Eddie Hartmann | Essay |

Verstehen und Gewalt

Gewaltsoziologische Überlegungen zum „Bösen“

Auch wenn uns die Medien täglich damit konfrontieren, dass in diversen Kontexten Gewalt verübt wird, die uns mit dem Prädikat „böse“ treffend beschrieben scheint: In der soziologischen Gewaltforschung ist das Böse keine gängige Kategorie. Ebenso wenig steht der Begriff für ein Problem, mit dem sich die Gewaltsoziologie eingehend beschäftigt, indem sie der Frage nachgeht, was das „Böse“ ist. Das mag daran liegen, dass durchaus fraglich ist, ob es sich beim Bösen überhaupt um eine analytisch brauchbare Kategorie für die Auseinandersetzung mit gewalttheoretischen Fragen handelt. Allerdings zeigt schon unsere Reaktion beim Blick in die Tageszeitung, dass – nachdem die kosmologische und auch die metaphysische Tradition des Begriffs weitgehend verblasst sind[1] – Gewalt im Kontext der Moderne klar mit dem Bösen assoziiert ist, ja geradezu als sein Inbegriff gilt. Zwar lässt sich die Erfahrung des Bösen auch in der Moderne nicht auf Gewalterfahrungen beschränken. Aber doch dürfte uns Böses heute in erster Linie in Gestalt von Erfahrungen begegnen, die wir als Gewalterfahrungen beschreiben würden.

Um diese Ausgangsbeobachtung zu möglichen Verbindungen zwischen Gewaltphänomenen und dem Problem des Bösen zu vertiefen, schlage ich vor, den Aspekt der Geschichtlichkeit menschlicher Gewalt in den Blick zu nehmen. Und damit ist hier nicht die Selbstverständlichkeit gemeint, dass menschliche Gewalt eine Geschichte hat, also in unterschiedlichen und sich gegebenenfalls wiederholenden Formen in der Geschichte der Menschheit vorkommt. Es geht vielmehr darum, dass insbesondere der soziale Sinn von Gewalt nur verständlich wird, wenn man ihn als das Eintreten von Gewaltphänomenen in soziale Sinnverhältnisse begreift, die einem historischen Wandel unterliegen. Insofern möchte ich hier eine Perspektive vorschlagen, die Gewalt als ein Problem des Verstehens behandelt. Ich frage also, was uns im Angesicht von Gewalt mit besonderen Herausforderungen des Verstehens konfrontiert und überlege, wie diese den sozialen Sinn von Gewalt fortwährend verändern und unser Verhältnis zu ihr prägen können.

Wenn „böse“ Gewalt als autotelische Gewalt auftritt

„Böse“ erscheint uns Gewalt ganz besonders dann, wenn sie in einer Form auftritt, die Jan Philipp Reemtsma autotelische Gewalt nennt. Es ist die Gewaltform, „die (uns) am meisten verstört, die sich dem Verständnis, auch dem Erklären weitestgehend zu entziehen scheint“.[2] Das gilt zumindest für die heutige Zeit, in der autotelische Gewalt oft als maßlose Gewalt oder sinnlose Grausamkeit bezeichnet wird, die blind wütet, auf nichts und niemanden Rücksicht nimmt und sich so dem Verstehen entzieht.

In seinem Buch Vertrauen und Gewalt. Über eine besondere Konstellation der Moderne schlägt Reemtsma vor, neben autotelischer noch zwei weitere Formen von Gewalt zu unterscheiden. Es geht ihm dabei primär um eine typologische Unterscheidung, die sich am spezifischen Körperbezug des Gewaltgeschehens orientiert und Motive und Sinnzuschreibungen seitens der Gewaltausübenden bewusst ausklammert. Lozierende Gewalt ist in diesem Sinne nicht auf den Körper als solches gerichtet, sondern „auf den Körper als verschiebbare Masse. Er ist im Weg oder muss irgendwo hingebracht werden, an einen speziellen Ort, wo er gebraucht wird“.[3] Raptive Gewalt dagegen bemächtigt sich des Körpers eines anderen – in aller Regel, um ihn sexuell zu benutzen. Autotelische Gewalt wiederum zielt darauf ab, den Körper als solches zu beschädigen oder zu zerstören: „Das Ziel autotelischer Gewalt – darum dieser spezielle Terminus – ist sie selbst, das heißt die Zerstörung eines anderen Körpers“.[4]

Die von Reemtsma unterschiedenen Gewalttypen haben jeweils eine eigene teleologische Sinnstruktur. Das Ziel lozierender Gewalt liegt außerhalb ihrer selbst. Sie steht daher prototypisch für eine Gewalt, die sich als Mittel zu außerhalb von ihr liegenden Zwecken – also instrumentell – deuten lässt. Auch raptive Gewalt will etwas, was sie nicht selbst ist. Sie will den Körper an sich reißen, ihn haben, um etwas mit ihm anzustellen, ihn aber eben nicht, wie lozierende Gewalt, ,weghaben‘. Autotelische Gewalt wiederum zielt auf Zerstörung. Sie zerstört den Körper also nicht, weil es im Zuge des Aus-dem-Weg-Schaffens oder des An-sich-Reißens dazu kommt, sondern um der Zerstörung willen. Die Möglichkeit, lozierende oder raptive Gewalt auszuüben, ist stets auf eine soziale Machtposition angewiesen. Autotelische Gewalt, die keinem Ziel mehr dient als ihr selbst, ist darüber hinaus immer auch eine Gelegenheit zur unbeschränkten Machtausübung.

