Roman Köster | Rezension |

Jede Zeit produziert ihren eigenen Schrott

Rezension zu „Die Verkrempelung der Welt“ von Gabriel Yoran

Gabriel Yoran:
Die Verkrempelung der Welt. Zum Stand der Dinge (des Alltags)
Deutschland
Berlin 2025: Suhrkamp
185 S., 22,00 EUR
ISBN 978-3-518-03002-8

Von dem genialen Comiczeichner Peter Puck gibt es ein Blatt aus dem Jahr 2004 („Final Download“), in dem sein Protagonist Rudi Probleme mit seinem Computer hat. In seiner Not bricht er beim Hersteller ein und zwingt einen Experten mit vorgehaltener Waffe dazu, den Rechner benutzerfreundlicher zu programmieren. Am Ende schaut Rudi zufrieden auf seinen Bildschirm, der ihm jetzt die Wahl lässt: Entweder die Option „Anwendungen und Systemoperationen stets im Expertenmodus (Voraussetzung: abgeschlossenes Informatikstudium und Promotion) ausführen“ oder „Der ganze Scheiß soll einfach funktionieren“!

Der Witz der Geschichte besteht natürlich darin, sich einmal vorzustellen, das Fachchinesisch, die zahllosen Abkürzungen, die unverständlichen Fehlermeldungen, die langen Reparaturzeiten wären nicht der technischen Komplexität von Computern geschuldet, sondern das Ergebnis einer Verschwörung der ITler, die auf diese Weise die Kundschaft knechten und ihr das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Aber wer weiß? Vielleicht ist das ja gar nicht so weit hergeholt? Vielleicht könnten die Produkte, ohne die wir scheinbar gar nicht mehr leben können, tatsächlich einfacher, besser, haltbarer sein?

Vielleicht könnten die Produkte, ohne die wir scheinbar gar nicht mehr leben können, tatsächlich einfacher, besser, haltbarer sein?

Gabriel Yoran scheint dieser Meinung zu sein: Menschen sind konfrontiert mit schlecht konzipierten Elektrogeräten, die niemand versteht, die alberne Zusatzfunktionen haben und viel zu schnell kaputtgehen. Er bezeichnet das als „Verkrempelung“ und geht in verschiedenen Essays der Frage auf den Grund, wie es so weit kommen konnte. Seine Beispiele für die Verkrempelung sind: Ein Elektroherd mit einem verwirrenden Display, ein zu harter Duschschlauch, der lange nicht upgedatete Computer seines Vaters, ein ferngesteuerter Kaffeevollautomat. Es kommen hinzu: Eine Waschmaschine, die zwar einwandfrei funktioniert, nach Ende des Programms aber Schuberts „Forelle“ intoniert, ein Wäscheständer, auf den man keine Laken hängen kann, ein Kinderbett mit komplizierter Bauanleitung.

Wie kommt dieser Krempel in die Welt? Yoran bietet dafür verschiedene Erklärungen an. Einmal argumentiert er, die Chefs würden Mist bauen, während in unternehmerischen Hierarchien die Mitarbeiter, die es besser wissen, kaltgestellt würden. Der Vertrieb spielt eine wichtige Rolle für die Verkrempelung, die Versprechungen des Marketings, Gedankenlosigkeit, nicht zuletzt aber auch die „geplante Obsoleszenz“: Produkte würden absichtlich fehlerhaft und kurzlebig konstruiert, damit die Konsumenten gezwungen seien, sich rasch wieder ein neues zu kaufen.

