Tilman Reitz | Essay |

Ultra-Universalismus oder Ist Sittlichkeit konstruierbar?

Zur sozialtheoretischen Einordnung neuerer westlicher Kulturkämpfe

Das Phänomen, das in diesem Text soziologisch und sozialphilosophisch neu bestimmt werden soll, lässt sich nicht leicht fassen. Zum einen schließt es sehr verschiedene Anliegen und Praktiken ein. Dazu gehören etwa Maßnahmen zur Stärkung bisher benachteiligter und marginalisierter Gruppen, die Schaffung sozialer und diskursiver Räume, in denen sie sich geschützt fühlen können, die Einführung teils inklusiverer, teils restriktiverer Regeln für Sprachgebrauch und Öffentlichkeiten, Kritik und Korrekturen der kulturellen Tradition. Zum anderen sind die Vokabeln, die zur Bezeichnung dieser mutmaßlich miteinander verbundenen Elemente verwendet werden, gewöhnlich politisch stark aufgeladene, zumeist abwertend gebrauchte Kampfbegriffe (oder zu solchen gemacht worden): Political Correctness (über die bereits seit Jahrzehnten diskutiert wird), Wokeness (die neue abfällige Leitvokabel, deren auch positive Vorgeschichte bis in die 1930er-Jahre zurückreicht), Cancel Culture (ein besonders umstrittener Teil, der nicht selten fürs Ganze steht), Identitätspolitik (als weitere Sammelbezeichnung, die den Akzent auf Gruppenansprüche legt). Trotz des englischsprachigen Ursprungs der meisten Begriffe und einiger Konflikte, etwa um Schwarze Gleichberechtigung in den USA, beschränkt sich die Auseinandersetzung um die genannten Praktiken längst nicht mehr nur auf den angloamerikanischen Kontext, aus dem sie importiert wurden. Die Debatte hat mittlerweile auch auf dieser Seite des Atlantiks Fuß gefasst und ist nicht zuletzt für die jüngste deutsche Politik und Kultur prägend geworden. Die Frontverläufe sind dabei nicht immer eindeutig. Während viele Beobachter*innen und Beteiligte Identitätspolitik als gegenwärtig besonders wichtige Form linker Politik betrachten, sehen andere darin eine Abkehr von linken Positionen und Zielen; die Gegenseite gilt einigen als klassisch-liberal, anderen als Speerspitze der Neuen Rechten.

Mit meinem Essay möchte ich die lange Reihe der Texte, die sich politisch zu diesem Themenkomplex positionieren – oder bestreiten, dass es ihn jenseits reaktionärer Panikmache überhaupt gibt –,[1] nicht einfach fortsetzen. Stattdessen will ich auf möglichst distanzierte Weise sozialtheoretisch klären, worum es hier geht. Zwar habe ich selbst eine kritische Haltung zu der fraglichen Entwicklung und denke, dass man sie nicht umfassend erklären kann, ohne normativ Position zu beziehen;[2] zudem fordern die Ereignisse im Themenbereich fast täglich neue politische Einschätzungen heraus. Mir scheint aber, dass soziologische Abklärung der Debatte guttun und ihr zu Einsichten jenseits der Fronten verhelfen könnte. Vielleicht eröffnet eine distanziertere Betrachtung sogar eine reflektierte Perspektive auf die Erfolge, die die rechte Gegenbewegung zu den angesprochenen Regelungsansätzen momentan feiert.

Mein Ansatzpunkt ist der von Hegel und anderen ausgeführte Gedanke, dass auch moderne Gesellschaften Sittlichkeit beziehungsweise Sitten benötigen: erlernbare Gepflogenheiten des Handelns und Sprechens, die Erwartbarkeit und Anstand im zwischenmenschlichen Umgang gewährleisten. Solche Sitten, Gebräuche, manners, moeurs usw. werden seit der Neuzeit zunehmend universalisiert, öffnen sich also für verschiedene Gruppen, die ansonsten nur wenige Erfahrungen miteinander teilen und sich in ihren sozialen Stellungen und kulturellen Traditionen erheblich voneinander unterscheiden. Spätestens seit der Französischen Revolution lassen sich zudem Versuche beobachten, bestehende Sitten im Sinn einer universalistischen Moral neu auszurichten oder sogar durch neue Sitten zu ersetzen.[3] Meine These ist, dass wir gegenwärtig einen weiteren Versuch dieser Art erleben, der nun vom Universalismus zum Ultra-Universalismus fortschreitet: Die Gepflogenheiten des Handelns und Sprechens sollen nicht mehr nur für alle gleich sein und die Gleichheit aller kodifizieren, sondern auch denen gerecht werden, die unterprivilegiert blieben, wenn bloß die Regeln der bisher dominierenden Gruppen universell durchgesetzt würden. Für diese Gleichheit jenseits der Gleichheit steht hier das Präfix „ultra“. Mein Akzent liegt im Folgenden allerdings auf der Frage, ob man Sitten überhaupt in normativer Absicht konstruieren kann – oder ob derartige Versuche, wie das aktuell wieder der Fall zu sein scheint, vor allem tiefe Spaltungen schaffen.

Bei der Suche nach einer Antwort gehe ich in drei Schritten vor. Zunächst versuche ich das fragliche Phänomen genauer zu konturieren und begrifflich zu fassen, indem ich andere, geläufige Beschreibungen kritisiere. Im Kernteil des Essays rekurriere ich anschließend auf sozialphilosophische Grundsatzbetrachtungen zu den (im Normalfall überwiegend impliziten) Handlungs- und Sprachregeln, die unseren Umgang bestimmen, prüfe die Pointen an geschichtlichen Beispielen und nutze sie für die Gegenwartsanalyse. Im kurzen dritten Teil ordne ich das Phänomen schließlich umfassender ein und expliziere, weshalb das politische Positionierung verlangt. Insgesamt schließe ich mit meinem Versuch einer distanziert-abklärenden Analyse an geläufige Positionen im Feld an: Während die einen gewohnte Umgangsweisen als repressiv kritisieren und deren Überwindung fordern, verteidigen die anderen die bestehenden Gepflogenheiten gegen eine Gängelung im Namen ausgedachter Normen. Ob es möglich und sinnvoll ist, weder das eine noch das andere Urteil zu übernehmen, muss die Durchführung zeigen.

Neotribalismus oder Ultra-Universalismus?

In der Diskussion um Political Correctness, Wokeness, Identitätspolitik und erst recht um Cancel Culture steht nicht selten die Frage im Raum, ob es die entsprechenden Tendenzen überhaupt gibt und ob zwischen verschiedenen Beispielen ein systematischer Zusammenhang besteht. Für beide Probleme dürfte es helfen, eine vergleichsweise neutrale Beschreibungssprache und Zusammenhangsthese zu finden. Um dabei auf gesichertem Boden zu argumentieren, rufe ich zunächst einige allgemein bekannte Entwicklungen der letzten Jahre in Erinnerung, in denen „the ideology that dare not speak its name“[4] praktisch erfahrbar geworden ist.

