Cornelia Möser | Essay |

Von hinten alle gleich?

Der Feminismus von Guy Hocquenghem

Die radikalen sexualpolitischen Ansätze der 1970er-Jahre – und damit auch die Texte von Guy Hocquenghem und dem Front homosexuel d’action révolutionnaire (FHAR) – erfreuen sich in den letzten Jahren wachsenden akademischen und politischen Interesses. Ist diese neue Aufmerksamkeit möglicherweise auf eine diffuse Unzufriedenheit mit der Beschränkung sexueller Kämpfe auf Antidiskriminierung zurückzuführen? Hocquenghem wird schließlich auch als französischer Vorläufer der Queeren Theorie bezeichnet,[1] deren Einfluss nach einer Phase der breiten Rezeption zuletzt allerdings immer marginaler wurde. Was also macht die Faszination des Theoretikers und Aktivisten Hocquenghem aus und welche Ähnlichkeiten gibt es tatsächlich zwischen seinem Denken und der Queeren Theorie?

Der FHAR entstand in Paris vor 50 Jahren im Bruch mit der Homosexuellenorganisation Acardie, aus der FHAR-Gründerin, Résistancekämpferin und Ökofeministin Françoise d’Eaubonne rausgeschmissen wurde, als sie statt der Integration der Homosexuellen in die Gesellschaft, die Desintegration der Gesellschaft durch die Homosexuellen forderte. Mit ein paar Freundinnen aus der Frauenbewegung, dem MLF (Mouvement de libération des femmes), ging sie mit getrockneten Würsten im Anschlag gegen Abtreibungsgegner und bürgerliche Homophobie vor. Da der FHAR aus der Frauenbewegung hervorging, überrascht es nicht, dass er die meisten ihrer Aktionsformen kopierte: wöchentliche Treffen in der Kunsthochschule Beaux-Arts, gemeinsame Wochenenden, Selbsterfahrungsgruppen, sogar die „Ich habe abgetrieben“-Aktion – von der konservativen Presse manchmal das „Manifest der 343 Schlampen“ geschimpft – wurde 1971 in einer vom FHAR gestalteten Ausgabe der linken Zeitschrift Tout! aufgegriffen.[2] Im FHAR bildeten Schwule und Lesben eine Allianz, die gemeinsam gegen die heterosexistische Unterdrückung vorgehen wollte – denn die bürgerliche Heterosexualität wurde nicht nur als Fundament der beschränkten Geschlechtsvorstellungen be- und angegriffen, sondern als Pfeiler der ganzen kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Das ungerechte System sollte bestenfalls durch massives Vögeln aus den Angeln gehoben werden. Mit Hocquenghems Worten ging es darum, die Hand des Mannes vom Po der Frau auf den Po des Schwulen zu verschieben.[3] Die prekäre Allianz des FHAR zerbrach an Auseinandersetzungen bezüglich der Themen Männerdominanz und sexuelle Gewalt. In der Folge zogen sich viele Lesben aus der Gruppe zurück und organisierten sich stattdessen in der Frauenbewegung. Eine ähnliche Entwicklung fand auch in Deutschland statt, als die deutschen Lesben des Berliner LesbenAktionsZentrums (LAZ) 1974 in Reaktion auf politische Differenzen aus der Homosexuellen Aktion Westberlin (HAW) ausstiegen.[4]

Wenn heute die Frage der Bedeutung Hocquenghems und des FHAR für die Queere Theorie und Politik gestellt wird, dann kann von diesem Paradox nicht abgesehen werden, welches ja im Übrigen auch die Queere Theorie und Politik betrifft: Der FHAR wurde auf feministischer Basis gegründet und ist am männlichen Machismo zerbrochen, so wie die Queere Theorie auf (lesbisch-)feministischer Basis entstanden ist (Judith Butler, Eve Kosofsky Sedgwick, Teresa de Lauretis, Gayle Rubin) und dennoch einen Bruch mit einem Teil des Feminismus herbeigeführt hat.

Wie können Tunten Sozialisten sein?

Die Originalität von Hocquenghems Denken lässt sich an dem Eklat messen, den die Begegnung des FHAR mit der zeitgenössischen deutschen Homosexuellenpolitik produzierte: Als auf der ersten Berliner Homosexuellendemo an Pfingsten 1973 plötzlich Polit-Tunten des Pariser FHAR und der italienischen FUORI im Fummel auftauchten, fiel das der streng sozialistischen HAW unangenehm auf, weil sie mit schrillen Rufen rosa Volkswagen für alle forderten.[5] Zwar wurde diese Form des Protests von den meisten ihrer Aktivisten als anarchistisch verurteilt, doch nichtsdestotrotz fand sich ein Grüppchen zusammen, welches, inspiriert von dieser Begegnung, begann, die Homosexuellenunterdrückung nicht länger nur als Spezialfall der allgemeinen Sexualunterdrückung im bürgerlichen Kapitalismus, sondern im Zusammenhang mit männlicher Herrschaft zu begreifen. Die „Feministen“, wie sich diese ausschließlich aus Männern bestehende Gruppe nannte, nahmen sich heraus, öffentlich Frauenkleider zu tragen, steckten sich als Erinnerung an die Geschichte der Homosexuellenverfolgung einen rosa Winkel an und lasen zusammen Kate Millett, Luce Irigaray und Hélène Cixous. Eines der Mitglieder der Gruppe, Elmar Kraushaar, übersetzte auch Hocquenghem ins Deutsche.[6]

