Deadline: 31.12.2025
Digitale Gesellschaften und ihre Körper: Spannungsfelder der Verkörperung digitaler Sozialität
Call for Papers für eine Ausgabe der Österreichischen Zeitschrift für Soziologie. Deadline: 31. Dezember 2025
Die Collection der Österreichischen Zeitschrift für Soziologie widmet sich dem Thema „Digitale Gesellschaften und ihre Körper: Spannungsfelder der Verkörperung digitaler Sozialität“ und wird von Antonia Schirgi (Universität Graz) und Ronald Staples (Universität Erlangen-Nürnberg) als Gastherausgeber:innen betreut. Einreichungsfrist ist der 31.12.2025.
Mit der Nutzung digitaler Technologien verschieben sich grundlegende Merkmale gesellschaftlicher Sozialitäten. Die innere Logik sozialer Medien etwa fördert Empörungskommunikation und zeigt sich in zunehmend enthemmten und de-zivilisierten Interaktionen, wie in dem jüngsten Fall des französischen Content Creators Jean Pormanove auf tödliche Weise deutlich wurde. Technologien der künstlichen Intelligenz lassen die Grenzen zwischen wahr und falsch verschwimmen und stellen – mindestens ökonomisch – die Frage, was genuin menschliche Tätigkeit ist. Digitale Kommunikationsmedien erlauben es, uns auch dann miteinander zu treffen und einander nahe zu fühlen, wenn wir tausende Kilometer voneinander entfernt sind.
Zusammengefasst lässt sich konstatieren: Digitalisierung, verstanden als „gesellschaftlicher Mega-Trend“, prägt immer dominanter das soziale Klima der Gesellschaft und impliziert neue Spannungsverhältnisse. Digital erweiterte Formen der Verkörperung des Sozialen und die Dynamiken, in denen digitale Technologien verkörpert werden, stellen ein zentrales Spannungsverhältnis innerhalb dieses „Mega-Trends“ dar.
In der sozialwissenschaftlichen Forschung treten dichotomisierte Annahmen wie online/offline oder materiell/virtuell zunehmend zurück zugunsten von Ansätzen, die die Verwobenheit beziehungsweise Integration von Online- und Offline-Welten sowie von medial und physisch vermittelten Räumen, Situationen oder Praktiken in den Blick nehmen. In der ÖZS-Collection soll diesen facettenreichen Spannungen nachgegangen werden, die das zunehmende In- und Nebeneinander von Online und Offline sowie von medialen und physischen Räumen in sozialen Praktiken für menschliche Körper und die Körperlichkeit von Sozialität zum Gegenstand haben.
Derartige Spannungen lassen sich in mindestens sechs empirischen Konstellationen verorten:
a) Treffen digitaler „Körper“, die durch physische Körper animiert werden (etwa Virtual-Reality-Treffen)
b) Gemeinsame Körperpraktiken auf physische Distanz, die durch Digitales medialisiert werden (z. B. Online-Yoga- oder Tanzgruppen)
c) Gemeinsame Wissens- und Kommunikationspraktiken auf physische Distanz, die durch Digitales medialisiert werden (z. B. Online-Schulunterricht, Online-Lehre, Online-Team-Meetings)
d) Versuche, mittels digitaler Technologien zum Körper der/des anderen zu gelangen (z. B. durch Telemedizin oder Telepsychotherapie)
e) Das Online-Stellen des Körpers in seinem Sein, Aussehen und Praktizieren (Social Media)
f) Konstellationen der digitalen (Selbst-)Vermessung und -Analyse des Körpers (Life-Logging)
g) „Agentisierung“ körperlich gebundener Tätigkeiten, die digital ausgelagert werden (z. B. automatisiertes Schreiben von E-Mails oder Tätigen von Reservierungen).
Mit der Collection sollen Beiträge versammelt werden, die anhand dieser empirischen Konstellationen das Spannungsverhältnis von medialisierter und physischer Körperlichkeit in digital erweiterten oder gänzlich digital vermittelten Räumen, Situationen oder Praktiken untersuchen. Die Beiträge sollen nach Möglichkeit empirische und theoretische Perspektiven kombinieren.
Mögliche Fragestellungen sind unter anderem:
- Wie werden digitale Sozialitäten verkörpert? Wie werden sie körperlich und/oder emotional produziert und erlebt?
- Welche neuen Rollen spielen Körper in ihrer manuellen (Un-)Geschicklichkeit, Sensorik und Affektivität in digital geprägten Sozialitäten?
- Welche Ansprüche werden an die „doppelte“ Mitwirkung von Körpern in medialen und physischen Räumen gestellt?
- Wie lässt sich das Spannungsverhältnis des Körpers, der zugleich in medialen und physischen Räumen „ist“, genauer charakterisieren, und wie wird es praktisch bearbeitet?
- Wie wirkt der menschliche Körper an der Nutzung von Algorithmen, Automatisierung und Künstlicher Intelligenz mit, und wie prägen diese Technologien die Verkörperung des Sozialen?
- Wie adressieren wissenschaftsinterne und -externe Diskurse die Beteiligung von Körpern in digitalen Sozialitäten – als Zugewinn von Autonomie oder als neue Einschränkung gesellschaftlicher Teilhabe?
- Mit welchen theoretischen Konzepten – etwa aus der Körper-, Emotions-, Interaktions-, Kommunikations-, Medien- und Techniksoziologie – lassen sich Formen des Zusammenspiels von Analogem und Virtuellem sowie von Körpern, Materialitäten und Technologien analysieren?
Einreichung und Zeitplan:
- Abstract (max. 500 Wörter) und Kurzbiografie (max. 150 Wörter) bis 31.12.2025 an antonia.schirgi(at)uni-graz.at und ronald.staples(at)fau.de
- Rückmeldung (Annahme/Ablehnung): 20.01.2026
- Abgabe Manuskripte: 30.05.2026
- Begutachtung (double-blind peer review): bis 30.07.2026
- Publikation der Collection: Januar 2027
Call for Papers (PDF)