Leon Switala | Rezension | 22.04.2025
Geschichte einer ökologischen Reflexivität
Rezension zu „Chaos in the Heavens. The Forgotten History of Climate Change“ von Jean-Baptiste Fressoz and Fabien Locher

Das Klima ist nicht erst seit dem sogenannten Anthropozän Gegenstand politischer Auseinandersetzungen. Dennoch gibt es Stimmen, die behaupten, in der Moderne sei es urplötzlich zu einer Instabilität der planetaren Grundlagen menschlichen Lebens gekommen. Vertreten wird diese einflussreiche Position von vielen Anthropozän-Forscher:innen, insbesondere vom postkolonialen Denker Dipesh Chakrabarty.[1]
Aus historischer Perspektive wird aber deutlich: Das Klima sowie die instabile Beziehung zu ihm sind speziell im Westen bereits deutlich länger Thema in politischen wie wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, als viele glauben (machen) wollen. Diese historische Erkenntnis unterläuft, wie in dieser Rezension zu zeigen sein wird, eine ganze Reihe einflussreicher theoretischer Positionen im gegenwärtigen Diskurs um das Verhältnis von Mensch und Natur.
Vor diesem Hintergrund stellt sich viel eher die Frage: Wie konnten Gesellschaften überhaupt eine stabile Beziehung zur Natur imaginieren, die erst mit dem Anthropozän scheinbar prekär wird? In Chaos in the Heavens. The Forgotten History of Climate Change setzen sich Jean-Baptiste Fressoz und Fabien Locher mit ebendieser Frage auseinander. Die Autoren rekonstruieren die Geschichte einer ökologischen „reflexivity“ (S. 3), die fest in westlichen Gesellschaften verankert sei – und zeigen außerdem auf, warum sie plötzlich vom wissenschaftlichen und politischen Radar verschwunden ist. Die Arbeit schließt damit teils an frühere Kritiken der Autoren am Wissenschaftsdiskurs an.[2] Ihre konsequent historisierende Perspektive stellt ein wichtiges, differenzierendes Korrektiv dar und wirft Fragen danach auf, wie die Beziehung zur Natur durch Wissenschaft und Politik im Zeitalter der ökologischen Krise des Kapitalismus gestaltet und vermittelt wird. Ein kleines Manko dieser weitreichenden Studie ist, dass sie sich streckenweise sehr auf den französischen Kontext fokussiert.
Wie und wann wurde damit begonnen, über das Klima in einer Weise nachzudenken, die der heutigen nicht unähnlich ist? Die vielen Wurzeln einer klimatologischen Reflexivität führen die Autoren in Kapitel eins und zwei mehrere hundert Jahre in der Geschichte zurück, konkret zu den Anfängen des Kolonialismus. Bereits während der Kolonisierung sei durch den Klimawandel „an intellectual and practical framework in the service of European imperial expansion“ entstanden (S. 4). Gegenstand dieser Überlegungen war vor allem Holz, denn der Rohstoff steht in unmittelbarer Beziehung zum Klima. Im Laufe des Buches spielt es immer wieder eine Rolle, denn „wood was the ‚petrol‘ and ‚concrete‘ of societies“ (S. 192). Von ihm hing das Überleben ab. Doch die massenhafte Rodung von Wäldern und die Aneignung von Holz verursachte einen „ecological shock generated by colonization” (S. 17). So wurden etwa für Plantagen auf der Inselgruppe Madeira – „the first global centre of sugar production“ (S. 16) – weite Teile des Waldes abgeholzt, was eine Erosion des Bodens zur Folge hatte und Wasserkreisläufe störte. Auf Jamaika hingegen breitete sich Ende des 15. Jahrhunderts die Vegetation stark aus und zog sintflutartige Regenfälle an. Diese „torrential rains proved non-ownership of the Caribbean“ (S. 20), weil die Niederschlagsmengen das Land ertränkten und eine Bewirtschaftung beinahe unmöglich machten. Die Ambivalenz der Naturbeziehung brachte unterschiedliche Erklärungen für die Beziehung des Menschen zum globalen Klima hervor. In der englischen Naturtheologie etwa konzipierte man im 17. Jahrhundert „the circulation of water on a global scale, with connections between oceans and continents, between tropical zones and temperate zones, between mountains and plains, between rain and soil fertility” (S. 40). Es entstand die „idea of a planet that is reactive and fragile in the face of human action” (S. 41). Das zeigt: Dass über das Klima in globalen Skalen nachgedacht wird, ist keine Idee, die erst in der Gegenwart aufkommt.
