Hannah Schmidt-Ott | Zeitschriftenschau | 30.04.2025
Aufgelesen
Die Zeitschriftenschau im April 2025
Unabhängig davon, wohin man gerade schaut: Big Tech ist big. Und mit Elon Musk hat ein Tech-Mogul offiziell Eingang ins Weiße Haus erhalten. Dass Musk bei einer von Donald Trumps ersten Kabinettssitzungen mit einem „Tech Support“-Shirt auflief, war, das muss man zugeben, gar kein schlechter Witz – gerade, weil es genauso sehr eine zutreffende Beschreibung wie eine maßlose Untertreibung war.[1] Der an der Universität Genf lehrende Professor für Politische Ökonomie Cédric Durand hat auf dem Sidecar-Blog der New Left Review unter dem Titel „Fragile Leviathan?“ einen Beitrag veröffentlicht, der die Beziehung von Donald Trump zu Big Tech näher beleuchtet. Seine These: Trumps Kumpelei mit den Big Tech-Milliardären von Bezos bis Zuckerberg ist nicht weniger als ein Epochenbruch. Zukünftig werden die Stärkung privater Interessen und die Erweiterung der Handlungsspielräume von monopolistischen Unternehmen auf Kosten öffentlicher Institutionen handlungsleitende Motive der US-Regierung sein.
Als paradigmatisch dafür sieht Durand zwei Verordnungen, die Trump gleich am Tag seines Amtsantritts unterzeichnete. Die erste nahm die Auflage für Entwickler von KI-Systemen zurück, wonach Nachweise über die Sicherheit der Systeme erbracht werden sollten. Die zweite betraf die Einrichtung des bereits berüchtigten „Department of Government Efficiency“ („DOGE“). Das DOGE soll zum Zweck der Effizienzsteigerung mittels moderner Technologien die Informationssysteme unterschiedlicher staatlicher Bereiche zusammenführen. Der Clou: Dafür wird DOGE auf die Daten von Regierungsbehörden zugreifen können. Durand bemerkt also zurecht, dass „[i]n the first hours of Trump’s second term, then, tech entrepreneurs managed to shield their most profitable ventures from public scrutiny while gaining significant influence over the state bureaucracy”.
Big Tech-Konzerne können menschliches Verhalten durch Algorithmen steuern, etwa wie soziale Medien genutzt werden. Zudem monopolisieren sie Wissen und Daten. In der Folge löst Big Tech öffentliche Institutionen zunehmend ab und organisiert Gesellschaft durch verhaltenssteuernde Eingriffe. Durand bezeichnet diese Tendenz als „Technofeudalisierung”. Die Trump-Regierung verfolgt dabei nicht das Ziel, die gemeinsamen Interessen der herrschenden Klassen zu vertreten. Stattdessen will sie die aggressivste Kapitalfraktion von allen ernsthaften staatlichen Beschränkungen befreien und den Verwaltungsapparat unter algorithmische Kontrolle stellen: „We can expect more such policies further down the line: deregulation, tax breaks, government contracts and legal protections”, prognostiziert Durand.
Der Ökonom betont den antidemokratischen Impuls solchen Regierungshandelns: Diejenigen, deren Schutz durch Antidiskriminierungsmaßnahmen sichergestellt werden soll – Arbeiter:innen, Frauen, PoCs, trans Personen –, werden in der innovationsgetriebenen Silicon Valley-Ideologie als Hindernisse wahrgenommen.
„Hence the rapid rapprochement between Californian liberals and the far right, with Musk and Zuckerberg now casting themselves as culture warriors fighting to reverse the tide of wokeness. Algorithmic governmentality enshrines the right to ‘innovate’ with no accountability to the demos.”
Was bedeutet Technofeudalisierung für den Kapitalismus? Natürlich bleibt das Erwirtschaften von Überschüssen treibendes Motiv von Investitionsentscheidungen. Allerdings investiert Big Tech auch mit dem Ziel, ganze soziale Bereiche unter monopolistische Kontrolle zu bringen. Das gelingt auch deshalb so gut, weil die Tech-Giganten oft kritische Infrastrukturen vermarkten, auf die eine Gesellschaft nur schwerlich verzichten kann. Individuen, Unternehmen und Institutionen sind gleichermaßen von ihnen abhängig. Durand weist beispielhaft auf den durch ein fehlerhaftes Update eines Sicherheitssystems verursachten Softwareausfall bei Microsoft hin, der im Sommer 2024 Infrastrukturen von Flughäfen bis Behörden lahmlegte. Die Marktmacht der Big Tech-Industrie ist auch deshalb so groß, weil Unternehmen aus anderen Sektoren zunehmend auf Server und KI angewiesen sind. In der Folge stagniert die Wirtschaft, soziale Ungleichheit wächst und politische Polarisierung verstärkt sich.
