Oliver Weber | Rezension |

Liberalismus als bloße Idee betrachtet

Rezension zu „Was ist Liberalismus?“ von Elif Özmen

Elif Özmen:
Was ist Liberalismus?
Deutschland
Berlin 2023: Suhrkamp
208 S., 18 EUR
ISBN 978-3-518-30005-3

Was ist eigentlich „Liberalismus“? Anführungszeichen und Partikel fehlen auf dem Cover des neuen Buches der Philosophin Elif Özmen, der Leser darf sich beide aber getrost dazu denken. Kaum eine andere politische Weltanschauung weist ein solches Missverhältnis von öffentlicher Evokation und theoretischer Durchdringung auf wie das, was sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts, zunächst vorsichtig, dann selbstgewiss, schließlich kämpferisch „Liberalismus“ nennt. Der letzte, der sich in Deutschland an eine historische Gesamtdarstellung gewagt hat, dürfte Dieter Langewiesche in den späten 1980er Jahren gewesen sein.[1] Die jüngste umfangreiche deutschsprachige Begriffsgeschichte stammt von dem Historiker Jörn Leonhard und wurde 2001 veröffentlicht.[2] Es ist also eine verdienstvolle Aufgabe, die sich die in Gießen lehrende Professorin für praktische Philosophie gestellt hat: Der sich häufenden „Feind- und Gespensterbeschwörung“ von Links wie Rechts „eine[n] würdige[n] Gegner“ entgegenzustellen (S. 14).

Das Buch versteht sie dabei nicht in erster Linie als eine Ideengeschichte, die die Genese der liberalen Weltanschauung verständlich werden lässt und auch nicht als eine neue Theorievariation, die den Liberalismus unter dem Eindruck gegenwärtiger Krisen weiterentwickeln möchte, sondern als eine „Landkarte der Philosophie des Liberalismus“ (S. 11). Es geht der Autorin „um die Offenlegung der begrifflichen und normativen Architektur welche die verschiedenen liberalen Theorieversionen als liberale Theorien trägt“ (ebd.).

Zwei Festlegungen sind damit getroffen: Özmen versteht, erstens, ihren Gegenstand vorrangig als eine „normative Grammatik“ (S. 13), als ein Verhältnis von Konzepten, Argumenten, Begründungen, die sich systematisch aufeinander beziehen lassen; zweitens, sollen sich diese Verhältnisse im Modus strengen Philosophierens aufklären, sodass am Ende gesagt werden kann, „was Liberalismus ist und was nicht“ (S. 42). Man kann das Buch also auch als Testfall einer methodischen Prämisse lesen: Ist es möglich, eine politische Weltanschauung darzustellen, wenn man von ihrem geschichtlichen und politischen Charakter weitgehend abstrahiert?

So ist der Leser zunächst überrascht, wenn er nach diesen methodischen Vorbemerkungen das erste Unterkapitel aufschlägt: Ganz ohne geschichtliche Erdung scheint auch Özmen nicht auskommen zu wollen. Auf knapp zwei Seiten wird im Zeitraffer gewissermaßen das Prequel erzählt. Die Erosion der Ständegesellschaft, die Wiederbelebung des Individuums, Reformation und Gegenreformation, die Entstehung des modernen Staates und des „Bürgerstandes“, schließlich die industrielle Revolution – all diese Umstände, so die lakonische Schlussfolgerung, gehörten zu einem nicht näher analysierten „komplexen Gefüge“, das „wesentlich für den politischen Erfolg des Liberalismus“ im späten 18. Jahrhundert war (S. 14f.).

Dann klafft eine Handlungslücke von hundertfünfzig Jahren. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg setzt Özmens „Skizze der historischen Erfolgsgeschichten“ (S. 14) des Liberalismus wieder ein, als „namentlich Isaiah Berlin, Friedrich von Hayek und Karl Popper“ nach einer „kritischen Evolution“ des Geschehenen in einem „negativen, auf den normativen Kern der Abwehr autoritärer Staatlichkeit reduzierten Liberalismus“ den Katechon von Völkermord und totalitärer Herrschaft entdeckt haben (S. 18). Außerdem sei man zu der „historische[n] Einsicht in die notwendige Demokratisierung des Liberalismus“ (S. 19) gelangt, was den Boden für denjenigen bereitete, dem sich die restlichen zehn Seiten von Özmens ideengeschichtlicher Skizze (S. 12) und überhaupt ein Großteil des Buches widmen: John Rawls.

