Wolfgang Knöbl | Rezension |

Die Gesellschaft der Singularitäten 1

Eine neue Moderne?

Andreas Reckwitz:
Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne
Deutschland
Berlin 2017: Suhrkamp
480 S., EUR 28,00
ISBN 978-3-518-58706-5

Allen Bemühungen um eine Public Sociology zum Trotz gelingt es in der Regel nur wenigen soziologischen Büchern, neben der fachwissenschaftlichen auch die breitere gesellschaftliche Öffentlichkeit für sich und ihre Fragestellung zu interessieren. Eines dieser Bücher ist die kürzlich erschienene Studie Die Gesellschaft der Singularitäten des an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder lehrenden Kultursoziologen Andreas Reckwitz. Es steht nicht nur auf Platz 1 der Sachbuch-Bestenliste für den Monat November, sondern erhielt auch den Bayerischen Buchpreis 2017 in der Rubrik Sachbuch. Nachdem Anfang Oktober bereits ein Vorabdruck der Einleitung auf "Soziopolis" erschienen ist, starten wir heute unser Buchforum zur Gesellschaft der Singularitäten. Den Auftakt zu der mehrteiligen Reihe, in der sich Wissenschaftler_innen verschiedener Fachdisziplinen kommentierend mit den Themen und Thesen des Buches auseinandersetzen, macht Wolfgang Knöbl, der sich aus soziologischer Sicht kritisch mit Reckwitz' Diagnose eines Strukturwandels der Moderne befasst. Ihm und den anderen Kommentator_innen sowie Herrn Reckwitz sei an dieser Stelle ausdrücklich für ihre Kooperation gedankt. - Die Red.

Wie der Untertitel des Buches von Andreas Reckwitz schon andeutet, geht es einmal mehr, und wie so oft in der auf Zeitdiagnose zielenden soziologischen Literatur, ums Ganze, nämlich um die Moderne. Deren Strukturwandel soll beschrieben werden, wobei die geneigten Leser, wie sie bald feststellen werden und was sie vermutlich ohnehin bereits vermutet haben, nicht nur mit Behauptungen zu inkrementellen Veränderungen konfrontiert werden, sondern mit solchen zu Brüchen, gar zu Epochenbrüchen. Auch dies ein gängiger Topos bei vielen, die Zeitdiagnose betreiben, in aller Regel frei nach dem Motto: ‚Dort, wo nichts Weltumstürzendes, dort auch kein guter Plot!‘ Doch gehört Klappern bekanntlich zum Handwerk, und so wird man es niemandem ernstlich verübeln, sich dieser Argumentationsfigur in zeitdiagnostischer Absicht zu bedienen. Nicht selbstverständlich und vielleicht auch ein wenig überraschend ist allerdings, wie entschieden sich Reckwitz nun auf eine umfassende Zeitdiagnose kapriziert und wie hoch gesteckt der gesellschaftstheoretische Anspruch ist, den er in und mit seinem jüngsten Buch erhebt (S. 24).[1] Überraschend deshalb, weil sich dieser Autor in den vergangenen Jahren in beeindruckenden und zurecht breit rezipierten Büchern mit (vergleichsweise!) kleineren Themen beschäftigt hatte, mit der Frage des Subjekts[2] etwa oder mit gesellschaftlichen Ästhetisierungsprozessen[3], die er jeweils auf hohem theoretischen Niveau und höchst einfühlsam interpretierte. Zwar war auch dort häufig von Moderne, Spät- oder Postmoderne die Rede, doch bezogen sich die von Reckwitz vorgelegten Beobachtungen eher auf Teilphänomene oder -prozesse in eben diesen Epochen statt auf generalisierende Charakterisierungen. Und jetzt der ganz große Wurf. Um ihn zu würdigen, wird es sicherlich nicht schaden, nochmals auf Reckwitz‘ Ausgangsposition zurückzublicken, weil erst dadurch die Spezifika seines neuen Buches und damit Kontinuitäten wie Diskontinuitäten in seinem Denken deutlich werden.

I.