Doch Durand geht noch weiter: Unter zweifelhaftem Bezug auf Mao macht er das alte Hauptwiderspruchsargument stark. Bestand dieser früher bekanntlich zwischen Kapital und Arbeit, verlaufe die Linie zukünftig möglicherweise zwischen den Tech-Giganten und den von ihnen beherrschten Menschen. Sollte es dazu kommen, plädiert Durand für den Aufbau einer anti-technofeudalen Front, die alle demokratischen Kräfte zusammenzieht und alternative Wirtschaftsräume außerhalb des Einflusses der Big Tech-Monopolisten schafft. Natürlich stünde ein solches Bündnis vor diversen Herausforderungen, doch auch die Tech-Mogule sehen sich mit Problemen konfrontiert, sei es die geringe Unterstützung ihrer Projekte innerhalb der Gesellschaft oder die Konkurrenz aus China.
So wenig man Mao heranziehen muss, um über kapitalistische Widersprüche oder emanzipatorische Perspektiven zu sprechen, so sehr leuchtet Durands These ein, dass sich mit dem politisch geförderten Siegeszug der Big Tech-Industrie auch strukturelle Veränderungen in der US-amerikanischen Regierungs- und Wirtschaftsweise ergeben werden. Das Zusammenspiel von Monopolisierung, Verquickung zwischen Big Tech und Politik, der infrastrukturell immer relevanteren Dienstleistungen und dem kaum noch beschränkten Zugang zu Daten – etwa durch eine „Behörde“ wie DOGE oder schlicht durch soziale Netzwerke – ist neu und wird bis dato ungekannte Effekte zeitigen.
Mit dem verstärkten Einsatz autonomer, insbesondere algorithmischer Technologien, drängt sich jedoch nicht nur die Frage auf, wie solche Systeme und Unternehmen reguliert werden können, sondern auch, wie sie sich regulierend auf das menschliche Zusammenleben auswirken. Wird die neue Verhaltenssteuerung via Technik die bestehende Verhaltenssteuerung qua Recht ablösen? Kann sie das überhaupt? Um dieser Frage nachzugehen, eruieren Jonas Barth und Simon Egbert in einem Beitrag in der Zeitschrift für Rechtssoziologie, inwiefern sich die Regulierungsformen soziologisch unterscheiden. Denn natürlich steuern Recht wie Technik Verhalten nach normativen Maßgaben – aber kann autonom funktionierende Technik ebenso wie das Recht Verhalten regulieren, indem sie es sanktioniert?
Um zwischen unterschiedlichen Regulierungsformen zu differenzieren, ziehen die Autoren soziale Normen heran. Sie argumentieren, „dass auch technische Regulierung auf normativer Verhaltenssteuerung basiert. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Regulierungsweisen besteht hingegen in der Art und Weise, wie Normen jeweils wirken.“ (S. 453) Soziale Normen und Sanktionsmechanismen sind für die Autoren eng miteinander verbunden. Mit Popitz verstehen sie „Soziale Normen […] als Verhaltensvorschriften, deren verhaltensmäßige Befolgung zukünftig erwartet und an einem Sollensmaßstab gemessen werden, deren verhaltensmäßige Entsprechungen ausreichende Regelmäßigkeiten aufweisen und deren Nichtbefolgung mit einem Sanktionsrisiko verbunden sind.“ (S. 454) Allerdings wird nicht jede beobachtete Normabweichung auch sanktioniert. Ob das tatsächlich geschieht, hänge nicht zuletzt davon ab, „inwieweit sich der Enttäuschte von der Enttäuschung auch selbst betroffen sieht“ (S. 454 f.).
