Hans-Peter Müller | Rezension |

Weltberühmt und unbekannt? Max Weber im 21. Jahrhundert

Rezension zu „Max Weber revisited: Zur Aktualität eines Klassikers“ von Ulrich Bachmann und Thomas Schwinn (Hg.)

Ulrich Bachmann / Thomas Schwinn (Hg.):
Max Weber revisited. Zur Aktualität eines Klassikers
Deutschland / Schweiz
Weinheim / Basel 2023: Beltz Juventa
382 S., EUR 38,00
ISBN 978-3-7799-7612-7

Es scheint paradox: Einerseits rückt Max Weber mit der Zeit immer weiter nach vorn, wenn es darum geht, den berühmtesten soziologischen Klassiker zu bestimmen.[1] Seine überragende Bedeutung für das Fach drückt sich dabei in einer nicht nachlassenden Breite und Tiefe der internationalen Sekundärliteratur aus. Nach wie vor wird unverdrossen zu allen möglichen Facetten des Weberschen Werkes geforscht. Freilich, die Sekundärliteratur arbeitet größtenteils über, in den seltensten Fällen mit Weber. Dennoch lässt sich mit viel gutem Willen von einem Weber-Paradigma sprechen,[2] zumal auch die Rational Choice-Theorie ihn als einen ihrer Gründerväter ansieht.[3]

Andererseits gibt es keine Weberianische Soziologie, bestenfalls – und auch das nur vereinzelt – eine Soziologie im Anschluss an Max Weber.[4] Es scheint, als ob der größte Klassiker nur noch ein bekannter Name ist, allenfalls eine historische Figur in der Geschichte des Faches. Forschung, die auch nur annähernd seinem Problemhorizont entsprechen oder wenigstens einzelne Linien seines Denkens aufnehmen und weiterführen würde, gibt es nicht mehr. Weber kann also als Begründer eines Paradigmas gelten, zu dem es heute keine daran anschließende Forschung mehr gibt. Was für ein Gegensatz: Der Soziologe Max Weber ist weltberühmt, das Potenzial seiner Arbeiten für die heutige Forschung aber weitgehend unbekannt.

Es ist dieser paradoxe Befund, von dem Ulrich Bachmann und Thomas Schwinn, die Herausgeber des Bandes zur Aktualität Max Webers, ihren Ausgang nehmen. In ihrer instruktiven Einleitung unterscheiden sie analytisch vier Weisen des Umgangs mit dem Klassiker Weber. Erstens kann man ihn einfach vergessen oder beharrlich ignorieren. Schließlich ist sein Werk durch den heutigen Forschungsstand ohnehin längst überholt. Zweitens kann man Weber für eine Theoriegeschichte in systematischer Absicht nutzen,[5] wie das Wolfgang Schluchter im Anschluss an Talcott Parsons und Jürgen Habermas vorgeführt hat. Allerdings macht ein solcher Ansatz nur dann Sinn, wenn man eine Konvergenzthese vertritt, bei der die eigene Alternative am Ende an die Spitze des Theoriefortschritts tritt. Parsons hat dazu den Entwurf einer Theorie des voluntaristischen Handelns vorgelegt,[6] Habermas den zu einer Theorie des kommunikativen Handelns.[7] Schwieriger wird die Lage, wenn man wie Schluchter eine Divergenzthese verficht, denn das geht nur in Verbindung mit der Behauptung, dass Webers Paradigma alle konkurrierenden Alternativen überstrahlt.[8] Drittens, und ohne dass es einer solchen analytischen Sisyphos-Arbeit bedarf, kann man sich in einer Ideen- und Theoriegeschichte der Klassiker üben und die berühmten Vorläufer des Faches vorstellen.[9] Fehlt ein leitender Gesichtspunkt,[10] wird einfach die bereits in ihren Anfängen vorhandene Vielfalt der Disziplin vorgeführt. Viertens schließlich bleibt die Möglichkeit, sich der durchaus interessanten Biografie Max Webers zuzuwenden, die gerade in den letzten Jahren eine Fülle von Interpreten gefunden hat.[11] Interessant scheinen in diesem Zusammenhang insbesondere Webers Krankheit und die erotischen Verstrickungen, in die sich der angeblich so asketische Wissenschaftler gestürzt hat.

