Deadline: 05.10.2025

Jugend und Geschlecht

Call for Abtracts für ein Schwerpunktheft von Psychologie und Gesellschaftskritik. Deadline: 5. Oktober 2025

Jugend wird in sozial-, erziehungswissenschaftlicher, psychologischer wie auch psychoanalytischer Perspektive nicht lediglich als Übergangszeit, sondern als eigenständige soziale Formation und Lebensphase verstanden. Diese Lebensphase ist von einer erhöhten Offenheit für soziale Neuorientierung geprägt: In ihr finden grundlegende Prozesse der Subjektivierung, Ablösung und Neupositionierung statt, traditionelle Bindungen werden hinterfragt und neue Beziehungen, Interessen und Lebensentwürfe aufgebaut (vgl. King). 
Im Gegensatz zur Pubertät, die im engeren Sinn die Phase körperlicher Entwicklungen und deren psychosexuelle Implikationen bezeichnet, stellt sich Jugend als gesellschaftlich hervorgebrachte Kategorie dar. Sie ist diskursiv konstruiert und institutionell gerahmt, während sie zugleich reale soziale Positionierungen schafft und psychisch verarbeitet, internalisiert oder abgewehrt werden kann. Aus dieser Perspektive wird Jugend nicht als bloße „Entwicklungsetappe“ gelesen, sondern als Ort gesellschaftlicher Auseinandersetzung und Zuschreibung – ein Spannungsfeld, in dem Machtverhältnisse, Normen und Zugehörigkeiten verhandelt werden (vgl. Liebsch).

Zentral in diesen Prozessen ist die Bedeutung von Geschlecht: Es wirkt nicht nur als ein Aspekt unter vielen, sondern als strukturierende Achse der sozialen Ordnung, durch die Handlungsspielräume, Anerkennungschancen und Erwartungshaltungen differenziert werden. Die Auseinandersetzung mit Geschlechtlichkeit – ob in Form körperlicher Veränderungen, identitärer Selbstverhältnisse oder normativer Rollenerwartungen (vgl. Rendtorff) – wird dabei in vielfacher Hinsicht zur zentralen Erfahrung der Jugendphase. Das Konzept der doppelten Vergesellschaftung (Becker-Schmidt) verweist in diesem Zusammenhang auf geschlechtsbezogene Differenzierung von Zuständigkeiten, Verantwortungen und Subjektpositionen in sozialen Feldern.

Diese Geschlechterdimension zeigt sich nicht nur im privaten oder familiären Kontext, sondern ebenso in institutionellen Settings wie Schule, Ausbildung oder Freizeitgestaltung, in medialen Repräsentationen und jugendkulturellen Ausdrucksformen. Sie ist nicht homogen oder eindimensional, sondern wird in intersektionalen Zusammenhängen mit Klasse, Herkunft, Körpernormen oder Sexualität verwoben. Auch das Spannungsfeld zwischen Aneignung und Widerständigkeit ist dabei zentral: Jugendliche agieren nicht nur als passive Empfänger*innen von Geschlechternormen, sondern gestalten, hinterfragen und überschreiten diese – etwa in Freundschaften, Liebesbeziehungen, politischen Praktiken oder kreativen Szenen. Dabei wirken bewusste Aneignungs- und Umarbeitungsprozesse ebenso wie unbewusste, ambivalente Verarbeitungen geschlechtlicher Zuschreibungen als Triebkräfte des Wandels gegenwärtiger Geschlechterverhältnisse.

Die geplante Ausgabe der Psychologie und Gesellschaftskritik widmet sich der Verschränkung von Jugend und Geschlecht aus einer interdisziplinären, gesellschaftskritischen Perspektive. Wir laden Beiträge ein, die empirische, theoretische oder konzeptuelle Zugänge zu diesem Feld eröffnen. Mögliche Themenfelder sind:

  • Jugendkulturen, Geschlecht und soziale Zugehörigkeit
  • Geschlechtliche Subjektivierungen in Freundschaft, Sexualität und Intimität
  • Institutionelle Rahmungen und Normalitätsregime in Schule, Ausbildung und Freizeit
  • Nicht-binäre und queere Jugenderfahrungen in gesellschaftskritischer Perspektive
  • Körperlichkeit, Pubertät und Medialisierung
  • Politische Praktiken und Widerstand gegen geschlechtliche Normierung
  • Intersektionale Ungleichheiten im Übergang zur Erwachsenenwelt
  • Psychodynamische oder entwicklungspsychologische Perspektiven auf geschlechtliche Identitätsbildung

Psychologie & Gesellschaftskritik lädt ein, Beiträge zu diesem Thema einzureichen. Bitte senden Sie Ihren Beitrag (max. 42.000 Zeichen und an die Manuskriptrichtlinien von Psychologie und Gesellschaftskritik angepasst) bis zum 01.01.2026 oder einen ein bis zweiseitigen Abstract bis zum 05.10.2025 an kontakt(at)pug-info.de

Heftverantwortliche: Janos Erkens und Anike Krämer

Zum Call for Abstracts (PDF)

Newsletter