Die Parallelen der HAW-Feministen zum Feminismus bestanden zum einen in der Infragestellung des Alleinerklärungsanspruchs freudo-marxistischer Ansätze und damit einhergehend auch des als männlich und heterosexuell gedachten revolutionären Subjekts und zum anderen in der Kritik der Familie und der gesellschaftlichen Heteronormen. Doch obwohl sie den patriarchalen Charakter der Gesellschaft erkannten und kritisierten, vernachlässigten die HAW-Feministen ebenso wie Hocquenghem die Machtdimension der Geschlechterkategorie. Der sympathische Dekonstruktivismus der Polit-Tunte, der Weiblichkeit von den Frauenkörpern löst – worin ja tatsächlich ein Moment der Befreiung liegen kann –, wurde von dem Soziologen Martin Dannecker eher als Symptom des Leidens der Homosexuellen an ihrer Unterdrückung betrachtet,[7] während die Polit-Tunte für Hocquenghem neben zum Beispiel Gruppalisierung und Analsex ein revolutionäres Potenzial des schwulen Begehrens ausdrückt.[8] Und daher war es auch Hocquenghem, der im nun folgenden Tuntenstreit in der Berliner HAW zur Zielscheibe der Kritik wurde. Man warf ihm vor, die Homosexuellen zum neuen revolutionären Subjekt zu überhöhen und sie so gewissermaßen an die Stelle der Arbeiterklasse zu setzen.[9]

Aber es waren nicht nur die streng sozialistischen Schwulen, die Zweifel an Hocquenghems Optimismus äußerten. Schrieb die HAW der Homosexualität in ihrem Grundsatzpapier zwar eine gewisse Subversivität zu,[10] stand sie ideologisch doch eher unter dem Einfluss der Arbeiten von Martin Dannecker und Reimut Reiche. Dannecker hatte den Off-Ton des Films geschrieben, der die westdeutsche Homosexuellenbewegung mit auf den Weg gebracht hatte: Rosa von Praunheims Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt von 1971. Mit Der gewöhnliche Homosexuelle verfassten Dannecker und Reiche 1974 eine Pionierarbeit zur Situation homosexueller Männer in Westdeutschland, die sich eines freudo-marxistischen theoretischen Rahmens bediente.[11] Die Ergebnisse ihrer empirischen Studie fielen, im Vergleich zu Hocquenghems Einschätzung der Situation, deutlich pessimistischer aus. Danneckers Negativität schlug sich derart im Off-Ton des Films nieder, dass sie als Vorwand herhalten musste, den Film zunächst nicht auszustrahlen, angeblich aufgrund des Verdachts der Homophobie. Dannecker und Reiche machten sich keinerlei Illusionen über eine etwaige Prädisposition der Schwulen zur Revolution, auch wenn sie im Beharren auf der Differenz zwischen Schwulen und Heteros ein politisches Potenzial sahen.[12] Im Gegenteil attestierten sie den Homosexuellen im Vergleich zur Gesamtgesellschaft eine stärkere Angepasstheit und einen größeren Konservatismus. Aus Angst davor, totgeschlagen zu werden, passten sich, wie es im Film heißt, die Schwulen überdurchschnittlich stark an bürgerliche Gesellschaftsnormen an. Aus dieser Diagnose rührt das große Unverständnis gegenüber Hocquenghems Utopie eines schwulen revolutionären Subjekts. Und vielleicht muss diese Verzagtheit auch vor dem Hintergrund der Neuen Linken gelesen werden: Hocquenghem romantisierte die Schwulen so wie die französische Kommunistische Partei die Arbeiter als revolutionäres Subjekt verklärte – und das im Übrigen ja bis heute tut. In der westdeutschen Linken zog die Beteiligung der deutschen Arbeiterklasse an den nationalsozialistischen Verbrechen hingegen eine gewisse Reserviertheit gegenüber der These nach sich, dass eine objektive Situation der Ausbeutung notwendig ein revolutionäres Bewusstsein hervorbringe.

Sexuelle Befreiung mit Guy Hocquenghem

Aber was genau machte Hocquenghems Ansatz für die Feministen so attraktiv? Schließlich bewahrte auch Danneckers Perspektive die Hoffnung, dass Homosexualität etwas Transgressives innewohne, das einer radikalen Gesellschaftsveränderung förderlich sein könnte.[13] Der freudo-marxistische Hintergrund von Dannecker und Reiche lässt vermuten, dass sie die Homosexuellenunterdrückung mit Wilhelm Reich und Herbert Marcuse als Spezialfall der gesamtgesellschaftlichen Sexualunterdrückung im bürgerlichen Kapitalismus fassten. Sie gingen also davon aus, dass den „Perversionen“ insofern ein revolutionäres Potenzial innewohnte, als die herrschende Produktionsweise durch eine am Lustprinzip (statt am Leistungsprinzip) orientierte Politik überwunden werden könnte. Statt der Sublimierung der Sexualtriebe, aus welcher die kapitalistische Arbeit sich speise, könnte also eine an sexueller Lust orientierte gesellschaftliche Praxis zum leitenden Prinzip werden, was nicht nur die Subjekte glücklicher machen, sondern auch der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ein Ende bereiten könne. Institutionen wie die Familie und die sexuelle Monogamie müssten abgeschafft werden. Wenn sich Spuren dieses sexuellen Befreiungsdenkens bei Hocquenghem wiederfinden lassen, dann vor allem, weil es die generelle Folie ist, auf der die sogenannte sexuelle Revolution der 1960er-Jahre verhandelt wurde. Denn mit seinem Rückgriff auf das Denken von Gilles Deleuze und Félix Guattari, deren Anti-Ödipus[14] laut Hocquenghem das Standardwerk der neuen Homosexuellen-Bewegung hätte sein sollen, bricht er mit dem marxistisch inspirierten Aktivismus jener Zeit. Guattari schrieb als Herausgeber auch das Vorwort der von FHAR-Mitgliedern produzierten Nummer 12 der Zeitschrift Recherches („Drei Millionen Perverse“),[15] die kurz nach ihrer Veröffentlichung konfisziert wurde.

