Stefan Kühl | Essay |

Die Erosion formaler Normen. Zur Bedeutung von brauchbarer Illegalität in der Weltgesellschaft

Auszug aus "Brauchbare Illegalität. Vom Nutzen des Regelbruchs in Organisationen" von Stefan Kühl

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um einen Auszug aus dem Mitte September im Campus Verlag erscheinenden Buch Brauchbare Illegalität. Vom Nutzen des Regelbruchs in Organisationen. Wir danken dem Autor und seinem Verlag für die freundliche Genehmigung dieses Vorabdrucks.

Die Fehlerhaftigkeit unserer Gesetze wird durch ihre Nichtbeachtung kompensiert.
(Russisches Sprichwort) [1] 

Das Erstellen einer Regel ist vergleichsweise einfach. Jede Hausmeisterin kann ein Schild aufhängen, das Ballspielen im Hinterhof verbietet. Aber Regeln werden nur „lebendig“, wenn sie auch „benutzt“ werden, „oder wenn man zumindest mit der Möglichkeit rechnen muss, dass dies geschieht“ (Luhmann 1964, S. 308). Wird eine Regel nicht zitiert, wird sie schnell vergessen. Wenn das Ballspielverbot nicht eingeklagt wird, verkommt das Verbotsschild zu einem irgendwann nur noch für Antiquitätenhändler interessantem Schmuckstück. Die Regel selbst erodiert.[2]

Die Wirkmächtigkeit von Regeln hängt davon ab, ob sich jemand auf sie beruft, welche Bedeutung dieser Jemand hat, in welcher Situation das geschieht und mit welchen Folgen zu rechnen ist, wenn man diesen Jemand ignoriert. Die Regeleinhaltung wird dabei nicht allein durch diejenigen gewährleistet, die die Regel erlassen. Auch andere können an die Regel erinnern und so dafür sorgen, dass die Wahrscheinlichkeit ihrer Einhaltung steigt. Das Ballspielverbot im Hinterhof wird häufig nicht durch die an diesen Fragen meist desinteressierten Hausmeistern durchgesetzt, sondern durch kinderlose Mieter, die die Einschaltung von Hausmeistern als Drohkulisse für ihre Klagen nutzen. 

Ein erstes Kriterium, um die Wirkmächtigkeit von Regeln zu testen, ist, ob die Regelverletzung mühsam versteckt oder offen gezeigt wird. So ist bekannt, dass in Konfliktsituationen Soldaten und Polizisten immer wieder als Gegner eingeschätzte Gefangene misshandeln oder töten.[3] Es macht aber einen zentralen Unterschied, ob diese Misshandlungen und Tötungen öffentlich durchgeführt werden oder im Verborgenen stattfinden. Das Verstecken der Regelabweichung ist dabei immer Ausdruck der eigentlichen Akzeptanz der Regel durch die Abweichler. Das offene Zeigen von Regelabweichungen stellt dagegen die Existenz der Regel an sich in Frage (Luhmann 1964, S. 311).

Das zweite Kriterium zur Einschätzung der Wirkmächtigkeit ist, wie Regelverletzer sich verhalten, wenn ihr Vergehen bekannt wird. Das Entschuldigen für die Regelverletzung stabilisiert letztlich die Regeln. Wenn man zu spät zu einer Sitzung erscheint, von den vorgeschriebenen Abläufen abweicht oder die offiziellen Kommunikationswege ignoriert, ist das Vorbringen von Entschuldigungen Ausdruck der Akzeptanz der Regel. Dabei kann der vorgebrachte Grund für die Regelabweichung fiktiv und dieser Fiktionsgrad allen bekannt sein. Wichtig ist nur, dass der Versuch, eine entschuldigende Begründung für die Regelabweichung vorzubringen, die Gültigkeit der Regel an sich bestätigt (Luhmann 1972, S. 61). Die Verweigerung einer Entschuldigung für Regelabweichungen delegitimiert letztlich die Regel. Sie bringt zum Ausdruck, dass man keinen Grund sieht, diese Regel zu akzeptieren.

Das dritte Kriterium betrifft die Frage, wie bei Bekanntwerden der Abweichung mit dem Regelverletzer umgegangen wird. Soll an einer Regel festgehalten werden, müssen diejenigen, die abgewichen sind, damit rechnen, „allein zu bleiben“ (Luhmann 1964, S. 69). Die Isolierung der Regelverletzer trägt dazu bei, dass die Wirkmächtigkeit der Regel erhalten bleibt. Ein US-amerikanischer Präsident mag noch so eng mit dem Vorstandsvorsitzenden eines Energiekonzerns verbandelt sein – in dem Moment, in dem von den Massenmedien thematisiert wird, dass dieser Bilanzen manipuliert hat, wird der Präsident versuchen, Abstand zu schaffen und so zur Stabilisierung des verletzten Gesetzes beitragen.[4] Der Präsident eines internationalen Sportverbandes kann über Jahrzehnte korrupte Funktionäre im Vorstand nicht nur dulden, sondern auch bedienen, wird aber auf Distanz gehen, sobald sich diese bei der Bereicherung erwischen lassen und dann die eigene Organisation als Opfer korrupter Einzelpersonen darstellen. Wenn jedoch beim Bekanntwerden einer Regelabweichung nicht die regelverletzenden, sondern die auf Regeleinhaltung drängenden Organisationsmitglieder sozial isoliert werden, geht die Wirkmächtigkeit der Regel verloren.