2010 begann Andreas Reckwitz seine Ausführungen zum „hybriden Subjekt“ mit einer scharfen Kritik sowohl an individualisierungs- als auch an disziplinierungstheoretischen Ansätzen. Autoren wie Ulrich Beck hätten Individualisierung immer schon unter Verwendung des Fluchtpunktes ‚autonome Selbstregierung‘ zum Thema gemacht, Foucault und seine Schüler Disziplinierung hingegen aus der Perspektive einer stetig voranschreitenden Repression und Zurichtung. So unterschiedlich sie im Ergebnis auch sein mögen, beide Ansätze – so Reckwitz – reproduzieren die alte fragwürdige Dichotomie von Individuum und Gesellschaft nur immer weiter. Und damit verschenken sie die kulturtheoretische Einsicht, wonach es weder einen „fixen Kern“ des Individuums oder so etwas wie ein Telos der Individuierung gebe noch einen solchen Kern oder ein solches Telos der Gesellschaft. Wenn man sich diese Erkenntnis zu eigen mache, führe sie in der Debatte um die Moderne zu einer zentralen Konsequenz: „Die Moderne produziert keine eindeutige, homogene Subjektstruktur, sie liefert vielmehr ein Feld der Auseinandersetzung um kulturelle Differenzen bezüglich dessen, was das Subjekt ist und wie es sich formen kann (…). Die Kultur der Moderne ist durch Agonalitäten strukturiert, sie besteht aus einer Sequenz von Kulturkonflikten darum, wie sich das moderne Subjekt modellieren soll und kann.“[4] Reckwitz bestand also darauf, dass es keine einheitliche Moderne gibt. Nicht nur galt es ihm zufolge innerhalb einer solchen Moderne nochmals Unterepochen zu unterscheiden, vielmehr betonte er, dass die Moderne selbst – zumindest hinsichtlich ihrer Subjektstruktur oder Subjektkultur – nicht als in sich homogen begriffen werden dürfe. Folgerichtig redete Reckwitz von den bisherigen „drei diskontinuierliche(n), jeweils in ihrer Zeit dominante(n) Modernitätskulturen“.[5] In der bürgerlichen Moderne des 18. und 19. Jahrhunderts, der „organisierten Moderne“ der Zeit zwischen 1920 und 1970 und in der danach beginnenden Post- beziehungsweise Spätmoderne[6] seien jeweils bestimmte Subjektkulturen aufgekommen, die allenfalls in ihrer Zeit dominierten, freilich stets mit anderen kämpfen mussten und sich dabei anglichen, modifizierten oder auch weiter auseinanderstrebten. Was Reckwitz‘ kultursoziologischen Ansatz kennzeichnete und ihm wohl auch seine besondere Attraktivität verschaffte, war der faszinierende Versuch, die Entstehung dieser variierenden Subjektkulturen vor dem Hintergrund von und dem Zusammenspiel mit ästhetischen Strömungen zu erklären. Ihm gelang es damit, bewegungs- und kunstsoziologische Argumente auf ungewöhnliche Weise miteinander zu verkoppeln.

Indem er gerade den anhaltenden innerkulturellen Kampf um Differenzen unterstreicht, zeigt sich Reckwitz ausgesprochen zurückhaltend, was positive Bestimmungen der Moderne und ihrer Unterepochen angeht. Moderne wird von ihm eher abstrakt und auch nicht in toto, sondern lediglich mit Bezug auf die unterschiedlichen Formierungen von Subjektivität umrissen: „Die Moderne ist jene Kultur, die das Subjekt kontingent setzt (…)“[7], weshalb diese Subjekte – die Nähe zur Sattelzeitthese von Reinhart Kosselleck klingt nur allzu deutlich an – ein Bewusstsein davon haben, dass Zukunft gestaltbar ist.[8] Seine Zurückhaltung muss sich Reckwitz schon deshalb auferlegen, weil der naheliegende Verweis auf Diffusions- und Partizipationsprozesse ästhetischer Strömungen mit ihren weltweiten Auswirkungen auf Subjektkulturen eindeutige Festlegungen – von stärkeren Kausalitätsbehauptungen ganz abgesehen – kaum erlauben dürfte. In diesem Kontext bringt Reckwitz sogleich auch die Idee der Weltgesellschaft mit der Behauptung ins Spiel, dass „deren Transfer von Praktiken, Diskursen und Subjektformen auf kolonialen und post-kolonialen Pfaden den gesamten Globus kreuzen [sic]. Eine Kulturtheorie der Moderne wird sich damit am Ende nicht auf die westliche Moderne beschränken können, sondern sich der Frage stellen müssen, inwiefern sich in den Praxis-/Diskursformationen in Asien, Afrika und Lateinamerika – und den Migrantenkulturen des Westens – andersartige oder homologe Subjekt- und Modernitätskulturen ausgebildet haben, inwiefern sich hier nicht nur kulturelle Hybridisierungen der Zeit, sondern auch des Raumes in spezifischen Subjektarrangements manifestieren.“[9] Unabhängig von der in diesem Zitat angespielten Schwierigkeit, Aussagen über die Moderne in globaler Hinsicht zu machen, ergibt sich aus der spezifisch kultursoziologischen Herangehensweise von Reckwitz folgende Problematik: Gerade die Identifikation verschiedenster Subjektkulturen und Hybridisierungen gestattet es der Soziologie nicht mehr, wie noch in der Systemtheorie üblich, klare differenzierungstheoretische Annahmen zur Gestalt moderner Gesellschaften zu machen. Tatsächlich haben eben diese Subjektkulturen die von vielen Soziologen beschriebenen Differenzierungsformen unterlaufen, womit Reckwitz eine schöne Pointe gegen Luhmann setzen kann: Zwar betrachtet die Theorie funktionaler Differenzierung – so zumindest könnte man Reckwitz lesen – die sozio-kulturelle Evolution als Ganze unter Kontingenzgesichtspunkten, nur den Sachverhalt funktionaler Differenzierung nicht, der vielmehr gesetzt erscheint und damit gerade aller Kontingenz entzogen. Dies, so Reckwitz, ist jedoch eine fragwürdige Unterstellung, die angesichts des agonalen Kampfes und Spiels der divergierenden Subjektkulturen zu verwerfen sei.

