationalismus“ ist in der Moderne weitgehend zum Verstummen, jedenfalls zu gesellschaftlicher Wirkungslosigkeit gebracht.
Der dritte Gedankengang führt an den Anfang von Webers ‚systematischer Religionssoziologie’,[67] in das komplexe Eingangskapitel des religionssoziologischen Teils von Wirtschaft und Gesellschaft. Dort heißt es: „Religiös oder magisch motiviertes Handeln, ist, in seinem urwüchsigen Bestande, diesseitig ausgerichtet“.[68] Und dieses Handeln heißt hier um seiner ‚diesseitig’-lebensdienlichen und lebenspraktischen Orientierung sowie um seiner Erfahrungsbasiertheit willen zugleich: ‚relativ rational’. Weber schlägt im Weiteren einen großen entwicklungsgeschichtlichen Bogen. Seine Sache ist hier zunächst „die Entstehung einerseits der ‚Seele’, andrerseits der ‚Götter’ und ‚Dämonen’“,[69] also das Sichfestsetzen von ‚Transzendenzen’ im gesellschaftlichen Leben, denen das Handeln (herstellend wie darstellend) in besonderer Weise Rechnung zu tragen hat. Die den umfänglichen Abschnitt beschließenden Überlegungen finden dann aber zum ‚diesseitigen’ Ausgangspunkt zurück,[70] und hier geht es nun um eine späte und durchaus unwahrscheinliche Richtungsänderung in der religiösen Evolution. Diese betrifft die bestimmenden Sinngebungen des Religiösen. Es geht um Entwicklungen, die aus der Diesseitigkeit der Motive und Zwecke heraus und „über sie hinaus“ führen. Die Zwiespältigkeit davon ist die eines Prozesses von gleichzeitiger Rationalisierung und Irrationalisierung. Der Prozess stellt sich so dar: „Einerseits eine immer weitergehende rationale Systematisierung der Gottesbegriffe und ebenso des Denkens über die möglichen Beziehungen des Menschen zum Göttlichen. Andrerseits aber, im Resultat, zu einem charakteristischen Teil ein Zurücktreten jenes ursprünglichen praktischen rechnenden Rationalismus. Denn der ‚Sinn’ des spezifisch religiösen Sichverhaltens, wird, parallel mit jener Rationalisierung des Denkens, zunehmend weniger in rein äußeren Vorteilen des ökonomischen Alltags gesucht, und insofern also das Ziel des religiösen Verhaltens ‚irrationalisiert’, bis schließlich diese ‚außerweltlichen’, d. h. zunächst: außerökonomischen Ziele als das dem religiösen Sichverhalten Spezifische gelten“.[71] Was sich, bei zunehmender Intellektualisierung, religionsintern als Systematisierung in ideeller wie in ethisch-praktischer Hinsicht zeigt und in seiner ‚außerweltlichen’ Zuspitzung endlich den Sinn des ‚spezifisch Religiösen’ an sich zieht, führt in extern-ökonomischer Logik und Wertung ins schlechterdings Irrationale. Der inversen Logik, die hier herausgestellt wird, ist dann sehr grundsätzlich die Zwischenbetrachtung verpflichtet.[72]
Für dieses Textstück, das sich als „Beitrag zur Typologie und Soziologie des Rationalismus“ versteht, ist auf der religiösen Seite vor allem „das Rationale im Sinne der logischen oder teleologischen ‚Konsequenz’ (…) einer praktisch-ethischen Stellungnahme“ bestimmend.[73] Hier darf dann vom formalen Zuschnitt her auch von religiöser Gesinnungsethik gesprochen werden, die typisch ihre Lebensführungsseite hat, aber auch die von Wertrationalität: sie steht für „die bewusste Herausarbeitung der letzten Richtpunkte des Handelns und konsequent planvolle Orientierung daran“.[74] Wendet man die Sache nun ins Inhaltliche, dann ist es das Ethos religiöser Brüderlichkeit, „die spezifisch religiöse Liebesgesinnung: die caritas“,[75] an welcher die religiöse Letztwertung befestigt ist, und mit dieser verschmilzt der ganz ins ‚Außerweltliche’ getriebene, zur konsequenten Weltablehnung genötigte Religionsbegriff der Zwischenbetrachtung. Vor dem Wert- und Heilsstandpunkt der ‚universalistischen Brüderlichkeitsethik’ gerät nun nicht nur die moderne ökonomische Handlungsrationalität ins Zwielicht des religiös Irrationalen und des Unwerts; Weber spricht gerade diesbezüglich von der „Weltherrschaft der Unbrüderlichkeit“.