Juliane Jarke, Ulrike Gerhard, Herbert Kubicek | Essay |

Offene Daten, Datenaktivismus und Bürgerbeteilung für den demografischen Wandel

Zur Co-creation von offenen Anwendungen

Lassen sich durch die Offenlegung von Daten mehr Bürgerbeteiligung und höhere Transparenz von Regierungs- und Verwaltungshandeln realisieren? Vor dem Hintergrund dieser Frage fassen wir aktuelle Entwicklungen zusammen und stellen ein Projekt vor, in dem innovative Methoden zur Beteiligung von älteren Menschen an offenen Datenanwendungen erarbeitet werden.

Offene Daten und Datenaktivismus

Daten und digitale Anwendungen prägen heute unseren Alltag. Immer mehr Aspekte des gesellschaftlichen Lebens werden vermessen und quantifiziert; kaum ein Lebensbereich existiert noch, dessen Ausgestaltung nicht durch Daten erfasst, analysiert und bestimmt wird. Diese „Datafizierung“ des sozialen Lebens weckt positive Erwartungen bezüglich erhöhter Transparenz, Rechenschaftspflicht und Bürgerbeteiligung, zugleich aber auch Ängste vor Überwachung, Datenmissbrauch und Kontrolle.

Das Sammeln, Auswerten und Nutzen von Daten erlaubt Staat und Verwaltung seit jeher die Koordination und Organisation von Gesellschaft aus der Distanz („action at a distance“).[1] Seit Mitte der 1960er-Jahre ist die öffentliche Verwaltung in Deutschland zunehmend auf die Sammlung und Verarbeitung von digitalen Daten angewiesen,[2] und inzwischen öffnen Verwaltungen und Regierungen immer häufiger ihre digitalen Datenbestände. Diese “offenen” Daten „can be freely used, re-used and redistributed by anyone“.[3] Begleitet wurde und wird dieser Prozess durch Initiativen, die eine umfassendere Freigabe von Regierungsdaten fordern. Sie berufen sich auf Informationsfreiheitsgesetze oder Transparenzgesetze, handeln aber auch in der Annahme, dass die Öffnung von Daten eine signifikante ökonomische Bedeutung besitzt. Angesichts immer komplexerer Problemlagen, knapper Haushaltskassen und sich verändernder Ansprüche der Bürger_innen begreifen Regierungen und Verwaltungen „ihre“ Daten als ein Mittel, um ihre Dienstleistungsangebote mit Blick auf Effektivität, Effizienz und Nachhaltigkeit zu verbessern.[4] Entsprechend gehen sie dazu über, bestimmte open government data in maschinenlesbaren Formaten auf offenen Datenportalen zu veröffentlichen.[5] Dabei ist wichtig, dass keine personenbezogenen Daten zugänglich gemacht werden.

Regierungen und Verwaltungen werden u.a. durch zivilgesellschaftliche Akteure dazu angehalten, die Transparenz öffentlichen Handelns zu erhöhen. Die bloße Bereitstellung oder Veröffentlichung von Daten verbessert jedoch nicht automatisch die Rechenschaftslegung (accountability) der Regierungen und Verwaltungen. Vielmehr muss es Bürger_innen möglich sein, die Daten für relevante Zwecke zu nutzen. Schon jetzt werden Interaktionen zwischen öffentlichen Verwaltungen und Bürger_innen zunehmend über digitale Technologien vermittelt; in vielen europäischen Ländern werden immer mehr Verwaltungsdienstleistungen digitalisiert. Mithilfe offener Daten sollen Bürger_innen nun in die Lage versetzt werden, eigene Anwendungen zu entwickeln und möglicherweise Dienstleistungen anzubieten.