Auffällig an dieser historischen Herleitung sind mehrere Dinge. Sie enthält neben seltsamen Behauptungen wie der, dass Aristoteles in der Demokratie die beste Verfassung gesehen habe (S. 19), auch folgenreiche Unstimmigkeiten – etwa, dass den Liberalen „politischer Utopismus“ eigentlich „wesensfremd“ sei (S. 36). Das mag für den ‚Cold War Liberalism‘ stimmen, ganz sicher aber nicht für den kontinentalen Aufklärungsliberalismus des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. (Condorcet ersehnte das glückliche Ende der Geschichte herbei, der Laissez-faire-Dogmatiker Jean-Baptiste Say tat sich als utopistischer Schriftsteller hervor.) Eine geschichtlich interessierte Darstellung hätte selbst in systematischer Absicht danach fragen können, wie es zu dieser anti-utopischen Eintrübung in der liberalen Gedankenwelt kam; warum also der Liberalismus in der Konfrontation mit den sozialen Folgen der Industrialisierung seinen Optimismus verlor – was dies wiederum mit seinem Freiheits- und Eigentumsbegriff zu tun hat und seiner bis heute bestehende Schwierigkeit, den Sozialstaat als notwendige Erweiterung zu akzeptieren. Doch das gesamte 19. Jahrhundert und auch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts scheinen in Özmens liberaler Erfolgsgeschichte gar nicht stattgefunden zu haben.[3]

So muss man diese von der „normativen Attraktivität“ des demokratischen Liberalismus (S. 14) getragene, bewusst als „Erfolgsgeschichte“ (S. 21) erzählte Ideenhistorie im Miniaturformat wohl oder übel geschichtsphilosophisch nennen: Insofern der Siegeszug des „liberale[n] Projekt[s]“ (S. 11) so nachvollzogen wird, als wären die liberalen Ideen selber handlungsfähige Akteure.[4] Und insofern vorausgesetzt wird, dass man von ihrem politisch-sozialen Kontext, ihren Aporien und ihren nichtintendierten Nebenfolgen absehen kann, wenn man die Absicht einer zielhaften Erzählstruktur verfolgt.[5] Darin ist das Buch den liberalen Geschichtsphilosophien des 18. und 19. Jahrhunderts gar nicht unähnlich.[6]

Nun sind historische Darstellungsfehler, idealistische Zurichtungen und jahrhundertegroße Leerstellen zwar unglücklich, aber noch lange kein Einwand gegen ein Werk, das ja explizit ein philosophisch-systematisches Interesse verfolgt. Und tatsächlich ist es so, dass die Stärken der Argumentation dort hervortreten, wo sich Özmen ganz auf begriffliche Verhältnisse fokussiert. Im zweiten Kapitel schildert sie überaus plausibel, wieso nur eine immanente Verknüpfung des „trio liberale“ (S. 44) – Individualismus, Freiheit und Gleichheit – ein konsistentes liberales Gedankengebäude zu tragen vermag. Denn der Liberalismus ist nicht die einzige Tradition, die sich auf die „Freiheit“ beruft – man denke an die ständischen Libertäten, den nationalistischen Kampf um Selbstbestimmung oder das marxistische ‚Reich der Freiheit‘. Erst die direkte Verknüpfung mit dem Individuum verleiht der spezifisch liberalen Freiheitsidee politische und philosophische Prägnanz. Und, wie Özmen am deutlichsten und längsten ausführt, diese Freiheit muss möglichst egalitär gedacht werden, sonst könnte sie nicht dem Menschen qua seines Menschseins zukommen. Die Annahme einer ‚natürliche Hierarchie‘ läuft für den Liberalismus auf Selbstaufgabe hinaus (vgl. Kap. 2.4).

Im Einzelnen speisen sich insbesondere der Freiheitsbegriff und die Gleichheitsidee Özmens aus zwei sehr verschiedenen Quellen. Sie hat große Sympathien dafür, Freiheit in erster Linie negativ, d.h. als gegen die Willkür der Mitbürger und vor allem gegen die Bevormundung des Staates gerichtet zu verstehen. Pate stehen hier vor allem die Argumentationen des ‚Cold War Liberalism‘, wie die mehrfachen Verweise auf Berlin und Hayek belegen (vgl. Kap. 2.2). Ein positiver Freiheitsbegriff, der etwa auch die Freiheit zu bestimmten Tätigkeiten oder die Freiheit von Trieben, Gewohnheiten und inneren Zwängen einschließt, wird erörtert, steht aber unter dem im Buch im Grunde bejahten Verdacht, „paternalistische und autoritäre“ Konsequenzen zu haben. Denn mithilfe eines positiven Freiheitsbegriffs könnte den Individuen unterstellt werden, sie würden, wenn sie ihrem Willen folgen, einem „wahren, höheren Selbst“ widersprechen, das freilich dann eine äußere Instanz und nicht der Einzelne selbst festlegt (S. 61ff.). Ähnlich ergeht es dem seit vierzig Jahren intensiv diskutierten republikanischen Freiheitsbegriff, den Özmen hauptsächlich als Ausdruck eines „Quasikollektivismus in antiker Denktradition“ (S. 65) referiert.

