Wolfgang Knöbl | Portrait |

Zygmunt Bauman, die britische Soziologie – und Maggie Thatcher

Eine intellektuelle Laufbahn unter dem Einfluss neokonservativer Politik

Es ist vielleicht nicht angebracht, einen Artikel über Zygmunt Bauman mit einer Überschrift zu versehen, die den Soziologen auch nur entfernt mit der ehemaligen britischen Premierministerin in Zusammenhang bringt. Doch reicht ein flüchtiger Blick in Baumans Texte, um die Idee einer möglichen intellektuellen Nähe zwischen Thatcher und Bauman sofort ad absurdum zu führen. Der Titel soll vielmehr auf einen ganz anderen Zusammenhang verweisen: Stärken wie Schwächen des Baumanschen Werkes (und auch die Wirkungen, die es ausgeübt hat) lassen sich nur vor dem Hintergrund jener Verwerfungen erkennen, die der buchstäbliche Einbruch neokonservativer Politik am Ende der 1970er Jahre im intellektuellen Leben Großbritanniens hinterlassen hat.

Zygmunt Bauman gehört zu jener Generation osteuropäischer Intellektueller, welche die großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts noch am eigenen Leibe verspürt haben. Für sie ist die Soziologie keine Karriere gewesen, sondern eine vergleichsweise späte »Berufung«, die aufgrund hochgradig komplexer und zumeist tragischer Lebenserfahrungen erfolgte. 1925 im polnischen Poznan' geboren, wird Bauman aufgrund der Flucht seiner Eltern vor den Deutschen in die Sowjetunion verschlagen, wo er sich der Armee anschließt, um gegen die Nazi-Herrschaft zu kämpfen. Nach dem Ende des Kriegs macht er in den Streitkräften des kommunistischen Polens Karriere, bevor er 1953 aufgrund antisemitischer »Säuberungen« entlassen wird. Die Hinwendung zu den Sozialwissenschaften beginnt und damit eine erstaunlich erfolgreiche akademische Laufbahn, die ihn 1964 auf den Lehrstuhl für allgemeine Soziologie an der Warschauer Universität führt. Baumans dortige Lehrtätigkeit dauert allerdings nicht allzu lange, denn schon 1968 zwingt man ihn, wiederum im Umfeld antisemitischer »Säuberungen«, aber durchaus auch aufgrund seiner politischen Oppositionshaltung unter dem Gomulka-Regime, die Universität zu verlassen.

Baumans intellektuelle Position während dieser Zeit in Polen läßt sich nur sehr grob und undeutlich mit dem Stichwort eines »marxistischen Revisionismus« fassen. Philosophisch enorm belesen, war er wie viele andere osteuropäische Intellektuelle auch von Gramsci beeinflußt, dessen Texte als phänomennahe Kritik am real-existierenden sozialistischen Partei- und Gesellschaftsmodell gelesen wurden. Soziologisch hinterließ Stanislaw Ossowski, der ja auch in der klassentheoretischen Diskussion der westlichen Soziologie der 1960er und 1970er Jahre eine gewisse Rolle gespielt hat, den wahrscheinlich größten Eindruck auf Bauman. Insofern ist es kaum verwunderlich, wenn Baumans Forschungsinteressen tets der Klassenanalyse und der Untersuchung von Eliten galten. In diesem Themenfeld legte er seine wichtigsten Veröffentlichungen vor, so ein Buch zur Geschichte der britischen Arbeiterbewegung, das freilich erst sehr viel später ins Englische übersetzt werden sollte (»Between Class and Elite: The Evolution of the British Labour Movement. A Sociological Study«, 1972).