II.

Soweit in groben Zügen Reckwitz‘ Position in seinem Buch Das hybride Subjekt. Zwei Jahre später, nämlich 2012, werden in Die Erfindung der Kreativität viele der zuvor angesprochenen Themen erneut behandelt, nun allerdings in einen etwas anderen Rahmen gestellt. Viel stärker als zuvor rücken jetzt Ästhetisierungsprozesse in den Mittelpunkt, womit die Ambition zu einer begrifflichen Festschreibung der Moderne aufscheint, geht Reckwitz doch davon aus, diese Moderne treibe in eine ganz bestimmte Richtung. Mit dem festen Willen zur Verallgemeinerung vertritt er die These, die Moderne sei eine „Ästhetisierungs- und Entästhetisierungsmaschine“ zugleich.[10]Dabei schreiben Reckwitz‘ Analysen insbesondere der Kunst, den Medien und der kapitalistischen Wirtschaft eine Art Schrittmacherfunktion für die Ästhetisierungstrends zu. Der in der Moderne sichtbare, nahezu alles durchdringende Reiz des Neuen und die sich allenthalben einstellende Möglichkeit zur Überbietung des Gegebenen dynamisieren gerade diese drei Bereiche.[11] Im Zusammenspiel mit der Expansion der Ding- und Warenwelt und der zunehmenden Subjektzentrierung führe diese Dynamisierung zur Etablierung dessen, was Reckwitz als das „Kreativitätsdispositiv“ der Spätmoderne ausmacht.[12] „In Prozessen der Ästhetisierung dehnt sich innerhalb der Gesamtgesellschaft das Segment ästhetischer Episoden und ästhetisch orientierter wie imprägnierter Praktiken auf Kosten exklusiv nichtästhetischer Praktiken aus.“[13] Die Ausbreitung dieser Praktiken variiere natürlich zeitlich wie kulturell, doch könne kein Zweifel daran bestehen, dass ein „Kreativitätskomplex“ entstanden sei „als eine historisch außergewöhnliche Erscheinung des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts und insbesondere seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts vorbereitet worden ist.“[14] Derartige Prozesse der Ästhetisierung buchstabiert Reckwitz in diesem Buch durch, indem er in ganz unterschiedliche Felder blickt, sich „creative cities“ ebenso vornimmt wie das Starsystem oder die in vielen Bereichen des Alltags vorfindliche Psychologisierung der Kreativität. Durchgängig behält er – gewissermaßen empirisch geerdet – diese ästhetischen Prozesse und die jeweiligen Ausprägungen des Kreativitätsdispositivs in ihrer eigentümlichen Spezifik im Auge. Erst im Schlusskapitel wird der dezidierte Wille zur generalisierten Zeitdiagnose erkennbar mit der sehr viel wagemutigeren These von der „Ästhetisierungsgesellschaft“[15].

III.

Eben dieser Wille zur umfassenden Zeitdiagnose prägt das soeben erschienene Buch von Andreas Reckwitz. Insofern wäre es als eine ebenso konsequente wie logische Fortsetzung und Ausweitung seiner bisherigen Arbeiten zu lesen, die allerdings die kritischen Rückfrage provoziert, ob eine solche Ausweitung nicht mit Unkosten, womöglich sogar erheblichen, verbunden ist. Genau auf diese Frage versuche ich im Folgenden einzugehen.