In der Moderne unterliegt Gewalt einem besonderen Legitimationszwang.

Für Reemtsma besteht das besondere Charakteristikum der Moderne nun darin, dass autotelische Gewalt dort keinen kulturellen Ort mehr hat: „Diese Gewalt ist uns fremd geworden, sie ist gleichsam der Einbruch irgendeines Teuflischen in die Weltordnung. [...] Wo immer es für autotelische Gewalt keine Legitimationsfiguren gibt, rührt ihr Vorkommen an ein Problem, für das man den Teufel überhaupt erfunden hat, nämlich das Böse, das sich nicht bloß als Verfehlen des Guten auffassen lässt“.[5] Zwar widerspricht es dem kulturellen Selbstbild sogenannter moderner Gesellschaften nicht, dass Gewalt in ihnen vorkommt, sie muss jedoch nicht nur als unbedingt nötig ausgewiesen werden, sondern auch als ein Mittel, künftige Gewalt einzuschränken. Gewalt dient diesem Selbstverständnis entsprechend ausschließlich dazu, andere Gewalt zu verhindern und muss glaubhaft machen können, einer gewaltärmeren Zukunft den Weg zu ebnen. Denn schließlich gehört das normative Gebot des Gewaltverzichts zum Kern jenes Versprechens, das wir trotz aller Fallstricke als das spezifische Ethos „moderner“ Gesellschaften bezeichnen können. Laut Reemtsma handelt es sich dabei um ein Alleinstellungsmerkmal der (zunächst europäischen) Moderne, deren kulturelles Selbstbild sich in dieser Hinsicht von allen vorherigen unterscheidet.[6]

Gewalt unterliegt in der Moderne also einem besonderen Legitimationszwang. Er ist dafür verantwortlich, dass der autotelische Charakter von Gewalt überhaupt erst sichtbar und damit zum Problem werden kann. Allerdings bildet die Moderne zugleich einen Kontext, in dem allein die Wahrnehmung autotelischer Gewalt mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Wir neigen nämlich dazu, unser Gewaltverständnis den Mustern kulturell legitimierbarer Gewalt anzugleichen.[7] Was sich einem so geprägten Verständnis entzieht, lässt sich auch nicht ohne Weiteres wahrnehmen, zumal die Ächtung autotelischer Gewalt in der Moderne auch mit dem Verschwinden ihrer visuellen Präsenz im öffentlichen Raum einhergeht. In der Konsequenz neigen wir dazu, Gewalt, wo immer sie vorkommt, zunächst als instrumentell zu deuten, ihr also eine Zweck-Mittel-Rationalität zu unterstellen. Wo dies nicht gelingt, greifen wir in der Regel auf Pathologisierungen zurück, erklären den Täter beispielsweise für psychisch krank. Und wo auch dies nicht gelingt, weil es sich beispielsweise um exzessive Formen von Massengewalt handelt, erklären wir sie zum Rätsel.[8]

Von der Theodizee über die Geschichtsphilosophie zur intellektuellen Resignation

Die Verrätselung von autotelischer Gewalt in der Moderne ist Ausdruck eines kulturellen Verständnisproblems, das Aufschluss über die Verbindungen zwischen dem Problem des Bösen und Gewaltphänomenen geben kann. Ich setze hier im Anschluss an die hermeneutische Denktradition voraus, dass Gewalt grundsätzlich als ein Problem des Verstehens zu begreifen ist, dem existenzielle Bedeutung zukommt.[9] Als leibhaftige Wesen, die aus hermeneutischer Sicht gar nicht anders können als verstehend zu existieren, erfahren wir Gewalt notwendigerweise als eine Herausforderung für das Verstehen. Burkhard Liebsch, der in seinen Arbeiten an Theoretiker der Hermeneutik wie Heidegger und Ricœur anschließt, umschreibt diese Prämisse folgendermaßen: „Im Widerfahrnis der Gewalt, der leibhaftig existierende Wesen ausgesetzt sind, denen es darum geht, sich ihr gelebtes, aber auch ihr ungelebtes und zerstörtes Leben verständlich zu machen, wird das Verstehen dazu herausgefordert, auf die Gewalt ,Antwort‘ zu geben.“[10] Der hier zum Ausdruck gebrachte responsive Charakter dieser Herausforderung für das Verstehen erscheint mir besonders im Hinblick auf die kulturelle Verbindung von Gewaltphänomenen und dem Bösen interessant.[11] Im Folgenden möchte ich zeigen, inwiefern insbesondere der Blick auf die historische Gestalt dieser Problematik aufschlussreich sein kann.

