Christina Müller | Einführung | 19.09.2016
Was sind und wozu braucht man Fachinformationsdienste?
Ein Soziopolis-Themenschwerpunkt in Zusammenarbeit mit H-Soz-Kult
Fachinformationsdienste lösen seit 2014 im wissenschaftlichen Literaturversorgungs- und Informationssystem die Sondersammelgebiete wissenschaftlicher Bibliotheken ab, die seit 1949 durch die DFG gefördert wurden. Bisher haben einzelne Staats- und Universitätsbibliotheken die Zuständigkeit für den Literaturerwerb zu einem Thema, einer Region oder einer Epoche innegehabt. Mit dem Wandel zu den Fachinformationsdiensten soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass immer mehr Literatur digital vorliegt und das ‚Sammeln‘ von Publikationen bisweilen eben nicht mehr ausschließlich ein Sammeln physischer und per Fernleihe nutzbarer Bücher bedeutet, sondern auch durch das Lizenzieren von Inhalten erledigt werden kann. Schon 2012 war eine entsprechende Empfehlung des Wissenschaftsrates an die Bibliotheken ergangen.[1]
Diejenigen wissenschaftlichen Bibliotheken, die für bestimmte regionale, fachliche oder thematische Bereiche einen Sammelauftrag erhalten haben, sehen sich also vor neue Herausforderungen gestellt: Wie macht man sowohl digitale als auch gedruckte Literatur gleichermaßen auffindbar und einer möglichst großen Menge an Nutzer_innen zugänglich? Was darf das alles kosten und wie lässt sich mit den Verlagen am besten verhandeln? Welche Sprachen und welche Themen sind (noch) gefragt, welche nicht? Welche Rolle spielt Open Access? Und was ist an zusätzlicher Informationsinfrastruktur erforderlich? Dass eine derart umfangreiche Neuordnung wissenschaftlicher Infrastrukturen nicht ohne Kontroversen vor sich geht, hat sich im Feld der Geschichtswissenschaften gezeigt.[2]
Im Umfeld der Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften haben sich bis jetzt die folgenden themenspezifischen Fachinformationsdienste etabliert:
- FID Afrikastudien; Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main
- FID Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft; Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main
- FID Altertumswissenschaften – Propylaeum; Universitätsbibliothek Heidelberg und Bayerische Staatsbibliothek, München
- FID Anglo-American Culture; Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen und Bibliothek des John-F.-Kennedy-Instituts der Freien Universität Berlin
- FID Benelux / Low Country Studies; Universitäts- und Landesbibliothek Münster
- FID CrossAsia – Asien; Staatsbibliothek Berlin – Preußischer Kulturbesitz und Universitätsbibliothek Heidelberg
- FID Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung; Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF), Frankfurt am Main, Universitätsbibliothek der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin und das Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung (GEI), Braunschweig
- FID Geschichtswissenschaft; Bayerische Staatsbibliothek, München, und Bibliothek des Deutschen Museums München
- FID Jüdische Studien; Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main, und Hochschule der Medien, Stuttgart
- FID Kartographie und Geobasisdaten; Staatsbibliothek Berlin – Preußischer Kulturbesitz
- FID Lateinamerika, Karibik und Latino Studies; Bibliothek des Ibero-Amerikanischen Instituts Berlin – Preußischer Kulturbesitz
- FID Nahost-, Nordafrika- und Islamstudien; Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Halle an der Saale
- FID Nordeuropa; Universitätsbibliothek Kiel
- FID Politikwissenschaft; Staats- und Universitätsbibliothek Bremen und GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, Köln
- FID Religionswissenschaft; Universitätsbibliothek Tübingen
- FID Romanistik; Universitäts- und Landesbibliothek Bonn und Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg
- FID Slawistik; Staatsbibliothek Berlin – Preußischer Kulturbesitz
- FID Sozial- und Kulturanthropologie; Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin
- FID Soziologie; Universität- und Stadtbibliothek Köln und GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, Mannheim
In unserem gemeinsamen Themenschwerpunkt mit H-Soz-Kult werden wir die spezifischen Aufgaben, Projekte und Zuschnitte der einzelnen FIDs genauer in den Blick nehmen. Schließlich sind die Unterschiede zwischen den Disziplinen, etwa was das Lese- und Publikationsverhalten angeht, beträchtlich. Dabei konzentrieren wir uns auf die geschichtswissenschaftlich und sozialwissenschaftlich orientierten FIDs. Um unseren Leser_innen den Einstieg in die Thematik zu erleichtern, haben wir die jeweiligen Verantwortlichen zunächst um je eine Einführung in ihren Aufgabenbereich gebeten. Anschließend haben wir ihnen einige kritische Fragen gestellt.
Auf Soziopolis stellen wir Ihnen die FIDs Politikwissenschaft, Sozial- und Kulturanthropologie und Soziologie vor. Auf H-Soz-Kult finden Sie Beiträge zu den FIDs Geschichte, CrossAsia – Asien, Altertumswissenschaften – Propylaeum, Anglo-American Culture, Jüdische Studien sowie Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa. Auf dem Historikertag 2016 wird die Debatte über die Fachinformationsdienste fortgesetzt.[3]
Fußnoten
- Empfehlungen zur Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Informationsinfrastrukturen in Deutschland bis 2020, Berlin 13.07.2012.
- Vgl. Martin Schulze Wessel, Sammeln für die Interessen von morgen, in: FAZ, 10.04.2015.
- Den Höhepunkt des Themenschwerpunkts bildet die Podiumsdiskussion „Fachinformation in der digitalen Transformation: Erfahrungen – Beobachtungen – Perspektiven“, die am 23.09.2016, um 9:00 Uhr (Ort: HWF-121) auf dem diesjährigen Historikertag in Hamburg stattfindet. Dort werden sowohl die Implikationen der Einführung der Fachinformationsdienste als auch die grundsätzliche Entwicklung der Fachinformationslandschaft mit Blick auf das zwanzigjährige Jubiläum von H-Soz-Kult gemeinsam mit Historiker_innen und DFG-Vertreter_innen diskutiert. Eine weitere Podiumsdiskussion zum Thema „Forschungsunterstützung auf neuen Wegen: Fachinformationsdienste für die Geschichtswissenschaft“ schließt sich unmittelbar an. Informationen zu beiden Veranstaltungen sowie über weitere Sektionen zur Digitalen Geschichtswissenschaft finden sich online.
Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Karsten Malowitz.
Kategorien: Kommunikation
Zur PDF-Datei dieses Artikels im Social Science Open Access Repository (SSOAR) der GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften gelangen Sie hier.
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