Getrieben wird die Euphorie um offene Daten von der Vorstellung, dass durch deren maschinelle und automatisierte Verarbeitung sowie Visualisierung neue Möglichkeiten der Bürger_innenbeteiligung, aber auch Mittel zur Unterstützung der Behörden entstehen. In Diskussionen über „Big Data“ werden den (ökonomischen) Potenzialen der computerisierten Verarbeitung von großen unstrukturierten Daten zunehmend die Risiken der Kontrolle und Überwachung durch die datenbesitzenden Institutionen gegenübergestellt. Im Diskurs um offene Daten betont man hingegen gern das demokratische Potenzial, das die Nutzbarmachung dieser durch Verwaltungshandeln anfallenden Informationen erschließt. Nicht nur die Transparenz des Regierens ließe sich erhöhen, die Nutzung offener Verwaltungsdaten erlaubt auch die Entwicklung innovativer technischer Anwendungen durch Bürger_innen, sogenannte „civic apps“.[6]

Stadtentwickler_innen auf dem Vormarsch

Um Anwendungen zu entwickeln und einzusetzen, die „big and linked open data“[7] verwerten, setzen öffentliche Stellen zunehmend auf zivilgesellschaftliche Akteur_innen.[8] Von der Zusammenarbeit der Verwaltungen mit Bürger_innen sollen alle Beteiligten profitieren. In von öffentlicher Seite initiierten Wettbewerben beispielsweise sollen Softwareentwickler_innen Apps entwickeln, die ein konkretes Problem im öffentlichen Bereich lösen oder die lokale Gemeinschaft auf andere Art und Weise bereichern.[9] Initiativen wie Code4Germany[10] versammeln in vielen deutschen Großstädten regelmäßig aktive Bürger_innen, die sich selbst als „Stadt<entwickler_innen>“ (so die Eigenschreibweise) bezeichnen und mit Hilfe digitaler Werkzeuge offene Daten einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen wollen. Die Anwendungsfelder reichen von Apps zur Kommentierung bei Bauplanungsvorhaben[11] über Informationen zur Trinkwasserqualität[12] und kulturell-historische Anwendungen[13] bis hin zu Dashboards über öffentliche Haushalte.[14] Mal sind die Bürger_innen reine Informationsempfänger_innen, mal sind sie an der Gestaltung der Anwendungen oder gar am crowdsourcing der Daten aktiv beteiligt (z.B. bei OpenStreetMap oder Mängelmeldern[15]).

Als „Stadt<entwickler_innen>“ oder „civic hacker“ bezeichnen sich Bürger_innen, die gemeinsam Open-Source-Anwendungen auf Grundlage offener Daten entwickeln, um Herausforderungen anzugehen, die für ihre Nachbarschaft, ihre Stadt oder ihr Land relevant sind.[16] In diesem Prozess soll ein Austausch zwischen Bürger_innen und Verwaltung entstehen, „where citizen contributions are dynamic, and government becomes responsive to demand-side requests for data“.[17] „Civic hacker“ wollen also Informations- und Kommunikationstechnologien nutzen, um zivilgesellschaftliches Miteinander zu bereichern, oder um bestimmte zivilgesellschaftliche Probleme zu lösen.[18] Die aktivsten Kollektive finden sich in den USA, deren Kultur sich durch eine kritische Einstellung gegenüber der Regierung, generellen Technikoptimismus und eine offene und aktive Kommunikation auszeichnet.[19]

In gewisser Weise sind diese Datenaktivist_innen allerdings eine Elite, da es nur einem kleinen Kreis technisch Vorgebildeter möglich ist, die Bedeutung von offenen Daten zu verstehen und angemessen zu nutzen.[20] Ein weiterer Kritikpunkt besteht darin, dass der nachhaltige Wert solcher Serviceanwendungen bislang begrenzt ist.[21] Als Grund dafür, warum kaum eine erfolgreiche und kooperative Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft und Verwaltung zur Verbesserung des öffentlichen lokalen Lebens zustande kommt, wird meist die fehlende Berücksichtigung der verschiedenen Interessen und Bedürfnisse angeführt. Zum Beispiel sind die sogenannten „civic hacker“ oftmals nicht mit den Aufgaben und Abläufen der Verwaltungsabteilungen vertraut, deren Daten sie nutzen wollen. Neuere Projekte in den USA zeigen allerdings, dass durch eine engere Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Entwickler_innen dieses Missverhältnis überwunden werden kann.[22]

Die vielleicht größere Herausforderung besteht darin, die Vielfalt der Bedürfnisse und Interessen von Bürger_innen in die Entwicklung zu integrieren. „Civic hacker“ sind überwiegend gut gebildet, jung, technikaffin und männlich. Entsprechend scheinen ihre Ideen für innovative Serviceanwendungen oftmals an den Bedürfnissen und Interessen der Mehrheitsbevölkerung vorbeizugehen.[23] Außerdem sind die Anwendungsfelder und -themen der „civic apps“ oftmals davon bestimmt, welche Daten zur Verfügung stehen, wodurch das Themenspektrum weiter eingeschränkt wird. So erklärt sich etwa die Vielzahl an Anwendungen zum Thema Mobilität und Transport.

