Tobias Albrecht | Rezension |

Mission Impossible?

Rezension zu „Kritische Theorie der Politik“ von Ulf Bohmann und Paul Sörensen (Hg.)

Ulf Bohmann / Paul Sörensen (Hg.):
Kritische Theorie der Politik
Deutschland
Berlin 2019: Suhrkamp
709 S., EUR 34,00
ISBN 978-3-518-29863-3

Diejenigen Theorierichtungen, die für gewöhnlich unter dem Kollektivsingular kritische Theorie zusammengefasst werden, zeichnen sich oftmals durch ein gespanntes Verhältnis zum Thema Politik aus. Unter Sozialphilosoph*innen ist diese Feststellung fast schon ein Allgemeinplatz. Sie gilt zudem relativ unabhängig davon, wie man sich im „Streit über die Erbschaft der Kritischen Theorie"[1] positioniert. Das heißt unabhängig davon, ob man mit dem Begriff kritische Theorie die „historische ‚Frankfurter Schule’ um Max Horkheimer und Theodor W. Adorno“ (S. 9) meint oder ob man die Nachfolgegeneration(en) um und im Anschluss an Jürgen Habermas miteinbezieht.[2] Ja, sie bleibt teilweise sogar unberührt von der Frage, ob man kritische Theorie mit großem oder mit kleinem „k“ schreibt – also unberührt davon, ob man mit kritischer Theorie vor allem die in Frankfurt ansässige Theorietradition meint oder ob man „das Kompositum kritische Theorie“ (S. 450) weit fasst und sich schulen- und ansatzübergreifend auf eine Vielfalt kritischer Ansätze bezieht.[3] Die Diagnose einer gewissen Politikferne beansprucht – in verschiedenen Abstufungen – auch für eine möglichst breite Definition von kritischer Theorie Gültigkeit.

Schon ihrem wichtigsten ideengeschichtlichen Vorläufer Karl Marx – jenem „Gründervater [...], der weder mit Frankfurt wirklich etwas zu tun hatte, noch auch nur annähernd als Zeitgenosse der dortigen Schule durchgehen kann“ (S. 34) – ist ein Hang zum Ökonomismus nachgesagt worden, der gesellschaftliche Veränderung eher ökonomischen Pfadabhängigkeiten, denn dem politischen Handeln einzelner oder kollektiver Subjekte zuschrieb.[4] Ganz sicher aber lässt sich den gemeinhin als Begründern der Frankfurter Schule bezeichneten Max Horkheimer und Theodor W. Adorno ein „Politikdefizit“ (S. 10) attestieren. Besonders Letzterer war nicht nur für die ihm eigene „politikwissenschaftliche Leerstelle“ (S. 20) bekannt, sondern auch für eine regelrechte „Askese der politischen Theorie“.[5] Konkret heißt das: Adorno hatte keinen Politikbegriff und er weigerte sich ostentativ, über Politik oder das Politische auch nur nachzudenken. Diejenigen Theoretiker*innen, die zuweilen unter dem Sammelbegriff der zweiten Generation der Frankfurter Schule zusammengefasst werden, haben unter anderem auf diesen Umstand reagiert. Denn Adornos Negativismus war einer der Gründe, warum Habermas und seine Schüler*innen die sogenannte diskurstheoretische Wende der kritischen Theorie betrieben haben. Einer ihrer Vorwürfe lautete, Adornos Konzeption von kritischer Theorie sei so total, dass über eine Veränderung der Verhältnisse – das heißt über politisches Handeln – gar nicht mehr nachgedacht werden könne. In der Folge hat die zweite Generation die Sphäre der Politik – mal mehr, mal weniger explizit – zum Thema gemacht. Sie hat sich dabei, so konstatieren zumindest die beiden Herausgeber Ulf Bohmann und Paul Sörensen in der Einleitung ihres Buches, zwar „einerseits politikaffiner“ gezeigt, andererseits aber „eher tentativ um einzelne Aspekte statt um das große Ganze“ (S. 10) gekümmert.[6] „Eine explizite, über Teilaspekte hinausgehende Auseinandersetzung mit der Politik“ (ebd.) steht daher weiterhin aus. Und selbst, wenn wir über die Frankfurter Schule im engeren Sinne hinausblicken, kritische Theorie möglichst weit verstehen und etwa poststrukturalistische Ansätze wie denjenigen Michel Foucaults miteinbeziehen, lässt sich die Diagnose der Politikferne zumindest nicht ohne Weiteres aus dem Weg räumen.[7]