Susan Neiman begreift das Problem des Bösen gar als „treibende Kraft des modernen Denkens“ schlechthin.[12] Als Movens der neuzeitlichen Philosophie nimmt es in ihrem Buch Das Böse denken ursprünglich die Gestalt des Theodizeeproblems an, also der Frage, wie es möglich ist, angesichts des unübersehbaren Leids auf der Welt weiter an einen Gott zu glauben, dem nicht nur Allmacht, sondern auch Allgüte gegenüber seinen Geschöpfen zugeschrieben wird. Und selbst wenn es dem neuzeitlichen philosophischen Denken mittlerweile nicht mehr darum geht, Gott zu rechtfertigen, steht es Neiman zufolge seit jeher vor der Frage, was unsere etablierten Auffassungen vom Verständnis der Welt ins Wanken bringt und welche Antworten wir auf diese Irritationen finden. Das Theodizeeproblem lässt sich so verstanden nicht nur als theologisches Problem, sondern als die existenzielle Herausforderung begreifen, die Welt als Ganzes zu verstehen: „Wie steht es um unser Vermögen, geeigneten Sinn in einer Welt zu finden und zu schaffen, die entschlossen zu sein scheint, das zu verhindern?“[13]

Alltägliche soziale Interaktionen sind darauf angewiesen, die Welt als Normalfall zu unterstellen, an dem man seine normativen Erwartungen ausrichten kann. Das „Böse“ steht demgegenüber für eine Kategorie von Erfahrungen, die sich nicht ohne Weiteres im Rahmen von verfügbaren Sinnhorizonten verarbeiten lassen und die unser Vertrauen in uns und unser Verständnis der Welt nachhaltig erschüttern können. Ein in der Literatur oft zitiertes und entsprechend berühmtes Beispiel für diese Art von historischer Erfahrung ist das Erdbeben von Lissabon im Jahre 1755, das Tausende von Todesopfern forderte. Dieses „wird bis heute als einer der größten Krisenmomente europäischen Weltvertrauens gewertet, […]. Es gelang weiträumig nicht mehr, den Schock des Ereignisses durch religiöse Deutung abzufedern, im Gegenteil: Die Deutungshoheit der christlichen Religion hatte bereits einen derartigen Kernschaden aufzuweisen, dass das bloße Faktum des Bebens als Einwand gegen sie gewertet werden konnte“.[14] Das Erdbeben konnte diese derart erschütternde Wirkung jedoch nur haben, weil Aufklärung und Wissenschaftsentwicklung, also die gesellschaftlichen Bemühungen um die Verstehbarkeit zunächst der natürlichen, später auch der sozialen Welt dazu beitrugen, das Natürliche vom Menschlichen und somit auch vom Moralischen zu trennen. So verlor das natürliche Böse, das zuvor auch in Gestalt von Naturkatastrophen in Erscheinung treten konnte, seine kulturelle Beziehung zum moralischen Bösen. Folglich ließ sich über diese Beziehung auch nicht mehr sinnvoll streiten, Naturkatastrophen wurden fortan zum „Gegenstand von Prognose und Kontrolle, nicht aber von Deutung“.[15] Übrig blieb die Vorstellung eines moralischen Bösen, die in der Moderne eng mit menschlicher Gewalt verschränkt ist.

Im Zuge dessen wurde das Theodizeeproblem „vererbt“, wie Reemtsma es ausdrückt – und zwar zunächst als geschichtsphilosophisches Problem, das der Frage nachgeht, wie denn Geschichte in der Moderne angesichts der in ihr vorkommenden Gewalt normativ gerechtfertigt werden kann. Reemtsma macht dies primär am Beispiel solcher geschichtsphilosophischer Entwürfe deutlich, die der traditionellen Form der Theodizee noch am nächsten kommen, indem sie versuchen, gegenwärtige Übel durch zukünftige historische Entwicklung mit Sinn zu versehen: „Herders und dann Hegels Idee von Geschichte war, ähnlich, wie Marx es später tat, Gewalt als Geburtshelferin des jeweils Neuen zu rechtfertigen“.[16] Prägend aber auch für spätere Auffassungen von Geschichte und der Rolle der Gewalt war noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein der Gedanke, die anhaltende Gewalt sei dank des Fortschritts in der Geschichte bloß ein zeitweiliges Übel, das von einer friedlichen Welt abgelöst würde. Doch jeglicher Versuch, der Geschichte angesichts der in ihr vorkommenden Gewalt irgendeinen Sinn abzuringen, musste spätestens in Anbetracht der Gewaltexzesse des 20. Jahrhunderts als gescheitert betrachtet werden: „Die Trias der exzessiven Gewalt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat diese Ablösung der Theodizee durch die Geschichtsphilosophie als intellektuellen Irrweg, vielleicht nur als makabres Gedankenspiel offenbar gemacht“.[17] Das europäische Gewaltgeschehen wirft das sozialphilosophische Denken also insofern auf die Negativität der geschichtlichen Erfahrung zurück, als es die fundamentale Zerstörbarkeit menschlicher Verhältnisse offenbart. Und so mündet der Ablösungsprozess der traditionellen Theodizee durch die Geschichtsphilosophie Mitte des 20. Jahrhunderts in eine radikale Zäsur des Denkens.