Ältere Menschen sind – wenn überhaupt – nur wenig an der Entwicklung zivilgesellschaftlicher, offener Datenanwendungen beteiligt, obwohl sie dank ihrer hohen Lebenserfahrung und freien Zeit wichtige Akteure des zivilgesellschaftlichen Engagements sind. Selten sind sie die eigentliche Zielgruppe, es sei denn, ihre vermeintlichen Defizite und Einschränkungen rücken in den Vordergrund. „Civic apps“ für ältere Menschen bedienen also oft Stereotype über das Alter und / oder schreiben bestimmte Ideale eines aktiven und gesunden Alterns in technischen Entwicklungen fest.

Es ist davon auszugehen, dass sich die Lebenswirklichkeit von Menschen im höheren Lebensalter von der jüngerer Menschen unterscheidet. Hinzu kommt, dass ältere Menschen nach wie vor beim Zugang zu digitalen Geräten und Services benachteiligt sind. Andererseits gehört die Bereitstellung von Dienstleistungen für ältere Menschen, z.B. die Altenhilfe, zu den Kernaufgaben der öffentlichen Verwaltungen. Gerade angesichts der derzeit zunehmenden politischen Bestrebungen, den Herausforderungen einer immer älter werdenden Bevölkerung mit technischen Innovationen zu begegnen, stellt sich die Frage, wie die Belange dieser immer größer werdenden Gruppe von Menschen in der Koproduktion innovativer und offener Verwaltungsdienste berücksichtigt werden können.

Co-creation von offenen und mobilen Anwendungen für ältere Menschen

An diesem Punkt setzt das von der Europäischen Kommission geförderte dreijährige Forschungsprojekt MobileAge an. Das internationale Konsortium will ältere Menschen in verschiedenen europäischen Ländern umfassend in die Entwicklung maßgeschneiderter mobiler Serviceanwendungen einbinden, die auf offenen Verwaltungsdaten basieren. Ziel ist zum einen, gemeinsam mit den späteren Nutzer_innen eine technische Anwendung zu entwickeln, die einen Mehrwert für ältere Menschen schafft. Darüber hinaus sollen Methoden zur Durchführung dieses sogenannten „Co-creation“-Prozesses entwickelt und erprobt werden, die es Verwaltungen und anderen Anbietern von offenen Daten und Diensten in Zukunft ermöglichen sollen, auch Menschen im höheren Lebensalter effektiv und nachhaltig in die Entwicklung solcher Dienste einzubinden. So lassen sich Menschen, die bislang von den Entwicklungen im Bereich „open government data“ ausgeschlossen waren, aktiv in die Wiederverwendung, Verbreitung und Erstellung von offenen Daten einbeziehen.

Analoge Vorstufe zur Sammlung digitaler Daten: In einem Stadtplan halten Bewohner_innen individuelle Vorlieben und Gewohnheiten fest.
Analoge Vorstufe zur Sammlung digitaler Daten: In einem Stadtplan halten Bewohner_innen individuelle Vorlieben und Gewohnheiten fest, Foto: Tim Schütz