Im Handgepäck ein marxistisch-humanistisches Wissenschaftsverständnis und ein ausgefeiltes klassentheoretisches Instrumentarium, gelangt Bauman nach seiner Emigration aus Polen über verschiedene akademische Stationen in Israel und Australien schließlich 1971 auf einen Lehrstuhl für Soziologie an der University of Leeds. Dort war er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1990 tätig. Die britische Soziologie der frühen 1970er Jahre bietet nach ihrer massiven Expansionsphase in den 1960ern kein wirklich übersichtliches Bild, worin sie sich allerdings nicht allzusehr von anderen europäischen Soziologien unterscheidet. Die lange Zeit sehr stark in den Vordergrund gerückte konflikttheoretische und weber-marxistische Soziologie um John Rex und David Lockwood erhält Konkurrenz durch andere Marxismen, vor allem durch neue, überwiegend aus den USA kommende Ansätze wie die Ethnomethodologie und den Symbolischen Interaktionismus. Bauman kann sich nun aufgrund seiner breiten philosophischen Bildung problemlos in diese Diskussion einschalten. Mit »Hermeneutics and the Social Sciences. Approaches to Understanding« (1978) macht er sich etwa zur gleichen Zeit wie Anthony Giddens in der englischsprachigen Soziologie einen Namen als ein Autor, der unterschiedlichste philosophische und soziologische Theorieansätze mit souveränem Zugriff zueinander in Beziehung zu setzen versteht, zumal er auch die deutsche Diskussionslage dieser Zeit überblickt. Daneben bleibt der klassentheoretische Fokus vieler seiner Arbeiten durchaus erkennbar; die Arbeiterschaft ist in den 1970er Jahren für Bauman bevorzugtes Untersuchungsobjekt, auch deshalb, weil er in diese Arbeiterklasse noch immer seine normativen Hoffnungen auf eine bessere, humanere Gesellschaft setzt.

Doch dann betritt Margaret Thatcher die Bühne! Der Sieg der Konservativen bei den Unterhauswahlen im Jahre 1979 und vor allem die Wiederwahl Thatchers bringen innerhalb der britischen intellektuellen Szene und insbesondere auf seiten der Linken ebenjene schon angesprochenen Verwerfungen hervor, die sich unmittelbar auch in der Soziologie abbildeten. Selbstverständlich fielen die Reaktionen vielfältig aus, doch sind nicht alle gleichermaßen fruchtbar gewesen. Ein noch weitergehender Rückzug in die bloße Empirie war ebenso zu beobachten wie ein tiefes Eintauchen in die Geschichte der westlichen Gesellschaften, was zur Geburt der britischen Historischen Soziologie führte, die sehr stark komparativ verfuhr. Eine dritte Reaktion ist die Abwendung von den konkreten gesellschaftlichen (oder auch historischen) Phänomenen und Problemen gewesen mit der Hinwendung zu eher »luftigen« und wenig greifbaren Themen – zum Thema »der« Moderne, zur Problemstellung der teilweise hochgradig spekulativ formulierten Zeitdiagnose. Für die traditionell eher empirisch ausgerichtete britische Soziologie war diese Art der Reaktion sicherlich neu und überraschend, doch läßt sie sich beim damals wie heute bekanntesten britischen Soziologen Anthony Giddens ebenso ablesen wie bei einer ganzen Reihe anderer Kollegen: Während Giddens noch Mitte der 1980er Jahre den »Historischen Materialismus« zeitgemäß rekonstruieren und in diesem Zusammenhang die Analyse von Klassen und Nationalstaaten auf neue Grundlagen stellen will, wird sein Programm seit den späten 1980ern immer wolkiger – nun avancieren die Moderne an sich und moderne Identitäten zum Untersuchungsgegenstand. Teile der britischen Soziologie (aber dieser Schritt wurde natürlich auch andernorts vollzogen, wohl deshalb, weil der Sieg des Neo-Konservatismus kein regional britisches Phänomen blieb) begaben sich also auf ein durchaus gefährliches Feld, das zwar öffentliche Aufmerksamkeit garantierte, sich in der soziologischen Analyse jedoch keinesfalls problemlos bearbeiten läßt. Auch Bauman macht nun diesen Schritt hin zur Zeitdiagnose, ein Schritt, den er freilich durchaus nachvollziehbar vorbereitet.