Auf dieser Grundlage kritisieren die Autoren ab Kapitel drei (S. 43) die zentrale These Chakrabartys und vieler anderer Anthropozän-Forscher:innen, der zufolge ‚der Mensch‘ sich erst im 21. Jahrhundert einer geologischen und klimatischen Agency sowie einer vom Menschen unabhängigen geologischen Zeitlichkeit bewusst wurde.[3] Diese Erzählung fußt auf der Überzeugung, die Einheit mit der Natur sei in der Moderne destabilisiert worden und habe so eine artifizielle Trennung erfahren – eine Vorstellung, mit der Fressoz und Locher dank ihrer umfangreichen historischen Erkenntnisse aufräumen. Doch nicht nur das: Zugleich entziehen sie damit auch der weit verbreiteten theoretischen Vorstellung das historische Fundament, eine Trennung zwischen Mensch und Natur sei entscheidend für das Verständnis der gegenwärtigen Krise, so argumentieren in der marxistischen Debatte etwa Autoren wie Jason W. Moore. Dem Umwelthistoriker zufolge imaginiere sich der Mensch in der Moderne als „independent of the rest of nature“[4] und habe durch seine Art des Umgangs mit der Natur sowie seiner kapitalistischen Wirtschaftsweise die ökologische Krise herbeigeführt. Dem gegenüber argumentieren ökomarxistische Autoren wie Kohei Saito oder John B. Foster, der Kapitalismus habe eine entfremdende „separation“[5] des Menschen von der Natur hervorgerufen, die es zu überwinden gelte. Beide Positionen entkräften Fressoz und Locher insofern, als sie zeigen, dass die Beziehung zur Natur in kapitalistischen Gesellschaften von jeher instabil war und einem ständigen Wandel unterliegt. Kurz: Die Erzählungen von Autoren wie Moore auf der einen und Saito oder Foster auf der anderen Seite sind historisch nicht haltbar. Mit Fressoz und Locher lässt sich Chakrabarty, Moore, Saito & Co. entgegenhalten, dass die „science of historical climatology“ (S. 58) bereits vor der Französischen Revolution, nämlich in den 1770er-Jahren, entstanden ist. Dieser Zweig der Wissenschaft erstellte Zeitreihen bestimmter Daten, um die Stabilität des Klimas überwachen und Trends erkennen zu können – immer vor dem Hintergrund eines Bewusstseins für die prekäre Stellung des Menschen gegenüber den klimatischen Verhältnissen.
Eine wichtige Figur für den damaligen Diskurs war der einflussreiche französische Naturforscher Georges-Louis Leclerc de Buffon. Er war der Überzeugung, dass das Klima von jeher als eine ambivalente Größe zu betrachten sei, von der menschliches Leben abhänge und die entsprechend politisch wie moralisch relevant sei und berücksichtigt werden müsse. Ganz ähnlich wie das Anthropozän konzipierte bereits Buffon den Menschen „as a planetary force capable of moulding climates“ (S. 43). Auf das Werk Buffons und die Sichtweise einer ambivalenten Beziehung zur Natur werden Wissenschaftler:innen noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein Bezug nehmen, wie Fressoz und Locher im Verlauf des Buches zeigen.