Welche konkrete Form die Ausweitung annimmt, sieht man sofort. Hatte Reckwitz in der Erfindung der Kreativität noch von der „Ästhetisierungsgesellschaft“ gesprochen, so stellen Ästhetisierungsprozesse in dem neuen Buch allenfalls noch einen, wiewohl wichtigen Aspekt einer viel allgemeineren Dynamik dar, die er als „Singularisierung“ bezeichnet.[16] Wie der in Frankfurt an der Oder lehrende Kultursoziologe gleich in der Einleitung, die mit „Die Explosion des Besonderen“ überschriebenen ist, zu verstehen gibt und im deutlich theoretisch akzentuierten ersten Kapitel („Die Moderne zwischen der sozialen Logik des Allgemeinen und des Besonderen“) in allen Facetten auf knapp 100 Seiten ausbuchstabiert, müssen und wollen heute alles (die Dinge, die Ereignisse, die Räume, die Zeiten, die Waren und die Dienstleistungen) und alle (die Subjekte, die Kollektive) singulär sein. „Singularisierung“ heißt dabei mehr als die in vielen anderen Zeitdiagnosen herausgehobene Suche nach „Selbständigkeit und Selbstoptimierung“, nämlich „das komplizierte Streben nach Einzigartigkeit und Außergewöhnlichkeit, die zu erreichen freilich nicht nur subjektiver Wunsch, sondern paradoxe gesellschaftliche Erwartung geworden ist. Markant ist dies in der neuen, der hochqualifizierten Mittelklasse, also in jenem sozialen Produkt von Bildungsexpansion und Postindustrialisierung, das zum Leitmilieu der Spätmoderne geworden ist. (…). Im Modus der Singularisierung wird das Leben nicht einfach gelebt, es wird kuratiert. Das spätmoderne Subjekt performed sein (dem Anspruch nach) besonderes Selbst vor den Anderen, die zum Publikum werden.“ (S. 9, Hervorh. im Original; W.K.) Die Klammer im zuletzt zitierten Satz ist wichtig. Sie sollte zumal von dem Leser nicht überlesen werden, dem sich die Frage aufdrängt, wie plausibel die von Reckwitz vorgelegte Beschreibung eigentlich ist: Ging und geht es bei der Reform des Universitätsstudiums im sogenannten Bologna-Prozess mit der durch ihn ermöglichten Schaffung hunderter, oft höchst kreativ benannter Studiengänge wirklich um Singularität oder nicht vielmehr um Uniformität angesichts der letztlich doch alles bestimmenden Modularisierung und Taktung? Ist die jüngste und in der Mitte Berlins so verbreitete Architektur der seriellen Fensterspalten oder „Arschritzen“ (Till Briegleb) wirklich ein Ausdruck von Berliner Singularität oder doch nicht eher derjenige allerhöchster Konformität? Solche Bedenken sind Reckwitz keineswegs fremd, sie fechten ihn aber nicht an. Ideologiekritik hilft nach seiner Einschätzung nämlich nicht weiter (S. 13). Vielmehr gehe es darum, zu verstehen, wie Einzigartigkeiten faktisch produziert und dabei als solche auch empfunden [17] werden, wie ein kontinuierlicher Wertungs- und Entwertungsprozess stattfindet, der aus der Sicht von Beobachtern zwar uniforme Ergebnisse zeitigen kann, dessen Telos aber nicht Uniformität oder das Allgemeine ist, sondern eben Einzigartigkeit.