Doch schon hier kommt dem Buch das eigene historische Desinteresse in die Quere, besonders da Özmen auf die Referenzquellen, aus denen sich ein „normativer Kern“[7] des Liberalismus herausschälen lassen soll, „weniger exegetisch als expositorisch“, d.h. vor allem „in erläuternder Absicht“ (S. 46) zurückgreift. So fällt unter den Tisch, dass man bei Liberalen wie Benjamin Constant, der im Buch mehrmals als Zeuge auftaucht, deutliche Belege dafür findet, dass erst eine positive Verwirklichung der Freiheit, statt bloß eine negative, mit Recht so genannt werden darf.[8] Oder dass insbesondere viele deutschsprachige Frühliberale, etwa die im 19. Jahrhundert bedeutenden Herausgeber des „Staats-Lexikons“ Karl von Rotteck und Carl Theodor Welcker, sich vorrangig an einem im Stadtregiment erlernten, republikanischen Freiheitsbegriff orientierten.[9] Auch hier verschwinden die interessanten Fragen – Wie kam es zum Abbruch dieser Traditionslinien im Liberalismus? Warum scheinen sie ihm heute nicht mehr zugehörig, wo sie ihn doch am Anfang erkennbar auszeichneten? – hinter einer historisch nicht irritierbaren Festlegung dessen, „was Liberalismus ist und was nicht“ (S. 42).

Özmens Gleichheitsbegriff speist sich dagegen aus einer zweiten, ganz anders gelagerten Quelle: Sie erklärt John Rawls zur maßgeblichen Theorie, um Fragen materieller Gerechtigkeit zu beantworten: zum einen aufgrund seiner anhaltenden Bedeutung in der akademischen, vor allem englischsprachigen Praktischen Philosophie; zum anderen, weil die Methode seines Theoretisierens für korrigierende Argumente stets offenbleibe, indem sie einen „Reflexionsprozess“ in Gang setze (S. 20–24). In beeindruckender argumentativer Geschlossenheit schildert sie deswegen ausführlich das rawlsianische „Prinzip distributiver Gleichheit“ (S. 77), wonach ein System gleicher rechtlicher Grundfreiheiten ergänzt werden muss durch eine sozialökonomische Verteilungsordnung, die sicherstellt, dass sich die „Hoffnungen und Ziele“ der Bürger „nicht von vorneherein regelmäßig als unberechtigt und unerreichbar herausstellen“, also eine solche Ordnung, die die „sozialen und ökonomischen Bedingungen der Möglichkeit der gleichen Freiheit“ ernst nimmt (S. 77f.). Überzeugend argumentiert Özmen dafür, dass „man als Liberale an der Vorstellung der gleichen Freiheit festhalten muss, nicht zuletzt als Ausgangspunkt für Fragen der Verteilungsgerechtigkeit“ (S. 84). Rawls‘ Differenzprinzip, wonach eine ungleiche Gesellschaft nur wohlgeordnet heißen kann, wenn sie selbst der Schlechtgestellteste einer Gleichverteilung vorzieht, gilt ihr erfrischenderweise als inhärent liberal.

Doch passt das zusammen? Ein vorrangig anti-utopischer, negativer, staatsskeptischer Freiheitsbegriff einerseits, ein optimistischer, positiver, den Sozialstaat notwendig bejahender Gleichheitsbegriff andererseits? Berlin und Hayek hier, Rawls dort? Man beobachtet beim Lesen förmlich, wie das trio liberale, das im Modus des rein normativen Philosophierens noch immanent verknüpft erschien, im Modus der politischen Konkretion kaum zu bändigende Fliehkräfte bekommt. Die latente Widersprüchlichkeit der Argumentation schlägt sich schließlich in konkludierenden Behauptungen nieder. So heißt es auf Seite 69: „Liberalismus als institutionelle Verfassung der Freiheit legt die staatliche Gewalt und die Rechtsordnung auf eine prinzipielle Freiheitsvermutung fest“. Und nur wenige Seiten später: „Aber dieser Vorrang [der Gleichheit] legt doch fest, bei wem die Beweislast liegt: Solange keine guten Gründe für eine ungleiche Verteilung sprechen, ist Gleichverteilung gerecht beziehungsweise Ungleichverteilung begründungsbedürftig“ (S. 80).