Das Recht fungiert als „Institutionalisierungsform solcher sozialen Normen“ (S. 456). „Konstitutiv für modernes Recht ist dabei, dass dessen Geltung abgesichert wird über die gesellschaftsweit beanspruchte staatliche Monopolisierung von Gewaltmitteln und dem Recht, Gewalt auszuüben.“ (S. 456). Juristisch steht also immer fest, „wer was wann auf welche Weise sanktionieren darf“ (S. 457), während das bei Sanktionen, die sich auf Verstöße gegen allgemeine soziale Normen beziehen, nicht immer eindeutig ist.
Technische und soziale Normen unterscheiden sich in zeitlicher Hinsicht. Während Verstöße gegen soziale Normen erst nachträglich sanktioniert werden, kann Technik sie in manchen Fällen sogar präventiv verhindern. Doch auch in sachlicher Hinsicht gibt es Differenzen. Ob vor Gericht oder im Alltag: Die Feststellung von Normverstößen und die Verhandlung der Frage, ob und wie ihnen begegnet wird, ist stets ein interpretativer Prozess. Technik interpretiert jedoch nicht in diesem Sinne. Sie entscheidet entweder deterministisch oder nach Wahrscheinlichkeiten. Soll Technik nicht Gefahr laufen, selbst normverletzend zu agieren, ist sie in der sozialen beziehungsweise symbolischen Dimension auf Legitimität angewiesen. Sanktionen sind an moralische Verantwortung gekoppelt – eine Technik, die bloß Fehler korrigiert, sanktioniert also nicht, sondern operiert auf Basis codierter Normen. Doch Technik erscheint nur dann als sanktionierend, wenn aus der Perspektive der Menschen, die sie nutzen, eine solche Reaktion auch als Sanktion erlebt wird. De facto handelt es sich jedoch um nicht mehr als technisch vermittelte Normdurchsetzung.
Die Autoren differenzieren zwischen Technologien, die bestimmtes Verhalten ex post sanktionieren, und solchen, die es ex ante verhindern. Zu ersteren zählen etwa autonome Waffensysteme. Doch auch wenn Drohnen oder andere autonome Systeme technisch Entscheidungen vorbereiten oder sogar teilautonom treffen können, liegt die moralische und rechtliche Verantwortung für ihre Handlungen bislang noch beim Menschen. Es ist möglich, dass „automatisiert funktionierende Technik den Charakter eines Werkzeugs erhält, das zu Sanktionszwecken eingesetzt wird.“ (S. 461) Der Sanktionscharakter dieser Technologien ergibt sich also nicht aus der Technik selbst, sondern aus der sozialen und rechtlichen Konstellation, in der sie eingesetzt werden. Kann eine volltechnisierte Verhaltenssteuerung ebenfalls sanktionieren?
Alkohol-Interlocks, also alkoholsensitive Wegfahrsperren in Fahrzeugen, sollen das Fahren unter Alkoholeinfluss ex ante verhindern. Hier übernimmt die Technik die Verhaltenssteuerung vollständig: Sie verhindert das Starten eines Fahrzeugs, wenn beim Fahrer ein zu hoher Alkoholwert festgestellt wird. Das System operiert nach einem streng funktionalen Prinzip: Die Befolgung einer technischen Norm wird automatisiert überwacht, bei Abweichung verhindert die Technik das normwidrige Verhalten; es handelt sich also um einen Fehlerkorrekturmechanismus. Der Annahme, dass technische Verhaltenssteuerung normativ indifferent wäre, widersprechen Barth und Egbert allerdings entschieden, so lange Technik „als Instrument eines ihr äußeren Willens verstanden wird“ (S. 468). Einen Sanktionscharakter erhält diese Form der Verhaltenssteuerung also erst im Rahmen einer „soziotechnischen Konstellation“ (S. 467), die auch Dritte einschließt, etwa wenn verkehrsauffällige Personen eine Wegfahrsperre als Auflage erhalten. Eine rein technische Steuerung ersetzt soziale Sanktionierung nicht, sondern transformiert sie in eine funktionale Fehlerkorrektur. Was bedeutet das für die Möglichkeiten, rechtliche durch technische Verhaltenssteuerung zu ersetzen? Auch wenn die Autoren prognostizieren, dass allein aus Kostengründen Bestandteile des Rechts in Zukunft technisiert werden, etwa mittels „smart contracts“, sind technische und soziale Normen nicht gleichzusetzen. Daraus folgt, dass, legt man ein Konzept sozialer Normen als Bedingung für Sanktionierung zugrunde, Technik die Verhaltenssteuerung qua Recht nicht ersetzen kann.