Vor dem Hintergrund dieser von den Herausgebern so genannten „Weber-Industrie“ (S. 22) fragen sie nach der Aktualität und der Anschlussfähigkeit des Weberschen Werkes. Auf die Antwort darf man gespannt sein, hat doch mit Thomas Schwinn einer der Herausgeber an anderer Stelle bereits Webers „Klassikerdämmerung“[12] beschworen.

Die Herausgeber gliedern ihren Sammelband in zwei Teile: „1. Max Weber und die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts“ (S. 25–196) und „2. Max Weber in der Welt“ (S. 197–377). Im ersten Teil werden die wichtigsten Wertsphären und Lebensordnungen, wie Weber die gesellschaftlichen Bereiche genannt hat, durchdekliniert und auf ihre Anschlussfähigkeit hin abgeklopft: Kapitalismus, Religion, Wissenschaft, Politik. Zudem wird seine überwölbende Rationalisierungsthese auf ihre Anwendbarkeit unter heutigen Bedingungen geprüft. Den Anfang macht Johannes Berger, der die Frage nach dem „entfesselten Kapitalismus“ aufwirft. Mit dem Begriff meint er weder die historische Befreiung des Kapitalismus aus feudalen Banden noch das kontinuierliche Wirtschaftswachstum oder die mit dem gesellschaftlichen Wandel verbundenen Veränderungen der Lebensführung. Vielmehr geht es Berger im Anschluss an Weber um die Freisetzung von motivationalen Leistungsressourcen im Kapitalismus und die Möglichkeit seiner Einhegung durch Recht und Politik im Rahmen eines rationalen Kapitalismus. Ähnlich wie Weber prophezeit auch Berger dem Kapitalismus eine frohe Zukunft, weil er keine alternative Wirtschaftsform sieht, die in der Lage wäre, eine ähnlich gute Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Leistungen sicherzustellen. Im nachfolgenden Beitrag setzt sich Hans Joas kritisch mit Max Webers Entzauberungsthese auseinander, wie er es auch schon an anderer Stelle getan hat.[13] Er bemängelt Webers teleologischen Duktus, der den Eindruck erwecke, dass „Entzauberung“ ein unwiderrufliches Schicksal sei. Freilich war das keineswegs Webers These,[14] sondern ähnlich wie Durkheim hielt auch er eine Renaissance des Religiösen nicht für ausgeschlossen, wenn auch eher für unwahrscheinlich. Ein ähnlich strenges Urteil wie Joas fällt auch Peter Weingart mit Blick auf Webers Aufsatz „Wissenschaft als Beruf“. Demnach haben sich die Wissenschaftsorganisation und das professionelle Expertenwesen seither so grundlegend verändert, dass Webers essentialistisches Wahrheitsverständnis nicht mehr zeitgemäß sei. Immerhin gesteht er Weber zu, dass Evidenz und Objektivität auch heute noch notwendig seien, um etwa Fake News zu entlarven. Mit Webers Klassiker „Politik als Beruf“ beschäftigt sich Philip Manow, der mit den darin entwickelten Vorstellungen von Politik und Demokratie allerdings herzlich wenig anfangen kann.[15] Im Gegenteil: Manow zufolge hat Weber mit der „plebiszitären Führerdemokratie als Erblast“ (S. 108) der Führerideologie des Nationalsozialismus[16] unfreiwillig vorgearbeitet. Ganz anders argumentiert Kari Palonen, der sich sein Leben lang in immer neuen Anläufen mit Webers politischer Soziologie auseinandergesetzt hat. In einem Gedankenexperiment geht er der Frage nach, wie Weber wohl zur Europäischen Union gestanden hätte. Als Anknüpfungspunkt dienen ihm dabei Webers Bemerkungen zum Völkerbund, die er benutzt, um Parallelen in die Gegenwart zu ziehen. Palonen zufolge hätte der supranationale Entwicklungstrend der EU in Weber höchstwahrscheinlich einen scharfen Kritiker gefunden. Äußerst aufschlussreich und deshalb besonders hervorzuheben sind schließlich die Beiträge von Bettina Heintz, die Überlegungen zur „Gesellschaft der Algorithmen“ anstellt, und Uwe Vormbusch, der Reflexionen zur „Soziologie der Quantifizierung“ präsentiert. In ihren Beiträgen zeigen sie auf spannende Weise auf, inwiefern Weber mit seiner Rationalisierungsthese Algorithmen mit ihren Prozessen der „Standardisierung, Formalisierung und Zergliederung“ (S. 77) vorweggenommen und die Grundlagen für eine Soziologie der Quantifizierung gelegt hat.