Kurz – eine Regelverletzung ist an sich kein Problem für die Wirksamkeit einer Regel. Im Gegenteil – wenn die Regelverletzung kaschiert wird, bei deren Bekanntwerden Entschuldigungen vorgebracht und Regelverletzer sozial isoliert werden, trägt die Sanktionierung letztlich zur Stützung der Regel bei. Es wird deutlich gemacht, dass man sich den „Luxus“ eines Regelbruchs oder eines Gesetzesverstoßes leisten kann, man etwaige Konsequenzen aber auch zu tragen hat. Darüber hinaus verstärken öffentliche Empörung und Sühnebekenntnisse der Schuldigen, so schon die Beobachtung Émile Durkheims (1984, 156ff.), die Wirkmächtigkeit der verletzten Norm. Wenn dagegen die Normverletzung öffentlich stattfindet, nicht sanktioniert wird oder der Normverletzer sozial nicht isoliert wird, kommt es zu einer Erosion der formalen Normen. Niemand fühlt sich mehr an diese gebunden.

Was bedeutet diese Unterscheidung nun für das Verständnis von Regelabweichungen in Organisationen in der Weltgesellschaft?

Der Unterschied zwischen epidemischer und eingedämmter Regelabweichung

Würde man eine Weltkarte von Organisationen anfertigen, fiele nicht nur auf, wie verbreitet sie inzwischen über die ganze Welt sind, es würde auch deutlich werden, wie überraschend ähnlich sich Organisationen in verschiedenen Teilen der Erde auf den ersten Blick entwickelt haben (siehe zum Folgenden Kühl 2015, S. 258). Schaut man sich die Kommandostrukturen und Regelwerke von Armeen in Großbritannien, Argentinien, Mali und Sri Lanka an, überrascht deren Ähnlichkeit. Ein Ministerium für Wissenschaft und Technik gibt es in den USA und Frankreich genauso wie in Taiwan, Pakistan, Nigeria oder Chile (Jang 2000). Universitäten mit sehr ähnlichen Fakultätsaufteilungen existieren in Berlin wie in Mexiko City, Kabul, Jakarta oder Kinshasa (Ramirez und Riddle 1991). Schulen in Deutschland, Japan, Brasilien und Ghana ähneln einander in Bezug auf die Länge der Schulzeit und die Curricula viel stärker, als es die unterschiedlichen ökonomischen Situationen dieser Länder erwarten ließen (Meyer et al. 1992).

Wenn man sich diese Organisationen jedoch näher anschaut, erkennt man in vielen Fällen eine lediglich zeremonielle Übernahme der von Max Weber beschriebenen bürokratischen Standards von Organisationen (siehe nur beispielhaft Rottenburg 1995a, S. 19). Schon früh wurde herausgearbeitet, dass Organisationen in Asien, Afrika und Lateinamerika nicht wie Kopien von als modern verklärten Organisationen in Nordamerika, Europa oder Australien funktionieren. Es wurde festgestellt, dass es in vielen Ländern – man denke nur an Studien über die öffentlichen Verwaltungen auf den Philippinen (vgl. Heady 1957), in Ägypten (vgl. Sharp 1957) oder Thailand (vgl. Riggs 1966) – durch Organisationen nicht zu einer Ablösung ihrer Strukturen von Verwandtschaftsnetzwerken oder Clan-Beziehungen kam. Stattdessen wurden Tätigkeiten in Organisationen mit existierenden Verwandtschaftsnetzwerken und Clan-Beziehungen verflochten und dadurch formale Zugriffsmöglichkeiten auf Organisationsmitglieder begrenzt. 

Welche Rolle spielen Abweichungen von formalen Regeln und staatlichen Gesetzen in diesen Organisationen? Wie unterscheiden sie sich von denjenigen Organisationen, in denen nur punktuelle, für die Organisation brauchbare Regelabweichungen geduldet werden?