Die Autoren verweisen in ihrer Argumentation nicht nur auf die lange Tradition ökologischer Reflexivität in Frankreich, sondern machen darüber hinaus auch auf die klimatischen Faktoren aufmerksam, die mit zur Französischen Revolution führten. In Kapitel sechs (S. 87) heißt es: „The French Revolution was also a climate revolution“ (S. 87), und zwar weil mehrere mit dem Klima verquickte Umstände für die bürgerliche Revolution ausschlaggebend gewesen seien, etwa: „the terrible weather of 1788 and 1794 [that] caused grain shortages and food riots“ (S. 87), die Ordnung des Feudalismus, die zur Bodenerosion beigetragen habe, und die Kirche, die zwar Haupteigentümer der nationalen Wälder gewesen sei, sie aber nicht gut verwaltet habe. Die Autoren fassen zusammen: Von „1789 to the 1820s, every regime claimed to clear up the climatic mess created by the negligence of its predecessors“ (S. 88). Am Ende sei die Abschaffung des Feudalismus und des Ancien Régime in der Französischen Revolution eine Revolution von „property, nature, and the state’s role in their management“ gewesen (S. 103). Aber nicht nur das: „The environmental crisis would thus also be a crisis of political representation“ (S. 103), denn das Problem der Naturbeziehung war aufs Engste mit der politischen Ordnung des Absolutismus verbunden, die es gerade abzuschaffen galt. Vor diesem Hintergrund scheint etwa die Argumentation Bruno Latours in seinen einflussreichen Büchern Wir sind nie modern gewesen und Das Parlament der Dinge nicht ganz stimmig: Die ökologische Krise sei seiner Auffassung nach auf eine mangelnde Repräsentation nicht-menschlicher Entitäten in der modernen Demokratie zurückzuführen. Umgekehrt lässt sich eher feststellen, dass die fehlende Repräsentation der Natur vielmehr zentraler Auslöser der Französischen Revolution war: „In France, it was precisely when the representative system was constructed that the issue of climate became political.“ (S. 103) Die westliche Demokratie weist damit keinen Mangel an ökologischer Reflexivität auf, letztere war vielmehr Bedingung ihrer Entstehung.
Aber nicht nur in Frankreich war das Klima Gegenstand politischer Überlegungen. Die Autoren erweitern in Kapitel sieben (S. 105 ff.) ihr Blickfeld und betrachten exemplarisch die Rolle des Klimas in den Vereinigten Staaten zur Zeit der Revolution und im England zum Ende des 18. Jahrhunderts. Besonders in den Vereinigten Staaten sei das Klima „clearly part of a process of nation-building“ gewesen (S. 109). Die „American Philosophical Society“ (ebd.), der unter anderem Benjamin Franklin, George Washington, Thomas Jefferson und James Madison angehörten, habe die Natur verherrlicht und zugleich die zivilisierenden Einflüsse des Menschen auf sie betont. Auch im Vereinigten Königreich sei die herrschende Elite ziemlich einhellig der Meinung gewesen, dass ein starker Eingriff in die Natur nur ihrem Wohle diene.
Nach diesem Zwischenstopp in den Vereinigten Staaten und England machen die Autoren in Kapitel acht (S. 115) einen großen thematischen Sprung. Sie widmen sich von nun an den weitreichenden Folgen des 10. April 1815 – jenem Tag, an dem der indonesische Tambora-Vulkan ausbrach. Dieses Naturereignis habe enorme klimatische Konsequenzen nach sich gezogen, „billions of tons of matter expelled disrupted the planet’s atmospheric system for years to come“ (ebd.). Besonders auf politischer Ebene habe sich der Ausbruch negativ ausgewirkt, verursachte er doch einen der kühlsten Sommer Europas, ganze Ernten blieben aus. Auch für die alpine Ökonomie der Schweiz sei der Vulkanausbruch verheerend gewesen, geriet durch die Temperatureinbrüche doch die Schweizer Versorgungslage unter Druck. Wissenschaftler wie Ignaz Venetz und Karl Kasthofer suchten damals nach Antworten auf die klimatischen Folgen des Vulkanausbruchs und entwickelten Buffons Arbeit weiter, „the real history of the climate, the scene where the major variations unfolded, was now played out in geological time“ (S. 125). Entgegen Buffons Ansicht, so Fressoz und Locher, habe der Vulkanausbruch Zweifel „on the possibility of a role for human action in such major upheavals“ ausgelöst (S. 125). Abermals wird deutlich, wie instabil die gesellschaftliche Beziehung zur Natur auch über die letzten Jahrhunderte schon war.[6]