Das Bemühen um Political Correctness zeigt sich besonders deutlich im Formenapparat geschlechtergerechter Sprache. Während sich das in der Anfangsphase gebräuchliche große Binnen-I nie ganz durchsetzen konnte, ist es nach der Zwischenphase des Unterstrichs im akademischen Raum üblich geworden, dass wir nicht nur die Studierenden genderneutral ansprechen, sondern auch Vielsilber wie das Expert:inneninterview oder die Teilnehmer*innenliste nicht scheuen und schon bei losem Wechsel zwischen männlicher und weiblicher Form ermahnt werden, zur Achtung nicht binärer Personen zum Doppelpunkt oder Sternchen überzugehen. Weniger Erfolg hat im deutschen Sprachraum bisher der aus ähnlichen Gründen verfolgte Ansatz, den eigenen Namen mit dem persönlich bevorzugten Pronomen zu ergänzen. Auch die Pluralbildung bleibt umstritten: Zwar hört man in Fernsehen und Rundfunk inzwischen oft eine Pause zur Betonung der inkludierenden Form, doch ist die Verwendung keineswegs einheitlich. Manche Medien wie die FAZ nutzen weiterhin das generische Maskulinum, das viele rechte Politiker in Schulen, Hochschulen und Behörden (wieder) verpflichtend machen möchten; das Gendersternchen wurde in Hessen und Bayern sogar gesetzlich aus der Sprache der (Unterrichts-)Behörden verbannt und ins Reservat der Wissenschaftsfreiheit verwiesen.

Ähnlich unentschieden sind die Konflikte um antirassistische Praktiken, die unter anderem als Wokeness rubriziert werden. Neben Maßnahmen zum Schutz und zum Empowerment, deren Charakter und Verbreitung umstritten ist, stehen hier ebenfalls symbolische Verschiebungen zur Debatte. In Deutschland wurden etwa zu Beginn der 2010er-Jahre als rassistisch eingestufte Bezeichnungen aus Kinderbüchern von Astrid Lindgren, Otfried Preußler und Erich Kästner entfernt.[5] Auch Klassiker der Philosophie und politischen Theorie sind mittlerweile in die Kritik geraten, neben notorischen Fällen wie Friedrich Nietzsche und Carl Schmitt etwa auch Immanuel Kant, dem in verschiedenen Sprachräumen mit unterschiedlich hoher Intensität „the promulgation of scientific racism for much of his career“ vorgeworfen wird.[6] Die Gegenseite schlägt in den USA mit mindestens gleicher Härte zurück, indem sie etwa Texte der Critical Race Theory oder Schriften rassismuskritischer Autor*innen wie Toni Morrison vermehrt aus Lehrplänen verbannt. Dass wechselseitige Angriffe dieser Art mehr und mehr die Züge eines Kulturkampfs annehmen, belegt schließlich auch die Tendenz, politisch missliebige Veranstaltungen zu verhindern, von Protagonist*innen als no platforming bezeichnet, von Gegner*innen als Cancel Culture kritisiert. Statt mich in die Debatte zu wagen, ob es sich bei den betreffenden Vorfällen um eine ganze Kultur handelt, erinnere ich an einen zumindest teilweise einschlägigen Kontext, in dem Verhinderungsabsichten explizit und systematisch sind: Die Boykotte, Desinvestitionen und Sanktionen (BDS), mit denen nicht zuletzt Intellektuelle den Israel vorgeworfenen settler colonialism zu bekämpfen fordern, richten sich auch gegen die akademischen Institutionen des Landes;[7] ein Beschluss des deutschen Bundestages verurteilt die BDS-Kampagne als antisemitisch und verlangt, „keine Projekte finanziell zu fördern, […] die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen“.[8] Im gegenwärtigen Streit um die Angriffe vom 7. Oktober und den Gaza-Krieg wurde ein Aufruf lanciert, der nun auch die kulturellen Institutionen Deutschlands zu bestreiken empfiehlt[9] – während diese Institutionen in verschiedenen Formen Gäste zurückweisen, denen inakzeptable Israelkritik vorgeworfen wird.

Ergänzend – oder erweiternd? – ließen sich zahlreiche weitere Vorstöße anführen. Viele der eingangs genannten Phänomene passen am besten unter das Label der Identitätspolitik: die Forderung, unterprivilegierte Gruppen von der Mitwirkung in Entscheidungsgremien bis in mediale und ästhetische Darstellungen angemessen zu repräsentieren; das Prinzip, ihre Interessen bevorzugt oder ausschließlich durch Gruppenangehörige vertreten zu lassen; die Schaffung geschützter Räume, die bis zur Trennung von Geschlechtern und ethnischen Gruppen in Schulen oder anderen Einrichtungen gehen kann; die komplementäre Aufforderung an bislang bevorteilte Gruppen, ihre Privilegien zu erkennen und freiwillig abzubauen, sowie eine allgemeine Arbeit daran, die Privilegierten einzeln und kollektiv in die Schranken zu weisen. Das Bild des gesamten Feldes – wenn es denn ein Feld sein sollte – hängt wesentlich davon ab, welche Fälle man anführt und welche Züge man herausstellt. Einen Eindruck von den Deutungsspielräumen vermitteln ein neuerer Beitrag Albrecht Koschorkes und eine Replik. Koschorke vertritt die verbreitete Position, dass die heutige Identitätspolitik identitätskritische Beiträge aus der poststrukturalistischen Ära ins Dogmatische verkehre. Das Problem formuliert er recht konziliant:

„Man weiß heute, dass das Allgemeine und Universelle, wie es seit der Aufklärung postuliert wurde, eurozentrisch, weiß und männlich war und diese verhehlte Markierung bis in die Gegenwart hinein aufrechterhält. Vollkommen zu Recht ist in den gender und postcolonial studies die Unterscheidung zwischen markierten und scheinbar unmarkierten Positionen dekonstruiert worden, sodass nun auch whiteness als Farbe und nicht als Null-Signifikant kenntlich ist. Das Folgeproblem, das sich dann aber auftut, bleibt ungelöst: Wie lässt sich eine symbolische Ordnung aufrichten und mit bindender Kraft ausstatten, wenn alle Positionen gleichermaßen partikularisiert sind?“[10]

Die Antwort, die Koschorke nachzeichnet, trägt allerdings nicht nur partikularistische, sondern antizivilisatorische Züge: Da die neue Ordnung nur noch Teilgruppen kenne, könne sie weder mehr Nichtidentität in der Repräsentation zulassen noch das ästhetische Als-Ob ertragen. Damit stünden Kategorien wie „Imagination“ und die „Autonomie der Fiktion“ auf dem Spiel, und der „Kanon“, ja überhaupt „die literarische Bildung“ seien gefährdet, „wenn Curricula sich nicht mehr an einem (behaupteten) Konsens über den weltliterarischen Rang der zu lesenden Werke, sondern an einer breit gestreuten Berücksichtigung marginalisierter Gruppen ausrichten“.[11] Wie zahlreiche Äußerungen und auch künstlerische Auseinandersetzungen mit der Thematik zeigen – etwa die witzigen Szenen des Films Tár, in denen die Protagonistin Johann Sebastian Bach in der Musikschule verteidigt und dafür später an den Pranger gestellt wird – steht Koschorke mit seiner Meinung nicht allein. Aber trifft sie auch zu, oder ist sie wesentlich Meinung?