Seit April 2016 arbeiten Wissenschaftler_innen des Instituts für Informationsmanagement Bremen der Universität Bremen (ifib) und des Forschungsinstituts Technologie und Behinderung der Evangelischen Stiftung Volmarstein (FTB) im Bremer Stadtteil Osterholz gemeinsam mit Senior_innen an der Entwicklung einer kartenbasierten mobilen Anwendung für den Stadtteil. Als „Co-creation“ lässt sich dabei der gesamte Entwicklungsprozess charakterisieren: Von der inhaltlichen Idee über die Konzeption der Dienstleistung bis hin zur Datenbeschaffung und zum Interface-Design sollen die Nutzer_innen aktiv beteiligt werden. In Interviews, Fokusgruppen und Workshops wurden ausgehend von einer Untersuchung der alltäglichen Lebenswelt älterer Menschen in Bremen-Osterholz (etwa durch „Cultural Probes“[24]) deren Interessen und Bedürfnisse ermittelt, die dann in ein Thema für die zu entwickelnde Anwendung überführt wurden. Cultural Probes sind Materialien wie etwa Tagebücher, auf Postkarten gedruckte Reflexionsaufgaben oder Stadtteilkarten. In MobileAge wurden auch Einwegkameras ausgegeben, die die teilnehmenden Senior_innen bei der Erkundung und Dokumentation ihres Alltags in Hinblick auf ihren Stadtteil, ihr soziales Umfeld sowie ihre Technologie- und Mediennutzung unterstützten. Hilfsmittel und Materialien wie die Cultural Probes ermöglichen tiefe und authentische Einblicke in den Alltag, die Probleme und Wünsche derjenigen, mit denen und für die die Systeme entwickelt werden.[25]

Mit der Einwegkamera zogen die Projektteilnehmer_innen durch den Stadtteil
Mit der Einwegkamera zogen die Projektteilnehmer_innen durch den Stadtteil, Foto: Tim Schütz

Über mehrere Monate wurde so gemeinsam die Idee eines kartenbasierten digitalen Stadtteilführers entwickelt, der die Bedürfnisse älterer Menschen nicht nur in der Interaktion, sondern auch inhaltlich berücksichtigt. Am wichtigsten waren den Teilnehmer_innen nicht – wie bei älteren Menschen oft vermutet – Gesundheitsthemen oder altersgerechte Wohnformen, sondern „schöne Plätze“ zum Spazierengehen sowie informelle Treffs und Begegnungsstätten. Dabei interessierten sie keineswegs primär die Geokoordinaten und der Weg zu den schönen Plätzen, sondern das, was daran als schön empfunden wird: alte Bäume oder Bauwerke, die Geschichte des Orts oder die Anwesenheit von Tieren. Diese weichen, qualitativen Aspekte werden bisher in Verwaltungsdaten nicht erfasst. Sie wurden in der Koproduktion mit den älteren Menschen in Stichworten gesammelt, daraufhin wurden Texte formuliert, Fotos gemacht und kommentiert. Erst anschließend werden diese mit Daten von Verwaltungen und anderen öffentlichen Stellen angereichert, die offen verfügbar sind oder offen gemacht werden können. Solche Informationen, etwa zur genauen Lage von Bänken, öffentlich zugänglichen Toiletten und Cafés in der Nähe, ÖPNV-Verbindungen und Parkmöglichkeiten u.ä., sind den Senior_innen ebenfalls wichtig.

Freilich hat sich gezeigt, dass die bestehenden Daten nicht ohne weiteres übernommen und veröffentlicht werden können. Die offenen Daten der Verwaltung zu Bänken im öffentlichen Raum sind zum Teil veraltet oder stimmen nicht mit Angaben in Open Street Map überein. Zudem gab es vereinzelte Hinweise auf einen schlechten Zustand der Bänke. Bevor mit der technischen Umsetzung angefangen werden kann, besteht die Herausforderung also darin, ausreichend Daten zu sammeln. Dabei stellt sich heraus, dass es speziell zu diesen Themen zumindest in Bremen wenig Daten und noch weniger offene Daten gibt. Eine weitere Phase im Koproduktionsprozess ist folglich der Überprüfung der offenen Daten mittels Ortsbegehungen zu widmen. Dabei können mobile Technologien helfen: Die Teilnehmer_innen werden derzeit gebeten, jeden schönen Ort aus ihrem Stadtteilführer aufzusuchen und mit bereitgestellten Tablet-PCs die vorhandenen Daten zu überprüfen, zu kommentieren sowie Fotos zu machen.

Mit welchem Aufwand offene Daten aus unterschiedlichen Quellen gesucht, eingebunden und vor allem validiert werden müssen, hat man bisher weitgehend unterschätzt. Entwickler_innen von „civic apps“ sehen diese Recherche zumeist auch nicht als ihre Kompetenz an. Sollen jedoch gemeinschaftlich verlässliche und nachhaltige Anwendungen entstehen, müssen diese Aufgaben klarer definiert und übernommen werden.

