Eine alte Sorge kehrt zurück: Verlieren »wir Demokraten« den Respekt vor, ja das Interesse an Wahrheit? Den aufgeregten Debatten um das »postfaktische Zeitalter«, um »alternative Fakten« und um »fake news« liegt diese Beunruhigung zugrunde, gespeist aus der Bedeutung, die falsche Behauptungen, offensichtliche Lügen oder gezielte Desinformationen in den letzten Jahren für die Politik erlangt haben. Bereits klassisch gewordene Beispiele sind Donald Trumps falsche Aussage, seiner Amtseinführung hätte mehr Menschen beigewohnt als jeder anderen, oder die im Vorfeld des Brexit-Referendums von der Leave-Kampagne verbreiteten Versprechen, es ließen sich 350 Millionen englische Pfund pro Woche für das Gesundheitssystem verwenden, wenn diese nicht mehr an die EU gezahlt werden müssten.
Welche Gründe für diese Entwicklung auch immer dingfest gemacht werden – gern genannt werden »die sozialen Medien«, eine zunehmend fragmentierte und an sachlichen Diskussionen desinteressierte Öffentlichkeit oder eine von ihren Wähler_innen abgekoppelte politische Elite –, die Politikwissenschaft und vor allem die Politische Theorie ist aus zwei Gründen dringend gefordert, sich in diese Debatte einzumischen. Denn erstens rückt die Diskussion über das »postfaktische Zeitalter« das Verhältnis von Wahrheit und Demokratie ins Zentrum der Aufmerksamkeit, das sicherlich als ein Kernthema der Politischen Theorie zu zählen hat. Zweitens übergeht diese öffentliche Debatte jedoch – zumindest derzeit – die in der Politischen Theorie längst erarbeiteten Erkenntnisse zu diesem Verhältnis. Insbesondere wird unhinterfragt vorausgesetzt, Demokratien benötigten Wahrheit für ihr gutes Funktionieren – und seien deshalb besonders anfällig für den Verlust von Wahrheit.
Diese als Selbstverständlichkeit behandelte Verbindung von Demokratie und Wahrheit kann jedoch in den Reflexionen der Politischen Theorie keineswegs vorausgesetzt werden. Indem die geplante Tagung das Verhältnis von Wahrheit und Demokratie aus verschiedenen Perspektiven unter die Lupe nimmt, soll ein Beitrag zum Verständnis dieses komplexen Verhältnisses geleistet werden. Zugleich soll die Diskrepanz zwischen öffentlicher und akademischer Diskussion offengelegt und diskutiert werden.
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