Marina Martinez Mateo hat in einem Kommentar zu dem Text darauf hingewiesen, dass Koschorke nahezu keine eigenen Beispiele präsentiert, sondern sich zu Belegzwecken durchgängig auf die Bestandaufnahmen anderer Kritiker*innen der Identitätspolitik beruft. Das ergebe nicht nur ein sehr voreingenommenes Bild, sondern zeige auch, dass Koschorke die berührten politischen Anliegen letztlich egal sind:

„Dieses völlige Desinteresse daran, was die beteiligten Personen und Bewegungen tatsächlich sagen, wie sie es begründen, wogegen sie sich wenden und wofür sie damit einstehen, ist für die Diskussionen um Identitätspolitik im öffentlichen (und teilweise eben auch im wissenschaftlichen, wie wir hier sehen) Diskurs prägend.“[12]

Der so kritisierten Position setzt Martinez Mateo eine Art spiegelbildlicher Umkehrung entgegen. Statt den Vertreter*innen der Identitätspolitik gute Absichten und richtige Einsichten zuzugestehen, die sich nur leider im Resultat klaustrophobisch verkehrten, konzediert sie in diesem Lager einige Fehler, die aber von den Beteiligten reflektiert würden und immanent korrigierbar seien. Die Ziele, „politische Kollektive zu bilden, die sich als vorläufig und unabgeschlossen verstehen“, und „Referenzen auf gruppenbasierte Ungleichheiten […] stark zu machen […], ohne diese Gruppen zu verfestigen“, müssen ihr zufolge „an die Positionen, die sich selbst als identitätspolitisch verstehen, nicht von außen herangetragen werden – es reicht, einen genaueren Blick auf die Diskussionen zu werfen, die in diesem Feld geführt werden“.[13] Ob man eher zu der einen oder der anderen Beschreibung tendiert, dürfte in erster Linie von den mitgebrachten politischen Einstellungen abhängen. An Beispielen für legitime, gut reflektierte Anliegen mangelt es in dem schwer einzugrenzenden Feld jedenfalls ebenso wenig wie an Fällen von haarsträubendem, repressivem Unsinn. Für eine rationale Debatte dürfte es also tatsächlich wichtig sein, den Zusammenhang der infrage stehenden Phänomene ohne starke Vorabwertung zu beschreiben.

Dazu hilft es, die populäre These zu prüfen, der zufolge sich in Wokeness und Identitätspolitik ein (neuer) Anti-Universalismus Bahn bricht. Diese Deutung liegt nahe, wenn man den Schwerpunkt auf den Aspekt der Identität legt und in den betreffenden Auseinandersetzungen vor allem einen „Kampf um Gruppenvorrechte oder die Verteidigung einer besonderen kulturellen Identität“[14] erkennt. In den USA wird beides oft schlicht einem älteren Universalismus der Linken gegenübergestellt. Für Yascha Mounk, der die Verbindung von poststrukturalistischer Kritik, sozialem Gerechtigkeitswillen und neuem Gruppen-Selbstbewusstsein identity synthesis nennt, ist das Ergebnis einfach zu fassen:

„[T]he rejection of universal values and neutral rules […] implies a very different set of views about how to fix persistent injustices. Because neutral rules like nondiscrimination laws are supposedly insufficient to make a difference, the advocates of the identity synthesis insist that we need social norms and public policies that explicitly make how the state treats its citizens – and how we all treat each other – depend on the identity group to which they belong.“[15]

Noch knapper beschreibt Susan Neiman die Fronten. Auf der einen Seite verortet sie eine Kritik älterer progressiver Überzeugungen: „It is now an article of faith that universalism, like other Enlightenment ideas, is a sham that was invented to disguise Eurocentric views that supported colonialism.“[16] Auf der anderen Seite mündet das forcierte Bemühen um identitätspolitische Reorientierung in ihrer Sicht in Tribalismus (tribalism) – „the civil breakdown that occurs when people, of whatever kind, see the fundamental human difference as that between our kind and everyone else“.[17] Diese dichotome Entgegensetzung hat offensichtliche Schwächen. Ein gewisses Problem besteht darin, dass der Begriff des Tribalismus (wie auch Neiman am Rand bemerkt) selbst einen kolonialistischen Index hat. Vor allem aber fällt es schwer, in den von ihr geschilderten Umorientierungsprozessen nicht auch universalistische Motive am Werk zu sehen. Aus welchen, wenn nicht aus universalistischen Gründen sollte man Ungleichheiten und Privilegien bekämpfen, Gerechtigkeit fordern, den Unterdrückten, Unterprivilegierten und Marginalisierten von der größten bis zur kleinsten Gruppe zu ihrem Recht verhelfen wollen und den bisher Bevorteilten Machtverzicht abverlangen? Könnte man eine Moralisierung politisch-sozialer Kämpfe und verschiedenster Lebensbereiche feststellen oder beklagen, wenn es bloß um partikulare und nicht auch um universelle Ansprüche ginge? Und wie sonst wäre die anhaltende Assoziierung der neuen politischen Moral mit der Linken zu erklären? Um diesen Aspekten Rechnung zu tragen, schlage ich den Begriff des Ultra-Universalismus vor. Er soll den Abstand zu einem älteren (teilweise schon sehr alten) liberalen Universalismus markieren, der von Differenzen lediglich absieht und gleiche Regeln für alle Einzelnen fordert. Im Unterschied dazu verlangt der Ultra-Universalismus, die fraglichen Differenzen teils anzuerkennen, teils zu kompensieren. Die entsprechenden Forderungen können das universalistische Siegel klar lesbar auf der Stirn tragen – keine Pluralbildung ohne Berücksichtigung aller Geschlechter, keine Diskurse und Normen menschlicher Freiheit und Gleichheit, die nicht auch bisher faktisch ausgeschlossene Gruppen berücksichtigen. Sie können sich aber auch betont auf konkrete Gruppen beziehen, die im liberalen Universalismus unter die Räder kommen, vor allem von oder für Gruppen statt Individuen erhoben werden und dahin gehen, dass die Zugehörigen unter sich bleiben, um Beherrschungsverhältnisse zu vermeiden.

Die Spannung zwischen diesen beiden Ausprägungen des Ultra-Universalismus ist in der Tat charakteristisch für die politisch-moralischen Neuerungen, die in den letzten Jahren so stark diskutiert wurden. Mindestens ebenso charakteristisch wie das inhaltliche Profil ist jedoch die Form der neuen Diskurse und Handlungsorientierungen. Reglementierung, moralische Diskreditierung, Boykott, Ausschluss, Umerziehung – oder Zivilisierung, Sensibilisierung und das Aufbrechen alltäglich tradierter Dominanz – sind nicht einfach mehr oder weniger angenehme und angemessene Weisen, in denen sich eine Neuausrichtung der Linken, des Liberalismus oder der akademischen Schichten äußert. Sie könnten vielmehr den Kern der Veränderung darstellen, über die theoretisch und praktisch gestritten wird. Bereits der Impuls, über formalisierte Gleichheit hinauszugehen, verlangt ja zahlreiche Umstellungen und Anstrengungen, die keineswegs von allen als Fortschritt, sondern von vielen auch als Zumutung erfahren werden. Insofern diese Mühen das Handeln betreffen, geht es daher nicht bloß um eine ultra-universalistische Weltsicht, sondern um eine ultra-universalistische Sittlichkeit.