Dieser scheinbar nicht enden wollende Topos bezüglich des Verhältnisses von kritischer Theorie und Politik hat jüngst wieder an Fahrt aufgenommen. Denn in ihrem Band Kritische Theorie der Politik werfen Bohmann und Sörensen erneut die Frage auf, „ob und wie eine Kritische Theorie der Politik möglich ist“ (S. 10). Der Antwort auf die weiterführende Frage, „ob und wie unter gegenwärtigen Umständen aus politiktheoretischer Perspektive an die ‚klassische’ Programmatik der Kritischen Theorie angeknüpft werden kann“ keinesfalls gewiss, laden die beiden Herausgeber noch einmal zum Nachdenken darüber ein, „wie eine Kritische Theorie der Politik heute aussehen bzw. betrieben werden sollte“ (S. 25). Der imposante Band, der im November vergangenen Jahres auf einer Art Release-Tagung in Frankfurt vorgestellt wurde, versammelt auf insgesamt 709 Seiten das internationale Who is Who der sich aktuell in der Tradition der kritischen Theorie verortenden Autor*innen. Er hat das Ziel, das Verhältnis von kritischer Theoriebildung und Politik noch einmal ganz grundsätzlich zu vermessen.

Für dieses Unterfangen ist das voluminöse, insgesamt aus 25 Beiträgen bestehende Buch in sechs thematische Blöcke unterteilt, denen die beiden Herausgeber eine ausführliche systematisierende Einleitung vorangestellt haben. Der Band ist sowohl formal als auch inhaltlich auffallend gut organisiert. Den Auftakt bildet ein Block zu ideengeschichtlichen Referenzen und Gewährsleuten. Es darf durchaus als Bestätigung der eingangs dargelegten Diagnose des Spannungsverhältnisses von kritischer Theorie und Politik gewertet werden, dass es weniger die großen schillernden Namen sind, die hier als mögliche Stichwortgeber*innen ins Spiel gebracht werden. Stattdessen rekurrieren die Beiträge von William E. Scheuermann und Hubertus Buchstein mit Franz Neumann oder Otto Kirchheimer auf zwei „in Vergessenheit geratene“ (S. 84) oder zumindest am Rande des historischen Schulzusammenhangs stehende Frankfurter. Oliver Marchart beruft sich mit Marcuse zwar nicht mehr auf einen in Vergessenheit geratenen, aber immerhin doch auf einen eher der zweiten Reihe entstammenden Stichwortgeber. Marchart stellt den „feindlichen Zwilling’“ (S. 151) Adornos als politische Alternative vor, die „kritisch sein will in Bezug auf die bestehenden Verhältnisse und zugleich motiviert vom Wunsch nach ihrer Veränderung“ (S. 176, eigene Hervorh., T. A.); ein Vorschlag, der schon häufiger unternommen wurde,[8] von Marchart aber – und darin liegt das Innovative des Beitrags – mit der radikaldemokratischen Idee des demokratischen Horizonts verknüpft wird. Ohnehin fällt auf, dass die Radikaldemokratie durch den kompletten Band hinweg immer wieder mit einer gewissen Selbstverständlichkeit als die der kritischen Theorie scheinbar naturgemäß nahestehende Demokratietheorie angerufen wird: Nicht nur die „üblichen Verdächtigen“ wie Oliver Marchart oder Oliver Flügel-Martinsen verfahren so, auch die im zweiten Block mit dem Titel Politische Theorie als/oder Theorie der Gesellschafft untergebrachten Beiträge von Alex Demirović oder Hartmut Rosa (wenn auch in kritischer Absicht) nehmen ihren Ausgangspunkt bei denjenigen Theoretiker*innen, die in der einen oder anderen Weise die Unterscheidung zwischen „dem Politischen“ und „der Politik“ ins Zentrum ihrer Theoriebildung rücken.[9]

Auf den ideengeschichtlichen Einstieg folgen Abschnitte, die aktuelle Themenstellungen und Fragen kritischer Theoriebildung behandeln. Hier wird ein guter Einblick in die aktuelle Debattenlage gegeben. Beispielsweise ist Robin Celikates Beitrag im Abschnitt Negativismus, Fortschritt und das gute Leben exemplarisch für eine sich innerhalb der Theorietradition gerade anbahnende Trendwende: weg vom den Diskurs lange dominierenden Vokabular des moralischen Fortschritts und der Lernprozesse hin (besser gesagt: zurück) zur Analyse von Regressionserscheinungen und der Frage danach, was soziale Transformationen in bestimmten Kontexten verhindert.