Gewalt ist insofern geschichtsmächtig, als sie in der Lage ist, uns sämtliche Gewissheiten über unsere eigene Existenz zu nehmen.

Diese Zäsur geht aus einer Gewalterfahrung hervor, die das menschliche Zusammenleben aufs Massivste versehrt hat. Maurice Blanchot hat dafür den Begriff der „desaströsen Gewalt“ geprägt, die alles infrage stellt, was ein verlässliches Miteinander wenigstens denkbar erscheinen ließe.[18] Auf besonders eindrückliche Art und Weise kommt diese Zäsur im Werk von Hannah Arendt zum Ausdruck, die wie viele andere Größen des sozialphilosophischen Denkens persönlich mit den Gewaltexzessen des nationalsozialistischen Terrors konfrontiert war. Arendt hielt es angesichts dieser einschneidenden Erfahrung der Zerstörbarkeit menschlicher Verhältnisse für unumgänglich, „die Philosophie mit all ihren Kategorien, wie wir sie seit ihren Anfängen in Griechenland bis auf den heutigen Tag kennen, zu demontieren“.[19] Mit dem bis dato unvorstellbaren und moralisch unbegreiflichen Ausmaß an autotelischer Gewalt ist nach Arendt ein historisch neues Zerstörungspotenzial zutage getreten. Für sie und viele andere, deren Denken ebenfalls durch die Gewalt des 20. Jahrhunderts geprägt wurde, hat der im Reemtsma’schen Sinne autotelische Charakter der nationalsozialistischen Verbrechen eine „originäre Geschichtlichkeit der Gewalt“ (Burkhard Liebsch) offenbart: Es zeigte sich, dass Gewalt nicht nur eine Geschichte hat, sondern die Geschichtlichkeit der Geschichte selbst affiziert, indem sie Geschichte machen und diese gewissermaßen „zäsurieren“ (Burkhard Liebsch) kann. Gewalt ist also insofern geschichtsmächtig, als sie in der Lage ist, uns sämtliche Gewissheiten über unsere eigene Existenz ebenso zu nehmen wie die Möglichkeit, überhaupt noch verstehende Zugänge zur Geschichtlichkeit unserer Existenz zu denken. In diesem Sinne geht Arendt davon aus, dass desaströse Gewalt am Ende alles zerstört, sogar die Möglichkeit, die eigene Beziehung zu einer Welt, an der man festhalten möchte, auch nur zu beschreiben.[20] Daher wurde die schonungslose Infragestellung der eigenen intellektuellen Verständnismittel für sie unumgänglich. Und ihr Werk zeigt exemplarisch, inwiefern die Idee einer negativistischen Sozialphilosophie dem Problem des Bösen in Verbindung mit der Gewaltgeschichte Rechnung trägt.[21]

Negativistische Sozialphilosophie und die Gewaltsamkeit unannehmbarer Verletzungserfahrungen

Eine negativistische Sozialphilosophie zielt nicht darauf, Aussagen über das gute Leben oder Gerechtigkeit zu treffen. Stattdessen setzt sie bei der Negativität der geschichtlichen Erfahrung im Sinne der Zerstörbarkeit menschlichen Zusammenlebens an. Sie widmet sich also „einer geschichtlichen und komparativen Reflexion der Negativität […], die in teils extremer, teils radikaler, teils desaströser Art und Weise solches Zusammenleben versehrt hat“.[22] Das negativistische Denken sucht nun zu ergründen, wie sich menschliche Lebensformen dem „zerstörerischen Element“ (Hannah Arendt) der Gewalt widersetzen können. Menschliches Zusammenleben, das vor diesem Hintergrund erneut dem modernen Selbstbild des Gewaltverzichts gerecht werden will, soll wenigstens das Schlimmste (und dessen Wiederholung) zu verhindern versprechen. Judith N. Shklar etwa hat diese negativistische Pointe später zur Grundlage eines „Liberalismus der Furcht“ gemacht, an dem deutlich wird, wie sehr das sozialphilosophische Denken mit der Herausforderung zu ringen hatte, die Erfahrung der Zerstörbarkeit menschlicher Verhältnisse durch autotelische Gewalt, die auch Shklar persönlich machen musste, gedanklich zu bewältigen.[23] In ihrem 1989 erschienenen gleichnamigen Essay verabschiedet sich Shklar endgültig von der bis heute im politisch-philosophischen Denken verbreiteten Vorstellung, der Liberalismus ließe sich auf ein positiv bestimmbares theoretisches Fundament stellen – etwa mittels einer normativen Theorie der Gerechtigkeit à la John Rawls. Stattdessen besteht sie darauf, dass normativ verbindlich ist, was Menschen als das jeweils Schlimmste an Verletzungen erfahren und – dank der historischen Erinnerung an die damit verbundene Furcht vor Grausamkeit – unbedingt vermeiden wollen. Damit stellt sie den Liberalismus auf das kontingente und vor allem höchst fragile Fundament eines lebendigen historischen Gedächtnisses, das unermüdlich für die Negativität von Erfahrungen in gegenwärtigen Lebensformen zu sensibilisieren hat.[24]