Den Schluss des ersten Teils bilden Ingrid Gilcher-Holteys kluge Überlegungen zur „Gefährtenehe“ von „Max und Marianne“, in denen sie unter dem Stichwort „Eros und Revolution“ auch Webers erotische Verhältnisse sachlich schildert, sowie eine von Gangolf Hübinger moderierte Diskussionsrunde, in der Jürgen Kaube, Dirk Kaesler und Wolfgang Schluchter sich über Weber als Interpreten der Moderne verständigen.[17] Während Kaesler Weber rein historisch einordnet und Schluchter konzediert, dass Weber viele der späteren Entwicklungen einfach nicht voraussehen konnte, erblickt Kaube in den Grundstrukturen der Moderne durchaus Kontinuitäten zwischen damals und heute. Als Fazit lässt sich in Sachen Aktualisierbarkeit festhalten: Berger, Heintz, Palonen, Vormbusch, Schluchter und Kaube sehen dafür entsprechende Anknüpfungsmöglichkeiten, Joas, Weingart und Manow hingegen nicht.

Die Beiträge des zweiten Teils widmen sich der globalen Weber-Rezeption. Alan Sica, ein ausgewiesener US-amerikanischer Weber-Spezialist, der unlängst ein weiteres fundiertes Handbuch[18] veröffentlicht hat, spart nicht mit Kritik an der englischsprachigen Weber-Rezeption, der er einen oberflächlichen und instrumentellen Umgang mit ihrem Protagonisten und dessen Werk attestiert. Man benutze Weber als „Zugpferd“, um dann seine eigene Soziologie durch die Bezugnahme auf ihn zu adeln. Carlos Eduardo Sell zeichnet ein diametral entgegengesetztes Bild der luso-brasilianischen Moderne, die Weber wesentliche analytische Erkenntnisse verdanke – ein Befund, dem ich aus eigener Erfahrung nur zustimmen kann, denn die brasilianischen Doktoranden in Berlin zeigten sich mit Weber wohlvertraut und wussten sein Instrumentarium auf eigene Fragestellungen kreativ anzuwenden. Um Webers Verständnis des Islam geht es im Beitrag von Gudrun Krämer, die zu einem abgewogenen Urteil kommt. Zwar zeigt sie, dass Weber, der sich allein auf sekundäre Quellen stützte, vom Stand der heutigen Forschung aus so manches falsch gedeutet hat, etwa die Kadi-Justiz oder den Sufismus. Dennoch gesteht sie ihm zu, mit dem Zusammenhang von Religion und Lebensführung wichtige Impulse zur Problematik eines muslimischen Puritanismus gegeben zu haben. Außerdem könne Weber „den Mut zu den großen Fragen befördern, das Ringen um begriffliche Klarheit, die Freude an der Differenzierung und die Lust auf fachübergreifende Lektüre“ (S. 255). Anschließend thematisiert Alexander F. Filippov die Weber-Rezeption in Russland. Wie stets, ist die Gretchenfrage die nach den auf Russisch verfügbaren Texten. Filippov zufolge spielt Weber in jüngerer Zeit eine Rolle in der Auseinandersetzung mit dem Konzept eines zentralistischen Staatskapitalismus. Webers Rolle in Japan beleuchtet Masahiro Noguchi. Neben Marx war Weber stets das Zentralgestirn, um das alle Arbeiten zur Geschichte und Entwicklung Japans kreisten. Noguchi konzentriert sich auf den Begriff des Ethos, um die Mängelthese zu widerlegen, Japan habe die religiöse Grundlage für den Kapitalismus gefehlt. Po-Fang Tsai und Florian Roetz diskutieren die Rolle Webers in China. Ausgehend vom „Weber-Fieber“ der 1980er- und 1990er-Jahre unternimmt Tsai eine detaillierte Rekonstruktion der Rezeption, und plädiert mit Blick auf die Zukunft für eine stärkere Kooperation zwischen Soziologie und Historiografie. Roetz hingegen macht sich mit Hegel und Weber am Beispiel der Subjektivität, die in seinen Augen „die Bedingung moderner Freiheit“ (S. 320) ist, grundsätzliche Gedanken zum Verhältnis von „Tradition und Moderne in China“. Den Schlussakkord setzt Thomas Schwinn, der in seinem abschließenden Beitrag sowohl die vergangene als auch die aktuelle Weber-Forschung einer eingehenden Betrachtung unterzieht und dabei zu einem ambivalenten Urteil gelangt. Zwar laufe die Weber-Industrie wie geschmiert weiter, aber der Impactfaktor des Klassikers in der Forschung sinke kontinuierlich. Erschwert werde die Rezeption zudem durch die stark politisierten und normativ aufgeladenen Studies-Programme, die zum Generalangriff auf die alten weißen Männer blasen und gegen Weber – ähnlich wie zuvor schon gegen Kant und andere – unreflektierte Rassismusvorwürfe[19] erheben würden. Eine solche Anklage, auch wenn sie schief bis falsch ist, reicht oftmals schon aus, um den betreffenden Autor aus dem Curriculum zu entfernen. Wäre dies das Schlusswort, hätte die von Schwinn befürchtete Klassikerdämmerung in der Tat bereits eingesetzt. Doch zeigen gerade die Beiträge dieses vielseitigen Bandes, dass das letzte Stündlein für Max Weber noch lange nicht geschlagen hat. Wer sich ungestört von politischen oder normativen Vorlieben für gute Soziologie interessiert, mit deren Hilfe sich Ausschnitte der sozialen Welt erklären lassen, wird auch in Zukunft genügend Gründe haben, um zu Weber zu greifen. Um seine Schriften mit Gewinn zu studieren, muss man kein Soziologe sein, hatte Weber selbst doch diesem Fach nie recht über den Weg getraut. Die Wiederbesichtigung des Klassikers Weber, zu der die Herausgeber mit diesem Band einladen, lohnt sich für alle, die sowohl gegenwärtig als auch zukünftig mit und über Weber arbeiten.