Das bereits formulierte Lob zum Aufbau des Buches gilt im Übrigen nicht nur für die thematische Aufteilung und Anordnung der Themenfelder insgesamt, sondern auch für die Dramaturgie innerhalb der einzelnen Blöcke: Die Texte eines Themenfeldes bauen aufeinander auf, antworten aufeinander oder widersprechen sich. Das wird besonders im Abschnitt zu Gerechtigkeit, Kritik der Rechte und Normativität deutlich: Mit Rainer Forst macht hier jemand den Auftakt dessen Name wie kaum ein anderer mit der Analyse von normativen Ordnungen verbunden ist.[10] In seinem Beitrag argumentiert er für eine Theorie der Gerechtigkeit, die zugleich „realistisch“ (das heißt empirisch informiert) ist und über eine „kontexttranszendierende normative Idee von Gerechtigkeit“ (S. 298) verfügt. Beschlossen wird der gleiche Abschnitt dann von Raymond Geuss, für den Normativität nur insofern überhaupt ein legitimer Gegenstand der Analyse ist, „als es sich bei dieser spezifischen Begriffsbildung um ein pathologisches Phänomen handelt, das es zu analysieren gilt“ (S. 352). Die Beschäftigung mit „Normativität“ ist für ihn nichts anderes als eine Ideologie, die die Kritik (und potenzielle Veränderung) der gesellschaftlichen Verhältnisse gerade verhindert. An dieser Stelle (wie an vielen anderen im Band) zeigt sich auch nochmal deutlich, wie heterogen „die“ kritische Theorie eigentlich ist. Man hat den Eindruck – und das ist für einen Sammelband alles andere als selbstverständlich –, dass einige der Aufsätze am Ende gar auf den nächsten überleiten.

Insgesamt liegt mit Kritische Theorie der Politik ein guter Übersichtsband vor, der durch Umfang, Organisation und, wie die Herausgeber anmerken, in der Tat auch durch „Heterogenität in der Gesamtschau“ (S. 36) besticht. Denn trotz der thematischen Breite geht der Band – das ist in „internen“ Debatten des Traditionszusammenhangs kritische Theorie nicht immer selbstverständlich – theoriepolitisch undogmatisch vor. Die Berufung auf Marx, Adorno, Horkheimer sowie einige interessante Außenseiter wie etwa Otto Kirchheimer oder Franz Neumann steht gleichwertig neben der Anrufung postkolonialer Denker*innen[11] oder dem Bezug auf Habermas sowie neuere Debatten um Governance und transnationale politische Theorie. Dass der Band all diese unterschiedlichen „Referenzen und Gewährsleute“ (S. 61) versammelt, ohne den oftmals üblichen Abgrenzungsgestus zu reproduzieren, ist schon eine Leistung an sich.

Insbesondere denjenigen interessierten Leser*innen, die selbst nicht direkt mit der kritischen Theorie arbeiten oder mit ihrer Tradition vertraut sind, bietet der Band einen guten sowie relativ umfassenden Überblick über den state of the art der zeitgenössischen kritischen Theoriebildung in Bezug auf das Thema Politik. Ich teile die Einschätzung der Herausgeber, „dass der Band weitgehend repräsentativ für die Gesamtdebattenlage ist“ (S. 37). Für Leser*innen, die ihr eigenes Schaffen ohnehin innerhalb dieser Tradition verorten, hat das Buch eher den Charakter eines Kompendiums. Das ist nicht per se als Beanstandung gemeint: Der Band gewährt einen umfassenden und dennoch fundierten Überblick darüber, wie Politik – oder „das Politische“ – von und innerhalb der aktuellen kritischen Theoriebildung konzeptualisiert und thematisiert wird. Allerdings bietet Kritische Theorie der Politik eher ein Abbild der aktuellen Debattenlage, als das hier genuin neue Impulse gesetzt würden. Um das nur anhand einiger weniger Beispiele anzudeuten: Wenn Amy Allen das Potenzial einer „revidierten Psychoanalyse“[12] für „die Ausformulierung einer Kritischen Theorie der Politik“ (S. 449) herausstellt oder Wendy Brown die derzeitige autoritäre Bedrohung der Demokratie vor allem als „Effekt neoliberaler Rationalität“ (S. 545) beschreibt; wenn Nancy Fraser versucht, Polanyi für eine den Bedingungen des 21. Jahrhunderts angemessene Kapitalismuskritik fruchtbar zu machen (S. 63–83) oder Hartmut Rosa für die Anwendung seiner Resonanzidee im Rahmen einer kritischen Theorie der Politik plädiert (S. 204–242), dann werden Leser*innen, die ohnehin innerhalb der kritischen Theorie forschen, hier nicht überrascht.