„Der Schwule und der Schizophrene sind nicht an sich Revolutionäre, oder gar die Revolutionäre der neuen Zeit! Wir sagen lediglich, dass er neben anderen auch der Ort eines größeren libidinösen Bruchs in der Gesellschaft sein oder werden kann, er kann einer der Punkte sein, wo die revolutionäre Begehrensenergie auftritt, zu welcher der klassische Aktivismus weiterhin keinerlei Verbindung hat.“[16]

Wenn hier auch eine Distanzierung von der marxistischen Linken („klassischer Aktivismus“) zum Ausdruck kommt, muss dennoch festgestellt werden, dass Marxist*innen und „Denker*innen des Begehrens“ in dem subversiven Potenzial, das sie der sexuellen Transgression zuschreiben, eine Schnittmenge haben. Daher kann beim Tuntenstreit auch nicht von einem ‚Kulturkonflikt‘ zwischen einem französischen und einem deutschen Ansatz die Rede sein, da die Konflikte und Bruchlinien auch den FHAR selbst durchzogen. Der Konflikt zwischen Feministinnen und Machos wurde bereits erwähnt, eine weitere wichtige Spaltung bestand zwischen Gauchist*innen[17] und Situationist*innen. Während Erstere der freudo-marxistischen Linie der HAW näherstanden, wollten die Situationist*innen mit deren Analysen und Politikformen brechen, nicht zuletzt auch wegen des Verrats der Gewerkschaften am Streik vom Mai 1968, als diese die Streikenden zurück in die Fabriken drängten.

Der Konflikt innerhalb des FHAR kann mit Hilfe seiner beiden Zeitschriften L'Antinorm und Fléau social illustriert werden: Während die L‘Antinorm als gauchistisch galt, wurde die Fléau social eher situationistisch verortet. Es liegt nahe, die Position der Polit-Tunten, die einen Zusammenhang zwischen Homosexuellen- und Frauenunterdrückung postulierten, eher in der situationistischen als der gauchistischen Zeitschrift zu suchen, da die studentische Linke, vor allem ihr marxistischer Teil, der neuen Frauenbewegung oftmals Spaltung vorwarf. In der L‘Antinorme finden sich jedoch deutlich mehr Artikel von und über Polit-Tunten als im Fléau social. Generell wurde Sexualpolitik wesentlich stärker in der gauchistischen L‘Antinorme diskutiert, während sich die situationistische Fléau social ab der zweiten Ausgabe einer Vielzahl anderer Themen annahm (Schule, Putsch in Chile, Streik in den LIP-Werken, der Israel-Palästina-Konflikt etc.). Patrick Cardon nennt das die „Enthomosexualisierung“ der Fléau social und zitiert hierzu die vierte Ausgabe, in der der Beitrag „Schluss mit dem Arsch“ eben jenen Bruch manifestiert:

„Wir haben uns absichtlich vom FHAR und anderen MLFs getrennt […] Nein, die Wirtschaft erklärt nicht alles, nein die Sexualität erklärt nicht alles, nein, das Begehren erklärt nicht alles, aber es ist nicht nur ein billiger Aphorismus, wenn man sagt, dass alles in allem enthalten ist. […] Den Sex vom Rest zu trennen heißt kastrieren. […] Wir müssen die Sexualität verneinen und unserem Begehren das Feld überlassen. […] Wir wollen alles, weil wir alles sind.“[18]

Betrachtet man die Themen, die in der Fléau social behandelt werden, lässt sich daraus schließen, dass Tunten, Frauen oder Homosexuelle in diesem „alles“ nicht mit eingeschlossen sind. Obwohl sie sich von den Gauchist*innen abgrenzen wollen, reproduzieren jene Situationist*innen also dieselbe Haupt- und Nebenwiderspruchslogik, in deren Resultat Frauen- und Homosexuellenthemen immer zu speziell sind, um Beachtung zu finden. Der Bezug auf Homosexualität ist ein komplett strategischer, wie sie selbst im dritten Heft erklären:

„So wie wir 68 alle deutsche Juden waren, so sind wir alle Homosexuelle, denn es ist den sogenannten homosexuellen Beziehungen eine gewisse Lusthaftigkeit und Erotisierung der zwischenmenschlichen Beziehung inne, eine gewisse Zärtlichkeit und eine Tendenz zur Gleichheit […].“[19]