Zwischen entgrenzter und eingehegter Informalität

In einer Organisation, in der Verstöße gegen formale Regeln oder der Bruch von Gesetzen offen dargestellt und nur in Ausnahmefällen sanktioniert werden, wird für alle Beobachter deutlich, dass es eine derartige Organisation mit den von ihr aufgestellten Regeln nicht so ernst nimmt. Weil es in solchen Organisationen keine Stoppmechanismen für Gesetzesverstöße und Regelabweichungen gibt, kommt es zu epidemischen Abweichungen von der nur noch als Schauseite dienenden Formalstruktur. Hier wird von Organisationen mit entgrenzter oder entfesselter Illegalität gesprochen.[5]

Sie unterscheiden sich deutlich von Organisationen, in denen davon ausgegangen wird, dass die formalen Regeln im Großen und Ganzen gelten. Sicherlich – es wird Mitgliedern auch in diesen Organisationen zugestanden, dass sie immer wieder gegen formale Erwartungen verstoßen. Aber durch diese Illegalitäten werden Lücken ausgefüllt, die durch die Formalstruktur der Organisation bestehen gelassen werden. Man kann dieses Phänomen als eingehegte Illegalität bezeichnen, weil es die Geltung der Formalstruktur nicht außer Kraft setzt, sondern im Gegenteil zu ihrem Gelingen beiträgt. 

In allen Organisationen gehört der Tausch von Gefälligkeiten, Hilfeleistungen jenseits des formal Erlaubten und die Rücksichtnahme auf persönliche Befindlichkeiten zur Tagesordnung. Bei Organisationen mit entgrenzter Illegalität existiert die informale Ordnung jedoch nicht als eine mehr oder minder ausgeprägte Ergänzung der formalen Ordnung, sondern als deren weitgehender Ersatz. In Organisationen mit eingehegter Illegalität dienen Abweichungen zur Reduzierung der Reibungsverluste einer zu rigiden Formalstruktur und werden gleichzeitig durch die Formalstruktur begrenzt.[6]

Der Lackmustest – Wie wird auf Regel- und Gesetzesverstöße reagiert?

Der Lackmustest für die Unterscheidung von Organisationen mit eingehegter und entgrenzter Illegalität besteht im Umgang mit bekanntgewordenen Regel- und Gesetzesverstößen. Es ist offensichtlich, dass die Polizei in jedem Staat Gesetze kreativ auslegen oder verletzen kann, Verwaltungsmitarbeiter die vorgegebenen Richtlinien bei der Vergabe von Leistungen ignorieren und Unternehmensverbände sich in Parlamenten an willige Politiker halten können. Die interessante Frage ist, wie in Organisationen – oder weitergehend im Rechtssystems des Staates – beim Bekanntwerden der Regelverstöße reagiert wird. Wird die Abweichung von Regeln als normal betrachtet oder als Normbruch skandalisiert? 

In Organisationen mit eingehegter Illegalität führt das Bekanntwerden von Regelverstößen zu Sanktion und Systemreparatur. Es setzen die üblichen Mechanismen aus sozialer Isolierung und sichtbarer Bestrafung ein, um die Norm zu erhalten (siehe dazu Luhmann 1964, 310f.). Man tut zum Beispiel so, als hätte man die Regel nicht gekannt und deswegen unbeabsichtigt gegen sie verstoßen. Man deutet die außergewöhnlichen Gründe für die Abweichung an und zeigt damit, dass man sich im Normalfall selbstverständlich an die Regeln hält und die Ausnahme diese letztlich nur bestätigt (siehe dazu Luhmann 1964, S. 107). In diesen Organisationen ist allen bewusst, dass immer wieder von den offiziellen Regeln abgewichen wird, man aber im Zweifelsfall mit Verweis auf die formale Ordnung trumpfen kann.

In Organisationen mit entgrenzter Illegalität hat das Bekanntwerden von Regelverstößen keine oder nur geringe Konsequenzen. Allen ist klar, dass die Organisation auf der Schauseite nur so tut, als hätten formale Strukturen eine allgemein verbindliche Gültigkeit, aber in der alltäglichen Praxis wird man mit dem Verweis auf diese formalen Strukturen kaum Erwartungen durchsetzen können. In diesen Organisationen erntet man nur ein Lächeln, wenn man als Mitglied, Klient, Zulieferer oder Kooperationspartner davon ausgeht, dass im Zweifelsfall auf die formalen Erwartungen der Organisation zurückgegriffen wird. 

