Karsten Malowitz | Zeitschriftenschau | 07.04.2017
Märzrundschau
Sozialwissenschaftliche Leseempfehlungen, kurz notiert
Im Atlantic Monthly (March 2017) malt David Frum den Teufel Trump an die Wand und erklärt seinen Landsleuten How to Build an Autocracy. Passend dazu erläutert Jonathan Rauch in Containing Trump die Bedeutung der Zivilgesellschaft für die Bewältigung autoritärer Herausforderungen. Und Franklin Foer beschreibt How the Russian President Became the Ideological Hero of Nationalists Everywhere.
Aus Politik und Zeitgeschichte (13/2017) nimmt den Hype um das vermeintlich angebrochene „Postfaktische Zeitalter“ zum Anlass, mit Pontius Pilatus noch einmal die Frage nach der guten alten Wahrheit zu stellen. Vincent F. Hendricks und Mads Vestergaard sehen uns An der Schwelle zur postfaktischen Demokratie, Peter Weingart fragt, wie sich „Wahres Wissen“ und demokratisch verfasste Gesellschaft zueinander verhalten, und Stefan Marschall nimmt Lügen und Politik im „Postfaktischen Zeitalter“ unter die Lupe. Außerdem erzählt Lucas Graves Eine kleine Geschichte des Faktenchecks in den USA.
In den Blättern für deutsche und internationale Politik (3/2017) begeben sich Gwynn Guilford und Nikhil Sonnad auf die Suche nach dem Geist des Trumpismus, während Amanda Hess Amerikas neue Frauenbewegung vorstellt. Diesseits des Atlantiks erklären Chris Kühn und Lisa Paus wie Das Geschäft mit der Wohnungsnot funktioniert, dieweil Franziska Schutzbach ihrem Unmut über linke Lethargie Luft macht und Wider die bequeme Weltuntergangslust streitet.
Vor dem Hintergrund des französischen Präsidentschaftswahlkampfs befasst sich ein Schwerpunkt von Le Débat (2/2017) mit Questions politiques. Darin macht sich François Cornut-Gentille Pour un nouveau Parlement stark, Francis Brochet nimmt L’électeur numérique ins Visier und Bernard Poulet will noch einmal ganz genau wissen De quoi le socialisme est-il (encore) le nom? David Amiel, Quentin Lafay, Céline Bähr und Yohann Marcet sehen unterdessen Une nouvelle génération en politique im Anmarsch.
Um Capitalism Today geht es im Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe von Dissent (Spring 2017). Mark Levinson und Timothy Shenk weisen den Weg Toward a New Economy, J.W. Mason formuliert A Cautious Case for Economic Nationalism, Alyssa Battistoni entlarvt The False Promise of Universal Basic Income und James K. Galbraith fragt: Can Trump Deliver on Growth?
Bei Esprit (3-4/2017) dreht sich alles um Le problème technique. Jean Vioulac macht sich Gedanken über L’émancipation technologique, François Jarrige erörtert Promesses robotiques et liquidisation du politique und Philippe Bihouix entzaubert Le mythe de la technologie salvatrice. Skeptisch gestimmt sind Jean-Michel Besnier, den die Frage umtreibt Comment dire „non“ quand les machines triomphent?, und Camille Riquier, dem Un retour a la vie simple? zweifelhaft erscheint.
Die jüngste, von Karoline Krenn als Gastherausgeberin verantwortete Ausgabe von Historical Social Research (1/2017) setzt sich mit Markets and Classifications auseinander. Während Marion Fourcade und Kieran Healy Life-Chances in the Neoliberal Era betrachten und Sebastian Sevignani The Relevance of Exploitation in the Context of Markets in Information untersucht, fragen Eve Chiapello und Gaëtan Godefroy: Why Does the Plurality of Market Classifications Matter? In weiteren Beiträgen nimmt Rainer Diaz-Bone Perspectives of the Economics of Convention in den Blick, derweil Anne K. Krüger und Martin Reinhart Theories of Evaluation auf den Prüfstand stellen.
Das neue Kursbuch (Nr. 189) tischt diesmal Lauter Lügen auf. Matthias Hans begibt sich in die Gesellschaft von Lüge, Bluff & Co., Gerhard Walter unterrichtet Deutschkunde, Armin Nassehi buchstabiert Po:Pu:Lis:Mus und Barbara Zehnpfennig weiß, dass es Keine Lüge ohne Wahrheit gibt. Außerdem mit von der Partie: Walter Schels, der einen Schönheitswettbewerb veranstaltet, Ludger Heidbrink und Alexander Lorch, die einen Crah-Kurs in Post-Truth-Managment anbieten, und André Kieserling, der den Grenzschutz inspiziert.