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist aus einer Vielzahl von Gründen umstritten, wobei jedoch nicht nur ethische Erwägungen eine Rolle spielen. Ein weiterer Kritikpunkt am breiten Einsatz von KI ist ihr immenser Energieverbrauch. Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass der Economist die These stark macht, dass der Ruf von KI als Energiefresser möglicherweise ungerechtfertigt sei. Ein Beitrag mit dem Titel „How AI could help the climate. The technology could help decarbonise the industries that have proved the hardest to clean up” versammelt entsprechende Argumente.
Erstens, so der Artikel, sei der Energiebedarf Künstlicher Intelligenz in absoluten Zahlen gar nicht so hoch wie oft angenommen: Rechenzentren sind heute für etwa 1,5 % des globalen Stromverbrauchs verantwortlich. Selbst wenn, wie die Internationale Energieagentur vermutet, sich der Stromverbrauch von Rechenzentren in den kommenden fünf Jahren verdreifacht, bleibt der Anteil niedrig, zumal der Großteil der von Rechenzentren verbrauchten Energie nicht für KI, sondern für Streaming, Soziale Medien und Onlineshopping aufgewandt wird. Zweitens könne KI selbst einen relevanten Beitrag leisten, um Energie einzusparen. Ihre Fähigkeiten, „improve the efficiency of electrical grids, cut fuel use in shipping and spot otherwise invisible leaks of methane, a potent greenhouse gas“ können helfen, Emissionen zu verringern. Schon heute, so wird ausgeführt, hilft KI etwa, Stromnetze effizienter zu machen.
Die Politik wird dazu aufgerufen, mehr Transparenz zu schaffen, was den Energieverbrauch von KI-Modellen angeht, den Betrieb von Rechenzentren etwa durch flexible Kapazitätsnutzung effizienter zu gestalten und Tech-Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen, was die Einhaltung ihrer selbstgesetzten Emissionsziele angeht. Wenn der Energiebedarf der Firmen aus sauberen Quellen gedeckt würde, könnte das deren Ausbau beschleunigen. „Doubling down on such approaches would help transform AI from climate suspect to climate hero”, so das Fazit des Artikels.
Es ist eine Binsenweisheit, dass das, was heute als bahnbrechende Entwicklung hin zu einer möglicherweise nicht allzu schönen neuen Tech-Welt erscheint, in einigen Jahren so allgegenwärtig wie alltäglich sein wird. Trotzdem kann es beruhigend sein, sich diesen Umstand gelegentlich bewusst zu machen. Der Literaturwissenschaftler Wolfgang Hottner tut das, indem er auf pop-zeitschrift.de über die Funktion und Ästhetik von PDF-Dateien nachdenkt.
Das PDF – kurz für Portable Document Format – wurde Anfang der 1990er-Jahre entwickelt. Man war auf der Suche nach Möglichkeiten, „elektronische Dokumente vertraulich, kompakt und über verschiedene Betriebssysteme hinweg“ zu versenden. Der Dateityp sollte zudem über ein fixes Layout verfügen, allerdings durchscrollbar sein und durch die Integration von Hyperlinks zugleich über sich selbst hinausweisen können. Dabei ist es in dem Sinne eher „Zirkulations- und Distributionsformat“ denn Arbeitsfläche, es trennt Produktion und Rezeption. Denn ein PDF wird erstellt, wenn der Schreibvorgang abgeschlossen ist und das erstellte Dokument in die Welt geschickt wird.