Der Konflikt zwischen Gauchist*innen und Situationist*innen kann auch als eine Suchbewegung beschrieben werden, die eine Verbindung zwischen den Anforderungen der bürgerlichen Gesellschaft und dem (sexuellen) Leiden unter ihren Strukturen vermutet. Wie sollen diese Strukturen bezeichnet werden? Hocquenghem schlägt vor, von antischwulem Rassismus zu sprechen. Der in der Präfektur hinterlegte Namen des FHAR lautet dann, vermutlich auch angesichts der zu erwartenden institutionellen Homophobie, Front humaniste anti-raciste („Humanistische anti-rassistische Front“).[20] Um zu beschreiben, welche gesellschaftlichen Strukturen für das Leiden verantwortlich gemacht werden, musste ein völlig neues Vokabular geschaffen werden. Ein Vokabular, das oft schwer zu übersetzen ist, wie etwa „hétéroppression“ (Heterounterdrückung = Unterdrückung durch Heterosexualität), „hétéroflic“ (Heterobulle = Person, die Heterosexualität durchsetzt beziehungsweise gegen abweichendes Verhalten vorgeht) oder „homoflic“ (Homobulle = Person, welche andere Leute in die Kategorie „homosexuell“ und in dafür gesellschaftlich vorgesehene Strukturen und Subkulturen einsperren will).[21] In der ersten Publikation des FHAR wurde dieses Vokabular sogar in einem Glossar vorgestellt.[22]

Das schwule Begehren

In Das Homosexuellen Begehren versucht Hocquenghem, die multiplen Überlegungen der Bewegung in eine Theorie zu gießen. Sein Buch zeigt, dass sein Ansatz trotz der vorgeblichen Kritik am Patriarchat der strukturellen Frauenfeindlichkeit strenger Marxisten in nichts nachsteht. Hocquenghems Kritik des phallischen Sex, der gesellschaftlichen Aufteilung von Privatheit und Öffentlichkeit sowie von Aktivität und Passivität hat ihren Ursprung im feministischen Denken, was sie für Feministinnen also erst einmal einsichtig macht. Doch es ist der Anus, der als privatisierter Ort durch gruppalisierten Sex dem öffentlich konstituierten Phallus entgegengesetzt werden soll. „Von hinten gesehen sind wir alle Frauen, der Anus kennt keine Geschlechterdifferenz.“[23] Diese androzentrische Sicht auf sexuelle Lust ignoriert beispielsweise, dass ein wesentlicher Teil der Menschheit mit einer Klitoris ausgestattet ist, die für deren Lust mindestens ebenso wichtig ist. Bereits die zeitgenössische lesbische und feministische Kritik hatte dem FHAR seine Peniszentriertheit[24] und die generelle Fokussierung auf Männer vorgeworfen.[25] Heute und aufbauend auf den sex wars und der queeren Theorie schlösse die Forderung nach Lust für alle auch Menschen mit Klitoris und Vagina ein.

Hocquenghem stellt dem homosexuellen Begehren eine ödipalisierte Homosexualität gegenüber,[26] was gegen Identitätspolitiken wie jene der Gruppe Arcadie gerichtet war, die auf die gesellschaftliche Integration von Homosexuellen zielten. Wenn Hocquenghem sich, natürlich zu Recht, gegen die auch in Teilen des Feminismus präsente homophobe These ausspricht, dass die sexuelle Zurückweisung von Frauen auf eine Misogynie der Schwulen hindeute,[27] so ist die völlige Abwesenheit von Frauen in seinem Denken doch auffällig. Abgesehen von der Dankesrede an den MLF, dem er attestiert, eine Sexualisierung der Gesellschaft initiiert zu haben, die die revolutionäre Homosexuellenpolitik erst ermöglichte, und jenseits der Anrufung der „Frau“ als imaginärem Objekt der phallischen Sexualität, sind Frauen und Lesben in Hocquenghems Denken schlicht nicht vertreten. Kein einziger feministischer oder auch nur von einer Frau verfasster Text wird im Homosexuellen Begehren zitiert! Das homosexuelle Begehren ist als männliches konstruiert, weder lesbisches noch weibliches Begehren spielen eine Rolle. Die sogenannte „Anmach-Maschine“[28] illustriert ein weiteres Mal, dass der schwule Gelegenheitssex die revolutionäre Utopie verkörpert. Hier liegt auch der größte Unterschied zum Ansatz von Dannecker und Reiche. Am Ende von „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ sitzen die Schwulen nackt auf einer Matratze, aber sie vögeln nicht, sondern sie beginnen, miteinander zu reden, füreinander Sorge zu tragen, um ihre gesellschaftliche Situation zu verbessern und die Gesellschaft zu verändern. Die homosexuelle Utopie soll über den Bereich des anonymen Sex hinausgehoben werden. Es geht Dannecker um das Herstellen echter menschlicher Beziehungen und solidarischer Verhältnisse, was Sorgearbeit und Verbindlichkeit miteinschließt. Hocquenghems Ansatz ist hingegen der sogenannten anti-social thesis, die unter anderem von Lee Edelman vertreten wird, ähnlich. Sie nimmt homophobe Vorurteile, wie die Unmöglichkeit Kinder zu bekommen, auf und erklärt sie in einer no future-Haltung zum Prinzip.[29]