Man kann das testen, indem man schaut, wie weit man in einer Organisation mit Vorstellungen einer Orientierung an Formalstrukturen kommt. Man würde als hochgradig naiv gelten, wenn man in Kongo-Brazzaville davon ausginge, dass bei Abstimmungen zwischen Ministerien die mit Hilfe von Beratern entwickelten Kabinettsrichtlinien gelten. Man würde ungläubiges Staunen ernten, wenn man davon ausginge, dass das Beschaffungswesen in einem kubanischen Krankenhaus nach den staatlichen Vorgaben abläuft. Es handelt sich hier um potemkinsche Organisationen, in denen zwar der Anschein der Orientierung an einer Formalstruktur erweckt wird, formale Regeln aber faktisch ohne Konsequenzen ignoriert werden können.[7]

Man darf jedoch nicht übersehen – auch in Organisationen mit entgrenzter Illegalität gibt es ausgefeilte und ausgeprägte Erwartungsstrukturen, an die man sich zu halten hat. Sprüche wie „das machen hier alle so“, „das wurde hier schon immer so gemacht“ oder „ohne das geht es nicht“ sind Ausdruck davon, wie stark Erwartungen des Regelbruchs in diesen Organisationen institutionalisiert sind. Es gibt genaue Vorstellungen darüber, wie Abstimmungen in der Organisation stattfinden oder organisationsübergreifende Vertrauensnetzwerke zu funktionieren haben. Anders als formale Erwartungen sind diese aber nicht schriftlich niedergelegt, sondern man muss sich das Wissen über sie durch eigene Erfahrungen, Beobachtungen anderer oder Aufklärung durch Bekannte mühsam erwerben. Solche Erwartungen bilden eine Art informale Superstruktur der Organisation, die die Formalstruktur weitgehend zu einer Schauseite degenerieren lässt.

Eine Frage der Loyalität – Organisationsmitglieder in Rollenkonflikten

In Organisationen ohne funktionierende Stoppregeln gegen Regelbrüche verschieben sich die Motivationen für die Mitgliedschaft. Während in Organisationen mit eingehegter Illegalität der „Deal“ darin besteht, dass Mitglieder gegen die Zahlung eines Lohnes die von den Organisationen verlangten Leistungen erbringen, gibt es in Organisationen mit entgrenzter Illegalität ein stilles Einverständnis, dass Mitglieder ihre Stellung in der Organisation dafür ausnutzen, persönliche Vorteile für sich zu erzielen.

Eine zentrale Frage zur Unterscheidung von Organisationen mit entgrenzter respektive eingehegter Illegalität ist, wem die Loyalität der Mitglieder gilt. Wird akzeptiert, dass Mitglieder dafür sorgen, dass Familienangehörige oder Freunde auch bei unzureichender Qualifikation Aufträge oder Stellen bekommen, oder wird erwartet, dass bei der Vergabe von Aufträgen von familiären und freundschaftlichen Verpflichtungen abgesehen wird? Hat man bei einer Verhaftung durch die Polizei bessere Karten, wenn man mit der Polizistin befreundet beziehungsweise verwandt ist, oder verhindert die Organisation systematisch eine Bevorzugung aufgrund von familiären und freundschaftlichen Verpflichtungen? 

Organisationen mit eingehegter Illegalität erwarten, dass die Loyalität ihrer Mitglieder primär der Organisation dienen soll. Sie stellen sich – mit Max Weber gesprochen – als „stahlharte Gehäuse der Hörigkeit“ dar, in denen Personen die Anforderungen der eigenen Organisation über die ihrer Familie zu stellen haben, jedenfalls solange sie als deren Mitglied agieren. Die „Lebenswelt“ der Personen wird durch das formale System der Organisation in einer Weise „kolonialisiert“, dass sie als Mitglieder der Organisation von anderen Rollenbezügen systematisch zu abstrahieren haben. In Organisationen mit entgrenzten Illegalitäten gilt die Loyalität der Mitglieder nicht primär der Organisation, sondern den außerhalb der Organisation angesiedelten verwandtschaftlichen, freundschaftlichen oder ethnischen Netzwerken. Im Zweifel wird erwartet, dass man auch als Organisationsmitglied die Ansprüche von Familienangehörigen, Freunden oder Bekannten über die Ansprüche der Organisation stellt. 

Zugestanden – in allen Organisationen gibt es immer wieder Fälle, bei denen es aufgrund familiärer Bekanntschaften, freundschaftlicher Verbindungen oder ethnischer Zugehörigkeiten zu Bevorzugungen kommt. Der Punkt ist jedoch, wie sich die Organisationen angesichts dieser Bevorzugungen verhalten. Organisationen mit eingehegter Illegalität versuchen systematisch, solche partikularistische Bevorzugung von Familienangehörigen zu verhindern und Stellenbesetzung sowie Leistungserbringung lediglich nach dem Kriterium des Nutzens für die Organisation zu entscheiden. Einzige Ausnahme stellen – jedenfalls in kapitalistischen Wirtschaftssystemen – Familienunternehmen dar, in denen die Kapitalbesitzer Familienangehörige bei Stellenbesetzungen bevorzugen können, auch wenn es für die Organisation hochgradig schädlich ist (siehe dazu Scott 1969b, S. 320). In Organisationen mit entgrenzter Illegalität funktionieren solche Eingrenzungsmechanismen partikularistischer Bevorzugung nur bedingt. 