Als Adobe 1993 das Programm Acrobat Exchange auf den Markt brachte, wurde die Publikation um eine „praxeologische Beschreibung und Zukunftsvision“ in Buchform(!) ergänzt. Am Beispiel dieses Handbuchs, das den Titel „Beyond Paper. The official guide to Adobe Acrobat“ trägt, zeichnet Hottner die damaligen Zukunftsvisionen nach, die aus heutiger Perspektive gleichermaßen antiquiert und hellseherisch anmuten. Von „smarten“ Lösungen für die analogen Probleme der Arbeitswelt ist da die Rede und von Kosteneinsparungen durch Papierreduktion sowie Zeit- und Energieersparnis durch das digitale Versenden von Dokumenten. Aber mehr noch, Adobe wollte das Arbeiten endlich mobil machen:
„Meetings können außerhalb des Büros und spontan durchgeführt werden – in der in Beyond Paper skizzierten Welt insbesondere in Flughäfen –, Dokumente liegen nicht mehr im Büro, sondern sind nur einen Klick entfernt. Durch die neue ubiquitäre Verfügbarkeit ist ein Arbeitstag nicht um 17 Uhr zu Ende, sondern lässt sich stets verlängern.“
Zuletzt wird das PDF als „ideales Format für einfaches und schnelles Publizieren im Internet“ angepriesen. Doch obwohl die beschriebene Arbeitswelt der Zukunft unserer heutigen sehr ähnlich ist, begann der Siegeszug des PDFs erst „mit der Veröffentlichung von Acrobat 2.0 im Jahr 1994 und der Entscheidung der US-Steuerbehörde, mit elektronischen Formularen ihre Druck- und Versandkosten für Steuerunterlagen zu senken“. Der entscheidende Schritt zur Etablierung des PDF als Standardformat erfolgte 2008, als Adobe die kostenlose Verbreitung der Software gestattete. Diese Öffnung machte das PDF nicht nur zum gängigen Format für das Versenden, Hochladen und Archivieren von Dokumenten, sondern auch als Medium für Kunst attraktiv.
Das Kunstkollektiv K-HOLE zum Beispiel publizierte sogenannte „reports“ im PDF-Format, die eine „Kartierung kultureller, technologischer sowie sozioökonomischer Veränderungen“ vornehmen und „gegenwärtige gesellschaftliche Stimmungen und ästhetische Tendenzen auf Begriffe“ bringen und mögliche Zukünfte entwerfen. „Die Ästhetik dieser PDFs – aphoristische Slogans und kontrastive Bilderfolgen angereichert mit Tabellen und Diagrammen – ist an Sprache, Ikonografie und Gestus der Jahresberichte großer Firmen und Luxusmarken angelehnt.“ Ein Begriff, den die Mitglieder von K-HOLE in einem ihrer Reporte prägen, ist das heute weitverbreitete „Normcore“, das eine „Haltung, Ästhetik und Weltanschauung beschreibt, die mit dem Versprechen des Individualismus zu brechen versucht“. Statt ostentativer Abgrenzung wird Angleichung, statt Dogmatismus Anschlussfähigkeit, statt Singularität Gleichheit stark gemacht. Das Versprechen von Freiheit ohne Exklusivität sei, so das Kollektiv, zugleich ein Versprechen auf ein besseres Leben. Dieser Weltzugang liegt gewissermaßen in der DNA des PDFs:
„Spielend zwischen unterschiedlichen Systemen, divergierenden oder gar konträren Kontexten wechseln zu können, sich auf verschiedene Gesprächszusammenhänge und Lebenswelten einzulassen, unkompliziertes, nahezu universelles Funktionieren und Zirkulieren in diversen Milieus – diese easyness leitet sich aus dem Funktionalitätsversprechen des PDFs selbst her.“
Insofern weist die Kunst von K-HOLE auf den Überschuss des PDFs hin, das mehr als nur ein Dateiformat ist. Es steht zwischen Buch und Digitalem, ist mit seiner an Print angelehnten Optik eine Reminiszenz an vordigitales Arbeiten und Publizieren, ohne jedoch im Korsett von deren beschränkten Möglichkeiten zu verbleiben. In einer Welt, die, nicht zuletzt von Hottner, als „postdigital“ beschrieben wird, in der Digitalität also Alltag ist, wird digitales Publizieren jenseits von E-Books und Buchmarkt relevant. Dem PDF kommt dabei eine eigene, mittelnde Funktion zu: „Auf der einen Seite scheint das PDF das digitale Versprechen der Zirkulierbarkeit zu erfüllen, auf der anderen Seite perpetuiert es ein klassisches Verständnis von Werk- und Buchhaftigkeit.“
Fußnoten
Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Stephanie Kappacher.
Kategorien: Daten / Datenverarbeitung Demokratie Gesellschaft Technik Wirtschaft Zeit / Zukunft
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