[76] Das Gleiche trifft die Handlungslogiken beziehungsweise Eigengesetzlichkeiten der modernen Politik, der modernen Wissenschaft und ebenso die der ästhetischen und der erotischen Sphäre. Irrationalität ist dann aber zugleich die abwertende Botschaft auch aus der Gegenrichtung, sei es von der Logik des Ökonomischen oder Politischen oder der Wissenschaft her. Und von dort her ergibt sich dann, dass in den differenzierten Sozialverhältnissen, denen Weber den Einheitstitel des ‚modernen okzidentalen Rationalismus’ gab, der Religion in ihrer ‚innergesellschaftlichen Umwelt’ ein Sonderstatus zukommt: ein eigentümlich marginalisierter, ins Private und Irrationale abgedrängter. Am Rationalismus der Moderne hat sie, so gesehen, nicht Teil; sie steht hier (zumal aus der Blickrichtung der modernen Wissenschaft) als „die irrationale oder antirationale überpersönliche Macht schlechthin“ da.[77] Allerdings: es ist eben eine ganz auf „die Pflege der akosmistischen Brüderlichkeit“ festgelegte Religion und Ethik, von der all das gesagt wird und auf die hin es bei Weber abschließend heißt: „das Leben des Buddha, Jesus, Franziskus zu führen, scheint unter den technischen und sozialen Bedingungen rationaler Kultur schon rein äußerlich zum Misserfolg verurteilt“.[78]
Fußnoten
- Friedrich Jonas, Geschichte der Soziologie IV. Deutsche und amerikanische Soziologie, Reinbek bei Hamburg 1969, S. 58 ff., 86.
- Vgl. Otto Stammer (Hg.), Max Weber und die Soziologie heute. Verhandlungen des 15. Deutschen Soziologentages vom 28.–30. April 1964, Tübingen 1965; René König / Johannes Winckelmann (Hg.), Max Weber zum Gedächtnis. Materialien und Dokumente zur Bewertung von Werk und Persönlichkeit, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 7, Köln/Opladen 1963.
- Horst Baier, Lebensstationen unter der Forderung des Tages, Konstanz 2011, S. 128 ff.
- Jürgen Kocka, Vorwort, in: ders. (Hg.), Max Weber, der Historiker, Göttingen 1986, S. 7–11, hier S. 7.
- Vielleicht sollte man hinzusetzen, dass das Weber’sche Werk, wie man zumal der Religionssoziologie ansieht, zweierlei Soziologie anbietet, nämlich die systematisch-typologische und komparative von „Wirtschaft und Gesellschaft“ und die universalhistorische der Studien zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“, die Protestantische Ethik miteinschließend.
- Dies im Fall der ‚Religionssystematik’ gleich im ersten Satz: „Eine Definition dessen, was ‚Religion’ ist, kann unmöglich an der Spitze, sondern könnte allenfalls am Schlusse einer Erörterung wie der nachfolgenden stehen“. Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß. Teilband 2: Religiöse Gemeinschaften. hrsg. von Hans G. Kippenberg in Zusammenarbeit mit Petra Schilm, Max Weber Gesamtausgabe I/22-2 (MWG I/22-2). Tübingen 2001, S. 121.
- Jonas, Geschichte der Soziologie IV, S. 29.
- Vgl. Lothar Rolke, „Rationalität, Rationalisierung II.“, in: Joachim Ritter / Karlfried Gründer (Hg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 8: R–Sc, Basel 1992, S. 56–62.
- Vgl. Shiro Takebayashi, Die Entstehung der Kapitalismustheorie in der Gründungsphase der deutschen Soziologie. Von der historischen Nationalökonomie zur historischen Soziologie Werner Sombarts und Max Webers, Berlin 2003, S. 429 ff., der mit Blick auf das späte 19. Jahrhundert mit Adolph Wagners „Princip der Wirtschaftlichkeit“ einsetzt und vor allem auf Karl Menger hinweist; vgl. zu Sombart und Weber in den späten 1890er-Jahren ebd., S. 354 ff.; vgl. auch Peter Ghosh, Max Weber and the Protestant Ethic. Twin Histories, Oxford 2014, S. 15 ff. – Ich ziehe den Werdegang der Weber’schen ‚Rationalität‘ bewusst vom ökonomischen Ausgangspunkt her auf und lasse dabei die methodologischen Schriften weitgehend beiseite.