Eingeübte Sitten, moderne und egalitäre Umgangsformen

Der Umstand, dass sich viele der heutigen Kontroversen gerade an Umgangsformen, Gepflogenheiten und Sitten entzünden, ist soziologisch bereits bemerkt und analysiert worden. Für Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser ist ein Gutteil der wenigen harten Konflikte, die sie im gegenwärtigen Deutschland erkennen, durch „gefühlte Zumutungen“ bedingt, die sich „aus veränderten Verhaltenserwartungen, erschütterten Handlungsroutinen und Infragestellungen moralischer Repertoires ergeben“.[18] Zur Verärgerung trage wesentlich bei, dass gewohnte Entscheidungsfreiheiten wegbrechen (schon der Kauf eines Autos wird zum Politikum), dass überhaupt Gewohntes verändert, be- und verurteilt wird (der Schokokuss hieß noch vor einigen Jahren anders) und dass die neuen Regeln nicht von allen oder den allermeisten mitgetragen, sondern einem offenbar von tonangebenden Gruppen (Politiker*innen, Behörden und Akademiker*innen) auferlegt werden.[19] Die Autoren scheinen stellenweise der Ansicht zu sein, dass eben diese „gefühlten Zumutungen“ die Intensität der Streitigkeiten erklären. So verweisen sie etwa auf „die sozialen Begrenzungen eines politischen Ansatzes […], der in erster Linie auf Reflexivität abhebt und dessen transformative Absichten direkt auf das Alltagsleben der Menschen zielen“.[20] An anderen Stellen scheinen sie die Zumutungsklagen aber auch einfach darauf zurückzuführen, dass sich einige Teile der Bevölkerung (noch) nicht mit „veränderten Konventionen“ oder „Verschiebungen im Gerüst gesellschaftlicher Normen“ abfinden wollen, die sich unterhalb von Gesetz und Vorschriften vollziehen:

„Eigentliche Lappalien […] werden zum Anlass gefühlt übertriebener Formen der Missbilligung wie den Vorwurf des Rassismus oder Sexismus. Aus soziologischer Sicht kann man anmerken, dass die [durch solche Vorwürfe] getriggerten Teilnehmer […] eine zentrale soziologische Wahrheit aussprechen: Die Gültigkeit von Normen zeigt sich im Grad ihrer Sanktionsbewehrtheit. Auch wenn Aussagen nicht im juristischen Sinn verboten sind, wissen die meisten intuitiv sehr genau, wo die Grenzen des gesellschaftlich Akzeptablen verlaufen – und für was man irritierte Blicke erntet.“[21]

Spätestens hier fallen in der insgesamt sensiblen und plausiblen Analyse sozialtheoretische Unklarheiten auf. Sind irritierte Blicke, etwa im Vergleich mit juristischen Verboten, schon als auffällig harte Sanktionen einzustufen, oder unterstellen die Autoren, dass nicht nur einige, sondern beinahe alle so schauen werden? Sind wirklich nur die besonders stark oder allgemein sanktionierten Normen gültig, oder zeigt sich ihre Gültigkeit eher darin, dass die Sanktionierung nicht als übertrieben empfunden und folglich auch nicht ständig kritisiert wird? Und sträuben sich die Zumutungskritiker eher gegen Konventionen, die in einigen Teilen der Bevölkerung bereits einigermaßen akzeptiert sind, oder richtet sich ihr Widerstand vor allem gegen erste Ansätze zu einer Sittenreform? Die Phänomene, die Mau, Lux und Westheuser zurecht herausstellen, verdienen begrifflich genauer eingeordnet zu werden. Auf die Gefahr hin, den Fokus zunächst etwas zu sehr auszuweiten, will ich zu diesem Zweck einige sozialphilosophische Beiträge und geschichtliche Beispiele heranziehen, mit denen sich die möglichen Normverschiebungen genauer bestimmen lassen und die ihre skandalträchtige Wirkung zu verstehen helfen.

Was Normen in unserem Sprechen und Handeln ausmacht, wird philosophisch nicht einheitlich bestimmt. Generell geht es, wie etwa der Moralphilosoph Richard M. Hare meint, um eine Orientierung an Regeln, Aufforderungen oder Erwartungen, die man befolgen, verfehlen oder verweigern kann; das Normative ist mithin präskriptiv.[22] Nach einer von Rechtsphilosophen wie H. L. A. Hart vertretenen Ansicht sind Normen zudem erst dann sozial gültig, wenn Abweichungen sanktioniert werden[23] (und man Regelbefolgung gegebenenfalls belohnt). Eine idealistischere Gegenauffassung, wie sie in verschiedener Weise zum Beispiel von Harts Schüler Joseph Raz und von Alasdair MacIntyre vertreten wird, sieht den springenden Punkt demgegenüber in der Begründung und in den Zielen der normativen Praxis; das Normative ist für sie rational motiviert.[24] Alle diese Aspekte sind (trotz wechselseitiger Kritik) analytisch hilfreich – auf etablierte Umgangsformen und deren Wandel lassen sie sich jedoch erst sinnvoll beziehen, wenn man hinzufügt, dass sie weder je einzeln noch insgesamt explizit vorliegen müssen. Ausformulierte und daher begründbare Regeln, wie sie etwa in Gesetzen, Anleitungen oder politischen Debatten zum Ausdruck kommen, sind ein hoch entwickelter Fall. Vorausliegen können ihm Praktiken, deren normativen Charakter man daran erkennt, dass Abweichungen gewöhnlich eine negative, mitunter auch bestrafende Reaktion hervorrufen und unerwünschte Zustände von den Beteiligten gegebenenfalls repariert werden; noch weniger explizit ist das „So und nicht anders“ möglicherweise in Praktiken, die funktional aufeinander angewiesen sind oder als Verhaltensroutinen eingeübt werden. Welches Moment hier prinzipiell welches andere bedingt, kann an dieser Stelle offenbleiben. Wichtig ist aber, dass in sittlichen Formen alle genannten Elemente sowohl implizit bleiben als auch in variabler Weise explizit gemacht werden können. Meine neue Kollegin kann davon ausgehen, dass ich sie bei Begegnungen grüße; wenn ich das unterlasse, kann sie irritiert schauen, mich auf die Zwecke kollegialen Umgangs hinweisen oder mich kritisch fragen, ob ich ein Problem mit ihrem Kopftuch habe; ein daraus womöglich entstehender Konflikt kann bis zu Mobbing-Vorwürfen und dienstrechtlichen Konsequenzen gehen. Sitten sind, um es zu resümieren, gesellschaftlich weitverbreitete und annähernd allgemein akzeptierte, kulturell eingeübte Handlungsformen, die flexibel sanktioniert werden und deren praktischer Zweck oder moralischer Sinn sich auf Nachfrage zumeist explizieren lässt.