Damit sind auch schon die Zentralbegriffe von Reckwitz’ Gesellschaftstheorie und Zeitdiagnose benannt. Während vor der Spätmoderne die Herrschaft oder Dominanz des Allgemeinen für die jeweiligen Gesellschaften kennzeichnend gewesen wäre, sei seit den 1970er und 80er Jahren der Diskurs der Singularitäten prägend. Wie es dazu kam, erklärt Reckwitz mit Verweis auf die Ökonomie und die Technik: die „creative economy“ habe den Singularitätsdiskurs massiv vorangetrieben und zwar im Zusammenspiel mit den von ihm in den vorhergehenden Büchern analysierten Subjektkulturen, die gewissermaßen in kontinuierlichen Valorisierungen (Wertzuschreibungen) das jeweils Singuläre aktuell bestimmen und früher Geschätztes wieder entwerten. Die Kultur ist Reckwitz zufolge der zentrale Schauplatz der Spätmoderne, dort finden die Praktiken der Valorisierungen statt (S. 16), wobei er nicht vergisst, hervorzuheben, dass die ständigen Prozeduren der Wertzuschreibung ihrer Natur nach immer auch Prozeduren der Affekterzeugung sind. „Die Gesellschaft der Spätmoderne ist eine Affektgesellschaft, wie es die klassische Moderne niemals hätte sein können. Ihre Bestandteile wirken hochgradig affizierend – und die Subjekte lechzen danach, affiziert zu werden und andere affizieren zu können, um selbst als attraktiv und authentisch zu gelten.“ (S. 17) Ob Affekte in früheren Epochen weniger intensiv und prägend für die Gesellschaft waren, wird im gesamten Buch weder systematisch diskutiert, noch empirisch belegt.[18] Allerdings dürfte klar sein, dass Reckwitz mit seinen Ausführungen zum Affektmanagement im Kontext bewertender Singularisierungspraktiken sein Bild der Moderne gewissermaßen emotionstheoretisch vervollständigt, ohne die zeitliche Unterteilung der Epoche in eine bürgerliche, eine organisierte und eine späte Moderne damit zu revidieren. In der Tat konzentriert er sich auf die (fundamentalen) Differenzen zwischen den 1920er- und 1970er Jahren, das heißt zwischen der organisierten Moderne und der Spätmoderne unserer Tage. „Doing generality“ sei das Grundmuster allen Handelns in der organisierten Moderne gewesen, die vorherrschenden Praktiken der Beobachtung, der Bewertung, der Hervorbringung und der Aneignung hätten alle auf Standardisierung, Formalisierung und Generalisierung gezielt. Rationalisierung in kognitiver, technischer und normativer Hinsicht sei der Zug der Zeit gewesen, und selbst die unzweifelhaft zu beobachtenden Individualisierungsprozesse hätten nur innerhalb einer bestimmten Skala stattgefunden und seien damit in der Logik des Allgemeinen verblieben (S. 29ff.). Wenn man es kurz fassen wollte, so habe der Fordismus und die Massenproduktion in der Ökonomie gleichzeitig auch biographische Entwürfe nahegelegt und geprägt, die von großer Linearität gekennzeichnet und mit standardisierender Macht ausgestattet gewesen seien. Diese Merkmale seien bestimmend für die sogenannten „trente glorieuses“ in Westeuropa gewesen, also für die drei Jahrzehnte zwischen 1945 und 1975.

Reckwitz‘ Charakterisierung der Strukturen, die dominant waren, bevor die Logik der Singularität zum Erkennungszeichen der Spätmoderne aufstieg, trifft sicherlich Vieles. Gleichwohl dürften nicht alle Leser die von Reckwitz herangezogenen Exemplifizierungen für überzeugend halten. Wenn behauptet wird, es mache Singularitäten aus, nicht durch andere funktionsgleiche Entitäten ersetzt werden zu können, so leuchtet diese These schon aus logischen Gründen ein: „Die Subkultur der Mods in den 1960er Jahren ist für diejenigen, die Teil von ihr sind, keinesfalls durch eine andere Subkultur, zum Beispiel die der Rocker, austauschbar, sondern entfaltet ihr eigenes subkulturelles Universum mit spezifischen Praktiken, Zeichen, Affekten und Identitäten.“ (S. 51) Es fragt sich aber, ob der organisierten Moderne oder sogar noch früheren Zeiten Erfahrungswelten der Nichtsubstituierbarkeit wirklich fremd gewesen sind. Jedenfalls lassen sich etwa die klassischen europäischen Arbeiterbewegungen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts nur dann als eine vermeintlich ganz auf das Allgemeine fixierte soziale Bewegung beschreiben und vom Phänomen der Mods oder Rocker in den 1960er-Jahren deutlich absetzen, wenn man sich dem veralteten Forschungsstand einer lediglich über Interessen (und nicht über Kultur) zu definierenden Arbeiterbewegung anschließt und dabei vergisst, dass es in Wahrheit nicht die Arbeiterkultur gab, sondern ziemlich unterschiedliche Arbeiterkulturen. Man darf an dieser Stelle daran erinnern, dass in der Ende der 1960er-Jahre einsetzenden Bewegungsforschung die Definition der sogenannten Neuen Sozialen Bewegungen einfach deshalb so überzeugend klang, weil zuvor ein ziemlich eindimensionales und überkommenes Bild der alten sozialen Bewegungen, der Arbeiterbewegung nämlich, vorherrschte und weit verbreitet war.[19] Genau besehen waren aber selbst die Neuen Sozialen Bewegungen so furchtbar neu auch wieder nicht, während sich umgekehrt die alten Bewegungen sehr viel kulturträchtiger und damit moderner zeigten als herkömmlich vermutet! Haben – wie Reckwitz behauptet – Cineasten, die sich Stanley Kubricks Film „A Clockwork Orange“ anschauen (S. 51), wirklich Singularitäten im Blick und mithin eine ganz andere Welt vor Augen als – mein Beispiel – die Leser eines Romans von Guy de Maupassant, deren Lektüren sich Reckwitz zufolge im Allgemeinen ergehen müssten? Und was genau wäre dieses Allgemeine?