Insbesondere die Frage nach dem „große[n] Ganze[n]“ (S. 10), also die von den Herausgebern in der Einleitung als das zentrale Forschungsdesiderat diagnostizierte „über Teilaspekte hinausgehende Auseinandersetzung mit der Politik“ (ebd., Hervorh. im Orig.), bleibt etwas auf der Strecke. Am ehesten nehmen noch zwei der mittleren Themenblöcke – namentlich Politische Theorie als/oder Theorie der Gesellschaft sowie Kritische Theorie der Demokratie und der Autorität – eine solch grundsätzliche Perspektive ein: Während im erstgenannten nach dem Verhältnis von kritischer Gesellschaftstheorie[13] und Politik gefragt wird, umkreist letzterer sicher am direktesten die Frage nach der Möglichkeit einer kritischen Theorie der Politik. So fragt etwa Martin Saar in einem prüfenden Rückblick auf zwei ganz unterschiedliche Spielarten der Postdemokratie-Diagnose (nämlich der berühmten von Colin Crouch sowie der etwas weniger bekannten Jacques Rancières), wie sich eine „kritische Theorie der gegenwärtigen Politik“ (S. 473) zu verhalten habe. Saars Ansicht nach müsse eine solche die der Demokratie gleichsam immanente Krisenhaftigkeit „immer in Rechnung“ (S. 492) stellen, dürfe sie aber auch nicht als unentrinnbares Verhängnis begreifen. Maeve Cook geht in ihrem Beitrag gar noch einen Schritt weiter und zählt „Kernelemente einer kritischen Theorie der Politik“ (S. 520) auf. Ganz allgemein scheint sich die Autorin mit vielen anderen der Beitragenden einig darüber zu sein, dass eine kritische Theorie der Politik – abstrakt gesprochen – irgendein plausibles Verständnis davon unterbreiten muss, wie kritische Gesellschaftstheorie und politische Theorie überhaupt zusammengedacht werden können.[14] Dass diese im Band wiederholt eingeforderte „wirklich vollständige Kritische (Gesellschafts-)Theorie der Politik“ (S. 45) oder „vollständige kritische Theorie demokratischer Politik“ (S. 52) letztendlich in keinem der Beiträge geliefert wird, kann aber auch nicht als fairer Kritikpunkt durchgehen. Viel eher mag diese Unterlassung der Unmöglichkeit der Bewältigung der Aufgabenstellung geschuldet sein, als dass sie den Beitragenden anzulasten wäre.