Der Komplex des Sittlichen ist auch für die Soziologie interessant, vielleicht sogar konstitutiv. Robert Nisbet und anderen zufolge sahen die Gründerväter des Fachs trotz ihrer teilweise dezidiert modernen Anschauungen und Haltungen die Gesellschaft durch Kräfte und Formen bestimmt, die sonst eher von konservativer Seite betont werden: „status, cohesion, […] norm, ritual, symbol“.[25] Und von Talcott Parsons’ Structure of Social Action bis in neuere Debatten um ökonomischen Imperialismus grenzt sich die Soziologie vom Modell des homo oeconomicus ab, indem sie betont, dass Individuen nicht willkürlich gewählte Zwecke mit möglichst rationalen Mitteln verfolgen, sondern ihre Handlungen an vorgefundenen Ordnungen des Üblichen, Zulässigen und Gebotenen ausrichten.[26]

In der Sprachphilosophie – weniger in der Moralphilosophie – des 20. Jahrhunderts wurde eine ähnliche Pointe bedeutsam: Die Umgangsformen gehen unserem Selbstverständnis und Urteilsvermögen voraus. In einer bekannten Formulierung erklärt etwa Ludwig Wittgenstein, dass sich die Richtigkeit oder Falschheit sprachlicher Äußerungen grundlegend nicht daran bemisst, ob wir mit wohl definierten Begriffen gut begründete Aussagen machen, sondern ob sie in eine kollektive Sprachpraxis passen, deren Regeln sich nie erschöpfend begründen oder auch nur explizieren lassen:

„‚Wie kann ich einer Regel folgen?‘ – wenn das nicht eine Frage nach den Ursachen ist, so ist es eine nach der Rechtfertigung dafür, daß ich so nach ihr handle. Habe ich die Begründungen erschöpft, so bin ich nun auf dem harten Felsen angelangt, und mein Spaten biegt sich zurück. Ich bin dann geneigt zu sagen: ‚So handle ich eben.‘“[27]

John Austin hat ergänzend festgehalten, dass die Üblichkeiten unseres Sprachgebrauchs in der Regel klüger sind als unsere individuellen Begriffsbestimmungen, Prinzipienreflexionen und Urteile. Seine Aussage bezieht sich auf philosophische Theorien, hat aber durchaus allgemeinen Charakter:

„[O]ur common stock of words embodies all the distinctions men have found worth drawing, and the connexions they have found worth making, in the lifetimes of many generations: these surely are likely to be more numerous, more sound […], and more subtle […], than any of you or I are likely to think up in our arm-chairs of an afternoon – the most favoured alternative method“.[28]

Austin diskutiert auch, dass der infrage stehende Sprachgebrauch moralische Anteile hat, etwa wenn man ein Verhalten nicht rechtfertigt, sondern in entschuldigender Absicht erklärt. In der Bemerkung, man sei versehentlich auf eine Schnecke getreten, kann bereits die Wortstellung den Sinn merklich verschieben – und ein ähnlich gebildeter Satz mit modifiziertem Thema wäre einfach nicht akzeptabel: „We may plead that we trod on the snail inadvertently: but not on a baby“.[29] Auf ähnliche Weise lassen sich auch sprachliche und nichtsprachliche Formen und Regelungen des Umgangs reflektieren, die Respekt zwischen erwachsenen Menschen bekunden, vom wechselseitigen Grüßen bis zur Platzierung im Raum. Auch diese Formen werden gewöhnlich zuerst erlernt, bewähren sich in unterschiedlichsten Situationen und werden erst nachträglich bei Bedarf reflektiert. Je näher diese Regeln allerdings an politischen Streitfragen liegen, desto deutlicher fragt sich, ob man nicht zumindest einige von ihnen bewusst kritisieren und ändern kann.

Viele Texte der Aufklärungszeit, die moeurs, morals, manners und Verwandtes reflektieren, formulieren eine positive Antwort: In dem Maß, in dem der soziale Umgang breiter, vielfältiger und abstrakter wird, schleifen sich höfisch-hierarchische oder provinziell-bornierte Anteile der Umgangsformen ab, sodass diese im Lauf der Zeit fast von selbst eine wünschenswerte, weltläufige Allgemeinheit erhalten. Beispiele für diese optimistische Sichtweise geben neben anderen die schottischen Moralphilosophen, die – wie etwa Adam Ferguson – mit ambivalenter Wertung die „Sitten verfeinerter und kommerzieller Völker“ erörtern,[30] oder deren Vorläufer Montesquieu, dem zufolge der „Handel“ (commerce) „sanfte Sitten“ (moeurs douces) mit sich bringt und „störende Vorurteile“ (préjugés destructeurs) beseitigt.[31] Noch für Madame de Staël vermag die Gesellschaft mit der „Urbanität der Sitten“ (urbanité des moeurs) und der „Höflichkeit“ (politesse) Bande zwischen einander fremden Menschen zu knüpfen.[32] Joseph Addison und Richard Steele hatten sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit ihrer Zeitschrift Tatler sogar den Zweck gesetzt, das Entstehen urbaner Sitten mit moralischem Kern aktiv zu fördern: „The general Purpose of this Paper is to expose the false Arts of Life, to pull off the Disguises of Cunning, Vanity, and Affectation, and to recommend a general Simplicity in our Dress, our Discourse, and our Behaviour.“[33] So viel überlieferte Klugheit und Vernunft also in die Sitten eingeflossen sein mag, sie können sich weiter entwickeln, lassen sich reflektieren und – so legen es die genannten Beispiele nahe – vielleicht sogar reflexionsbasiert verbessern.

Von Addison und Steele bis de Staël wurden diese Hoffnungen allerdings vornehmlich in die privaten Sitten gesetzt – und ihnen schien es jeweils nicht zuletzt aufgrund vorausgegangener Revolutionen geboten, das gefährliche und umkämpfte Terrain politischen Handelns zu meiden. Wenn Madame de Staël erklärt, dass allein die Urbanisierung der Sitten die Schärfe des Parteigeists abmildern könne,[34] bildet den Kontrast eine genuin politische Form der Unhöflichkeit, die sie mit der Aufgeblasenheit (fatuité) emporgekommener Revolutionäre illustriert.[35] Auch und gerade die Französische Revolution hatte jedoch Programme der Sittenreform oder -konstruktion hervorgebracht. Nicht zuletzt deshalb bildet sie für den Ultra-Universalismus der Gegenwart eine besonders gute Vergleichsfolie. In einem aktuellen Buch zur Geschichte der Gleichheit hat Darrin McMahon das Arsenal neuer Sprechweisen und Umgangsformen zusammengestellt, mit denen die Revolutionäre eine egalitäre Umgestaltung des Alltags und des sozialen Miteinanders anstrebten. Die Beispiele reichen von bekannten Motiven wie der Anrede als citoyen/citoyenne (statt Monsieur/Madame) sowie schlichter Beinkleidung und dem bonnet rouge (verbunden mit der Abschaffung des Hutziehens) über ein universelles Du (tu, statt Vous) und die Umbenennung von Straßen, Plätzen und Orten (Place de l’Égalité statt Place Royale, Port d’Égalité statt Port Louis) bis zu Erfindungen wie dem Gleichheitsbrot (pain d’égalité) für kameradschaftlich miteinander Essende (co-pains): „Combining the pure white flour of the wealthy with the cheaper, coarser grains consumed by the poor, the bread of equality was egalitarian fare, balanced and nutritious, served out in equal measures.“[36] McMahon betont, dass in den ostentativ betriebenen Praktiken der Gleichheit immer auch eine Drohung für diejenigen mitschwang, die sich nicht an ihnen beteiligten. Die ultimative Drohung war die Guillotine als ‚Sichel der Gleichheit‘.[37] Zugleich verweist McMahon auf die Gegenbewegungen, die der Gleichheitskult fast automatisch hervorrief oder begünstigte. Napoleon hatte wenig Mühe, die von ihm eingeführten neuen Hierarchien zu begründen: „As he and his propagandists made clear, once the revolutionaries had departed from the safer ground of the equality of merit and legal equality for men, they had summoned a monster of conflicting parts, creating an illusion and a lie.“[38]