  1. In einer kleinen Studie haben Pablo Beytia und ich anhand des Studiums der Wikipedia-Biografien herausgefunden, dass Max Weber und Karl Marx als die bei weitem bekanntesten soziologischen Klassiker weltweit gelten können. Bedenkt man, dass die Datensätze zwischen Soziologie und Sozialismus nicht trennscharf unterscheiden können, dürfte Max Weber weltweit die unangefochtene Nr. 1 sein. Siehe Pablo Beytiá / Hans-Peter Müller, Towards a Digital Reflexive Sociology: Using Wikipedia’s Biographical Repository as a Reflexive Tool, in: Poetics 95 (2022), 6, 101732.
  2. Gert Albert et al., Das Weber-Paradigma. Studien zur Weiterentwicklung von Max Webers Forschungsprogramm, Tübingen 2003.
  3. Vgl. Hartmut Esser, Soziologie. Allgemeine Grundlagen, Frankfurt am Main / New York 1993.
  4. So Wolfgang Schluchters Formulierung. Ders., Handlung, Ordnung, Kultur. Studien zu einem Forschungsprogramm im Anschluss an Max Weber, Tübingen 2005.
  5. Wolfgang Schluchter, Grundlegungen der Soziologie. Eine Theoriegeschichte in systematischer Absicht, 2 Bde., Tübingen 2009.
  6. Talcott Parsons, The Structure of Social Action, with a New Introduction, 2 Bde., New York / London 1968.
  7. Jürgen Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, 2 Bde., Frankfurt am Main 1981.
  8. Vgl. Hans-Peter Müller / Steffen Sigmund (Hg.), Theoriegeschichte in systematischer Absicht. Wolfgang Schluchters „Grundlegungen der Soziologie“ in der Diskussion, Tübingen 2017.
  9. Das bekannteste Beispiel ist wohl Raymond Aron, Hauptströmungen des klassischen soziologischen Denkens, 2 Bde., Reinbek bei Hamburg 1979. In systematischer Hinsicht verdienstvoll ist Dirk Kaesler, Klassiker der Soziologie, 2 Bde., 5. Aufl., München 2006.
  10. Ein möglicher leitender Gesichtspunkt kann etwa das zeitdiagnostische Potenzial der Klassiker zur Erklärung der Moderne sein. Siehe Hans-Peter Müller, Krise und Kritik. Klassiker der soziologischen Zeitdiagnose, Berlin 2021.
  11. Siehe dazu Dirk Kaesler, Max Weber. Preuße, Denker, Muttersohn. Eine Biographie, München 2014; Jürgen Kaube, Max Weber. Ein Leben zwischen den Epochen, Berlin 2014; und Joachim Radkau, Max Weber. Die Leidenschaft des Denkens, München 2005.
  12. Siehe Thomas Schwinn, Klassikerdämmerung. 100 Jahre Max Weber im Kontext der Soziologiegeschichte und des aktuellen Zustandes unserer Disziplin, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 72 (2020), S. 351–381.
  13. Siehe seine große Studie Die Macht des Heiligen. Eine Alternative zur Geschichte der Entzauberung, Berlin 2017.
  14. Auch Johannes Weiß hielt die „Wiederverzauberung der Welt“ in allen möglichen neoromantischen Formen für möglich. Ders., „Wiederverzauberung der Welt“, in: Vernunft und Vernichtung. Zur Philosophie und Soziologie der Moderne, Opladen 1993, S. 96–112.