In der Redaktion des Leviathan (1/2017) haben sie sich für die heterogenen Beiträge des neuen Heftes den schönen Titel Verstehen in der Welt der Ungleichzeitigkeit einfallen lassen. Unter diesem Label nimmt Tatjana Hörnle an Hijab, Niqab und Burka Maß, um Die Probleme mit sittsamer Bekleidung zu erörtern, Hauke Brunkhorst streitet unverzagt für Selbstbestimmung durch deliberative Demokratie und Claudia Landwehr, Thorsten Faas und Philipp Harms stellen angesichts aktueller Einstellungen zu politischen Entscheidungen und demokratischen Entscheidungsverfahren in Zeiten des Populismus die Frage: Bröckelt der Verfahrenskonsens?
Im Merkur (3/2017) machen sie sich und uns mit dem neuen Zeitalter des Anthropozän vertraut. Eva Horn wirft in Nachhaltigkeit im Anthropozän einen Blick in die Zukunft Jenseits der Kindeskinder, während Jens Soentgen sich Im Funktionskreis des Feindes aufhält, um von dort Über die Angst der Tiere im Anthropozän zu berichten. Wolfgang Kemp hat derweil Wissenswertes über Stadtflucht, Landliebe, Landarbeit im deutschen Fernsehfilm, aber auch bei Goethe mitzuteilen.
In der Märzausgabe von Le monde diplomatique (3/2017) blickt Perry Anderson auf Das System Europa und seine Gegner, Roxanne Varzi erzählt ihre amerikanisch-iranisch Familiengeschichte zwischen Sesamstraße und Einreiseverbot und Niels Kadritzke haben es Der Grexit und die linken Geisterfahrer angetan. Édouard Pflimlin hat sich unterdessen mit den neuesten Erfindungen der Rüstungsindustrie vertraut gemacht und stellt Roboterwaffen vor, die Autonom im rechtsfreien Raum agieren.
Bei der Neuen Gesellschaft/Frankfurter Hefte (3/2017) haben sie bemerkt, dass das Parteiensystem in Bewegung geraten ist. Stefanie Hanke freut sich über Politisches Engagement der jungen Generation, dieweil Katharina Gerl für alle Ortsvereinsvorsitzenden noch einmal erklärt Wie die neuen Medien die Arbeit der Parteien beeinflussen und Wolfgang Schroeder die Grundsatzfrage stellt: Wozu noch Volksparteien? In der Theorieetage teilt unterdessen Thomas Meyer mit, wie Kommunitaristen, Kosmopoliten und die „verlorene Arbeiterklasse“ miteinander zusammenhängen, und Felix Butzlaff denkt Über das Verhältnis von Bürgerprotesten, Bewegungen und Parteien nach.
Die Kosmopoliten von Projet (Nr. 357) schalten eine Suchanzeige und titeln: Monde cherche citoyens. An der Suche nach neuen Exemplaren des civis totius mundi beteiligen sich u.a. Bernard Salamand mit Mondialiser la solidarité, Louis Lourme mit Citoyens, de quelle cité? und Serge Paugam mit Inégalement liés les uns aux autres. Unterdessen konstatiert François-Xavier Verschave im Stil eines Sepp Herberger: Démocratie: on joue mieux avec un ballon gonflé.
In der jüngsten Ausgabe von Thesis Eleven (Nr. 138) führt niemand Geringeres als Andrew Feenberg mit Critical Theory of Technology and STS in die Thematik des seinen Arbeiten gewidmeten gleichnamigen Schwerpunkts ein. Kritische Beiträge stammen u.a. von Lars Kristensen, der ins Bicycle Cinema geht, um sich Machine Identity and the Moving Image anzuschauen, und von Graeme Kirkpatrick, der sich mit Feenberg’s Aesthetique Critique of Technology auseinandersetzt. Außerdem steuern Mark R. Johnson und Jamie Woodcock einen Aufsatz zum Thema Exploring the Aesthetics of Play in Professional Gaming bei. Abgerundet wird der Schwerpunkt durch Feenbergs Replik On Democratic Interventions.
Im neuen Heft der Zeithistorischen Forschungen (1/2017) stellen Habbo Knoch und Benjamin Möckel Überlegungen zu einer Geschichte des Moralischen im „langen“ 20. Jahrhundert an, dieweil Kiran Klaus Patel den bevorstehenden Br(Exit) zum Anlass nimmt, um an Algerien, Grönland und die Vorgeschichte der gegenwärtigen Debatte zu erinnern. In der Rubrik Neu gelesen weiß Christoph Cornelißen etwas Zur Aktualität von Hans Magnus Enzensbergers „Ach, Europa!“ zu sagen, während Thomas Etzemüller Ein kritischer Rückblick auf Zygmunt Baumans „Dialektik der Ordnung“ genügt, um dort Ambivalente Metaphorik auszumachen.
Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Martin Bauer.
Kategorien: Medien Wissenschaft
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