Gelegentlich verstrickt sich der Autor dabei in Widersprüche. Mal werden beispielsweise die Konsumenten von der Verantwortung für die Verkrempelung freigesprochen, weil sie sich den Werbeversprechungen der Warenwelt gar nicht entziehen können. Einen Text weiter sind sie dann aber das eigentliche Problem, weil ferngesteuerte Kaffeevollautomaten nur deshalb einen Markt finden, weil mittelalte Männer ihre orale Phase nicht überwunden haben. Streckenweise lesen sich die Ausführungen wie ein zu lang geratener Werbeprospekt für „Manufactum“. Das merkt Yoran dann irgendwann und distanziert sich rasch von dem Unternehmen (zu rechts). Auch den naheliegenden Bezug zum Deutschen Werkbund sieht er kritisch (zu viele Männer). Es bleibt aber unklar, worin sich Yorans Technikkritik von links von den Schlagworten unterscheidet, mit denen eine Kette wie Manufactum seit Langem sehr viel Geld verdient.

Weil dem Autor klar ist, dass Dummheit und Nachlässigkeit als Erklärung für die Verkrempelung nicht ausreichen, führt er, neben einigen anderen Punkten, die „geplante Obsoleszenz“ an. Die ist offensichtlich gerade wieder en vogue: Vor zwei Jahren gab es beispielsweise im Zürcher Museum für Gestaltung eine Ausstellung zu dem Thema. Der britische Autor Oliver Franklin-Wallace schrieb in seinem erfolgreichen Buch Wasteland, die geplante Obsoleszenz würde sich zwar wie eine Verschwörung anhören, sei aber tatsächlich Realität.[1] Die französische Philosophin Jeanne Guien hat ihre hochinteressanten Produktgeschichten kürzlich in einer Synthese zusammengeführt, die die Obsoleszenz als Kern des Kapitalismus herausarbeitet.[2] Es macht also Sinn, hier ein paar grundsätzliche Anmerkungen zu machen.

Die These, Produkte würden absichtlich schlecht und kurzlebig gestaltet, stand immer schon vor dem Problem, dass es wenige konkrete Nachweise für sie gibt.

Die These, Produkte würden absichtlich schlecht und kurzlebig gestaltet, stand immer schon vor dem Problem, dass es wenige konkrete Nachweise für sie gibt. Das führt dazu, dass immer dieselben Beispiele präsentiert werden. Immerhin: Auf die Erwähnung des Phoebus-Kartells, das 1924 die Lebensdauer der Glühbirnen auf 1000 Stunden begrenzte, verzichtet Yoran dankenswerterweise. Aber bei dem Drucker, der anzeigt, die Patrone sei leer, obwohl sie gar nicht leer ist, kann er nicht widerstehen. Auch eine ständig zitierte Studie des Umweltbundesamtes wird angeführt, laut der Elektrogeräte eine immer kürzere Lebensdauer haben sollen.

Das hört sich plausibel an, ist es aber nicht. Das Umweltbundesamt kann nicht wirklich unterscheiden, ob ein Produkt kaputt ist oder nur als altmodisch wahrgenommen und darum entsorgt wurde. Andreas Reheis hat im Rahmen eines Projekts auf Münchner Wertstoffhöfen Toaster repariert: Mehr als die Hälfte der Geräte war aber überhaupt nicht kaputt und viele andere waren leicht zu reparieren.[3] Oft werden schon kleinere, gut reparierbare Schäden zum Anlass genommen, sich ein neues, schickeres Gerät anzuschaffen. Ob (und welche) Elektrogeräte wirklich kurzlebiger werden, ist also keinesfalls klar. Hinzu kommt, dass ihre Lebensdauer stark von der Komplexität der Technik, der Entwicklungsdynamik und dem Grad der „Reife“ eines Produkts abhängt. Die Sache ist also zum einen viel komplizierter, als es die Rede von der „geplanten Obsoleszenz“ vermuten lässt, zum anderen setzt ebendiese Rede implizit eine Verschwörung der Produzenten voraus: Warum kann eine Firma nicht dauerhafte und bessere Geräte herstellen und sich so einen Marktvorteil verschaffen? Wie kann eine Firma vermeiden, durch schlechte Produkte ihr Image zu ruinieren und Marktanteile zu verlieren? Eine Antwort hat Yoran nicht.[4]

