Dossier
From Food to Friends?
Mensch-Tier-Beziehungen in der Gegenwartsgesellschaft
Die gemeinsame Evolution von Menschen und Haustieren, die vor über 15.000 Jahren begann, ist in eine neue Phase eingetreten. Denn mit dem raschen Wandel gesellschaftlicher Strukturen und Normen in modernen Industriegesellschaften verändern sich auch die Rollen und die Wahrnehmung von Tieren. Diese Entwicklung zeigt sich in ganz unterschiedlichen Bereichen, etwa in der Art und Weise, wie Tiere – insbesondere Haus- und Arbeitstiere – umsorgt und gestreichelt werden. Solche Gesten sind nicht nur Ausdruck von Zuneigung, sondern verweisen auch auf die zentrale Rolle, die Tieren in kontemporären Gesellschaften zukommt.
Inzwischen existiert eine umfangreiche Literatur, die die positive Wirkung von tierischen Gefährten auf das psychische Wohlbefinden beschreibt. Haustiere reduzieren Stress, lindern Ängste und bieten emotionale Unterstützung. Zunehmend werden aber auch Nutztiere wie Kühe und Schweine in therapeutischen Kontexten eingesetzt – etwa zur Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen. Zugleich stellen Befunde aus der biologischen Anthropologie die vermeintliche Ausnahmestellung des Menschen infrage. Wenn die Unterschiede zwischen Mensch und Tier weniger grundlegend sind als lange angenommen, lässt sich die Beschränkung universeller Rechte auf den Menschen noch rechtfertigen?
Doch die sich wandelnden Mensch-Tier-Beziehungen bergen auch Risiken. Seit der neolithischen Revolution entstehen immer neue Formen der Anthropozoonose. Je intensiver der Kontakt zwischen Menschen und Tieren wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Krankheiten zwischen den Arten übertragen werden.
Die Interview-Reihe geht der Frage nach, wie sich die Rolle von Tieren in den unterschiedlichen, für die moderne Gesellschaft spezifischen Bereichen wandelt. Janosch Schobin hat mit Wissenschaftler:innen gesprochen, die zu verschiedenen Aspekten des Mensch-Tier-Verhältnisses forschen. Sarah Mönkeberg und Markus Kurth berichten von den Formen, die Beziehungen zwischen Menschen und ihren Haustieren in westlichen Industriegesellschaften annehmen. Barbara Holthus gibt Einblicke in die Bedeutung von Haustieren in Japan und plädiert für eine theoretische Perspektive, die Tiere als Akteure begreift. Weitere Gespräche folgen.
Die Interviews sind im Kontext einer Online-Vortragsreihe entstanden, die zwischen April und Juni 2025 unter dem Titel „From Food to Friends? The Changing Role of Animals in the Anthropocene“ abgehalten wurde. Organisiert wurde sie von der BMFTR-geförderten und von Prof. Dr. Antje Risius geleiteten Nachwuchsgruppe WeAreOne, die untersucht, welche Synergien sich aus der Zusammenführung menschlicher, tierischer und natürlicher Gesundheit im Rahmen eines One-Health-Konzepts ergeben.
Janosch Schobin, Sarah Mönkeberg, Markus Kurth | Interview
„Haustierhaltung schafft Struktur in hochdynamisierten Lebenswelten“
Sarah Mönkeberg und Markus Kurth im Gespräch mit Janosch Schobin
Janosch Schobin, Barbara Holthus | Interview
„In Japan ist die Anthropomorphisierung von Haustieren extrem“
Barbara Holthus im Gespräch mit Janosch Schobin