Mitglieder in Organisationen mit entgrenzter Illegalität sind in erheblichem Maße konkurrierenden Erwartungen ausgesetzt. In Organisationen mit entgrenzter Illegalität wird wenigstens auf der Schauseite zwar noch der Anspruch aufrechterhalten, dass sie vorrangig zur Leistungserbringung da sind und nicht dazu, von ihren eigenen Mitgliedern ausgeplündert zu werden. Auf der anderen Seite wird an Familien, Clans oder Ethnien die Erwartung herangetragen, dass sie Organisationsmitgliedschaften zu eigenen Gunsten ausnutzen. Man kann als Mitglied einer Behörde, als Angehöriger einer Polizeieinheit oder Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe Angehörigen der eigenen Familie, des eigenen Clans oder der eigenen Ethnie Wünsche nicht einfach mit dem Verweis auf die von Max Weber propagierte Trennung von Amt und Person ausschlagen. In vielen Regionen der Welt würde es hochgradig irritierend wirken, wenn jemand von seiner Zugehörigkeit zu einem Clan, einer Kaste oder einer Ethnie mit Verweis auf seine Organisationsmitgliedschaft abstrahieren würde, und zwar nicht nur bei den Angehörigen seiner, sondern auch bei den Angehörigen anderer Clans, Kasten oder Ethnien. 

Die Organisation als Beute

Organisationen werden im Falle entgrenzter Illegalität vorrangig als Beute ihrer Mitglieder betrachtet (Holzer 2015, S. 51).[8] Damit verschiebt sich die Motivation zur Mitgliedschaft. Kurz, in Organisationen mit entgrenzter Illegalität geht man nicht arbeiten, um von dem Lohn zu leben, sondern man geht arbeiten, um die durch die Organisation geschaffenen Möglichkeiten, sich persönlich zu bereichern, zu nutzen.[9] Mit Max Weber (1976, S. 136) kann man dies als eine moderne Form des Präbendalismus bezeichnen, in dem Mitglieder versuchen, auf Pfründe der Organisation zuzugreifen.[10]

Dabei bestehen unterschiedliche Möglichkeiten, sich auf Kosten der Organisation zu bereichern. Eine erste Möglichkeit ist die systematische Unterschlagung von Eigentum der Organisation. Organisationseigentum wird nicht als Werkzeug zur Erfüllung ihrer Aufgaben betrachtet, sondern als Möglichkeit zur persönlichen Bereicherung (siehe zur Kleptokratie in Afrika Andreski 1979). Eine weitere Möglichkeit ist die persönliche Bereicherung durch Korruption. Dabei nutzt man eine Position mit Außenkontakt der Organisation zu Kunden, Klienten, Patienten, Schülern, Studenten oder Gefangenen aus, um sich persönlich Vorteile zu verschaffen. Eine weitere Möglichkeit ist die systematische Verweigerung von Arbeit bei gleichzeitigem Bezug der Leistungen. In nicht wenigen Staaten gibt es Organisationen, in denen Mitglieder mit einer Adresse bei der Organisation gemeldet sind, um Geld zu beziehen, ohne aber jemals zur Arbeit zu erscheinen.[11] Häufig sehen sich Organisationsmitglieder sozialem Druck ausgesetzt, wenigstens auf eine dieser Möglichkeiten zur Bereicherung zurückzugreifen. Wenn es keine Möglichkeit gibt, Schmiergelder anzunehmen oder Material der Organisation abzuzweigen, muss das Organisationsmitglied wenigstens seine Arbeitszeit reduzieren, um anderen Geschäften nachgehen zu können (siehe dazu am Beispiel von Tansania Rottenburg 1995b, S. 100).

Auf den ersten Blick scheinen die Prinzipien zur Erzielung persönlicher Vorteile den Mechanismen zu ähneln, mit denen in Organisationen die informalen Formen von Belohnung organisiert werden. Auf den zweiten Blick wird jedoch ein grundlegender Unterschied deutlich. Im Fall von Organisationen mit eingehegter Illegalität dient die Duldung von Unterschlagungen, Korruption und Arbeitsverweigerung lediglich dazu, Mitgliedern punktuell informale Belohnungen für besondere Leistungen zukommen zu lassen. In Organisationen mit entgrenzter Illegalität stehen Unterschlagungen, Korruption und Arbeitsverweigerung hingegen in keiner Relation zu den erbrachten Leistungen.

Die Bedeutung der formalen Ordnung in formalitätserodierenden Organisationen

Gerade in Organisationen, die von ihren Mitgliedern vorrangig als Beute betrachtet werden, fällt auf, wie umfassend deren formales Regelwerk ist. Formale Ordnungen werden aber grundlegend anders genutzt, als man bei einem Blick auf moderne Organisationen annehmen würde (siehe zum folgenden Kuchler 2014, 6ff.). 