Der Drohungscharakter der konstruierten Sitten und die autoritäre Gegenbewegung lassen nicht von ungefähr an die Gegenwart denken. Auch wenn es heikel ist, Kernelemente und Kontexte des revolutionären Egalitarismus und des Ultra-Universalismus überhaupt miteinander zu vergleichen, und die Revolutionäre – anders als die meisten heutigen Progressiven – seinerzeit im Besitz der politischen Macht waren, fallen doch einige inhaltliche Ähnlichkeiten auf: Damals wie heute kollidierte die beanspruchte prinzipielle Gleichheit mit ökonomischer Ungleichheit;[39] und damals wie heute suchte man nach Auswegen jenseits der bloß formellen Gleichbehandlung von Individuen. Vergleichbar ist aber vor allem der Ansatz, aus prinzipiellen Erwägungen heraus tief ins Gefüge der bestehenden Umgangsformen einzugreifen und so eine neue Sittlichkeit etablieren zu wollen. Gegenüber dem oben umrissenen Normalzustand, den auch eine Modernisierung der Sitten nur graduell zu ändern vermag, versucht man die Sittlichkeitspyramide sozusagen auf den Kopf zu stellen, sodass gerade die abstraktesten, streitanfälligsten Elemente das Ganze fundieren und tragen sollen: Unter Rekurs auf normative Prinzipien begründet man explizite Regeln, die moralisch oder politisch sanktioniert werden und erst bei anhaltend erfolgreicher Durchsetzung zur allgemeinen Gewohnheit werden können.

Ein derartiges Programm ist nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Anrede Citoyennes et citoyens! etwa hat es über einen längeren Zeitraum vermocht, Erfahrungen und Haltungen zu speichern, die noch in der Vor- und Frühphase der Pariser Kommune politische Wirksamkeit entfalten und entsprechende Handlungskraft freisetzen konnten.[40] Auch politische und parteiische Bräuche sind mithin möglich. Die Schwierigkeiten einer prinzipiengeleiteten Sittenreform liegen jedoch auf der Hand. Nicht nur hat sich von 1789 bis heute wiederholt Austins These bestätigt, dass frisch Ausgedachtes tendenziell weniger klug ist als lange Erprobtes und Eingespieltes. Noch schwerer wiegt, dass die von einigen mit innerer Überzeugung vertretenen Prinzipien anderen gegen ihren Willen aufgezwungen werden müssen. Egalitäre und gerechte Neuregelungen der Anrede, Pluralbildung, Stellenbesetzung, emotionalen Schonung usw. haben weder die Autorität des (annähernd) allgemein Eingeübten auf ihrer Seite, noch können sie sich leise, spielerisch und freiwillig verbreiten, wenn sie im Duktus politisch-moralischer Überlegenheit eingeführt werden. Besonders heikel wird ein Sittenreformprogramm schließlich, wenn es wie in der Gegenwart primär moralisch verfasst ist. Die Mittel der Moral sind zwar weniger brachial als die Drohung mit politisch monopolisierter Gewalt. Doch dafür stellen sich Schwierigkeiten anderer Art ein. Eine auf moralischen Prinzipien basierende Sittenreform zielt auf Überzeugung, sie verspricht Abhilfe gegen verbreitete Formen der Missachtung und Verletzung, und sie kann bottom-up mit den gleichen flexiblen Sanktionen verknüpft werden, die auch etablierte Sittlichkeitsnormen tragen: Diskreditierung, Rufschädigung, sozialer Ausschluss, die Verbauung beruflicher Chancen, die Verweigerung von Kooperation und die Blockade von Äußerungsmöglichkeiten. Zum einen sind aber auch dies keine kleinen Kaliber, und wer sich im Recht oder in der Mehrheit sieht, hat Anlass zu Gegenempörung. Zum anderen fühlen sich Menschen angegriffen, wenn ihnen nicht bloß Ungeschick oder mangelnde Regelkenntnis vorgeworfen wird, sondern wenn sie sich und ihr Handeln grundsätzlich verurteilt sehen. Moral impliziert, dass man den moralisch zur Rechenschaft Gezogenen zumindest zeitweilig die Achtung entzieht; auf beiden Seiten droht dann Verbitterung und Verhärtung.

Andere Strategien oder Weisen der Sittenverschiebung sind denkbar. Vor einiger Zeit hätten akademische Intellektuelle wohl eher mit Michail Bachtin auf widerspenstige Volkssitten, mit Judith Butler und Donna Haraway auf Subversion und Travestie oder mit Michel Foucault auf Gegenmacht und -gewalt gesetzt. Doch wer im Medium der Umgangsformen systematisch für mehr Gerechtigkeit sorgen will, muss wohl die strikteren, bei aller Flexibilität auch institutionell abstützbaren moralischen Anteile sittlicher Ordnung als Hebel nutzen. Da moralische Prinzipien und Urteile zugleich die fragilsten und konfliktträchtigsten Anteile dessen sind, was Umgangsformen insgesamt ausmacht, sollte es nicht überraschen, dass die bisherigen Erfolge der ultra-universalistischen Offensive umstritten sind und gefährdet bleiben.

Die Aussichten ultra-moderner Sittenreform

Die Probleme liegen selbstverständlich auch in dem, was inhaltlich zur Debatte steht. Eine möglichst werturteilsfreie Analyse sittlicher Formen, wie sie hier bislang versucht wurde, wird dem Phänomen nicht vollständig gerecht. Zu ergänzen ist sicher zumindest, dass eine universelle Alltagssittlichkeit eher einfache, die Sorge um möglichst viele benachteiligte Gruppen dagegen tendenziell komplizierte Formen verlangt. Um die ultra-universalistische Sittlichkeit umfassender zu verorten, sind jedoch auch die eingangs erörterten Zielhorizonte selbst wichtig, die zugleich besonders deutlich politische Urteile herausfordern. Ich schicke voraus, dass die analysierten Konflikte das Feld politischer Moral selbstverständlich nicht uneingeschränkt dominieren und auch an Bedeutung verlieren können. Als Brennpunkte oder „Triggerpunkte“ könnten zukünftig andere Themen fungieren, etwa die Positionierung zur Klimapolitik oder die Haltung zu geopolitischen Machtkämpfen und Kriegen. Im letztgenannten Fall liegt zudem nahe, dass der Gegensatz zwischen ultra-universalistischen Umgangsformen und ihrer Kritik durch andere, schlichtere Freund-Feind-Unterscheidungen überlagert und von diesen in den Hintergrund gedrängt wird. So viele moralische Argumente etwa sowohl die israelische als auch die palästinensische Seite im Gaza-Konflikt für ihre Sache vorbringen, so umfassend die Vorwürfe von Antisemitismus und Terrorismus beziehungsweise von Kolonialismus und Genozid die jeweilige Gegenseite diskreditieren sollen, und so oft gerade hier die Cancel-Karte gezogen wird (s.o.) – entscheidend bleibt wohl, auf wessen Seite man steht.