- Werner Sombart, Der moderne Kapitalismus, Bd. 1, Leipzig 1902, S. 196 ff.
- Ebd., S. 197; vgl. Hartmann Tyrell, „Kapitalismus, Zins und Religion bei Werner Sombart und Max Weber. Ein Rückblick“, in: Johannes Heil / Bernd Wacker (Hg.), Shylock? Zinsverbot und Geldverleih in jüdischer und christlicher Tradition, München 1997, S. 193–217.
- Man vergleiche Webers spezifisches Verständnis der Prophetie, welche sich als „bewußt einheitliche sinnhafte Stellungnahme zu (…) Leben und Welt“ artikuliert. Im Gefolge hat sie, je nach ihrer praktischen Wertung, zugleich das Drängen nach einer „Systematisierung aller Lebensäußerungen“. Weber, Religiöse Gemeinschaften (MWG I/22-2), S. 193 f.
- Die Entfaltung der Weber’schen Handlungskategorien ist dauerbegleitet von der Rationalitätsthematik und bis in die Gegenbegrifflichkeit (des Traditionalen, Affektuellen u. a.) von daher mitbestimmt; vgl. Max Weber, Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie, in: ders., Verstehende Soziologie und Werturteilsfreiheit. Schriften und Reden 1908–1917, hrsg. von Johannes Weiß in Zusammenarbeit mit Sabine Frommer. Max Weber Gesamtausgabe I/12 (MWG I/12), Tübingen 2018, S. 383–440, hier S. 383 ff.; vor allem den § 2 der ‚Soziologischen Grundbegriffe‘: ders., Wirtschaft und Gesellschaft. Soziologie. Unvollendet. 1919–1920. Max Weber Gesamtausgabe I/23 (MWG I/23), hrsg. von Knut Borchardt / Edith Hanke / Wolfgang Schluchter, Tübingen 2013, S. 175 ff. Wichtig ist es zu sehen, dass die Rationalität von Zweckrationalität und Wertrationalität selbst jeweils eine im Mehrfachsinne ist; vgl. detailliert dazu Hartmann Tyrell, „Handeln, Religion und Kommunikation. Begriffsgeschichtliche und systematische Überlegungen“, in: ders. / Volkhard Krech / Hubert Knoblauch (Hg.), Religion als Kommunikation, Würzburg 1998, 83–134, hier S. 109 ff.
- „Man hat – so namentlich Sombart in höchst glücklichen und wirkungsvollen Ausführungen – als das Grundmotiv der modernen Wirtschaft überhaupt den ‚ökonomischen Rationalismus’ bezeichnet“. Vgl. Max Weber, Asketischer Protestantismus und Kapitalismus. Schriften und Reden 1904–1911, hrsg. von Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Ursula Bube, Max Weber Gesamtausgabe I/9 ((MWG I/9) Tübingen 2014, S. 175.
- Weber weist in Die protestantische Ethik (MWG I/9), S. 147 f., Anm. 22, zu Recht auf Sombarts Simmelrezeption hin, nämlich auf das Sechste Kapitel der Philosophie des Geldes von 1900. Dort fehlt es nicht am „Rationalismus“ (etwa „des Rechts und der Logik“), an „Rationalistik“ oder „Intellektualität“. Vgl. Georg Simmel, Philosophie des Geldes, in: ders., Georg Simmel Gesamtausgabe, Bd. 6 (GSG 6), hrsg. von David P. Frisby / Klaus Christian Köhnke, Frankfurt am Main 1989, S. 591 ff.; vgl. vor allem ebd. S. 17, 607 ff.
- Weber, Die protestantische Ethik (MWG I/9), S. 176 f.
- Hartmann Tyrell, „Ist der Webersche Bürokratietypus ein objektiver Richtigkeitstypus? Anmerkungen zu einer These von Renate Mayntz“, in: Zeitschrift für Soziologie 10 (1981), 1, S. 38–49, hier S. 45 ff.