Einer Sozialphilosophie, die im hier bloß knapp skizzierten Sinne negativistisch ist, geht es also weniger um die Frage, als was oder wer wir uns verstehen wollen, als vielmehr um die Herausforderung unseres Selbstverstehens durch das, was als moralisch unannehmbar erfahren wird. Historisch maßgeblich dafür ist bis heute das Ausmaß autotelischer Gewalt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es steht für das Äußerste menschlicher Gewalt, das jedes Verstehen überfordert und sich unserem begrifflichen Rahmen sinnvoller Beschreibungen menschlichen Zusammenlebens entzieht. Doch die moralischen Maßstäbe, die wir an die zerstörerische Wirkung von Gewalt anlegen, ändern sich mit dem zeitlichen Abstand zum Äußersten. Erst aus einer gewissen Distanz können wir uns qua des Vergleichs mit anderen Zeitpunkten speziell in der europäischen Gewaltgeschichte auch einen differenzierteren Begriff davon machen, was die Gewaltsamkeit von Gewalt auch diesseits ihrer äußersten Erscheinungsformen ausmachen kann.

Das Versprechen des Gewaltverzichts ist ein historisch wandelbares Versprechen, dessen Glaubwürdigkeit davon abhängt, dass Gesellschaften sich für die Unannehmbarkeit auch von subtileren Gewalterfahrungen moralisch sensibel erweisen.

Die gewaltsoziologische Pointe dieser Überlegung besteht nun aber aus meiner Sicht gerade nicht darin, erneut die Frage aufzuwerfen, ob der Gewaltbegriff lieber eng oder doch besser weit konzipiert werden sollte, nachdem die in den 1970er- und 80er-Jahren geführte Debatte um Johann Galtungs Konzept der „strukturellen Gewalt“ zugunsten eines engen Begriffsverständnisses physischer Gewalt entschieden schien.[25] Mein Argument lautet vielmehr, dass das Versprechen des Gewaltverzichts eben ein historisch wandelbares Versprechen ist, dessen Glaubwürdigkeit davon abhängt, dass Gesellschaften sich für die Unannehmbarkeit auch von subtileren Gewalterfahrungen moralisch sensibel erweisen. Die dabei unter Umständen überhaupt erst zur Sprache gebrachte Gewalt stellt ein soziales Phänomen dar, das auf die Wahrnehmung und die Erfahrung von etwas als Gewalt selbst zurückwirken und somit auch immer wieder neue Gewalterfahrungen hervorbringen kann.

Eine Gewaltsoziologie, die diese Einsicht in die Historizität des versprochenen Gewaltverzichts und damit verbundene Veränderungen des sozialen Sinns von Gewalt ernst nimmt, hätte sich meines Erachtens vor allem den gesellschaftlichen Formen der Problematisierung von Gewalt zu widmen, die gegenwärtig im Zusammenhang mit diversen und nicht selten umstrittenen Verletzungs- und Verletzbarkeitsansprüchen stehen. Denn als ein normatives Postulat von geringstmöglicher Gewalt gewinnt dieses Versprechen für uns überhaupt erst seine spezifisch moderne Bedeutung, wenn und insoweit das Gewaltsame an der Gewalt im Lichte einer gegenseitigen Verletzbarkeit gedacht wird, die ihrerseits gesellschaftlich umstritten ist. Nur von der als moralisch unannehmbar erfahrenen Verletzung her lässt sich auch der normative Anspruch geltend machen, dieser oder jener Gewalt nicht ausgesetzt zu werden. Konkrete Ausgangspunkte dafür aber sind unter Umständen Verletzungserfahrungen, die noch gar nicht von bereits begründeten Ansprüchen normativer Ordnungen abgedeckt sind, auf die man sich also auch nicht berufen kann, um Verletzungsansprüche auch als Gewalterfahrungen geltend zu machen. Man stößt hier mit anderen Worten auf ein für menschliches Zusammenleben unausweichliches Missverhältnis zwischen Politik und Ethik oder zwischen institutionalisierten Ordnungen und einer außer-ordentlichen Sensibilität für moralische Ansprüche. Mit Bernhard Waldenfels können wir diese auch als Erfahrungsansprüche beschreiben: „Erfahrungsansprüche sind noch nicht abgedeckt durch allgemeine Instanzen, auf die wir uns berufen können; sie treten auf, indem sie Antworten hervorrufen, provozieren. In diesem ursprünglichen Sinne sind sie dia-logisch, zugehörig einem Zwischenbereich, der sich jeder endgültigen Aneignung entzieht.“[26]