  1. Helmut Dubiel, Der Streit über die Erbschaft der Kritischen Theorie, in: Bernhard Schäfers (Hg.), Soziologie in Deutschland, Wiesbaden 1995, S. 119–130.
  2. Alle Seitenangaben in Klammern beziehen sich auf das hier besprochene Buch Kritische Theorie der Politik.
  3. Für ein weites Verständnis von kritischer Theorie, das sich systematisch und nicht örtlich definiert, plädieren zum Beispiel Amy Allen, The End of Progress. Decolonizing the Normative Foundations of Critical Theory, New York 2016, S. xi–xviii oder Samuel Salzborn, Großer Highway und kleine Trampelpfade. Kritische Theorie auf dem Weg ins 21. Jahrhundert, in: Zeitschrift für kritische Sozialtheorie und Philosophie (2015), 2, S. 4–33.
  4. In Bezug auf Marx findet sich diese Kritik an prominenter Stelle formuliert – wenn auch in ihrer Zuspitzung wahrscheinlich ein bisschen unfair – zum Beispiel bei Hannah Arendt, Über die Revolution, München 2011, S. 79.
  5. Per Jebsen, Aporien negativer Politik? Gesellschaftsutopie und Askese der politischen Theorie im Spätwerk Horkheimers und Adornos, in: Ulrich Ruschig / Hans-Ernst Schiller (Hg.), Staat und Politik bei Horkheimer und Adorno, Baden-Baden 2004, S. 209–226.
  6. Die Validität dieser These darf angesichts der umfassenden politikwissenschaftlichen Werke von Habermas wie etwa dem Strukturwandel der Öffentlichkeit oder Faktizität und Geltung zumindest mit einem Fragezeichen versehen werden. Eine Kritik, die mir viel eher eingeleuchtet hätte, wäre die, dass die zweite Generation der Frankfurter Schule die Integration eines Verständnisses von Politik in die Kritik gesellschaftlicher Verhältnisse gleich mit einem doppelten Preis bezahlt hat. Schließlicht hat sie – gegenüber der Gründergeneration– nicht nur an kritischem Anspruch eingebüßt. Auch kann ihr politisches Projekt auch einfach nicht mehr als besonders radikal gelten.
  7. Zu dem Vorschlag, Foucault im weiteren Sinne zur Tradition der kritischen Theorie zu zählen, vgl. Amy Allen, The End of Progress. Decolonizing the Normative Foundations of Critical Theory, New York 2016, S. xi–xviii und bes. 163–203). Auch wenn die Zeiten, in denen Foucault als jemand galt, der der Politikwissenschaft gar nichts zu sagen hat, lange vorbei sind. Siehe Brigitte Kerchner, Wirklich Gegendenken. Politik analysieren mit Michel Foucault, in: Brigitte Kerchner/Silke Schneider (Hg.), Foucault: Diskursanalyse der Politik, Wiesbaden 2006, S. 145–164.
  8. [8] Vgl. Michael Schwandt, Kritische Theorie. Eine Einführung, Stuttgart 2010 oder Hanning Voigts, Entkorkte Flaschenpost: Herbert Marcuse, Theodor W. Adorno und der Streit um die Neue Linke, Berlin 2009.
  9. Wobei Demirović in dem Band eine Art Sonderstellung einnimmt, insofern als sein Beitrag unter umgekehrten Vorzeichen argumentiert. Er analysiert weniger die politische Leerstelle der kritischen Theorie, sondern argumentiert, dass die Denker*innen des Politischen ein gesellschaftstheoretisches Defizit aufweisen, das sich gerade mit dem Denken Adornos beheben ließe. Adorno wird bei ihm gar zum Theoretiker mit dem „eine Radikalisierung der radikalen Demokratietheorie“ (S. 208) betrieben werden kann.
  10. Rainer Forst / Klaus Günther (Hg.), Die Herausbildung normativer Ordnungen. Interdisziplinäre Perspektiven, Frankfurt am Main 2011.
  11. Insbesondere im Beitrag von Ina Kerner, S. 650–671.
  12. Die Anspielung auf Adornos Aufsatz „Die revidierte Psychoanalyse“ von 1962 sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Allen selbstverständlich für ein erneutes – zeitgenössischen Bedingungen und dem Stand der Forschung angepasstes – Durchdenken psychoanalytischer Begriffsbildung plädiert.
  13. Laut Marchart ist das Festhalten an einem „Totalitätsbegriff von Gesellschaft“ das entscheidende Kriterium einer kritischen Theorie (vgl. S. 143 f.).
  14. Eine Ausnahme stellt hier Bernd Ladwig dar, der für eine „akademische Arbeitsteilung“ sowie für die Trennung in „eine hoffentlich nicht institutionenblinde und akteursvergessene politische Philosophie und eine hoffentlich nicht normenblinde und verantwortungslose empirische Forschung“ (S. 293) plädiert. Die „Kritische Theorie“ hingegen – hier verstanden als beide Seiten zusammenbringender Ansatz – sei „eine Figur der Vergangenheit“ (S. 294).

Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Stephanie Kappacher.

Kategorien: Politik Kritische Theorie

Tobias Albrecht

Tobias Albrecht ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der DFG-Kollegforschergruppe „Justitia Amplificata” an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich der Politischen Theorie, der Ideengeschichte und der Sozialphilosophie. In seiner Doktorarbeit fragt er nach der Möglichkeit einer politischen kritischen Theorie nach Arendt und Adorno.

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