- Verwiesen sei hier zunächst auf den Brockhaus von 1903; zum philosophiegeschichtlichen Gegensatz von Rationalismus und Empirismus: Rudolf Eisler, „Rationalismus“, in: ders. (Hg.), Wörterbuch der Philosophischen Begriffe, Bd. 2: L–Sch, 3. neubearb. Aufl., Berlin 1910, S. 1114–1119; Günter Gawlik, „Rationalismus“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 8, S. 44–48. Berührung mit Weber bietet eher der theologische Diskurs, der aus der „Uebernahme der Aufklärungsideen in die Theologie“ resultierte und auf den Gegensatz von Rationalismus und Supernaturalismus hinführte; dazu insbes. Heinrich Hoffmann, „Rationalismus III. Rationalismus und Supernaturalismus“, in: Friedrich Michael Schiele (Hg.), Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 4: Maassen bis Rogge, Tübingen 1913, S. 2038–2052; auch Ernst Troeltsch, „Weiterentwickelung der christlichen Religion“, in: Friedrich Michael Schiele (Hg.), Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 5: Roh bis Zypressen, Tübingen 1913, S. 1881–1886. Im Übrigen ist zeitgenössisch auf die Freud’sche „Rationalisierung’ hinzuweisen, die Weber nicht unbekannt war; vgl. Karsten Fischer, „Tabuisierung und Rationalisierung. Max Webers Kultursoziologie und die Zivilisationstheorie Sigmund Freuds“, in: Sociologia Internationalis 38 (2000), 2, S. 152–172.
- Gawlik, „Rationalismus“, S. 46; Georg Neugebauer, „Einleitung“, in: ders. / Paolo Panizzo / Christoph Schmitt-Maaß (Hg.), ‚Aufklärung’ um 1900. Die klassische Moderne streitet um ihre Herkunftsgeschichte, Paderborn 2014, S. 9–17, hier S. 9 ff.
- Simmel, Philosophie des Geldes (GSG 6), S. 606.
- Marianne Weber, Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung. Eine Einführung, Tübingen 1907, S. 279 ff.
- Weber, Die protestantische Ethik (MWG I/9), S. 177. Das 18. Jahrhundert tritt dann bei Weber durchweg als „Aufklärung“ oder „Aufklärungsperiode“ auf (ebd., S. 699). Er kann aber auch das („ernste“) 17. Jahrhundert gegen das 18. stellen; dazu Hartmann Tyrell, „Religion“ in der Soziologie Max Webers, Wiesbaden 2014, S. XV ff.
- Ich verwende den von Weber ja weitgehend vermiedenen Gesellschaftsbegriff hier nur der Not gehorchend. Vgl. Hartmann Tyrell, „Max Webers Soziologie – eine Soziologie ohne ‚Gesellschaft‘“, in: Gerhard Wagner / Heinz Zipprian (Hg.), Max Webers Wissenschaftslehre. Interpretation und Kritik, Frankfurt am Main 1994, S. 390–414; ebd. S. 396 ff. Näheres zu den Rationalisierungen.
- Weber, Die protestantische Ethik (MWG I/9), S. 176; auch ders., Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. 1 (RS I), Tübingen 1920; hier Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, ebd., S.60.
- Ders., Vorbemerkung (RS I), S. 1 ff.; vgl. auch Achim Seiffarth, Die Sprache Max Webers. Eine soziologische Untersuchung, Marburg 2016, S. 372 ff.
- Weber, Vorbemerkung (RS I), S. 11 f.
- Jürgen Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 1: Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung, Frankfurt am Main 1981, S. 225.
- Weber, Vorbemerkung (RS I), S. 4 ff.
- Vgl. näher Tyrell, „Religion“ in der Soziologie Max Webers, S. XLVIII ff.
- Kari Palonen, „Die Umstrittenheit der Begriffe bei Max Weber“, in: Gunther Scholtz (Hg.), Die Interdisziplinarität der Begriffsgeschichte, Archiv für Begriffsgeschichte, Sonderheft 1, Hamburg 2000, S. 145–158, hier S. 151 ff.
- Weite Felder der Weber’schen Rationalitätsproblematik – von der Musiksoziologie bis hin zu dem wirtschafts- wie rechtssoziologisch verhandelten Gegensatz von ‚formaler’ und ‚materialer Rationalität’ – bleiben damit beiseite.
- Tyrell, „Handeln, Religion und Kommunikation“, S. 99 ff.; ders., „Webersche Bürokratietypus“, S. 45 ff.; ders., „Religion“ in der Soziologie Max Webers, S. 91 ff., 135 ff.
- Ders., „Religion“ in der Soziologie Max Webers, S. 138 ff., 145 ff.