Mit den Folgen des Vulkanausbruchs 1815 im Frankreich der Restauration befassen sich Fressoz und Locher in Kapitel zehn (S. 141 ff.). Die historischen Ereignisse dieser Zeit führten beispielsweise zum wissenschaftlichen und politischen Aufstieg von François-Antoine Rauch, der ebenfalls die Theorie Buffons weiterentwickelte. Heute gilt Rauch als Gründungsvater des französischen ökologischen Denkens. Er postulierte die Theorie vom Einfluss der Vegetation auf das Klima. Für Rauch war nicht das Klima instabil, er sah den Menschen als Verursacher für klimatische Schwankungen an: „Man’s action alone was a vector of destruction: all man’s actions were open to question, since the world was originally perfect.“ (S. 147) Seine Ansichten prägten den öffentlichen Diskurs, so dass Rauch schließlich ein einflussreicher Berater der Regierung wurde: „His writings even acquired a semi-official function: in 1818, the interior minister asked all prefects to promote Rauch’s latest book.” (S. 151) Die Niederlage Frankreichs bei der Schlacht von Waterloo und die daraus resultierende Lebensmittelkrise und hohe Staatsverschuldung zwangen Frankreich zum Verkauf seiner nationalen Wälder. Dieser Prozess der Privatisierung und die in den vergangenen Kapiteln beschriebene Durchsetzung der bürgerlichen Ordnung führte laut Fressoz und Locher insgesamt zur „expansion of liberal capitalism in nineteenth-century France“, was nicht zu verstehen sei, wenn nicht die Bedeutung des Klimawandels berücksichtigt wird (S. 8). Im französischen Staat vertiefte sich die Reflexivität im frühen 19. Jahrhundert noch einmal, wie Fressoz und Locher im elften Kapitel (S. 157 ff.) darlegen: „In the early nineteenth century, for the first time, a European state was launching a national inquiry into climate change and man’s possible responsibility for this ongoing process.” (S. 158) Dieser staatliche Untersuchungsauftrag verdeutlicht abermals die enge Verknüpfung von Wissenschaft und Politik, denn es ging erneut um die Frage, wie das Klima sich verändert und wie entsprechend politisch damit, insbesondere mit dem nationalen Wald, umzugehen sei. In welchem Maße man die Bewirtschaftung des Waldes dem Markt überlassen solle, war eine der zentralen Fragen im Frankreich der damaligen Zeit.
Wenn die Geschichte einer ökologischen Reflexivität derart weit zurückverfolgt werden kann, ab wann und warum endete sie und geriet in Vergessenheit? Ab Mitte des 19. Jahrhunderts, so die Autoren, habe sich die gesellschaftliche „vulnerability“ (S. 205) gegenüber dem Klima aufgrund mehrerer Ursachen zunächst quasi aufgelöst. Besonders die Durchsetzung kapitalistischer Verhältnisse und die damit einhergehende Entwicklung von Produktivkräften hätten dazu geführt, dass sich der gesellschaftliche Stoffwechsel im 19. Jahrhundert von einer klimatisch-ökologischen Abhängigkeit emanzipierte: „During a brief interlude combining technical breakthroughs, scientific uncertainty, ice ages, globalization, microbes and social science, the climate was dislodged from our consciousness.“ (S. 261) Kapitalistisch-industrielle Produktion und Infrastrukturen wie die Eisenbahn ermöglichten die Überwindung von Versorgungsknappheiten. Das britische Imperium sicherte sich seine Versorgung etwa durch die Kolonien in Indien – und führte dort die schlimmsten Hungersnöte der jüngeren Geschichte herbei, wie Mike Davis zeigt.[7] Die derart veränderten materiellen Voraussetzungen schlugen sich auch im wissenschaftlichen Diskurs nieder. Er zerfaserte in einzelne Disziplinen, die „state climatology“ entwickelte sich zu einer „radically descriptive scientific practice, aiming to document average atmospheric conditions regarded as quasi-stable on the scale of the century or the decade“ (S. 213). Ein wissenschaftlicher Konsens[8] des anthropogen verursachten Klimawandels, wie er in der Gegenwart größtenteils besteht, sei aufgrund des fragmentierten Wissenschaftsfeldes nicht möglich gewesen. Erneut wird in diesem Kontext Buffons Arbeit zur Abkühlung des Klimas wichtiger Bezugspunkt für eine Theorie, die auch heute noch von großer Bedeutung ist. „Jean-Baptiste Joseph Fourier, often cited as the ‚founder’ of theories of the greenhouse effect“ (S. 216), entwickelt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts seine Arbeiten, wiederum unter Rekurs auf Buffon.