»Memories of Class. The Pre-history and After-life of Class« (1982) verabschiedet sich von der Klassenanalyse als entscheidender Zugangsweise zur Untersuchung moderner Gesellschaften. Wie Bauman in dieser eher theoretischen und theoriehistorischen Schrift verdeutlicht, tut eine entschiedene Abkehr von (seinen) alten Positionen not: Gesellschaftliche Probleme und vor allem jenes der sozialen Ungleichheit sind nicht mehr mit den Problemen der Arbeiterklasse an sich identifizierbar, weshalb auch die gesellschaftlichen Machtverhältnisse nicht mehr ausschließlich solche der Klassenverhältnisse sind. Bauman greift hier verschiedenste empirische Analysen zur allmählichen Auflösung des Arbeitermilieus auf, die ja auch zu einem guten Teil erklären, wie es zu jenen, sich wiederholenden Niederlagen von Labour kommen konnte. Und er zieht aus diesen Befunden nun auch begriffliche wie normative Konsequenzen, die ein Kommentator seines Werkes jüngst so umschrieben hat: An die Stelle der Arbeiterklasse, die bisher den Analysefokus von Bauman gebildet hatte, tritt das Leiden der Menschheit, genauer: das Leiden des Menschen in der Moderne: »With the final emergence of Bauman’s post-exile problematic words like ›class‹, ›alienation‹, and ›praxis‹, tended to disappear from his sociological vocabulary and what emerged instead was a new language, which stressed the concept of modernity[1] Man darf vermuten, daß die bloße Hinwendung zur abstrakten Diskussion der Moderne (und natürlich auch der Postmoderne) Bauman zwar noch bekannter gemacht hätte, aber ihn sicherlich nicht über die Grenzen Großbritanniens hinaus zu einem der international meistzitierten Soziologen hätte werden lassen. Denn in der »üblichen« Diskussion um Moderne und Postmoderne tummelten sich schlichtweg bereits zu viele Autoren. Sein nächstes größeres Buch zu dieser Thematik, nämlich »Legislators and Interpreters. On Modernity, Post-Modernity and Intellectuals« aus dem Jahre 1987, war zwar alles andere als erfolglos, wurde vielmehr auch international als eine gelungene kultursoziologische Analyse der Intellektuellen bewertet, aber der große weltweite Durchbruch war diese Monographie noch nicht. Der internationale Durchbruch kam erst mit »Modernity and the Holocaust« (1989; dt.: »Dialektik der Ordnung. Die Moderne und der Holocaust«).

Das Erscheinen dieses Buches war deshalb so spektakulär, weil es – paradoxerweise – zu einem ganz unpassenden Zeitpunkt kam. Während angesichts von Perestroika, Glasnost und dem Fall der Berliner Mauer der politische Optimismus keine Grenzen mehr zu kennen schien, während nicht wenige Soziologinnen und Soziologen strahlende Zukunftsvisionen entwarfen und die alte Modernisierungstheorie ihre Auferstehung feierte, als hätte es keine nur allzu berechtigte Kritik an ihr gegeben, legte Bauman eine Abhandlung vor, deren Titel schon Programm war und die dem Zeitgeist scheinbar völlig widersprach: Er deutete den Holocaust als ein Phänomen, das gerade nicht modernitätswidrig, sondern zutiefst von den Spuren der Moderne geprägt war. Bauman zufolge stellte die Moderne zwar keine hinreichende, aber die zweifelsohne doch notwendige Bedingung für die Entstehung des Holocaust dar. Der Genozid – so Bauman – sei die typisch moderne Vision einer reineren, überschaubareren Gesellschaft gewesen, der Versuch der »Ausmerzung« aller Ambivalenzen, ein Versuch, der sich alles andere als zufällig gegen die Juden richtete, jene Gruppe, die durch ihre nie völlig integrierte Stellung im modernen westlichen Nationalstaat vielleicht am sichtbarsten genau diese Ambivalenz verkörpert.

Baumans düstere Deutung der Moderne hat sicherlich auch deswegen so viel Zuspruch erfahren, weil sie die kulturkritischen Bedürfnisse vieler Intellektueller bediente. Man darf ja nicht vergessen, daß die Aufbruchstimmung angesichts der politischen Umbrüche in Ost- und Mitteleuropa am Ende der 1980er und zu Beginn der 1990er Jahre zumindest unter Intellektuellen immer auch von einem starken Kulturpessimismus begleitet war, der sich auf die Kritische Theorie ebenso stützen konnte wie auf die Arbeiten von Michel Foucault. Und tatsächlich finden sich in »Modernity and theHolocaust« unschwer Resonanzen von Horkheimer/Adorno und dem französischen Poststrukturalismus. Indes war Baumans Buch nicht aus solchen Gründen wichtig. Bedeutsam war und ist es bis heute, weil Bauman einer der wenigen Autoren innerhalb der Soziologie war, dessen Analysen das Fach zwangen, endlich auch die düsteren Seiten der Moderne (und der Holocaust war sicherlich nur eine davon) genauer unter die Lupe zu nehmen, anstatt dieses Menschheitsverbrechen einfach nur zu »exotisieren« (Lepsius), es für modernitätswidrig zu erklären und damit für eine Theorie der Moderne und der Modernisierung als nicht weiter relevant abzutun. Bauman erschloß mit seiner Studie Analyse- und Sichtweisen, die in der Soziologie bis dato nicht ernstgenommen wurden. Wie immer man Preisvergaben für Bücher bewerten mag, der Amalfi-Preis für Bauman im Jahre 1990 und der Adorno-Preis 1998 waren gebührende Anerkennungen für diese Leistung.