- Wilhelm Hennis hat bekanntlich mit gutem Grund in der Lebensführung den „Schlüsselbegriff der Religionssoziologie Max Webers“ gesehen. Vgl. Wilhelm Hennis, Max Webers Fragestellung. Studien zur Biographie des Werks, Tübingen 1987; vgl. zuletzt auch stärker begriffsgeschichtlich Hartmann Tyrell, „Drei Anmerkungen zu Max Webers Lebensführung“, in: Manfred Hettling / Richard Pohle (Hg.), Bürgertum. Bilanzen, Perspektiven, Begriffe, Göttingen 2018, S. 167–201.
- Von den Jesuiten etwa heißt es bei Weber, Religiöse Gemeinschaften (MWG I/22-2), S. 316 f., so: „Immer mehr wird die Methodik“ hier „zu einer Kombination physischer und psychischer Hygienik mit ebenso methodischer Regulierung alles Denkens und Tuns (…), im Sinne der vollkommensten wachen, willensmäßigen und triebfeindlichen Beherrschung der eigenen körperlichen und seelischen Vorgänge und einer systematischen Lebensreglementierung in Unterordnung unter den religiösen Zweck.“ Vgl. im Vorfeld von Weber zur jesuitischen Askese Eberhard Gothein, Ignatius von Loyola und die Gegenreformation, Halle 1895: 235ff., 416ff.
- Weber, Religiöse Gemeinschaften (MWG I/22-2), S. 315 f.; vgl. auch Tyrell, „Religion“ in der Soziologie Max Webers, S. 61 ff.
- Weber, Religiöse Gemeinschaften (MWG I/22-2), S. 315.
- Vgl. Seiffahrt, Die Sprache Max Webers, S. 428 ff.
- Vgl. dafür nur, im Ressentimentkontext, die pazifizierende rabbinische Arbeit am Gebot des „Gottanheimstellens der Rache“ als ethische Sublimierung: Max Weber, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum. Schriften und Reden 1917–1920, hrsg. Von Eckart Otto. Max Weber Gesamtausgabe I/21, (MWG I/21), Tübingen 2005, S. 813 ff.
- Genannt seien einige ältere Ordnungsversuche: An Swidler, „The Concept of Rationality in the Work of Max Weber“, in: Sociological Inquiry 43 (1973), 1, S. 35–42; Arnold Eisen, „The Meanings and Confusions of Weberian ‚Rationality‘“, in: British Journal of Sociology 29 (1978), 1, S. 57–70; Gert H. Mueller, „The Notion of Rationality in the Work of Max Weber“, in: Europäisches Archiv für Soziologie 20 (1979), 1, S. 149–171; aber auch handlungsbetont Wolfgang Hellmich, Aufklärende Rationalisierung. Ein Versuch, Max Weber neu zu interpretieren, Berlin 2013, S. 17 ff., 94 ff. Bei Jürgen Habermas (Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 1, S. 207 f., 225 ff.) stößt man auf sehr anspruchsvolle Bemühungen um die Aufschließung der Rationalitätsbegrifflichkeit Webers. Auch deren Resultat ist der Befund des Mangels an Klärung und Konsistenz. Habermas ist dann auf der anderen Seite aber zu der Kritik verführt, Weber lasse „sich bei der Analyse der gesellschaftlichen Rationalisierung, wie sie sich in der Moderne durchsetzt, von der eingeschränkten Idee der Zweckrationalität leiten“ (ebd., S. 208). Das aber wird Weber, der ohne den Einheitsbegriff ‚der Gesellschaft’ und ohne ambitiösen Theorieanspruch operiert (vgl. Tyrell, „Max Webers Soziologie“), eher nicht gerecht; vgl. zur „vermeintliche(n) Präferenz für Zweckrationalität“ auch Hellmich, Aufklärende Rationalisierung, S. 101 ff.
- Niklas Luhmann, „Rationalität in der modernen Gesellschaft“, in: ders., Ideenevolution. Beiträge zur Wissenssoziologie, Frankfurt am Main 2008, S. 186–233, hier S. 211.
- Weber, Die protestantische Ethik (RS I), S. 35, Anm. 1; vgl. ebd., S. 11 f., 62, 265 f.; ders., Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus / Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus. Schriften 1904–1920. hrsg von Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Ursula Bube. Max Weber Gesamtausgabe I/18 (MWG I/18), Tübingen 2016, S. 159, Anm. 32.