Hocquenghems Begehrenspolitik scheint damit dem Ansatz von Wilhelm Reich zunächst näher zu stehen als jenem von Freud, weil bei Freud Triebsublimierung für kulturelle Entwicklung unverzichtbar ist. Eine Annahme, die Reich und Marcuse, ebenso wie Hocquenghem, bestreiten. Doch hinter einer oberflächlichen Zurückweisung der Psychoanalyse und dem starken Bezug auf den Anti-Ödipus, ist die Freud’sche Psychoanalyse letztlich doch ein wesentlicher Bezugspunkt von Hocquenghems Theorie. Denn das Begehren ist bei Reich immer schon heterosexuell, während Freuds polymorph-perverser Begehrensbegriff deutlich mehr Offenheit für sexuelle Vielfalt bietet – auch wenn Hocquenghem Freuds Privatisierung der Sexualität in der Familie kritisiert.

Dass auch die Queere Theorie an Freuds Konzeptualisierung des Begehrens als polymorph-pervers anschloss, ist vielleicht ein Grund dafür, dass Hocquenghem als einer ihrer Vorläufer gilt.[30] Auf symbolischer Ebene scheint seine Art, Geschlecht und Sexualität zusammenzudenken, in der Tat mit der Queeren Theorie verwandt zu sein: Der Phallozentrismus wird zurückgewiesen, dezentrierte Lustpraktiken als revolutionär ausgewiesen und Geschlechteridentitäten hinterfragt, vor allem die Frau wird als Produkt einer symbolischen Ordnung betrachtet, die es zu bekämpfen gilt. Aber ist die Reduzierung der Frau auf ein Symbol, und damit ihr völliger Ausschluss aus der existierenden Welt, nicht gerade ein Merkmal frauenfeindlicher Philosophie? Luce Irigaray untersuchte in „Ce sexe qui n’en est pas un“[31] diese Ausschlussprozesse der Frau aus dem Sex und der Philosophie. So gesehen schreibt sich Hocquenghem bruchlos in die poststrukturalistische Tradition einer „Frauenphilosophie ohne Frauen“ ein, eine Theoriepraxis, welche Alice Jardine bereits in den 1980er-Jahren kritisierte.[32] Die Neutralität des Anus ist insofern androzentrisch, als sie körperliche Differenzen (die nicht zwingend binär sein müssen) verneint. In diesem Sinne führt Hocquenghems Das homosexuelle Begehren traditionelle Philosophie fort, statt den angekündigten Bruch zu vollziehen.

Hocquenghem ruft zur jähen Sexualisierung der Gesellschaft auf,[33] eine Strategie, welche die sexistische Gleichsetzung von Sexualität und Frau nicht begreift. Sie war es, die einen Teil des Feminismus dazu brachte, die Entsexualisierung der Gesellschaft zu fordern. Diese Entsexualisierung war auch eine Forderung Michel Foucaults,[34] der des Feminismus zwar ebenfalls unverdächtig ist, dessen Begriff von Sexualität als Machttechnologie sich für eine kritische Analyse von Geschlecht jedoch als nützlich erwiesen hat. Die Queere Theorie hat im Anschluss an Gayle Rubin teilweise mit der feministischen Strategie der Entsexualisierung gebrochen und auch eine relative Trennung von Geschlechter- und Sexualforschung gefordert. Diese Trennung hat – sicher auch durch den starken Einfluss der Arbeiten von Judith Butler – letztlich jedoch zu einer weitestgehenden Auflösung der Analyse- und Politkategorie Frau geführt.

Zwar lassen sich gewisse Parallelen zwischen der Queeren Theorie und Hocquenghems Denken nicht leugnen, doch machen Ansätze wie jene von Teresa de Lauretis, Heather Love, Lisa Duggan oder Ann Cvetkovich deutlich, dass die machtvolle Einschreibung von Geschlecht auch im Bereich der Sexualitäten Berücksichtigung finden muss, wenn die Queere Theorie nicht Komplizin des Androzentrismus werden will. Echter Dekonstruktivismus bleibt daher nicht, wie bei Hocquenghem, auf Androgynität beschränkt, sondern versteht Männlichkeiten und Weiblichkeiten auch in ihrer historischen und kulturellen Dimension als kontingent, intersektional und von Machtverhältnissen und Hierarchien durchzogen. Die feministischen sex wars, in deren Kontext Rubins Intervention zu verstehen ist, wollten keine Sexualisierung der Welt, ganz im Gegenteil, Rubin schrieb sogar: „Ich hoffe dass Sex eines Tages wirklich marginal ist.“[35] Es ging vielmehr darum, die Sexualität aus dem Zentrum der Geschlechteranalyse zu rücken und sie stattdessen als eigenständigen, aber auch nicht von Geschlecht völlig unabhängigen, Unterdrückungsvektor zu begreifen.