Dass sich Reckwitz bei seiner Beschreibung der organisierten Moderne auf Peter Wagners frühen Versuch stützt, unterschiedliche Phasen der Moderne zu bestimmen sowie Ähnlichkeiten zwischen der industriellen Moderne in Westeuropa und Nordamerika auf der einen und derjenigen in Osteuropa auf der anderen Seite herauszuarbeiten, ist unübersehbar.[20] An Wagner knüpft Reckwitz, um es vorsichtig zu formulieren, völlig ungebrochen an, ja – vielleicht treffender gesagt – in der offenkundigen Absicht einer noch stärkeren Epochenbestimmung und -eingrenzung. Auffällig ist jedenfalls, dass sich seine weitere Charakterisierung der organisierten Moderne fast ausschließlich auf all die Referenzautoren beruft, die im Anschluss an Max Webers Rationalisierungstheorem vor allem die dunkle und disziplinierende respektive totalitäre Seite der Moderne herausgestrichen haben. Zitiert finden sich mithin Autoren wie Theodor W. Adorno, Zygmunt Bauman und Michel Foucault (S. 29). Nun ist gegen solche Zitationen selbstverständlich gar nichts einzuwenden, verwunderlich bleibt hingegen, wie umstandslos Reckwitz die Thesen dieser Autoren für empirisch richtige Beschreibungen der sozialen Realität nimmt. Gegen die Unklarheit und Vagheit von Webers Rationalisierungsbegriff, der höchst verschiedenartige Phänomene ineinanderschiebt, sind bekanntlich gewichtige Einwände vorgebracht worden.[21] Ohne derartige Vorbehalte zu diskutieren, baut Reckwitz die Rationalisierungsthese in seine Deutung der spätmodernen Gesellschaft ein. Dabei greift er in durchaus eigentümlicher, deshalb umso bemerkenswerterer Art und Weise auf die Befunde von Peter Wagners Soziologie der Moderne zurück. Wagner hatte konstatiert, dass sich die Moderne immer wieder erfunden habe, durch Krisen gegangen sei und dabei neue Organisationsprinzipien entwickelt habe. Durchgehalten habe sich in diesen Metamorphosen freilich die unauflösliche Grundspannung zwischen disziplinierenden Ordnungskonzeptionen und stets erneuerten Forderungen nach Freiheit. Es war dieser Befund, der Wagners Soziologie der Moderne den Untertitel Freiheit und Disziplin eintrug. Ob es zureichend sei, ganze Epochen der Geschichte über das Konstrukt zweier widerstreitender Ideenkomplexe zu interpretieren, war eine skeptische Rückfrage, die an Wagners Theorie der Moderne adressiert wurde. Gefragt wurde zudem, ob das Dual „Freiheit und Ordnung“ nicht mit Blick auf die Rolle sozialer Bewegungen in der Geschichte der Moderne durch das Stichwort „Solidarität“ zu einer Trias zu erweitern sei. Wie es auch immer um das grundbegriffliche Repertoire einer Charakterisierung der Moderne bestellt sein mag, Wagner jedenfalls hat sich für eine Dichotomisierung entschieden, wobei er – was im Folgenden von Bedeutung sein wird – stets das Spannungsverhältnis zwischen den beiden Polen, zwischen Ordnung und Freiheit, betont hat.

Oberflächlich betrachtet, übernimmt Reckwitz Grundbestimmungen von Wagner. Tatsächlich kommt es bei ihm aber zu gewichtigen Veränderungen, die schließlich ein deutlich anders konturiertes Bild der Moderne zeichnen, eines, das – wie ich meine – nicht zu überzeugen vermag. Reckwitz hält sich an Wagners Periodisierung der Moderne, auch er differenziert zwischen einer bürgerlichen, einer organisierten und einer postmodernen beziehungsweise spätmodernen Epoche. Auch die Dichotomisierung übernimmt er von Wagner, allerdings nicht als eine zwischen Freiheit und Disziplin, jedoch als die – so ganz unähnlich nicht – zwischen der Logik des Singulären und der Logik des Allgemeinen. Was Wagner als ein ebenso fundamentales wie irreduzibles Spannungsverhältnis präsentiert, konzipiert Reckwitz – mit weitreichenden Folgen – allerdings als ein Ergänzungsverhältnis.