Erfahrungsansprüche dieser Art treten aktuell etwa in psychotraumatologischen Fachdiskursen auf, in denen über den Zusammenhang von rassistischen Alltagserfahrungen, wie offenen Formen von Diskriminierung oder Beleidigung, und den traumatisierenden Folgen für die Betroffenen debattiert wird.[27] Traumadiskurse wurden bereits in den 1970er- und 80er-Jahren vorrangig in den USA geführt, etwa als feministische Bewegungen unter Berufung auf das „Rape Trauma Syndrome“[28] dafür stritten, Vergewaltigungen als Gewalttat und nicht bloß als sexuellen Akt zu begreifen. Neuere Diskurse über den Zusammenhang von Rassismus und Trauma zeigen vor allem klinische Analogien zu bereits anerkannten gewaltinduzierten Traumafolgestörungen, etwa infolge häuslicher oder sexueller Gewalt, auf und versuchen auf diese Weise dafür zu sensibilisieren, dass Rassismus im Alltag durchaus als Gewalt erfahren werden kann.[29] Nachvollziehbare Analogien zu Folgen physischer Gewalterfahrungen sind eine moderne Voraussetzung dafür, dass auch subtile Formen von Rassismus, die sich nicht in physischer Gewalt äußern und (noch?) nicht Teil eines institutionalisierten Gewaltverständnisses sind, gesellschaftlich als Erfahrungen von Gewalt anerkannt werden können.[30] In diesen Debatten wird somit deutlich, dass Traumadiskurse eben nicht nur Fachdiskurse sind, sondern Bestandteil von übergreifenden normativen Diskursen, in denen Gesellschaften über die Gewaltsamkeit unannehmbarer Verletzungserfahrungen streiten.[31]

Für eine negativistische Gewaltsoziologie

Vor diesem Hintergrund ließe sich abschließend noch eine einschlägige Bemerkung Reemtsmas aufgreifen, die deutlich macht, warum seine Arbeiten die Gewaltsoziologie im Sinne eines sozialphilosophischen Negativismus inspirieren können. Denn das Zitat gibt nicht etwa die Gewaltfreiheit als Ziel des Zivilisationsprozesses aus, sondern eine immer leichtere Traumatisierbarkeit des Menschen: „Natürlich gibt es extreme Gewalt, die jeden zerbricht, um den Verstand und um sein Ich bringt, aber dem vorgelagert dürften die Empfindlichkeiten in unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich sein. Es ließe sich also so formulieren, dass es ein Ziel des Zivilisationsprozesses sei, uns alle immer leichter traumatisierbar zu machen.“[32] Ohne den ironischen Unterton dieser Bemerkung übergehen zu wollen: An der Überlegung wird deutlich, dass das normative Versprechen des Gewaltverzichts in eine Geschichtlichkeit der Gewalt verstrickt ist, durch die moderne Gesellschaften unentwegt dazu herausgefordert werden, auf die Unannehmbarkeit von Gewalterfahrungen zu antworten – und zwar auch diesseits ihrer äußersten und unserer historischen Erfahrung nach verheerendsten Erscheinungsformen, die wir für gewöhnlich mit allerlei „Bösem“ in Verbindung bringen.

„Es ließe sich also so formulieren, dass es ein Ziel des Zivilisationsprozesses sei, uns alle immer leichter traumatisierbar zu machen.“

Wenn wir Gewalt in erster Linie als etwas auffassen, das erlitten wird, also ausgehend von der Erfahrung einer moralisch unannehmbaren Verletzung begreifen, wird offenbar, dass jede Gewalt die Möglichkeit des Traumas birgt. Denn mit jeder Gewalterfahrung kann ein Moment der unauslöschlichen und nicht integrierbaren Fremdheit – wenn man so will: des Bösen – in unser Verhältnis zur Welt eindringen.[33] Die Spur der Verletzung, die sie hinterlässt, ist immer auch die einer Sinn-zerstörenden Sinnlosigkeit. Diese Spur hält uns an, uns für die Herausforderung zu sensibilisieren, auf die Unannehmbarkeit von Gewalterfahrungen zu antworten.

Einer negativistischen Gewaltsoziologie, einer Gewaltsoziologie also, die Anschluss an das Denken einer negativistischen Sozialphilosophie sucht, kann es daher nicht darum gehen, Gewaltsamkeit allein von der Verletzung bereits gerechtfertigter normativer Ansprüche her zu bestimmen. Die Annahme, dass Erfahrungsansprüche nicht immer schon in etablierten Gesellschaftsordnungen aufgehen, sondern diese auch überschreiten oder unterlaufen können, ist Voraussetzung dafür, dass das gewaltsoziologische Denken die Frage, wie die Negativität unannehmbarer Verletzungserfahrungen menschliche Lebensformen immer wieder neu herausfordert, zu ihrem zentralen Gegenstand machen kann.[34] So wird die gesellschaftliche Umstrittenheit von Gewalt als eine produktiven Unruhe denkbar, die etablierte Gerechtigkeitsvorstellungen davor bewahrt, in Selbstgerechtigkeit umzuschlagen, die sich womöglich weder von fortbestehender Gewaltsamkeit noch von immer wieder neu aufkommenden Erfahrungsansprüchen provozieren ließe.