Im letzten Kapitel (S. 243) vertiefen die Autoren ihr Argument vom Verlust des ökologischen Bewusstseins und erläutern dies anhand des Wortes ‚Kohlenstoff‘, das im Jahr 1787 eingeführt wurde. Zu dieser Zeit sei die Idee entstanden „of an offset between the respiration of animals generating carbon dioxide and that of plants absorbing this acid was widespread among chemists“ (S. 244). Doch auch, wenn Kohlenstoffdioxid im 19. Jahrhundert Gegenstand von Wissenschaft und Forschung war, sei man weit davon entfernt gewesen, das Gas mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen, geschweige denn, die „homogeneity and stability of the atmosphere“ (S. 247) auf Kohlenstoffkreisläufe zurückzuführen. Diese Kombination von Umständen – die scheinbare Unabhängigkeit des Menschen von seiner Umwelt und ihren stofflichen Voraussetzungen sowie die Ausdifferenzierung der Wissenschaft – habe laut den Autoren dazu geführt, dass die klimatologische Reflexivität in Vergessenheit geriet und die These vom Schock des Anthropozäns in der Gegenwart salonfähig wurde. So sei der Treibhausgaseffekt erst in den 1950er-Jahren ‚entdeckt‘ worden und habe Öl-Konzerne wie Exxon oder Total zwar veranlasst, Studien[9] in Auftrag zu geben, deren verheerende Ergebnisse sie aus Profitgründen letztlich doch zurückhielten.[10]
Fressoz und Locher stellen mit Chaos in the Heavens überzeugend dar, dass die Erzählung vom plötzlichen Einbruch des Klimas in der Moderne zu kurz greift. Schon lange vor dem Schock des Anthropozäns war das Klima entscheidend für imperiale Machtansprüche, die Durchsetzung der liberalen Demokratie und für die Begründung der kapitalistischen Ordnung. Dabei war der intensive politische und wissenschaftliche Diskurs keineswegs an eine fixe Idee der Mensch-Natur-Beziehung gebunden, sondern unterlag vielmehr einem ständigen Wandel. Die Stärke des Buches von Fressoz und Locher liegt darin, dass es einer ganzen Reihe einflussreicher Ansätze zur Theoretisierung von Mensch-Natur-Beziehungen die historische Grundlage entzieht. Offen bleibt, wie es mit Klimadiskursen jenseits von Frankreich aussieht, auf dem zu einem großen Teil der Fokus des Bandes liegt. Denn methodisch nehmen die Autoren zwar unterschiedlichste Orte zu verschiedenen historischen Zeitpunkten in den Blick, dennoch werden einige Thematiken nur am Rande gestreift. Tiefergehende historische Untersuchungen zur ökologischen Reflexivität moderner Gesellschaften sind nach dieser Pionierarbeit nur zu erhoffen.
Fußnoten
- Dipesh Chakrabarty, Das Klima der Geschichte im planetarischen Zeitalter, übers. von Christine Pries, Berlin 2022.
- Siehe etwa Christophe Bonneuil / Jean-Baptiste Fressoz, The Shock of the Anthropocene: The Earth, History and Us, London / New York 2017.
- Kapitalismuskritisch gewendet wurde Chakrabartys These zuletzt in: Ulrich Brand / Markus Wissen, Kapitalismus am Limit. Öko-imperiale Spannungen, umkämpfte Krisenpolitik und solidarische Perspektiven, München 2024, S. 86.
- Jason W. Moore, Capitalism in the web of life. Ecology and the accumulation of capital, London 2015, S. 50.
- Kohei Saito, Marx in the Anthropocene. Towards the idea of degrowth communism, New York 2023, S. 219.
- Dipesh Chakrabarty, Das Klima der Geschichte im planetarischen Zeitalter, Berlin 2022, S. 117.
- Mike Davis, Die Geburt der Dritten Welt. Hungerkatastrophen und Massenvernichtung im imperialistischen Zeitalter, übers. von Ingrid Scherf, Britta Grell und Jürgen Pelzer, Berlin/Hamburg/Göttingen 2004.
- Naomi Oreskes, The Scientific Consensus on Climate Change, in: Science 306 (2004), 5702, S. 1686.
- Christophe Bonneuil / Pierre-Louis Choquet / Benjamin Franta, Early warnings and emerging accountability: Total’s responses to global warming, 1971–2021, in: Global Environmental Change 71 (2021), 102386.
- In seinem ebenfalls 2024 erschienenen, bemerkenswerten Buch More and More and More: An All-Consuming History of Energy schreibt Fressoz eine Energiegeschichte beginnend im 19. Jahrhundert und wirft auch auf diesem Gebiet weitreichende Fragen auf.
Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Stephanie Kappacher.
Kategorien: Geschichte Ökologie / Nachhaltigkeit Politik Wissenschaft
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