Es ist wohl möglich, dass sich beide Vorrangsvermutungen theoretisch unter einen Hut bringen lassen, praktisch schließen sie einander aus. Wer dem Staat misstraut, weil er grundsätzlich den unter kapitalistischen Bedingungen ungleichen Bewegungskräften der bürgerlichen Gesellschaft freie Bahn lassen möchte, der wird kaum mit ernsthafter Skepsis sämtliche Abweichungen von einem ökonomischen Gleichheitsideal mit Empörung registrieren und ständigen Legitimationsforderungen aussetzen – oder jedenfalls nur zum Preis kognitiver Dissonanz.

Özmen gesteht schließlich eine gewisse praktische „Spannung“ (S. 85) zwischen Freiheit und Gleichheit selber zu, zieht sich aber mit dem Hinweis aus der Affäre, dass „die praktische Ausgestaltung … Aufgabe der Rechtspraxis“ ist, „die dem Gesetzgeber, den Rechtskundigen und den Richter:innen unterliegt“ und „durch philosophische Theoriebildung“ schlechterdings nicht zu meistern sei (S. 86). Man fragt sich: Wozu politische Philosophie, insbesondere: politisches Philosophieren über eine real existierende, parteigebundene politische Weltanschauung wie den Liberalismus, wenn sie sich in praktischen Fragen schlicht für unzuständig erklärt? Beginnt nicht dort erst der eigentliche Gegenstand einer Philosophie, die ihren Anlass der Zeitgeschichte (Kap. 1) und ihren Namen einer politischen Partei entnimmt – nämlich bei der Frage, wie das normativ Richtige unter ungünstigen, widrigen, ja unvernünftigen Umständen, unter Bedingungen parteipolitischer Uneinigkeit, knapper Zeithorizonte und polemischen Redens eine Chance behalten kann? Oder, wenn dies eine ideale Theorie schon nicht in Rechnung stellen will, wenigstens bei der Frage, was dieser innere theoretische Widerspruch politisch bedeuten mag? Andernfalls droht jeder noch so freundliche Rawlsianismus in politicis zu einem schönen Traum herabzusinken, den man als Fernziel gerne befürwortet, alle Mittel, die dorthin führen könnten, aber aufs Schärfste bekämpft.

Özmens Liberalismus fechten Fragen und Probleme wie diese nicht an. Das hat an anderen Stellen durchaus den Vorteil, dass das Buch theoretische Kohärenz herstellen kann, wo man sonst eher Inkonsistenzen vermuten müsste. Etwa zwischen einem mit Judith N. Shklar entwickelten ‚Liberalismus der Furcht‘ und einem kantianischen Projekt reziproker Rechtsbegründung (Kap. 3.2, 3.3). Oder bei Özmens differenzierter, den Fallstrick des Dogmatismus vermeidender Ablehnung eines sich der Geltungsfrage entledigenden subjektiven Liberalismus, der vor lauter Angst objektiver Wahrheiten auch in Gefahr gerät, seine eigene Begründbarkeit aufs Spiel zu setzen (Kap. 4.3, 4.4).

Schließlich hinterlässt das Buch aber doch mehr Fragen, als es zu beantworten imstande ist. Die bedeutendste: Wer ist eigentlich der Liberalismus, den Özmen als würdigen Gegner den vielen Kritikern von Links und Rechts entgegenstellen möchte? Eine philosophische Interpretation des real existierenden, gar parteipolitisch organisierten Liberalismus? Dagegen spricht, dass sie jener staatsskeptischen, wirtschaftsliberalen Variante, die immer noch als dominierend angesehen werden darf, schlechterdings abspricht, überhaupt liberal zu sein.[10] Ein Liberalismus als reine philosophische Idee? Doch wenn ja, wie könnte selbige direkt auf die politische Bewegung gleichen Namens und auf die politischen Auseinandersetzungen der Gegenwart bezogen werden (Kap. 1.)? Eine politische Theorie, die sich anschickt, als besseres Selbst des Liberalismus praktisch wirksam zu werden? Doch wie soll das gehen, wenn schon das begriffliche Gerüst zu zerbrechen droht, wenn man es mit den Augen eines Politikers anblickt?