Bis auf Weiteres sind die Versuche zur Implementierung einer ultra-universalistischen Sittlichkeit aber zumindest wichtige Trigger- und Brennpunkte politisch-moralischer Auseinandersetzungen. Sie konfrontieren nicht nur viele Einzelne, die in akademischen Kontexten, im Bildungs- und Gesundheitswesen, im Journalismus, im Sport, in der Kunst und auf der publikumszugewandten Seite von Wirtschaft und Staat tätig sind, mit einer Vielfalt neuer Verhaltensnormen, die sich zumindest tendenziell der gesamten Bevölkerung als Verschiebung etablierter Standards bemerkbar machen. Vielmehr haben sie zunehmend Kritik und Gegenangriffe provoziert, die das Maß der verlangten Veränderung gezielt (und auch bösartig) übertreiben mögen, aber in jedem Fall dazu beitragen, dass sich Milieus, Haltungen und Wählerschaften polarisieren.

Die Ursachen wie die absehbaren Auswirkungen lassen sich schematisiert als Krise eines allzu siegreichen Liberalismus erzählen. Wenn individuelle Freiheit gestärkt und besonders im Feld des Ökonomischen vorangetrieben wird, fällt nach einer Weile gewöhnlich auf, dass dennoch soziale Mechanismen und Machtverhältnisse fortbestehen, die Individuen bestimmter Gruppen und in bestimmten Lagen benachteiligen, in Abhängigkeit halten und sie daran hindern, Handlungsmacht zu entwickeln. Die Praxis des liberalen Geschehenlassens, Förderns und Forderns erweist sich hier als machtlos. Sie steht sogar im Verdacht, der Macht und den Privilegien der Wenigen möglichst unangreifbare Formen zu geben und sie so zu perpetuieren; selbst begleitende Versuche, die Lage besonders Benachteiligter zu verbessern, wirken allenfalls hilflos. Unter Bedingungen globaler Freihandelspolitik, Finanzialisierung, Deindustrialisierung und Lohnstagnation galt und gilt dies in besonderem Ausmaß. Es gab also gute Gründe, benachteiligten Gruppen auch oder sogar verstärkt auf Kosten allgemeiner Freiheit und Gleichbehandlung zu ihrem Recht zu verhelfen. Diese Möglichkeit haben Teile der Linken ergriffen, als die Hegemonie neoliberaler und postmoderner Freiheitsversprechen zu bröckeln begann, ohne dass die politische Macht in Reichweite kam; das Regelwerk aufgeklärter Organisationen hat den Impuls aufgenommen, und besonders den Unternehmen dürften sich neue Anstandsregeln als günstige Möglichkeit dargestellt haben, ihr Image aufzupolieren und zugleich neue Kund*innen zu gewinnen.[41] Der Konsens progressiver Gesellschaftspolitik, den westliche Regierungen schon Mitte der 1990er-Jahre gefunden hatten, konnte so teils oppositionell radikalisiert, teils institutionell verankert werden – man kann von einem „short march through the institutions“ sprechen.[42] Die entsprechende Reglementierung haben Menschen aus verschiedensten Lagern beklagt. Besonders hat aber die zur gleichen Zeit wachsende, ebenfalls vom Hegemoniebruch begünstigte rechtspopulistische Bewegung die ultra-universalistische Sittlichkeit als denkbar geeignetes Feindbild erkannt. Im Ergebnis werden gewohnte Freiheiten, wie verschiedenste Beobachter*innen bemerkt haben, zwischen zwei illiberalen Blöcken zerrieben: den akademisch amplifizierten Kompensationsansprüchen von Benachteiligten und der rechtspopulistischen Beschwörung verlorener Vorrechte. Jenseits aller anderen Ursachen, die ihre Formierung begünstigt haben, stützen sich diese beiden Lager im Kulturkampf inzwischen auch gegenseitig.

Die hier skizzierte Erzählung könnte deutlich genauer und differenzierter ausfallen. An dieser Stelle sollten vor allem die wertenden Anteile erkennbar werden, die jede mögliche Darstellung prägen und von Alternativen abheben – wie Trauer über verlorene Freiräume, Unbehagen an moralischer Reglementierung, Erschrecken über die rechte Gegenbewegung und die Überzeugung, dass der liberale Rahmen ökonomisch umgebaut oder gesprengt werden muss, wenn man die illiberale Dynamik aufhalten will. Dezidiert liberale Kritiker*innen von Wokeness und Identitätspolitik sehen das selbstverständlich anders, und deren Verteidiger*innen halten die umstrittenen Freiheiten nicht unbedingt für bewahrenswert. Eine solche Markierung politisch-moralischer Standpunkte schließt nicht aus, genauere Belege anzuführen und zu diskutieren. Um zu sehen, ob der ultra-universalistische Aktivismus zunächst tatsächlich auf neoliberal verschärfte Ungleichheit reagiert (hat), wäre zu untersuchen, inwiefern er Ziele sozialer Gerechtigkeit einschließt oder verschiebt. Und um zu klären, welche Faktoren seine positive Aufnahme und Umsetzung in Organisationen begünstigt haben, wären verschiedene mögliche Motive ihres Personals zu erörtern: Rechtfertigungsnöte gegenüber Kundschaft und Mitarbeiter*innen, ein wachsendes Bewusstsein für Schadensbilanzen oder ein Wettbewerb um besonders avancierte Umgangsodes. Zugleich muss man wohl davon ausgehen, dass auf beiden Seiten nicht nur rationale Argumente und moralische Motive wirksam sind, von der Ermächtigung, die es bedeutet, auch jenseits formaler Macht Regeln setzen, überwachen und durchsetzen zu können, bis hin zum schlichten Opportunismus der weniger Überzeugten. Die Sittlichkeit einer Gesellschaft ist eben ein komplexes Konglomerat aus Gewohnheit, Macht, Ausschluss, Moral und Heuchelei. Das Gleiche gilt für Versuche, sie im Namen ultra-gerechter Grundsätze neu zu erfinden.

Die Frage, ob man Umgangsformen überhaupt aus Prinzipien heraus neu erfinden kann, ist wohl weiterhin nicht prinzipiell zu beantworten. Eine Tendenz zeichnet sich jedoch ab. Der Versuch zur Sittenreform löst, zumal wenn er so ambitioniert und politisch so aufgeladen ist wie gegenwärtig, starke Reaktionen bei den nicht Überzeugten und der politischen Gegenseite aus. Die Reaktion hat aktuell sogar gute Chancen, sich durchzusetzen, und zwar nicht allein gegen Gendersternchen in der Behördensprache. Vielmehr droht die Verschiebung politischer Energien ins Sittliche, die sich auf der Linken vollzogen hat, nun ihrerseits rechte politische Mobilisierungen zu begünstigen, die sich gegen Zugewanderte und Geflüchtete, weibliche Selbstbestimmung, akademische Bildung und sozial-ökologische Umstellungen richten. Vor diesem Hintergrund kann man erwägen, ob der Kampf um die Sittlichkeit nicht doch anders zu führen wäre als moralisch. Ein mögliches Motiv ist, dass auch die einfache Rücksichtnahme im Alltag aufgebessert zu werden verdiente. Im besten Fall wird sie dann von Kompromissen geprägt sein.