Reckwitz betont immer wieder, die Moderne sei ein Miteinander von Rationalisierung, die auf das Allgemeine zielt, und Valorisierung, die auf Singularität abhebt (S. 18), weil formale Rationalität schlicht der notwendige Hintergrund beziehungsweise die Bedingung aller vordergründigen Singularisierung ist und weil all das, was Reckwitz unter Singularisierung von Dingen, Räumen, Zeiten, Subjekten und Kollektiven versteht, nur unter Bedingungen von bereits standardisierter Produktion stattfinden kann. „Es ist verblüffend: Die Mechanismen der formalen Rationalität stellen sich in der Spätmoderne vielfach so um, dass sie ‚im Hintergrund‘ die Form von allgemeinen Infrastrukturen für die systematische Verfertigung von Besonderheiten annehmen.“ (S. 19, Hervorh. im Original; W.K.; vgl. auch S. 119) Man wird diese Aussage nicht bestreiten wollen, doch gleichzeitig ist damit deutlich, dass der bei Wagner noch überall sichtbare und alles durchdringende Konflikt zwischen Freiheit und Disziplin in der Transformation durch Reckwitz gewissermaßen entschärft wird, weil eben – wie im Zitat explizit gesagt – die Rationalität des Allgemeinen nur mehr im infrastrukturellen Hintergrund zu wirken scheint und damit von einem frontalen Aufeinanderprallen unterschiedlicher Logiken oder Rationalitäten eben nicht mehr die Rede ist. Nicht zufällig wird dann in den empirischen Kapiteln weiter hinten im Buch die Ökonomie vor allem unter dem harmonisierenden Blickwinkel der „creative economy“ betrachtet. Und es ist auch nicht ganz zufällig, wenn sich Reckwitz bei seinen gesamtgesellschaftlichen Analysen doch erstaunlich stark auf die modernisierungstheoretisch geprägte Wertewandelforschung à la Ronald Inglehart und die dortigen Thesen zum Postmaterialismus stützt (S. 18 oder S. 104), eine Forschungsrichtung, für die ja immer unklar geblieben ist, wie sich erfragte Bedürfnisse und Werte in (politische) Praktiken umsetzen,[22] und die das Heraufkommen einer weniger oder zumindest: anders konfliktbesetzten Gesellschaft prognostizierte, weil, nachdem die materiellen Bedürfnisse (zumindest in den westlichen Ländern) nun einmal gedeckt seien, überwiegend Wert- und nicht mehr Verteilungskonflikte dominierten. Natürlich redet auch Reckwitz wie die Vertreter der Wertewandelforschung von Konflikten, geht es doch bei ihm – wie schon betont – um Wertung und Entwertung, was stets auch Gewinner und Verlierer nach sich zieht. Aber die ganze Theorieanlage erlaubt weder Einschätzungen zum etwaigen Gewicht und Status von Wertkonflikten, noch Aussagen über die mögliche und faktische Hierarchisierung von Werten. Deshalb sind die Sondierungen, die Reckwitz auf den unterschiedlichen Feldern der Singularisierungspraktiken unternimmt alles andere als konflikttheoretisch inspiriert, vielmehr entsteht ein Bild, das bei all den Evidenzen, die Reckwitz` Beschreibungen durchaus anbieten, so ähnlich auch von einem klassischen Modernisierungstheoretiker hätte gezeichnet werden können.

Wenn kontinuierliche Valorisierung das Kennzeichen der Spätmoderne ist, wenn Performativität die Signatur ist, in der sich die Logik der Singularisierungen niederschlägt, wenn aus der Nötigung zu Aufführung und Selbstaufführung eine umfassende Kulturalisierung folgt, die der Epoche ihr spätmodernes Gesicht gibt, stellt sich zwangsläufig die Frage, wo „Kultur“ endet. Reckwitz sieht das Problem und greift es mit der Frage auf, ob es überhaupt noch ein „Außen“ der Kultur geben könne. Die Frage ist umso berechtigter als Reckwitz schon zu Beginn des Buches Luhmanns Differenzierungstheorie mit der schlichten Behauptung verabschiedet (S. 28f.), eine Theorie sozialer Systeme sei nicht mehr dazu geeignet, die Realität der Spätmoderne zu beschreiben. Reckwitz löst das ‚Kultur-Problem‘ dadurch, dass er zwischen einem weiteren und einem engeren beziehungsweise „starken“ Kulturbegriff unterscheidet: „In der Sphäre der Kultur im starken Sinne werden Singularitäten mit Wert ausgestattet und haben Affektqualitäten. Man ist von ihnen ergriffen oder berührt, fasziniert oder auf anziehende Weise abgestoßen, man empfindet Horror oder Geborgenheit. Positive Singularitäten affizieren intensiv positiv, negative Singularitäten intensiv negativ.“ (S. 83) Das Außen der Kultur ist folglich die Totalität dessen, was als „wertlos“ gilt (S. 80). Selbst dieser Kulturbegriff „im starken Sinne“ ist bei Lichte besehen natürlich vergleichsweise weit. Tatsächlich würde er sich differenzierungstheoretischen Versuchen, Kultur begrifflich durch gewisse Codierungen zu fassen, entziehen, kann tendenziell doch – das erweist sich in der unmittelbaren und nicht vorbestimmten Valorisierungspraxis der Akteure – alles wertvoll werden. Wie vielfältig sich diese Praktiken gestalten, stellt Reckwitz, der zwischen ästhetischen, narrativ-hermeneutischen, ethischen, gestalterischen und ludischen Formen von Bewertungen unterscheidet, überzeugend heraus. Zu Recht macht er immer wieder darauf aufmerksam, dass eben nicht nur Personen und Kollektive, sondern auch Dinge, Ereignisse, Räume und Zeiten positive und negative Zuschreibungen erfahren. Gleichwohl handelt er sich die Schwierigkeit ein, demonstrieren zu müssen, dass Valorisierung vormals ohne größere Relevanz für Gesellschaft war, zuletzt wohl deshalb, weil die Kultursphäre, wie Reckwitz festhält, in archaischen oder traditionellen Gesellschaften keiner Logik des Neuen gehorchte (S. 95). Außerdem muss er dartun, dass Kulturalisierung in der Spätmoderne strukturbildend für die Gesamtgesellschaft wird (S. 103).