Ob die Dinge unseres Alltags immer krempeliger werden, ist also gar nicht ausgemacht. Jede Zeit produziert schließlich ihren eigenen Schrott.[5] Offensichtlich ist hier auch ein psychologischer Mechanismus am Werk, vor allem die Dinge wahrzunehmen, die stören, während die Sachen, die ordentlich ihren Dienst tun, als selbstverständlich hingenommen werden. Zumal Yorans Beispiele überhaupt nicht schlagend sind: Der Herd und der Duschschlauch tun ja das, was sie sollen, nur vielleicht nicht ganz so, wie der Autor das gerne hätte. Gelegentlich fragt man sich dann, wo hier eigentlich das Problem liegt.

Alfred Sohn-Rethel zufolge lässt sich nur mit kaputter Technik etwas anfangen, weil sie zu Austausch und Weltaneignung führt.

Ja, wo liegt das Problem? In den 1920er-Jahren schrieb der Philosoph Alfred Sohn-Rethel einen kurzen Text über seinen Alltag in Neapel.[6] Ihm zufolge lässt sich nur mit kaputter Technik etwas anfangen, weil sie zum Austausch und zur Weltaneignung führt. Heute leben wir allerdings in einer Welt, in der die allermeisten Menschen nicht in der Lage sind, und nach allem Ermessen nie in der Lage sein werden, kaputte oder dysfunktionale Dinge zu reparieren oder zu verbessern. Vielleicht erwarten viele Menschen aber gerade deswegen, der „ganze Scheiß“ solle einfach funktionieren: Überall ist man auf Technik angewiesen, kann diese aber selbst nicht mehr durchschauen und reparieren. Aufgrund der verklebten Kunststoffgehäuse bekommt man sie häufig gar nicht erst zu Gesicht.

Das Buch gibt der daraus entstehenden Frustration eine Stimme. Zugleich offenbart sich aber auch eine irritierende Passivität gegenüber der Dingwelt. Yoran schreibt, schlechte Dinge machten schlechte Sachen mit uns. Das mag ja sein, ist aber doch nur deswegen der Fall, weil wir unsererseits dazu zu neigen scheinen, nichts mehr mit den Dingen zu machen – und schon die Forderung danach als Zumutung empfinden. Vielleicht ist Passivität angesichts der Probleme unseres Alltags (und des Planeten insgesamt) keine gute Option.

  1. Oliver Franklin-Wallace, Wasteland. The Secret World of Waste and the Urgent Search for a Cleaner Future, London 2024.
  2. Jeanne Guien, Le désir de nouveautés – L’obsolescence au cœur du capitalisme (XVe-XXIe siècle), Paris 2025.
  3. Justin Patchett, Warum werfen die Münchner funktionierende Elektrogeräte einfach weg?, in: Süddeutsche Zeitung 14.11.2024.
  4. Für eine genauere Darlegung der Argumente vgl.: Roman Köster, Geplante Obsoleszenz, in: Merkur 69 (2015), S. 60–66.
  5. Vgl. Wendy A. Woloson, Crap. A History of Cheap Stuff in America, Chicago 2020.
  6. Alfred Sohn-Rethel, Das Ideal des Kaputten, hg. und mit einem Nachwort versehen von Carl Freytag, Freiburg/Wien 2018.

Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Hannah Schmidt-Ott.

Kategorien: Affekte / Emotionen Gesellschaft Kapitalismus / Postkapitalismus Konsum Kultur Ökologie / Nachhaltigkeit Wirtschaft

Roman Köster

Roman Köster Privatdozent an der Universität der Bundeswehr in München mit Forschungsschwerpunkt auf der Wirtschafts-, Technik und Umweltgeschichte (Schwerpunkt Geschichte des Mülls, Geschichte der Bekleidungsindustrie).

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