  1. Siehe dazu auch Burkhard Liebsch, Zerbrechliche Lebensformen. Widerstreit, Differenz, Gewalt, Berlin 2001, S. 186–311. Die Überlegungen von Liebsch machen deutlich, dass Böses insbesondere in der Vorstellung von „Feindschaft“ überlebt hat, nachdem sowohl kosmologische Dimensionen als auch metaphysische Bezüge des Bösen weitgehend verloren gegangen sind.
  2. Jan Philipp Reemtsma, Vertrauen und Gewalt. Versuch über eine besondere Konstellation der Moderne, Hamburg 2008, S. 117.
  3. Ebd., S. 104.
  4. Ebd., S. 117.
  5. Ebd., S. 119.
  6. Siehe dazu Jan Philipp Reemtsma, Des Schreckens innewerden, in: ders., Mord am Strand. Allianzen von Zivilisation und Barbarei. Aufsätze und Reden, Hamburg 1998, S. 145–174, hier S. 158.
  7. Siehe dazu auch Reemtsma, Vertrauen und Gewalt, S. 266. Die anthropologische Annahme einer Angleichung von kulturell legitimierten Praxisformen einerseits und etablierten Wahrnehmungsmustern andererseits geht auf die insbesondere für das soziologische Denken zentrale Überlegung zurück, nach der die soziale Welt stets mithilfe von Verständnismitteln erfasst und bewertet wird, die sie selbst hervorbringt. Als ein wegweisender Text im Sinne dieser Denkfigur gilt beispielsweise der von Émile Durkheim zusammen mit Marcel Mauss verfasste Aufsatz über die sogenannten primitiven Formen der Klassifikation. Siehe Émile Durkheim und Marcel Mauss, Über einige primitive Formen von Klassifikation. Ein Beitrag zur Erforschung der kollektiven Vorstellungen, in: Émile Durkheim, Schriften zur Soziologie der Erkenntnis, Frankfurt am Main 1987, S. 257–284.
  8. Siehe ebd., S. 269.
  9. Die für meine Überlegungen zentralen Anknüpfungspunkte im Sinne einer hermeneutischen Tradition liefert das umfassende Werk von Burkhard Liebsch, der erst kürzlich ein vierbändiges Konvolut zur Hermeneutik Paul Ricœurs herausgegeben hat. Siehe Burkhard Liebsch, Grundfragen hermeneutischer Anthropologie. Paul Ricœurs Werk im historischen Kontext: Existenz, Interpretation, Praxis, Geschichte, Freiburg/München 2024.
  10. Burkhard Liebsch, Gewalt-Verstehen: Hermeneutische Aporien, in: Dagmar Mensink / Burkhard Liebsch (Hg.), Gewalt verstehen, Berlin 2003, S. 23–57, hier S. 40.
  11. Burkhard Liebsch entwickelt seinen phänomenologisch-hermeneutischen Ansatz nicht zuletzt in Anlehnung an Bernhard Waldenfels und dessen responsive Phänomenologie. Siehe dazu etwa Bernhard Waldenfels, Der Stachel des Fremden, Frankfurt am Main 1990. Siehe auch Burkhard Liebsch, Menschliche Sensibilität. Inspiration und Überforderung, Weilerswist 2008.
  12. Susan Neiman, Das Böse denken. Eine andere Geschichte der Philosophie, Frankfurt am Main 2004, S. 25.
  13. Ebd., S. 462.
  14. Reemtsma, Vertrauen und Gewalt, S. 44.
  15. Neiman, Das Böse denken, S. 367.
  16. Jan Philipp Reemtsma, Gewalt – der blinde Fleck der Moderne, in: ders., Helden und andere Probleme. Essays, Göttingen 2020, S. 136.
  17. Ebd., S. 137. Die hier genannte „Trias“ bezieht sich auf den Abwurf von Atombomben über Hiroshima und Nagasaki, den sowjetischen Gulag und die analogen Verbrechen der selbsternannten kommunistischen Staaten sowie die nationalsozialistischen Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung Europas.
  18. Siehe hierzu Burkhard Liebsch, Verletztes Leben. Studien zur Affirmation von Schmerz und Gewalt im gegenwärtigen Denken, Zug 2014, S. 148–169.
  19. Hannah Arendt, Vom Leben des Geistes, Bd. I: Das Denken, München 1989, S. 207.
  20. Der Begriff der „Welt“ spielt in Arendts Denken eine zentrale Rolle, weshalb ich dessen konzeptuelle Bedeutung an dieser Stelle gesondert hervorheben möchte. Er steht in ihren Arbeiten nicht für den bloßen Raum menschlichen Lebens, etwa im Sinne von Erde oder Natur. Arendt vertritt vielmehr einen dezidiert politischen Weltbegriff, der für eine bestimmte Form eines nur von Menschen einzurichtenden und dauerhaft aufrecht zu erhaltenden, verlässlichen Zusammenlebens steht. Siehe dazu auch Burkhard Liebsch, Unaufhebbare Gewalt. Umrisse einer Anti-Geschichte des Politischen, Weilerswist 2015, S. 267–297.