  1. Vgl. dazu etwa Adrian Daub, Cancel Culture Transfer. Wie eine moralische Panik die Welt erfasst, Berlin 2022.
  2. Vgl. Tilman Reitz, Politiken der Einschränkung. Die Verbotslinke im Verantwortungskapitalismus, in: Das Argument 239 (2022), S. 603–617.
  3. Diesen Ansatz verdanke ich der von Sonja Asal und Harald Bluhm organisierten, 2023 in Halle durchgeführten Tagung „Sittenkritik und soziopolitische Ordnungsvorstellungen (ca. 1750-1840)“, bei der ich eine erste Version des vorliegenden Textes vorgetragen habe. Von der Diskussion und den anderen Vorträgen habe ich wichtige Impulse erhalten.
  4. Yascha Mounk, The Identity Trap. A Story of Ideas and Power in Our Time, London 2023, S. 10.
  5. Vgl. Corinna Bochmann / Walter Staufer, Vom „Negerkönig“ zum „Südseekönig“ zum …? Politische Korrektheit in Kinderbüchern. Das Spannungsfeld zwischen diskriminierungsfreier Sprache und Werktreue und die Bedeutung des Jugendschutzes, in: BPJM-Aktuell (2013), 2, S. 3–17.
  6. Mit diesem Hinweis schließt der erste Abschnitt des englischsprachigen Wikipedia-Eintrags zu Kant; der deutschsprachige Eintrag kommt erst in Abschnitt 3.7 auf das Thema und bringt Zitate, die den Vorwurf des Rassismus nicht stützen. Die Bedenken betreffen aber auch neuere Autor*innen, darunter auch solche, die Rassismus und Antisemitismus ablehnen und selbst erfahren haben. So heißt es beispielsweise auf der Lernplattform eines deutschen Universitätsseminars: „Die Texte von Frantz Fanon und Jean Améry beinhalten rassistische Begrifflichkeiten und Sprache, sowie Darstellungen rassistischer, sexualisierter und antisemitischer Gewalt. Sie können eigenständig entscheiden, ob Sie sich mit den Texten auseinandersetzen wollen oder nicht.“
  7. Vgl. die Selbstdarstellung auf der Webseite der BDS-Bewegung.
  8. Deutscher Bundestag, Drucksache 19/10191, 15.5.2019, S. 2.
  9. Vgl. den betreffenden Aufruf auf der Webseite Strike Germany.
  10. Albrecht Koschorke, Identität, Vulnerabilität und Ressentiment. Positionskämpfe in den Mittelschichten, in: Leviathan 50 (2022), 3, S. 469–486, hier S. 477.
  11. Ebd., S. 479 f.
  12. Marina Martinez Mateo, Zum Phantasma der Identitätspolitik – Kommentar zu Albrecht Koschorke, in: Leviathan 50 (2022), 3, S. 487–492, hier S. 488.
  13. Ebd., S. 491.
  14. Koschorke, Identität, S. 483.
  15. Mounk, Identity Trap, S. 12.
  16. Susan Neiman, Left Is Not Woke, Cambridge 2023, S. 31.
  17. Ebd., S. 20.
  18. Steffen Mau / Thomas Lux / Linus Westheuser, Triggerpunkte. Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft, Berlin 2023, S. 265 f.
  19. Diese hier stilisiert dargestellten Beispiele entstammen Gruppendiskussionen, die die Autoren zur Erhebung ihres qualitativen Materials organisiert und u.a. auf Konfliktanlässe hin analysiert haben. Vgl. ebd., S. 266–271.
  20. Ebd., S. 272.
  21. Ebd., S. 269.
  22. Richard M. Hare, Die Sprache der Moral [1952], übers. von Petra von Morstein, Frankfurt am Main 1972, S. 19 ff.
  23. H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts [1961], übers. von Alexander von Baeyer, Frankfurt am Main 1973.
  24. Joseph Raz, Praktische Gründe und Normen [1975], übers. von Ruth Zimmerling, Frankfurt am Main 2006; Alasdair MacIntyre, Der Verlust der Tugend. Zur moralischen Krise der Gegenwart [1981], übers. von Wolfgang Rhiel, Frankfurt am Main 1995.
  25. Robert A. Nisbet, Conservatism and Sociology, in: The American Journal of Sociology 58 (1952), S. 167–175, hier S. 167.
  26. Vgl. Talcott Parsons, The Structure of Social Action. A Study in Social Theory with Special Reference to a Group of Recent European Writers, Glencoe / IL 1937, S. 60. Siehe dazu auch Tilman Reitz, Funktionen der Soziologie. Eine wissenssoziologische Einführung, 2. Aufl., Weinheim 2023, S. 252 f.
  27. Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, in: ders., Werkausgabe Bd. 1: Tractatus logico-philosophicus. Tagebücher 1914–1916. Philosophische Untersuchungen, Frankfurt am Main 1984, S. 225–580, hier S. 350 (§ 217).
  28. John L. Austin, A Plea for Excuses: The Presidential Address, in: Proceedings of the Aristotelian Society, New Series, 57 (1956/1957), S. 1–30, hier S. 8.
  29. Ebd., S. 20.
  30. Adam Ferguson, Versuch über die Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft, hrsg. und eingel. von Zwi Batscha, übers. von Hans Medick, Frankfurt am Main 1986, S. 347.
  31. Charles Louis de Secondat de Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, übers. und hrsg. von Ernst Forsthoff, 2 Bde., Tübingen 1951, Bd. 2, S. 2.
  32. Madame de Staël, De la littérature. Considérée dans ses rapports avec les institutions sociales [1800], hrsg. v. Axel Blaeschke, Paris 2021, S. 303.
  33. So lautet die Widmung der ersten Buchausgabe; zit. nach Tilman Reitz, Bürgerlichkeit als Haltung. Zur Politik des privaten Weltverhältnisses, München 2003, S. 46. Die Zeitschrift und ihr Nachfolgeblatt Spectator enthalten zahlreiche weitere Formulierungen und Beispiele für dieses Programm; vgl. ebd., S. 45–49.
  34. „L’urbanité des moeurs peut seule adoucir les asperités de l’esprit de parti.“ De Staël, De la littérature, S. 309.
  35. Vgl. ebd., S. 307.
  36. Darrin M. McMahon, Equality. The History of an Elusive Idea, New York 2023, S. 228.
  37. So die Unterüberschrift des Kapitels. Genauer heißt es darin: „[I]f one way to create a virtuous people fit for equality is to educate and reform, another is to purge the corruption […]. The leveling mechanism of the guillotine aimed to do just that, targeting those who refused equality’s embrace, separating the good from the bad.“ (Ebd., S. 231)
  38. Ebd., S. 235.
  39. Bei allem Gleichheitspathos stand diese Ungleichheit für die meisten Revolutionäre nicht zur Disposition, zumal sie das Privateigentum (wie zuvor Rousseau) als ‚heiliges‘ individuelles Recht ansahen; vgl. ebd., S. 202–206.
  40. Vgl. Kristin Ross, Communal Luxury. The Political Imaginary of the Paris Commune, London / New York 2015, S. 15–17.
  41. Vgl. Enzo Rossi / Olufẹ́mi O. Táíwò, What’s New About Woke Racial Capitalism (and What Isn’t), in: Spectre Journal, 18.12.2020; Reitz, Politiken der Einschränkung, S. 605–607.
  42. Mounk, The Identity Trap, S. 97–111.

Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Karsten Malowitz.

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Tilman Reitz

Professor Dr. Tilman Reitz lehrt Wissenssoziologie und Gesellschaftstheorie am Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Arbeitsschwerpunkte sind Soziologie der Geistes- und Sozialwissenschaften, politische Philosophie und Ideologiekritik, Ästhetik und Kultursoziologie, Theorien der Wissensökonomie und vergleichende Hochschulforschung.

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