- Ders., Wirtschaft und Gesellschaft. Soziologie (MWG I/23), S. 182.
- Ders., Die protestantische Ethik (MWG I/9), S. 141; ders., Die protestantische Ethik (RS I), S. 30.
- Ders., Wirtschaft und Gesellschaft. Soziologie (MWG I/23), S. 182.
- Die Entgegensetzung ist im Rahmen der allgemeinen Handlungstypologie über die drei Unterscheidungen errichtet: zunächst ‚unbewußt/bewußt’, wobei das ‚bewußt’ für ‚rational’ steht und für beide Typen gilt. Zweck- und Wertrationalität trennen sich aber im Hinblick auf ‚ungebunden/gebunden’ sowie ‚folgenorientiert/nicht folgenorientiert’; mit Bezug auf ebd., S. 175 ff.; näher dazu Tyrell, „Handeln, Religion und Kommunikation“, S. 110 ff.
- Weber, Zwischenbetrachtung (RS I), S. 537.
- Konfuzianismus und Taoismus (RS I), S. 512.
- Die Begründung des Namens folgt dann sehr differenziert zwei Seiten später (ebd., S. 514 ff.); typologisch steht der Konfuzianismus für eine „rationale“ und „Intellektuellenethik“, „welche die Spannung gegen die Welt, sowohl ihre religiöse Entwertung wie ihre praktische Ablehnung, auf ein absolutes Minimum reduzierte“. ‚Anpassung‘ ist die Weber’sche Leitformel im Positiven. Der Akzent liegt hier indes nicht vorrangig auf dem Bildungsmoment, dem Intellektualismus oder dem Ideengut, vielmehr auf dem antiekstatischen, rauschfeindlichen, allem Dionysischen abgeneigten Zug, der dem „Rationalismus sowohl des römischen Amtsadels (…) wie der chinesischen Bildungsschicht“ innewohnte (ebd., S. 519).
- Vgl. ders., Religiöse Gemeinschaften (MWG I/22-2), S. 121; ferner Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß. Teilband 4: Herrschaft, hrsg. von Edith Hanke. Max Weber Gesamtausgabe I/22-4 (MWG I/22-4), Tübingen 2001, S. 621.
- „Man kann eben – dieser einfache Satz, der oft vergessen wird, sollte an der Spitze jeder Studie stehen, die sich mit ‚Rationalismus’ befaßt – das Leben unter höchst verschiedenen letzten Gesichtspunkten und nach sehr verschiedenen Richtungen hin ‚rationalisieren’“. Ders., Die protestantische Ethik (RS I), S. 62; ders., Die protestantische Ethik (MWG I/18), S. 208.
- Ders., Die protestantische Ethik (RS I), S. 35, Anm. 1; ders., Die protestantische Ethik (MWG I/18), S. 208.
- RS I, S. 62; MWG I/9, S. 177.
- Ebd. Und so kann die Frage, die sich die Protestantismusstudie stellt, auch lauten: „Uns interessiert hier gerade die Herkunft jenes irrationalen Elements, welches in diesem (…) ‚Berufs’-Begriff liegt.“
- vgl. Tyrell, „Religion“ in der Soziologie Max Webers, S. 102 ff.
- Sie fragt, „ob bestimmte israelitische Konzeptionen 1. gemessen an den sonst in der Entwicklung der Religionen zu findenden Stufenfolgen mehr oder weniger altertümlich (‚primitiv’)“. Weber, Das antike Judentum (MWG I/21-1), S. 235.
- Ebd.
- Weber, Konfuzianismus und Taoismus (RS I), S. 512 f. Die Maßstäbe beziehen sich einerseits auf den Grad der Abstreifung der Magie, andererseits – weltbildbezogen – auf den „Grad systematischer Einheitlichkeit, in welche das Verhältnis von Gott und Welt und demgemäß die eigene ethische Beziehung zur Welt (…) gebracht worden ist“ (ebd.). Hier sind die dritte und die vierte Frage zusammengezogen. Auch an dieser Stelle fällt dann das Entzauberungswort.
- Die protestantische Ethik (RS I), S. 94 f.; ders., Die protestantische Ethik (MWG I/18), S. 280. Hier (RS I, S. 94, Anm. 3) ist eine Fußnote mitgeliefert, die „die Sonderstellung der altisraelitischen Ethik“ innerhalb der Religionen ihrer Umwelt anspricht und auf die Judentumsstudie vorverweist.