Sexuelle Befreiung heute

Was an Hocquenghem heute fasziniert, ist, dass er einen Zusammenhang zwischen kapitalistischer und homosexueller Unterdrückung herstellt und durch seine Offenheit gegenüber der Begehrens- und Differenzphilosophie eine radikale Alternative zum Freudomarxismus anbietet. Das homosexuelle Begehren von jenem imaginären System zu befreien, in welchem es ausgebeutet wird, ist Hocquenghem eine wesentliche Aufgabe auf dem Weg zur Zerstörung des Konkurrenz/Eifersucht-Systems, das er im Homosexuellem Begehren beschreibt.[36] Hocquenghem sieht einen Zusammenhang zwischen der Herstellung des Individuums, dem Geld, das es persönlich besitzt, und dem Anus. Die Herstellung der individuellen, privaten und schamhaften Person kommt ‚vom Arsch‘, die der öffentlichen Person hingegen ‚vom Phallus‘. „Der Anus ist individuell überbesetzt, weil er sozial unterbesetzt ist.“[37] Die Herstellung des Individuums geht auch an Homosexuellen nicht vorbei: „Der Kapitalismus macht seine Homosexuellen zu misslungenen Normalen, ganz wie er seine Arbeiter zu falschen Bourgeois macht.“[38] Die aus der Kritik an der Zwangsheterosexualität abgeleitete Familienkritik und die Hoffnung, im homosexuellen Begehren eine subversive Kraft ausgemacht zu haben, werden heute häufig als überkommen betrachtet. Die notwendige Thematisierung des Zusammenhangs zwischen Privateigentum, Erbschaft, Familienstruktur und Reproduktion sozialer Ungleichheit findet zum Beispiel bei Silvia Federici genauere Betrachtung als bei Hocquenghem.[39] Dessen Denken wirkt anziehend aufgrund seiner Forderung nach Lust, welche auch das bestehende Interesse an sexuellem Befreiungsdenken erklärt, und der Hoffnung, durch das Lustprinzip aus dem Gefängnis bürgerlich-kapitalistischer Zurichtung ausbrechen zu können. Dies bedürfte heute allerdings einer an Intersektionalität geschulten Aktualisierung, die über Hocquenghems gute Absichten hinausginge. Seine augenzwinkernde Bemerkung gegen die antirassistische Kampagne der 1980er-Jahre, „Fass meinen Freund nicht an“ (Touche pas à mon pote), welcher er erwiderte: „Wie schade, dass man im Kampf gegen Rassismus nicht anfassen soll, denn Dein Freund, weißt Du, der ist wirklich nicht schlecht“[40] ist zwar charmant, wird der Komplexität von strukturellem Rassismus und Kolonialität aber nicht gerecht.[41] An Hocquenghem fasziniert weiterhin sein Antikonformismus, der sich etwa zeigte, als er jene verhöhnte, die ihr Mao-Hemd gegen eine Mitgliedschaft im Rotary Club tauschten.[42] Aber wenn heute selbst Antikonformismus und Rebellion von Rechten vereinnahmt werden (siehe Querdenker), kann es da noch einen Zusammenhang zwischen Antikonformismus und Kritik oder Emanzipation geben? Und spielt sexuelle Befreiung heute noch eine Rolle für Vorstellungen gesellschaftlicher Emanzipation?

Bei Bini Adamczak sind es die Beziehungsweisen, und nicht nur die sexuellen, welche einer radikalen Veränderung unterzogen werden müssten, eine Forderung, die mit dem feministischen Ruf einer Umwertung und Umverteilung der Sorgearbeit zusammengehen könnte. Vielleicht ist wahrhafte Transgression nicht der männliche Ruf nach (sexueller) Autonomie, sondern eher die kollektive Aktion für gelebte Sorge, Liebe und Solidarität; gar nicht unähnlich jener, wie sie Dannecker in den ersten offen schwulen deutschen Film eingeschrieben hatte. Revolutionäre Liebe und revolutionärer Sex sollten Barrieren und Gefahren abbauen, welche Sex für viele auch heute noch beinhaltet. Sie wären eher auf größere Lust für alle ausgerichtet denn darauf, einander zu konsumieren.[43] Vielleicht ist das, was an Hocquenghems Denken heute noch beeindruckt, also ein Hauch von Anarchie,[44] das Bestreben, Lust und Begehren nicht in Kategorien einzusperren, und die Freiheit, uns nicht über unseren Sex zu definieren.