Freilich – und hier sind wir wieder bei Frau Thatcher und den durch sie hervorgerufenen Verwerfungen: Baumans Hinwendung zur Problematik der Moderne erfolgte in jenem schon angesprochenen luftigen Argumentationsstil, den man als »very un-British – very ›continental‹ « loben kann, aber sicherlich nicht uneingeschränkt lobt, wenn man gleichzeitig hinzufügt: Bauman »prefers a high level of generality, is highly reflective and, for the most part, deploys empirical data only selectively and suggestively«.[2] Empirische Einwände gegen seine Deutung des Holocaust und der Moderne lagen auf der Hand, und sie müssen, weil nur zu bekannt, hier nicht wiederholt werden. Bauman hatte – um es scharf zu formulieren – lediglich Fingerzeige und Hinweise zur Auseinandersetzung mit dem Thema »Holocaust und Moderne« gegeben, eine empirisch gesättigte Auseinandersetzung hat er selbst jedoch nicht geliefert. Sie kam bezeichnenderweise – ›very British‹! – aus jener schon angesprochenen Historischen Soziologie mit dem jüngsten Werk von Michael Mann, einem Kollegen Baumans aus der Zeit der Klassenanalyse, einem Kollegen allerdings, der im Vergleich zu Giddens und Bauman die Erfahrung der Thatcher-Ära ganz anders verarbeitet hatte. Manns »The Dark Side of Democracy. Explaining Ethnic Cleansing« aus dem Jahre 2005 (dt.: »Die dunkle Seite der Demokratie. Eine Theorie der ethnischen Säuberung«, Hamburg 2007) ist gewissermaßen die empirische Einlösung von Baumans Versprechen einer Analyse des Zusammenhangs von Holocaust und Moderne, wobei dieses spektakuläre Werk zeigt, daß die Baumanschen Themen eben auch mit ganz anderen soziologischen Instrumenten angegangen werden können und daß die Analyse von Klassen und gesellschaftlichen Eliten noch erhebliche Relevanz beanspruchen darf.