Denn obwohl das Offenlegen von Verwaltungsdaten Hoffnungen geweckt hat, zeigt sich, dass die Nutzung offener Daten für mit Bürger_innen partizipativ entwickelte Anwendungen sehr voraussetzungsvoll ist. Zudem stellt der Ansatz der „co-creation“ ein gewisses Dilemma bei der Nutzung offener Daten durch „civic apps“ dar: Die Vorstellung eines ergebnisoffenen Prozesses, in dem Bürger_innen substanziell und von Beginn an (mit-) entscheiden und gestalten sollen, widerspricht der Idee der „civic apps“ wie sie bislang umgesetzt wird. Schließlich erweist sich deren Entwicklung als ein von den vorhandenen Daten, nicht den Nutzer_innen, ausgehender und getriebener Prozess. Die „data-driven city“, also die datenbasierte, intelligente und inklusive Stadt, erscheint vor diesem Hintergrund nur bedingt als zielführende Idee. Ein „citizen-driven service development“ stellt komplexere Anforderungen an die benötigten Daten.

Bei einer von den Bürger_innen her gedachten Entwicklung öffentlicher Dienstleistungen muss also die gemeinschaftliche Koproduktion von Daten in den Vordergrund rücken. Denn wie die Erfahrungen in Bremen-Osterholz zeigen, sind Daten, die für die Belange älterer Menschen relevant sind, oftmals gar nicht vorhanden. Der Aspekt der gemeinschaftlichen Datenerhebung und -validierung erweist sich daher als wesentlicher und bislang unterschätzter Teil des Co-creation-Prozesses offener Datenanwendungen.

Fazit

Daten sind Produkte sozialer Aushandlungsprozesse und -praktiken. Sie sind nicht einfach nur ‚roh‘ oder neutrale Repräsentationen der Wirklichkeit, sondern werden immer in einem sozialen Kontext produziert, gesammelt, analysiert, gespeichert usw. Wie die obige Diskussion zu offenen Verwaltungsdaten zeigt, ist es wichtig, Prozesse innerhalb der Verwaltung zu kennen, um die Strukturierung und Aktualität von Daten zu verstehen (z.B. warum bestimmte Attribute erhoben worden, wie und warum Daten verwaltungsintern weiterverarbeitet werden und aktualisiert werden). Die nachhaltige Entwicklung von Anwendungen auf Grundlage offener Daten kann also nicht ohne die datenhaltenden Stellen geschehen.

Gleichzeitig muss man kritisch fragen, welche Öffentlichkeiten (publics) durch die Nutzung von offenen Daten konstituiert bzw. konstruiert werden. Eine inklusive Gesellschaft, die Bürgerbeteiligung fördert, darf die Entwicklung von digitalen Anwendungen nicht als rein technische Aufgabe begreifen. Informationssysteme sind immer soziotechnische Systeme, in die kulturelle Vorstellungen (etwa über das Altern) eingeschrieben und reproduziert werden. Technologisch gestützte gesellschaftliche Teilhabe, wie sie gegenwärtig im Diskurs um offene Daten propagiert wird, setzt nicht nur den Zugang zu und die Nutzung von Technologien und Daten (access) voraus, sondern auch die Erhebung und Validierung von Daten sowie die gemeinschaftliche Gestaltung von neuen Anwendungen und Technologien.