  1. Zum Beispiel bei Antoine Idier, Les vies de Guy Hocquenghem politique, sexualité, culture, Paris 2017. Die gleiche These wurde Anfang 2018 auch auf einer Veranstaltung im Schwulen Museum zur Neuübersetzung Hocquenghems vertreten.
  2. Dort konnte man lesen: „Wir sind mehr als 343 Schlampen, wir haben uns von Arabern in den Arsch ficken lassen, wir sind stolz drauf und wir würden es wieder tun.“ Tout! 12 (1971), S. 7. Vgl. dazu ausführlicher den Beitrag von Julian Volz in diesem Dossier.
  3. Vgl. Guy Hocquenghem, La parole au Fléau social. Groupe no. 5 du FHAR, in: Actuel 25 (1972), S. 9.
  4. Die Subversivität der Polit-Tunte wollte einigen Frauen nicht einleuchten, wollten sie sich doch gerade von solchen weiblichen Stereotypen befreien. Vgl. zum Beispiel HAW Frauengruppe, Lesbische homosexuelle Männer, in: HAW Info 15 (o.d.), S. 4. Dort heißt es: „Die Begründung mit der Provokation seh ich ein, obwohl ich einen Widerwillen habe zu sehen, daß Leute die Sachen wiederholen, die für mich und viele andere Frauen unerträglichen Zwang und gespaltene Identität bedeuten.“
  5. Vgl. Anastasia, Berlin 73 ou la récupération galopante, in: L’Antinorm 4 (1973), S. 3.
  6. Es handelt sich um eine Übersetzung in der Wiener Zeitschrift Neues Forum (Jahrgang 23, Heft 268, 1976).
  7. Im Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ von Rosa von Praunheim, zu dem Martin Dannecker den Text beisteuerte, heißt es: Tunten sind nicht so verlogen wie der spießige Schwule. Sie übertreiben ihre schwulen Eigenschaften und machen sich über sie lustig. Sie stellen damit die Normen unserer Gesellschaft in Frage und zeigen, was es bedeutet, schwul zu sein.“ Zitiert nach Patrick Henze, „Die lückenlose Kette zwischen Politik und Schwulsein aufzeigen.“ Aktivismus und Debatten in der Homosexuellen Aktion Westberlin zwischen 1971 und 1973, in: Volker Weiß / Andreas Pretzel (Hg.), Rosa Radikale. Die Schwulenbewegung der 1970er Jahre, Hamburg 2012, S. 133 f.
  8. „Die geschminkten ‚Tunten‘ (tantes) sind nicht ‚feminin‘, nicht daraus ziehen sie ihre antagonistische Kraft. […] Die ‚Tunten‘ wollen ebenso wenig Männer wie Frauen sein. Sie treiben die Decodierung des Begehrensstroms bis zum Äußersten.“ Aus: Guy Hocquenghem, Das homosexuelle Begehren, Hamburg 2019, S. 141.
  9. Vgl. Thorsten Graf / Mimi Steglitz, Homosexuellenunterdrückung in der bürgerlichen Gesellschaft, in: HAW (Hg.), Tuntenstreit. Theoriediskussion der Homosexuellen Aktion Westberlin, Berlin 1975, S. 35–68, hier S. 51.
  10. „Die praktizierte Homosexualität stellt bereits eine Durchbrechung der bürgerlichen Einschränkung des Sexualverhaltens [...] dar.“ HAW, Vorläufige Grundsatzerklärung, in: HAW Info 2 (1972), S. 1.
  11. Vgl. Martin Dannecker / Reimut Reiche, Der gewöhnliche Homosexuelle. Eine soziologische Untersuchung über männliche Homosexuelle in der BRD, Frankfurt am Main 1974.
  12. Vgl. Martin Dannecker, Gegen die Verleugnung der Differenzen, in: Pretzel / Weiß, Rosa Radikale, S. 29–32, hier S. 31 f.
  13. Das Verhalten der Homosexuellen ist objektiv eine Zersetzung der bürgerlichen Sexualmoral.“ Dannecker / Reiche zitiert nach: Graf / Steglitz, Homosexuellenunterdrückung in der bürgerlichen Gesellschaft, S. 41.
  14. Gilles Deleuze / Félix Guattari, Anti-Ödipus. Kapitalismus und Schizophrenie I, Frankfurt am Main 1974 [1972].
  15. Bernhard Dieckmann / François Pescatore (Hg.), Drei Milliarden Perverse, Berlin 1980.
  16. Vorwort von Félix Guattari in: Félix Guattari (Hg.), Trois milliards de pervers, La Bussière 2015 [1973], S. 3, meine Übersetzung. Das Vorwort ist in der deutschen Übersetzung von 1980 nicht enthalten.
  17. Wörtlich ließe sich gauchistes mit Linke übersetzen. Historisch sind damit jedoch jene Linke der Student*innen- und Arbeiter*innenbewegung von Mai ‘68 gemeint und auch wenn die Situationist*innen in manchen Hinsichten mit ihnen brechen, so gehen sie doch aus ihnen hervor und können nicht nicht-links oder gar als rechts verstanden werden. Das Verhältnis von Gauchist*innen und Situationist*innen ist vielleicht eher jenem zwischen Feminist*innen und Gauchist*innen vergleichbar: als eine Art Dissidenz.
  18. O.V., pour en finir avec le cul, in: Fléau social 4 (1973), S. 24, meine Übersetzung.
  19. O.V., i.h.r. de rien, in: Fléau social 3 (1973), S. 4, meine Übersetzung.
  20. Vgl. Jacques Girard, Le mouvement homosexuel en France 1945–1980, Paris 1981, S. 81–111. Ähnlich wie in Deutschland Vereine im Vereinsregister eingetragen werden, meldet man sie in Frankreich bei der Präfektur.
  21. Hocquenghem schreibt zum Beispiel in Das homosexuelle Begehren: „Die Herausbildung der Homosexualität als gesonderter Kategorie geht eng einher mit ihrer Unterdrückung.“ (S. 17).