Baumans Schriften im Anschluß an sein »Holocaust Buch« und an seine ein Jahr später erfolgte Emeritierung sind kaum mehr zu übersehen. Fast jedes Jahr ein neues Buch, in manchem Jahr sogar zwei, häufig geschrieben in der oben charakterisierten luftig-zeitdiagnostischen Weise, wobei die behandelten Themen jeweils um die Postmoderne und insbesondere um die Globalisierung zentriert sind. In ihnen kommt der für Bauman so typische kulturpessimistische und kritische Zug zum Tragen, was etwa der Titel einer seiner letzten größeren Arbeiten »Society under Siege« (2002) dokumentiert. Die Rhetorik des Epochenbruchs ist in all diesen Werken zentral, gleichgültig, ob Bauman nun die neue Zeit mit den Begriffen der »Postmoderne«, der »liquid modernity «, der »individualized society« usw. belegt. In der Prägung von (häufig ausgesprochen schnellebigen) Begriffen entwickelt der ungemein produktive Autor eine ebenso große Meisterschaft wie Ulrich Beck in Deutschland. Genau deshalb aber werden wohl kaum alle Werke aus dieser Schaffensperiode Baumans überdauern, zu essayistisch, zu feuilletonistisch, zu eingängig sind nicht wenige von ihnen – und die Konkurrenz auf diesem Markt ist mittlerweile groß, gerade auch im vormals empiristischen Großbritannien, wo Giddens die schnelle Zeitdiagnose salonfähig gemacht hat und andere ihm allzu willig darin gefolgt sind. Doch hat es Bauman immer auch verstanden, bestimmte, auf der Hand liegende, nichtsdestotrotz aber vernachlässigte Themen mit großer Ernsthaftigkeit anzugehen – gerade auch in seiner jüngsten Schaffensphase: So war er innerhalb der Sozial- und Geisteswissenschaften einer der wenigen, der die Frage nach einer angemessenen ethischen Haltung in der sogenannten postmodernen Gesellschaft überhaupt gestellt hat. Während den meisten postmodernen Theoretikern die Idee einer »postmodernen Ethik« als Widerspruch in sich erschien, versuchte Bauman genau diese Problemstellung in den Mittelpunkt seiner Überlegungen zu rücken (»Postmodern Ethics«, 1993, dt.: »Postmoderne Ethik«, Hamburg 2009). Was tun in einer Zeit, in der die ehemals sicher geglaubten Rationalitätsvorstellungen und universalistischen Standards keine selbstverständliche Geltung mehr beanspruchen können? Ist damit nicht jegliche ethische und moralische Diskussion obsolet geworden, dem Relativismus Tür und Tor geöffnet? Bauman glaubte diese Frage unter Rückgriff auf Emmanuel Lévinas’ Werk verneinen zu können: Er plädierte – ganz unsoziologisch gedacht – für eine personale Ethik des Mitleids, des Einstehens für den Anderen angesichts von dessen Leiden, eines Einstehens, das durch keine sozialen Garantien und Institutionen gedeckt ist, sondern lediglich begründet ist in der prinzipiellen Fähigkeit des Menschen zum Mit-Leid. Baumans moralphilosophische Schlußfolgerungen aus postmodernen gesellschaftlichen Verhältnissen, wie er sie meinte, diagnostizieren zu müssen, waren und sind sicherlich nicht das letzte Wort, insbesondere nicht für Soziologinnen und Soziologen. Vielmehr müßte ihnen das Plädoyer für vorsoziale Moralen eigentlich suspekt sein. Aber Baumans Argumente leiteten innerhalb postmodern geführter Debatten immerhin einen Trend ein, der in begrüßenswerter Weise wieder zu moralphilosophischen und letztlich auch soziologischen Fragen führt. Insofern ist auch »Postmodern Ethics« ein bedeutsames Buch, das in Zukunft Bestand haben wird.

Abschließend noch einmal zurück zu Maggie Thatcher und ihren erstaunlichen Wirkungen. Sie waren, um es wohlwollend zu formulieren, nicht durchweg segensreich, weder für die britische Gesellschaft noch für die britische Soziologie. Nicht wenige Soziologinnen und Soziologen, darunter auch Zygmunt Bauman, wurden auf Pfade geführt, die nur allzu glatt und rutschig waren. Dabei zeichnet es aber gerade Bauman aus, daß er sich auf solchen Pfaden ganz gut zurechtfand und selten strauchelte. Selbst Kritiker seines Werkes haben anzuerkennen, daß er neben eher feuilletonistischen Arbeiten wegweisende und tiefschürfende Werke vorgelegt hat. Eben weil Bauman noch stets die Fähigkeit besessen hat, positiv zu überraschen, werden wir auch die Bücher, die er in Zukunft schreiben wird, gespannt erwarten. Was kann man Schöneres von einem nicht mehr ganz jungen Autor sagen, dessen Produktivität mit dem Alter offensichtlich weiter zuzunehmen scheint!

  1. Keith Tester, The Social Thought of Zygmunt Bauman. Houndmills 2004, S. 113 (Hervorh. im Original).
  2. Richard Kilminster, Ian Varcoe, »Introduction: Intellectual Migration and Sociological Insight«, in: dies. (Hg.), Culture, Modernity and Revolution. Essays in Honour of Zygmunt Bauman. London, New York 1996, S.5.

Kategorien: Politik Kultur Geschichte der Sozialwissenschaften

Wolfgang Knöbl

Professor Dr. Wolfgang Knöbl, Soziologe, ist Direktor des Hamburger Instituts für Sozialforschung und Gastprofessor für Soziologie und Kulturorganisation an der Leuphana Universität Lüneburg.

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