  1. Bruno Latour, Science in action: how to follow scientists and engineers through society, 11. Aufl., Cambridge, MA, 1987.
  2. Für einen Überblick siehe J. Fleischhack, Eine Welt im Datenrausch: Computeranlagen und Datenmengen als gesellschaftliche Herausforderung in der Bundesrepublik Deutschland (1965–1975), Zürich 2015.
  3. Open Knowledge International, The Open Data Handbook, Cambridge 2012.
  4. Vgl. etwa S. Shakespeare, Shakespeare Review: An independent review of public sector information, London 2013. Beispiele umfassen das Open Government Partnership (OGP), offene Datenportale und Transparenzportale.
  5. Ein Katalog über offene Daten in Deutschland findet sich hier.
  6. R. E. Sieber / P. A. Johnson, Civic open data at a crossroads: Dominant models and current challenges, in: Government Information Quarterly 32 (2015), 3, S. 308–315. doi.org/10.1016/j.giq.2015.05.003; F. Wijnhoven / M. Ehrenhard / J. Kuhn, Open government objectives and participation motivations, in: Government Information Quarterly, 32 (2015), 1, S. 30–42 doi.org/10.1016/j.giq.2014.10.002; D. Linders, From e-government to we-government: Defining a typology for citizen coproduction in the age of social media, in: Government Information Quarterly, 29 (2012), 4, S. 446–454. doi.org/10.1016/j.giq.2012.06.003
  7. M. Janssen / R. Matheus / A. Zuiderwijk, Big and Open Linked Data (BOLD) to Create Smart Cities and Citizens: Insights from Smart Energy and Mobility Cases, in: Electronic Government 9248 (2015), S. 79–90.
  8. M. Gregg, Hack for good: Speculative labour, app development and the burden of austerity, in: The Fibreculture Journal 25 (2015), S. 185–202. doi.org/10.15307/fcj.25.186.2015; M. Lee / E. Almirall / J. Wareham, Open Data and Civic Apps: First-generation Failures, Second-generation Improvements, in: Communications of the ACM 59 (2015), 1, S. 82–89. doi.org/10.1145/2756542
  9. Becky Hogge, Open data study. New Technologies, London 2010, S. 10.
  10. http://codefor.de/
  11. http://codefor.de/projekte/2011-12-31-buergerbautstadt
  12. http://codefor.de/projekte/2014-03-22-hn-trinkwasser
  13. http://codefor.de/projekte/2014-04-30-stolpersteine-app
  14. Dashboards stellen Informationen etwa über den Haushalt oder Verkehr (in Echtzeit) dar. http://codefor.de/projekte/2014-10-15-offener-haushalt-muenster
  15. Z.B. www.fixmystreet.org.
  16. http://hackforchange.org/page/about
  17. Sieber / Johnson, Civic Open Data, S. 3.
  18. Hogge, Open Data Study.
  19. H. Kubicek / R. Wagner, Community networks in a generational perspective: the change of an electronic medium within three decades, in: Information Communication & Society, 5 (2002), 3, S. 291–319.; S. M. Lipset, American Exceptionalism. A Double-Edged Sword, New York / London 1996.
  20. A. R. Schrock, Civic hacking as data activism and advocacy: A history from publicity to open government data, in: New Media & Society 2016. doi.org/10.1177/1461444816629469
  21. Lee u.a., Open Data and Civic Apps; Sieber / Johnson, Civic Open Data; A. Breiter / H. Kubicek, Offene Verwaltungsdaten und Verwaltungstransparenz. Stand der Forschung und offene Fragen. Verwaltung und Management [im Erscheinen].
  22. Lee u.a., Open Data and Civic Apps, S. 85.
  23. Ebd., S. 89.
  24. K. Boehner / B. Gaver / A. Boucher, Probes, in: C. Lury / N. Wakeford (Hrsg.), Inventive methods: the happening of the social, London 2012, S. 185–201.
  25. Neben der Bedarfsermittlung erwiesen sich die sorgfältig gestalteten Materialien auch als äußerst motivierend für die Bereitschaft, sich für den Co-Creation-Prozess zu verpflichten, da sie eine Wertschätzung der Mitwirkenden versinnbildlichen.

Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Kerstin Völkl.

Kategorien: Daten / Datenverarbeitung

Juliane Jarke

Dr. Juliane Jarke arbeitet als Techniksoziologin (Social Studies of Technology and Society) am Institut für Informationsmanagement Bremen (ifib) und am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) an der Universität Bremen. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Phänomene der „digitalen Gesellschaft“ wie etwa Civic Technology, Participatory Design und Datafizierung.

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Ulrike Gerhard

Ulrike Gerhard ist Doktorandin am Institut für Informationsmanagement Bremen (ifib) und am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) an der Universität Bremen. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im EU-Projekt MobileAge.

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Herbert Kubicek

Prof. Dr. Herbert Kubicek ist pensionierter Professor für angewandte Informatik an der Universität Bremen und Senior Researcher am Institut für Informationsmanagement Bremen (ifib). Er hat vor zwanzig Jahren mit seiner Forschungsgruppe das Stadtinformationssystem www.bremen.de mit entwickelt und zwei Jahre redaktionell betrieben.

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