- Weber, Die protestantische Ethik (MWG I/18), S. 263 ff.
- Ebd., S. 411 ff.
- Weber, Zwischenbetrachtung (RS I), S. 537.
- Ebd., S. 567.
- Weber, Einleitung (RS I), S. 251.
- Ebd., S. 253.
- Ebd., S. 251 f.
- Vgl. auch Hartmann Tyrell, „Die Religion der Zwischenbetrachtung. Max Webers ‚spezifisch religiöse Liebesgesinnung‘“, in: Heidemarie Winkel / Cornelia Sammet (Hg.), Religion soziologisch denken. Reflexionen auf aktuelle Entwicklungen in Theorie und Empirie, Wiesbaden 2017, S. 347–384, hier S. 357 ff.
- Weber, Religiöse Gemeinschaften (MWG I/22-2), S. 121. „Alle urwüchsige, sei es magische oder mystagogische Beeinflussung der Geister und Götter im Interesse von Einzelinteressen erstrebte, neben langem Leben, Gesundheit, Ehre, Nachfahren und, eventuell, Besserung des Jenseitsschicksals, den Reichtum als selbstverständliches Ziel“. Weber, Zwischenbetrachtung (RS I), S. 544.
- Weber, Religiöse Gemeinschaften (MWG I/22-2), S. 126.
- Ebd., S. 156, heißt es mit Bezug auf die weitere Religionsentwicklung: „‚Do ut des’ ist der durchgehende Grundzug. Dieser Charakter haftet der Alltags- und Massenreligiosität aller Zeiten und Völker und auch allen Religionen an. Abwendung ‚diesseitigen’ äußerlichen Übels und Zuwendung ‚diesseitiger’ äußerlicher Vorteile ist der Inhalt aller normalen ‚Gebete’, auch der allerjenseitigsten Religionen.“
- Ebd.
- Vgl. Weber, Zwischenbetrachtung (RS I), S. 536 ff.; aber auch ders., Religiöse Gemeinschaften (MWG I/22-2), S. 367 ff.
- Ders., Zwischenbetrachtung (RS I), S. 537.
- Ders., Wirtschaft und Gesellschaft. Soziologie (MWG I/23), S. 175.
- Ders., Religiöse Gemeinschaften (MWG I/22-2), S. 376; Tyrell, „Die Religion der Zwischenbetrachtung“.
- Weber, Zwischenbetrachtung (RS I), S. 544 ff., S. 571.
- Ebd., S. 564.
- Ebd., S. 571.
- Siglen:
- GSG 6 = Georg Simmel, Philosophie des Geldes. Gesamtausgabe Band 6, hg. v. David P. Frisby u. Klaus Christian Köhnke. Frankfurt am Main.
- MWG I/9 = Max Weber, Asketischer Protestantismus und Kapitalismus. Schriften und Reden 1904 – 1911, hg. v. Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Ursula Bube. Max Weber Gesamtausgabe I/9. Tübingen 2014.
- MWG I/12 = Max Weber, Verstehende Soziologie und Werturteilsfreiheit. Schriften und Reden 1908 – 1917, hg. v. Johannes Weiß in Zusammenarbeit mit Sabine Frommer. Max Weber Gesamtausgabe I/12. Tübingen 2018.
- MWG I/18 = Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus / Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus. Schriften 1904 – 1920, hg. v. Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Ursula Bube. Max Weber Gesamtausgabe I/19. Tübingen 2016.
- MWG I/21 = Max Weber, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum. Schriften und Reden 1917 – 1920, hrsg. v. Eckart Otto (2 Halbbände). Max Weber Gesamtausgabe I/21. Tübingen 2005.
- MWG I/22-2 = Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß. Teilband 2: Religiöse Gemeinschaften, hg. v. Hans G. Kippenberg in Zusammenarbeit mit Petra Schilm. Max Weber Gesamtausgabe I/22-2. Tübingen 2001.
- MWG I/22-4 = Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß. Teilband 4: Herrschaft, hg. v. Edith Hanke. Max Weber Gesamtausgabe I/22-4. Tübingen 2001.
- MWG I/23 = Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Soziologie. Unvollendet. 1919 – 1920, hrsg. v. Knut Borchardt, Edith Hanke u. Wolfgang Schluchter. Max Weber Gesamtausgabe I/23. Tübingen 2013.
- RS I = Max Weber, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I. Tübingen 1920.
Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Hannah Schmidt-Ott.
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