Dossier

Arbeitsmentalitäten im Wandel?

Schon bald muss Arbeit wohl nicht mehr auf die wachen Stunden des Tages beschränkt bleiben. Das Start-up Prophetic will noch in diesem Jahr ein Stirnband auf den Markt bringen, das unter anderem mittels Ultraschall luzides, also bewusstes und steuerbares Träumen ermöglicht. Das biete, so die Hersteller, die Chance, Zeit produktiver zu nutzen, das heißt, auch im Schlaf zu arbeiten: Ein CEO könnte sich auf eine bevorstehende Vorstandssitzung vorbereiten, ein Sportler Spielzüge durchgehen, ein Webdesigner neue Templates erstellen.

Wird zumindest geistige Arbeit also zukünftig pausenlos verrichtet? „Wieder mehr und vor allem effizienter“ zu arbeiten, ist laut Bundeskanzler Friedrich Merz dringend geboten, soll der Wirtschaftsstandort Deutschland gestärkt, das Land wettbewerbsfähiger werden. Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, sieht das ähnlich. Die Arbeitszeit müsse dringend erhöht werden, konstatierte er jüngst. Mit der Streichung eines Feiertags, etwa des Pfingstmontags, habe er „persönlich […] kein Problem“.

Das von Merz wohlplatzierte „wieder“ lässt es vermuten: Es wird eine Verfallserzählung bemüht, eine Geschichte, wie die einst so arbeitswilligen Deutschen nachgelassen haben und allmählich träge wurden. Flankiert werden solche Diagnosen von Kritik an der Arbeitsmoral der sogenannten Generation Z, also der zwischen 1995 und 2010 Geborenen, die mehr durch „Anspruchshaltung“ (Thomas de Maizière) als durch Fleiß auffielen. Grund genug, einmal zu fragen, wie es denn aus Perspektive der Soziologie um die Arbeitsmentalität der Deutschen bestellt ist, ob sich tatsächlich ein Wandel abzeichnet und wohin er führen könnte. Messen die verschiedenen Generationen Arbeit in der Tat eine so verschiedene Bedeutung zu, wie immer wieder behauptet wird? Wie sieht es in den unterschiedlichen Branchen aus, insbesondere der Kreativarbeit, wo entgrenzte Arbeit von jeher zum Berufsprofil gehört? Und worauf müssen wir uns – von Traumarbeit einmal abgesehen – zukünftig gefasst machen?

Diesen und weiteren Fragen gehen die Beiträge des vorliegenden Dossiers nach. Knut Tullius und Lukas Underwood haben zum Wandel von Mentalitäten geforscht. In ihrem Beitrag beleuchten sie insbesondere die Rolle, die Arbeit im Leben der jüngeren Befragten einnimmt, und stellen fest: Drastische Unterschiede zwischen den Generationen lassen sich nicht ausmachen. Alexandra Manske diagnostiziert im Gespräch mit Igor Biberman ebenfalls mehr Kontinuität denn Wandel, berichtet aber auch von neuen Arbeitskämpfen in der Theater-Branche und den zunehmenden regressiven Tendenzen in der Arbeitswelt und darüber hinaus. Peter Seyferth und Falko Blumenthal gehen in ihrem Sammelband der Frage nach, was uns Science-Fiction über die Zukunft von Arbeit und Arbeitskämpfen verraten vermag. Hannah Schmidt-Ott hat den Band rezensiert.

– Die Redaktion

Knut Tullius, Lukas Underwood | Essay

Und täglich grüßt das Murmeltier?

Suche nach der Mentalität einer neuen Generation

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Igor Biberman, Alexandra Manske | Interview

„Ein wenig fühlt es sich an, als säßen wir in einer Zeitmaschine“

Alexandra Manske im Gespräch mit Igor Biberman über Arbeitskulturen im Wandel, die Paradoxien der Kreativarbeit und das Revival der Industriegesellschaft

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Hannah Schmidt-Ott | Rezension

Arbeitskampf im Orbit

Rezension zu „Science Fiction und Labour Fiction. Zukunftsvorstellungen von Arbeit und Arbeitskämpfen“ von Peter Seyferth und Falko Blumenthal (Hg.)

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