  15. Ärgerlich nur, dass ausgerechnet einem der profiliertesten Politikwissenschaftler in Deutschland der alte Fehler sekundäranalytischer Kenntnis von Weber unterläuft und er ungeprüft vom „eisernen Gehäuse der Hörigkeit“ (S. 104 und S. 107) spricht. Parsons hatte Webers „ehernes Gehäuse der Hörigkeit“ etwas schief als „iron cage“ übersetzt und so machte sich der falsche amerikanische Transfer auch hierzulande breit. Diesen Fehler hätten die Herausgeber Philipp Manow nicht durchgehen lassen dürfen.
  16. Das ist die alte These von Wolfgang J. Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik, 1890–1920 Tübingen 1959. Mit jeder Neuauflage dieses Standardwerks zu Webers Politikverständnis – die zweite Auflage erschien 1974, die dritte Auflage 2004 – wurde diese schiefe These von ihm stark abgeschwächt. Nun legt sie Manow wieder auf, wenn auch auf der dürftigen Werkgrundlage von „Politik als Beruf“. Vgl. dagegen Hans-Peter Müller, Max Weber. Eine Spurensuche, Berlin 2020, S. 182–237, vor allem S. 227 ff., um zu verstehen, warum Weber Demokratie herrschaftssoziologisch und nicht demokratietheoretisch denkt.
  17. Für eine profunde, von den damaligen Granden der Geschichts- und Sozialwissenschaften verfasste Bestandsaufnahme dieser Problematik siehe Christian Gneuss / Jürgen Kocka (Hg.), Max Weber. Ein Symposion, München 1988. Dieser Band sollte rasch wieder aufgelegt werden.
  18. Alan Sica (Hg.), The Routledge International Handbook on Max Weber, London / New York 2023.
  19. Bevor man einen derartigen Vorwurf erhebt, sollte man sich fragen, warum der angebliche Rassist Weber vor dem Begriff der „Rasse“ warnt, und der vermeintliche Nationalist vor dem Begriff der „Nation“. Siehe dazu Hans-Peter Müller, „Rasse“ und „Nation“ – Max Weber als politischer Denker, in: Leviathan. Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaft 48 (2020), 4, S. 548–571.

Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Karsten Malowitz.

Kategorien: Geschichte der Sozialwissenschaften Gesellschaftstheorie Kapitalismus / Postkapitalismus Moderne / Postmoderne Politik Religion Staat / Nation Wissenschaft

Hans-Peter Müller

Prof. Dr. Hans-Peter Müller ist Professor für Allgemeine Soziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Arbeitsgebiete umfassen u. a. klassische und moderne Sozialtheorie, Sozialstruktur und Soziale Ungleichheit, Kultur und Lebensführung.

Alle Artikel

PDF

Zur PDF-Datei dieses Artikels im Social Science Open Access Repository (SSOAR) der GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften gelangen Sie hier.

Empfehlungen

Insa Pruisken

Die Entwertung der Werte?

Rezension zu „Nihilistic Times. Thinking with Max Weber“ von Wendy Brown

Artikel lesen

Anselm Doering-Manteuffel

Die Häutungen des Leviathan

Rezension zu „The Project-State and Its Rivals. A New History of the Twentieth and Twenty-First Centuries“ von Charles S. Maier

Artikel lesen

Newsletter