Die formale Ordnung dient den Organisationsmitgliedern beispielsweise dazu, von Außenstehenden Schmiergeldzahlungen für die Durchführung einer rechtmäßigen Praxis zu erhalten. So verlangt ein Standesbeamter von einem heiratswilligen Paar mit Verweis auf die formale Ordnung der Stadtverwaltung die Vorlage immer obskurer Dokumente solange, bis das Paar einen 20-Dollar-Schein auf den Tisch des Standesbeamten legt und damit das „Dokument“ vorlegt, auf das der Standesbeamte die ganze Zeit gewartet hat (siehe zu Kasachstan Rigi 2004, S. 111; zu Ghana Price 1974, 117ff.). Die Leiterin des Studierendensekretariats einer Universität verweist auf rigide Zulassungsbeschränkungen, um dann anzudeuten, dass man vielleicht gegen eine kleine Gefälligkeit doch einen Weg zur begehrten Universitätszulassung aufzeigen könnte (siehe zu Indonesien Alatas 1980, S. 4). Eine Polizeibeamtin erklärt sich nur bereit, einen Einbruch zu verfolgen, wenn die Geschädigten ihr Verfolgungsinteresse durch eine persönliche Zuwendung unterstützen. Organisationsmitglieder erklären sich zur Anwendung rechtmäßiger Prinzipien nur bereit, wenn sie dafür persönliche Zahlungen in Form von „Administrationsgeld“ oder „Beschleunigungsgeld“ erhalten (siehe dazu Znoj 1994, S. 143).

In einer verschärften Variante wird die formale Ordnung von Organisationsmitgliedern als Drohung gegenüber Außenstehenden verwendet, um Schmiergelder zu erpressen. In vielen Ländern werden Gewerbetreibende von Beamten der Zollverwaltung, der Steuerverwaltung, des Gewerbeamts oder des Gesundheitsamts mit Verstößen gegen Arbeitsschutz-, Hygiene- oder Steuervorschriften konfrontiert, die nur durch Schmiergeldzahlungen abgewendet werden können (siehe zu Kasachstan Rigi 2004, 111ff.). In nicht wenigen Ländern dienen Verkehrsregeln nicht – wie der Name vermuten ließe – zur Regulierung des Verkehrs, sondern als Möglichkeit zur Finanzierung von Polizeibeamten. Kaum mehr erkennbare Verkehrsschilder werden von Polizisten genutzt, um Verkehrsteilnehmer anzuhalten, darauf hoffend, dass diese längere Diskussionen durch eine Schmiergeldzahlung abkürzen (siehe zum sogenannten Straßengeld – Okpoho Nda Usung – in Nigeria Ekpo 1979, S. 171). Auch organisationsinterne formale Regeln dienen nicht vorrangig zur Strukturierung der Tätigkeiten innerhalb der Organisation, sondern werden von Vorgesetzten lediglich dafür eingesetzt, Organisationsmitglieder abzustrafen, die keine oder zu wenige Schmiergelder an ihre Vorgesetzten weiterreichen.

In einer noch weiter gesteigerten Variante werden Regeln zur Kontrolle und Durchsetzung der formalen Ordnung für die persönliche Bereicherung der Organisationsmitglieder genutzt. Inzwischen haben sich Anti-Korruptions-Standards – häufig in sehr ähnlichen Formulierungen – weltweit durchgesetzt (siehe Gutterman und Lohaus 2018; Hansen 2012; Jakobi 2013). Diese Anti-Korruptions-Regeln werden in vielen Fällen nicht nur dafür genutzt, die formale Ordnung durchzusetzen, sondern auch, um Personen innerhalb des auf persönlicher Patronage basierenden Systems gefügig zu machen. In Staaten sind Behörden für Korruptionsbekämpfung nicht nur für die Legitimationsgewinnung gegenüber der internationalen Gemeinschaft wichtig, sondern auch ein zentrales Machtinstrument gegen politische Konkurrenten (siehe früh für Nigeria Ayeni 1987). In mit korrupten Funktionären durchsetzten internationalen Sportverbänden dienen Ethik-Kommissionen nicht nur als Teil der Schauseite, sondern werden auch dafür eingesetzt, unliebsame Konkurrenten, die sich nicht in die existierenden Netzwerke einfügen wollen, loszuwerden. 

Kurz, letztlich kann man sich im Zweifelsfall nicht auf geltendes Recht beziehen, geschweige denn verlassen. Gleichzeitig muss man aber jederzeit damit rechnen, dass einflussreiche Spieler positiviertes staatliches Recht oder formale organisationale Regeln punktuell dafür einsetzen, Konkurrenten aus dem Feld zu räumen. So wird in Ländern ohne ein funktionierendes Rechtssystem die illegale Bereicherung einflussreicher Oligarchen geduldet, solange sie die regierende Partei unterstützen. Das Rechtssystem wird allerdings immer dann bemüht, wenn ein Oligarch eigene politische Ambitionen entwickelt. In anderen Ländern ohne unabhängiges Rechtssystem duldet die Bundesanwaltschaft über Jahrzehnte die Korruption internationaler Organisationen, hilft aber punktuell durch das Lancieren von Informationen und das Einleiten von Strafverfahren gegen Personen aus dem eigenen Netzwerk dabei, unliebsame Konkurrenten aus dem Weg zu räumen.