Angesichts dieser Unklarheiten, die schon in der methodischen Prämisse des Buches ihren Ursprung haben, muss man den von Özmen angesprochenen Kritikern und „zahlreichen Verächtern“ (S.14) schließlich empfehlen, diesen Liberalismus der bloßen Idee links liegen zu lassen und weiterhin nach vielleicht nicht würdigeren, aber immerhin realen Gegnern Ausschau zu halten.

  1. Dieter Langewiesche, Liberalismus in Deutschland, Frankfurt am Main 1988.
  2. Jörn Leonhard, Liberalismus. Zur historischen Semantik eines europäischen Deutungsmusters, München 2001.
  3. Dass das liberale Denken auf den Zweiten Weltkrieg insgesamt mit verhärteter Staatsskepsis reagiert habe, lässt sich ebenso gut bestreiten: Machte man doch vielfach die Schwäche des Staates, seine Unfähigkeit, die Bewegungskräfte der bürgerlichen Gesellschaft zu ordnen und gemeinwohlverträglich zu lenken für die Weimarer Katastrophe mitverantwortlich, vgl. Vincent August, Technologisches Regieren: Der Aufstieg des Netzwerk-Denkens in der Krise der Moderne, Bielefeld 2021.
  4. Zum Beispiel auf S. 14, wo vom „praktischen Erfolg[] liberaler Grundvorstellungen“ die Rede ist, wobei soziologische, historische und ökonomische Kräfte als „theoriefremde Umstände“ bezeichnet werden.
  5. Özmen schreibt an späterer Stelle selbst, „die Geschichte liberaler Freiheit ist aus der Innenperspektive als eine Geschichte der Aufklärung und des zivilisatorischen Fortschritts zu lesen“ (S. 56). – Ja, aus der Innenperspektive – Aber warum sollte eine Philosophin eine solche parteiische Perspektive kurzerhand übernehmen?
  6. Vgl. hierzu Heinz-Dieter Kittsteiner, Naturabsicht und Unsichtbare Hand. Zur Kritik des geschichtsphilosophischen Denkens, Frankfurt a. M., Berlin u.a. 1980; Reinhart Koselleck, Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, 13. Auflage, Berlin 2017 (1973).
  7. So die Autorin in einem Interview mit der tageszeitung (https://taz.de/Philosophin-Elif-Oezmen-ueber-Liberalismus/!5927602/). Im Buch selbst lautet dagegen der theoretische Anspruch vielversprechender, bloße „Familienähnlichkeiten“ (S. 43) der liberalen Tradition aufzudecken. Dies wird aber praktisch kaum durchgehalten, da Özmen ihr konkretisiertes trio liberale immer wieder zur definitorischen Aus- und Eingrenzung bestimmter Argumentationen und Normen verwendet, statt die liberale Familie über Ähnlichkeiten und Ähnlichkeiten von Ähnlichkeiten zu erschließen (vgl. etwa S. 81 Fn. 97 oder S. 84f. Fn. 106).
  8. Vgl. Benjamin Constant, „Principes de politique applicables à tous les gouvernements représentatifs “, in: ders., Œuvre complètes, Bd. V, herausgegeben von Kurt Kloocke, Berlin, Boston 2011, S. 324.
  9. Vgl. Paul Nolte, „Bürgerideal, Gemeinde und Republik: ‚Klassischer Republikanismus‘ im frühen deutschen Liberalismus", in: Historische Zeitschrift 254 (1), 1992, S. 609–656; Lothar Gall, „Liberalismus und ‚bürgerliche Gesellschaft‘: Zu Charakter und Entwicklung der liberalen Bewegung in Deutschland“, in: Historische Zeitschrift, 220 (1), 1975, S. 324–356.
  10. Im Buch indirekt auf Seite 77 & Seite 81, Fn. 97; im Interview mit der tageszeitung explizit: „Ein gutes Beispiel für eine dem Gedanken des Liberalismus widersprechende Priorisierung der Freiheit ist der Neoliberalismus“ (a. a. O.)

Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Jens Bisky.

Kategorien: Demokratie Geschichte Philosophie Politische Theorie und Ideengeschichte Recht

Oliver Weber

Oliver Weber ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Politische Theorie und Ideengeschichte der TU Darmstadt.

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