  21. Siehe dazu insbesondere Hannah Arendt, Über das Böse. Eine Vorlesung zu Fragen der Ethik, München, Zürich 2006.
  22. Burkhard Liebsch, Einander ausgesetzt – Der Andere und das Soziale, Bd. I: Umrisse einer historisierten Sozialphilosophie im Zeichen des Anderen, Freiburg, München 2018, S. 137.
  23. Judith N. Shklar, Liberalismus der Furcht, Berlin 2013.
  24. Siehe ebd., S. 39. In seinem lesenswerten Nachwort zur deutschen Übersetzung des Aufsatzes von Judith N. Shklar zeichnet Hannes Bajohr die wesentlichen Grundzüge jener negativen Anthropologie, die Shklar ihrem Liberalismus der Furcht zugrunde legt. Siehe Hannes Bajohr, „Am Leben sein heißt Furcht zu haben.“ Judith Shklars negative Anthropologie des Liberalismus, in: Shklar, Liberalismus der Furcht, S. 131–167.
  25. Zur Neuauflage dieser Debatte siehe u.a. Peter Imbusch, „Strukturelle Gewalt“. Plädoyer für einen unterschätzten Begriff, in: Mittelweg 36, 26, 2017, S. 28–51; Andreas Braun, Strukturelle Gewalt – ein analytisch überschätzter Begriff, in: Zeitschrift für Friedens- und Konfliktforschung, 10, 2021, S. 5–35; Peter Imbusch und Lotta Mayer, Analytisch unbrauchbar? Eine Replik auf Andreas Brauns Kritik am Konzept der „strukturellen Gewalt“, in: Zeitschrift für Friedens- und Konfliktforschung, 10, 2021, S. 37–43.
  26. Waldenfels, Der Stachel des Fremden, S. 7, Hervorh. i. O.
  27. Siehe dazu Robert Enge und Silke B. Gahleitner, Die unbenannte Realität: Rassismus und Trauma, in: Sozialmagazin, 1-2, 2020, S. 56–64.
  28. Ann W. Burgess und Lynda Holmstrom, Rape Trauma Syndrome, in: American Journal of Psychiatry, 131, 1974, S. 981–986.
  29. Thema Bryant-Davis und Carlota Ocampo, Racist Incident-Based Trauma, in: The Counseling Psychologist, 4 (33), 2005, S. 479-500; Robert T. Carter, Racism and Psychological and Emotional Injury: Recognizing and Assessing Race-Based Traumatic Stress, in: The Counseling Psychologist, 1 (35), 2007, S. 13-105.
  30. Siehe dazu auch Reemtsma, Gewalt – der blinde Fleck der Moderne, S. 121.
  31. Siehe dazu insbesondere auch Didier Fassin und Richard Rechtman, The Empire of Trauma: An Inquiry into the Condition of Victimhood. Princeton 2009; José Brunner, Die Politik des Traumas. Gewalterfahrungen und psychisches Leid in den USA, in Deutschland und im Israel/Palästina-Konflikt. Frankfurt am Main 2014.
  32. Reemtsma, Vertrauen und Gewalt, S. 136.
  33. Diesen Aspekt des autotelischen Charakters von Gewalt hebt auch Reemtsma hervor, wenn er schreibt: „Alle Gewalt kann vom Opfer deshalb als autotelisch wahrgenommen werden, weil sie zerstörerisch wirken kann oder weil für sein Leid die Unterscheidungen in Gewaltformen primär keine Rolle spielen.“ Siehe Reemtsma, Vertrauen und Gewalt, S. 132.
  34. Zur These, dass die gesellschaftliche Umstrittenheit der Artikulation von Verletzungs- und Verletzbarkeitsansprüchen als Gewalterfahrungen im Mittelpunkt einer gewaltsensiblen Soziologie der Gegenwart stehen sollte, siehe Eddie Hartmann, Soziodizee und Gewaltverzicht. Zur Verstrickung soziologischen Denkens in ein modernes Versprechen, in: Mittelweg 36, 31, 2022, S. 11–32.

Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Hannah Schmidt-Ott.

Kategorien: Affekte / Emotionen Geschichte Gesellschaft Gewalt Macht Philosophie Zeit / Zukunft

Eddie Hartmann

Eddie Hartmann ist Soziologe und arbeitet an der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur. Er leitet dort das Forschungsprojekt "Umstrittene Gewaltverhältnisse. Die umkämpften Grenzen verbotener, erlaubter und gebotener Gewalt in der Moderne". Zudem ist er als Privatdozent an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam tätig.

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