Deadline: 15.11.2025
Umkämpfte Transformation: Soziale Bewegungen im Konfliktfeld von Ökologie und Gesellschaft
Call for Papers für ein Schwerpunktheft der Zeitschrift Soziologie und Nachhaltigkeit. Deadline: 15. November 2025
Soziale Bewegungen spielen eine zentrale Rolle in der sozial-ökologischen Transformation, indem sie durch Proteste und Kampagnen versuchen, Öffentlichkeit, Politik, Wirtschaft und private Lebensführung zu beeinflussen. Dabei reicht das Spektrum von Klima- und Umweltbewegungen, die auf entschlossenes Handeln zur Abwendung ökologischer Katastrophen drängen, bis hin zu rechtspopulistischen Akteuren, die zunehmend erfolgreich gegen eine sozial-ökologische Transformation mobilisieren. Auch Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen, Gewerkschaften und feministische Bewegungen integrieren ökologische Themen in ihre Strategien und Forderungen.
Als omnipräsenter Bestandteil der konfliktreichen Aushandlungsprozesse geraten soziale Bewegungen selbst unter Druck: Während Blockadeaktionen in westlichen Ländern kriminalisiert werden, steigt im globalen Süden die Zahl der Morde an Umweltaktivist:innen. Forschungen zeigen, dass anti-ökologische Mobilisierungen häufig mit antifeministischen und patriarchalen Ideologien verschränkt sind. Diese „fossilisierten“ Identitätspolitiken stärken reaktionäre Kräfte und erschweren progressive Allianzen. Zudem wird ökologischen Bewegungen vorgeworfen, trotz ihrer Forderung nach globaler Gerechtigkeit überwiegend aus privilegierten sozialen Milieus zu stammen. Sie erscheinen oft in widersprüchlichen Konstellationen, indem progressive Elemente mit neoliberalen Marktlogiken verbunden werden, während reaktionäre Akteure gegen eine als elitär empfundene „progressive Ökologie“ mobilisieren. Manche sprechen dem öko-emanzipatorischen Projekt gar ein Scheitern zu.
Gleichzeitig haben soziale Bewegungen weltweit Politik, Wirtschaft und Kultur geprägt. Ihnen wird ein präfigurativer Charakter zugesprochen, der durch die Erprobung alternativer Gesellschafts- und Lebensmodelle neue Wege jenseits des westlich-industriellen Verständnisses von Naturbeherrschung eröffnet. Dabei steht zur Debatte, ob Bewegungen sich stärker den soziohistorischen Ursachen ökologischer Krisen widmen oder die Stimme einer neuen ökologischen Klasse sein sollten, die nicht anthropozentrisch, sondern durch die Bewohnbarkeit des Planeten definiert ist.
Auch der öffentliche Diskurs zu sozial-ökologischen Bewegungen ist vielschichtig: Medienberichte über Klimaproteste reichen von der Darstellung engagierter junger „Retter:innen des Planeten“ bis zur Diskreditierung als „Klima-Chaoten“ oder gar „Ökoterroristen“. Politische Parteien nutzen die Nähe zu oder Abgrenzung von ökologischen Protesten als Marker ihrer Haltung zur sozial-ökologischen Transformation.
Die Forschung hat diesem Feld seit langem Aufmerksamkeit gewidmet. Während die Klimabewegung – etwa Fridays for Future – in den letzten Jahren intensiv untersucht wurde, richtet sich neuerdings auch das Interesse verstärkt auf Bewegungen des anti-ökologischen Backlashs. Gesellschaftstheoretische und zeitdiagnostische Perspektiven verorten sozial-ökologische Bewegungen teils kritisch als Träger eines konfliktträchtigen Steuerungsphantasmas oder als Avantgarden einer kommenden Technokratie.
Mit dem Themenheft „Umkämpfte Transformation: Soziale Bewegungen im Konfliktfeld von Ökologie und Gesellschaft“ möchte Soziologie und Nachhaltigkeit aktuellen Forschungsarbeiten ein Forum bieten und die Debatte zur Rolle sozialer Bewegungen in der sozial-ökologischen Transformation weiterentwickeln. Leitfragen sind unter anderem:
- Welche Milieus tragen (anti-)ökologische Bewegungen, wie lassen sie sich soziographisch beschreiben, und welche intersektionalen Perspektiven existieren?
- Welche Koalitionen, Netzwerke und Abgrenzungen prägen sozial-ökologische Bewegungen und den anti-ökologischen Backlash?
- Wie „framen“ Bewegungen die Transformation, wie erfolgreich sind ihre Strategien, und wie lässt sich die unterschiedliche Resonanz erklären?
- Welche Aktionsformen und Prozesse der (De-)Radikalisierung sind zu beobachten, und wie werden sie im öffentlichen sowie politischen Diskurs verhandelt?
- In welchem Verhältnis stehen Gesellschaftskritik und die Kritik an gesellschaftlichen Naturverhältnissen, und wie werden globale oder postkoloniale Perspektiven integriert?
- Welche realen Utopien und Praktiken ökologischer Sorge und Solidarität entstehen, und inwiefern gelingt es Bewegungen, Einfluss auf Politik, Ökonomie, Recht, Kultur und Wirtschaft zu nehmen?
- Wie lassen sich sozial-ökologische Bewegungen und ihre Gegner gesellschaftstheoretisch einordnen, insbesondere im Hinblick auf Geschlechter- und Machtkritik sowie die Verschränkung von Anti-Ökologie und Anti-Feminismus?
Interessierte Autor:innen sind eingeladen, bis zum 15. November 2025 Exposés von maximal 500 Wörtern (inkl. Literaturverzeichnis) einzureichen. Neben wissenschaftlichen Artikeln im Journal Soziologie und Nachhaltigkeit (SuN) sind auch Blogbeiträge für eine breitere Zielgruppe willkommen. Einreichungen bitte an: sun.redaktion(at)uni-muenster.de
Call for Paper (PDF)