Die Unwahrscheinlichkeit der Ausbildung von Organisationen 

Aus einer ethnozentrischen Sicht ist eine Kritik an Organisationen mit entgrenzter Illegalität, an denen sich Mitglieder durch Korruption, Unterschlagung und Absentismus persönlich bereichern, einfach. Die Absichten der gewählten Volksvertreter würden durch die allein an ihren eigenen Vorteilen orientierten Organisationsmitglieder unterlaufen. Das Vertrauen in die staatliche Ordnung werde systematisch unterminiert, weil sich niemand mehr auf die Wirkmächtigkeit von Gesetzen und Verordnungen verlässt. Das Leistungsethos werde systematisch untergraben, wenn beobachtet wird, dass Organisationsmitglieder sich ohne Gegenleistung persönlich bereichern (siehe nur beispielhaft Banfield 1975; Klitgaard 1988).[12]

Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, wie unwahrscheinlich die Erwartung ist, dass Organisationsmitglieder nicht Freunde und Verwandte bevorzugt behandeln und die Mitgliedschaft in der Organisation zur Versorgung ihrer Netzwerke nutzen (siehe dazu früh Bayart 1989). Die Zugehörigkeit zu Familien, Clans oder Stämmen basiert auf Beziehungen zwischen Personen mit all ihren Sorgen und Nöten. Die konkreten Kenntnisse anderer Personen und die Bereitschaft, sich auf sie zu verlassen, ermöglicht die Ausbildung von Vertrauensbeziehungen. Die Zugehörigkeit zu Unternehmen, Verwaltungen oder Vereinen reduziert Beziehungen erst einmal auf den Austausch zwischen Rollenträgern. Nicht mehr persönliches Vertrauen steht im Vordergrund, sondern angemessenes Verhalten in einer vorgegebenen Rolle. In vielen Gesellschaften ist die Loyalität gegenüber der eigenen Familie, dem eigenen Clan, dem eigenen Dorf, der eigenen Kaste oder der eigenen Ethnie deswegen wichtiger als die Befolgung formaler Kriterien einer Organisation (speziell für Burma siehe Furnivall 1948, S. 170–178ff.; für Asien allgemein Myrdal 1977, S. 166–176ff.).

Gewiss – die stabile Kombination von familiärer Zugehörigkeit, gesellschaftlicher Stellung und finanziellen Möglichkeiten hat sich im „Strudel der Modernisierung“ zu erheblichen Teilen aufgelöst (Luhmann 1995, S. 21). Dynastien, die davon ausgehen konnten, dass sich in einer Familie Einkommen und gesellschaftliche Stellungen über Generationen vererben lassen, finden sich höchstens noch in Staaten wie Nordkorea, Kenia oder den USA, sind aber auch dort schon in einem hohen Maße delegitimiert (siehe zu Nordkorea Martin 2004, zu Kenia Tignor 1971; zu den USA Scott 1969a).[13] 

Aber das ändert nichts daran, dass in vielen Regionen stabile, auf Familien- oder Clanstrukturen basierende Netzwerke erhalten geblieben sind. Die partikularistische Bevorzugung von Familienangehörigen, Freunden oder Clanmitgliedern stellt auf den ersten Blick einen Rückfall in vormoderne Beziehungsmuster dar, aber diese bieten angesichts der fragilen Zugehörigkeit zu Organisationen Halt. 

Diese Umweltbedingungen sind schwer zu ignorieren. Wenn man im Jemen oder in Somalia Geschäfte machen wollte, wäre man gut beraten, sich nicht allein an den offiziellen Gesetzen, sondern zu einem erheblichen Maße auch am Einfluss verschiedener Clans in der Region zu orientieren (siehe dazu Lewis 2015). Wenn man versuchen wollte, die Politik in Kirgisistan, Tadschikistan oder Usbekistan zu beeinflussen, kommt man aller Wahrscheinlichkeit nach nicht darum herum, sich intensiver mit den Clanstrukturen der politischen Eliten auseinanderzusetzen (siehe dazu Collins 2006). In diesen Regionen ist die Zahlung von Bestechungsgeldern, das Dulden von Unterschlagungen oder das Ertragen unproduktiver, aber gut vernetzter Organisationsmitglieder kein Sand, sondern das Öl im Getriebe (siehe zu dem Bild Jackall 1988, S. 110).[14]