  22. Unter der Überschrift „Unser Vokabular“, werden die Begriffe in der berühmten zwölften Ausgabe der Zeitschrift Tout! (1971), S. 6, erklärt. Das Glossar findet sich auch in der ersten offiziellen Publikation des FHAR, dem Rapport contre la normalité, Paris 1971.
  23. Hocquenghem, Das homosexuelle Begehren, S. 80. Anstatt von „Geschlechtsunterschied“ zu sprechen, wie es die deutsche Übersetzung vorsieht, behalte ich hier den Differenzbegriff bei, um die Verbindung zur Differenzphilosophie zu betonen – ebenso wie Paul B. Preciado in seinem Kontrasexuellen Manifest von 2000, der Hocquenghem dort ebenfalls, wenn auch nicht für diese Feststellung, zitiert.
  24. Vgl. Lu, Trois milliards de pervers (Compte-rendu), in: Cahiers du GRIF 4 (1974), S. 61.
  25. Vgl. O.V., Réponse des lesbiennes à leurs frères homosexuels, in: FHAR, Rapport contre la normalité, Paris, Champ Libre (1971), S. 80–82.
  26. Vgl. Hocquenghem, Das homosexuelle Begehren, S. 121.
  27. Vgl. Alice Schwarzer, Schwule – Freund oder Feind?, in: Emma 3 (1984), S. 24–30. Hocquenghem antwortet auf derartige Vorwürfe: „[W]as die Homosexuellen zurückweisen, ist nicht die Liebe zur Frau als besonderem Sexualobjekt, sondern das gesamte Subjekt-Objekt-System als Grundlage der Unterdrückung des Begehrens.“ Aus: Hocquenghem, Das homosexuelle Begehren, S. 134 f.
  28. Die Figur der Anmach-Maschine ist eine sexuelle Utopie bei der es um die Mehrstimmigkeit und Vielfalt von sexuellen Verbindungen jenseits geschlechtlicher Zuschreibungen geht, ein Modell, welches bei Hocquenghem jedoch im Wesentlichen auf schwulem Cruising aufbaut und das die geschlechtlich konstruierten Räume und Praktiken und damit auch Einschränkungen wie zum Beispiel Sexismus ausblendet (vgl. Hocquenghem, Das homosexuelle Begehren, S. 121 ff. Dort ist machine de drague als „Cruisingmaschine“ übersetzt).
  29. Vgl. Lee Edelman, No Future: Queer Theory and the Death Drive, Durham 2004.
  30. Vgl. auch Gary Genosko, The Figure of the Arab in Three Billion Perverts, in: Deleuze Studies 1 (2007), 1, S. 76.
  31. Luce Irigaray, Ce sexe qui n’en est pas un, Collection ‘Critique’, Paris 1977. „Das Geschlecht, das nicht eins ist” ist die übliche deutsche Übersetzung, in welcher leider der Akzent auf der Einheit liegt und nicht auf der Unmöglichkeit. Die Aussage meint also eigentlich: das Geschlecht, das keins ist, oder das nicht ist.
  32. Vgl. Alice Jardine, Gynésis. Configurations de la femme et de la modernité, Perspectives Critiques, Paris 1991.
  33. Vgl. Hocquenghem, Das homosexuelle Begehren, S. 141.
  34. Vgl. Michel Foucault, Ein Interview. Sex, Macht und die Politik der Identität, in: Ders., Schriften in vier Bänden. Dits et Écrits. Band IV. 1980–1988, S. 909–924. Foucault spricht dort von der „Desexualisierung der Lust“ (ebd., S. 913)..
  35. Gayle Rubin, Deviations. A Gayle Rubin Reader, Durham 2011, S. 32, meine Übersetzung.
  36. Vgl. Hocquenghem, Das homosexuelle Begehren, S. 87.
  37. Vgl. ebd., S. 74. Ich habe hier das „unbesetzt“ der dt. Übersetzung in „unterbesetzt“ verändert, weil der Anus natürlich gesellschaftlich negativ besetzt ist. Hocquenghem spricht von „unterinvestiert“, im Sinne eines sexuellen Gebrauchs des Anus und nicht einer gesellschaftlichen Anschauung desselben.
  38. Ebd., S. 70 f.
  39. Vgl. Silvia Federici / Leopoldina Fortunati, Il grande Calibano: storia del corpo sociale ribelle nella prima fase del capitale, Mailand1984.
  40. Guy Hocquenghem, Touche pas à mon pote! (1995), in: Chimères. Revue des Schizoanalyses, 69 (2008/9), S. 93–94, meine Übersetzung. Zur merkwürdigen Diskussion über „Araber“ im FHAR, siehe u.a. Genosko, The Figure of the Arab in Three Billion Perverts.
  41. Vgl. auch den Beitrag von Julian Volz in diesem Dossier.
  42. Vgl. Guy Hocquenghem, Lettre ouverte à ceux qui sont passés du col Mao au Rotary, Paris 1986.
  43. Zu Liebe in der Schwulenbewegung vgl. Mike Laufenberg, An Army of Lovers Cannot Lose, in: Käthe von Bose u.a. (Hg.), I is for Impasse. Affektive Queerverbindungen in Theorie_Aktivismus_Kunst, Berlin 2015, S. 61–72.
  44. Vgl. Hocquenghem, Das homosexuelle Begehren, S. 144.

Kategorien: Feminismus Gender Körper Philosophie Politik

Cornelia Möser

Cornelia Möser ist Wissenschaftlerin am CNRS im Zentrum für soziologische und politologische Forschung Paris (CRESPPA) und assoziierte Forscherin am Centre Marc Bloch Berlin. Sie forscht zu sexuellen Politiken, feministischen Übersetzungen, materialistischen Theorien, queer/feministischer Staatskritik und Intersektionalität.

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