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  1. Siehe dazu die englische Übersetzung von Alena Ledeneva 2011, S. 722: “The imperfection of our laws is compensated for by their non-observance.”
  2. Siehe dazu auch Möllers 2018, 271ff.
  3. Siehe dazu aus verschiedenen theoretischen Richtungen zum Beispiel Bourke 1999; Waller 2002; Collins 2008; Kühl 2014.
  4. Siehe zur engen Beziehung der Administration des US-Präsidenten George W. Bush zu Enron und den sehr plötzlichen Abstandsbewegungen nach der Pleite z. B. Nace 2003, S. 212.
  5. Einschlägig dazu ist Holzer 2015, S. 48, mit seiner grundlegenden Unterscheidung von „contained informality“ zur „unbounded informality“. Er grenzt davon weiter noch „conspiratorial informality“ und „corrupt informality“ ab. Siehe für das Phänomen der „unbounded informality“ auch seine frühere Verwendung des Begriffs „wilde Informalität“ Holzer 2007, S. 364. Mich interessiert hier allerdings nicht das breitere Phänomen der „informality“, sondern die spezifischere Ausprägung in Form von „illegality“. Es würde sich lohnen, dass Verhältnis von „unbounded illegality“ und „unbounded informality“ theoretisch näher zu bestimmen.
  6. In der Literatur wird zwischen „komplementären informellen Institutionen“, „entgegenkommenden informellen Institutionen“ und „ersetzenden informellen Ordnungen“ unterschieden; siehe Lauth 2000, S. 25; Helmke und Levitsky 2004, S. 728.
  7. Zum Begriff der „potemkinschen Bürokratie“ siehe nur zum Beispiel Weltz 1990, S. 10; Groffebert 1995, S. 131; Neuberger 1995, 2f.; Holzer 2015, S. 50. Ich plädiere dafür, den Begriff der potemkinschen Organisation nicht für das „normale“ Schauseitenmanagement von Organisationen zu verwenden, sondern ihn nur für die Organisationen zu benutzen, in denen die formale Seite und die Schauseite weitgehend zusammenfallen. Siehe auch den Begriff der „mock bureaucracy“ von Gouldner 1954, in der alle davon ausgehen, dass Regeln ständig gebrochen werden.
  8. Siehe als Referenz für Organisationen die Beschreibung des “booty capitalism” am Beispiel des Bankensystems auf den Philippinen bei Hutchcroft 1998 oder des “booty socialism” am Beispiel der “bureau-preneurs” in China bei Lu 2000. Siehe zum “booty capitalism” als eine Form des Kapitalismus die Analyse von Max Weber 2016.
  9. Interessant sind in dieser Hinsicht Studien über sozialistische Experimente in Entwicklungsländern. Siehe die Kritik von Ángel Santiesteban 2017 an der Politik in Kuba.
  10. Siehe für eine Anwendung des Konzeptes auf Nigeria Joseph 2014.
  11. Für eine interessante Klassifizierung von Korruption in Entwicklungsländern siehe Khan 2006.
  12. Siehe zur Ermöglichung der Beobachtung von Korruption durch die Ausbildung einer funktional differenzierten Gesellschaft Hiller 2005, 61ff.
  13. Dies führt nicht zu einer Abnahme sozialer Ungleichheiten in einer Gesellschaft. Finanzielles Einkommen und gesellschaftliche Stellung erhöhen zwar die Wahrscheinlichkeit für einen guten Schul- oder Universitätsabschluss, man kann daraus aber keinen direkten Anspruch auf gute Schulen oder gar gute Noten ableiten. Regionen mögen politisch und ökonomisch immer noch von mächtigen Familiennetzwerken bestimmt werden, aber in den meisten Fällen gibt es zum Beispiel in Fragen der Rechtssetzung, der inneren Sicherheit oder auch des Verkehrswesens staatliche Zugriffe.
  14. Siehe zur „Öl-Hypothese“ versus „Sand-Hypothese“ als Überblick Méon und Sekkat 2005; Méon und Weill 2010. Frühe Vertreter für die „Öl-im-Getriebe-Hypothese“ bei der Entwicklung von Staaten sind zum Beispiel Huntington 1971; Weiner 1962; Dwivedi 1967; Leff 1964 oder Leys 1965. Siehe grundlegend zur Funktion der „political machine“ Merton 1957. Frühe Vertreter für die „Sand-im-Getriebe-Hypothese“ sind McMullan 1961 oder Myrdal 1970.

Kategorien: Gruppen / Organisationen / Netzwerke Normen / Regeln / Konventionen Systemtheorie / Soziale Systeme

Stefan Kühl

Professor Dr. Stefan Kühl ist Soziologe und Historiker. Er ist Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld und arbeitet als Organisationsberater der Firma Metaplan für Unternehmen, Verwaltungen, Ministerien und Nichtregierungsorganisationen.

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