Die These in Sachen Valorisierung scheint irgendwie plausibel zu sein, auch wenn die von Reckwitz herangezogene Literatur, die den Kontrast zu archaischen oder traditionellen Gesellschaften herauspräparieren soll, Gefahr läuft, die modernisierungstheoretischen Stereotypen der Vergangenheit zu wiederholen.[23] Dass Kulturalisierung strukturbildend auf Gesellschaft einwirkt, ist nur dann plausibel, wenn Reckwitz die Akteure und Mechanismen eines solchen umfassenden Kulturalisierungsprozesses namhaft machen kann. Dass er die sogenannte Neue Mittelklasse für den Träger und die Triebkraft dieses Prozesses hält, ist wenig überraschend. Gerade diesen Befund legen ihm offensichtlich die empirischen Ergebnisse der Wertewandelforschung nahe, die den neuen Mittelklassen eine überragende Bedeutung attestiert. Und tatsächlich wird von der Rolle dieser neuen Mittelklasse ausgehend der gesamte, als empirisch zu bezeichnende Teil der Studie vorstrukturiert, der mit Blick auf ökonomische Sachverhalte die „postindustrielle Ökonomie der Singularitäten“ und die „Singularisierung der Arbeitswelt“, mit Blick auf die Sozialstruktur „die singularistische Lebensführung: Lebensstile, Klassen, Subjektformen“ und mit Blick auf die Politik den „differentiellen Liberalismus und Kultursozialismus“ in jeweils einzelnen Kapiteln zum Thema macht.

IV.

Es ist hier leider nicht der Raum, um auch nur ansatzweise den Reichtum der Deskriptionen und Analysen auszuschöpfen, die Reckwitz seiner Leserschaft darbietet. Aus seinen Beobachtungen und Rekonstruktionen ist viel zu lernen, zumal er sich in Unmengen von Literatur eingearbeitet hat, was Reckwitz‘ Kultursoziologie dazu befähigt, den thematisierten empirischen Phänomenen immer wieder interessante und bis dato ungesehene Aspekte abzugewinnen. Wenn im Folgenden gleichwohl eher kritische Bedenken zur Sprache kommen, so soll das die beachtenswerte Leistung des Autors keineswegs schmälern.

Wie schon mehrfach angeklungen, ist die Ökonomie der Spätmoderne für Reckwitz wesentlich eine „creative economy“, die maßgeschneiderte Dienstleistungen und Affektgüter produziert – im Unterschied zum standardisierten Produktausstoß der fordistischen Industrie. Reckwitz ist dort überzeugend, wo er darstellt, wie sehr mittlerweile Marken die Märkte definieren, das heißt affektbesetzte kulturelle im Unterschied zu bloß funktionalen Gütern: Während eine massive Profanisierung funktionaler Güter stattgefunden habe, die ihre Attraktivität aufgrund ihrer Selbstverständlichkeit einbüßen, erfreuten sich bestimmte Güter und Dienstleistungen mittlerweile eines geradezu sakralen Status. Events und Markenwaren seien die entscheidenden Formen spätmoderner Singularisierung. Und diese Singularisierung sei ihrerseits das Ergebnis einer Singularisierung der Subjekte, die jeglicher Standardisierung entkommen wollten (S. 121ff.). Im Resultat führe diese Singularisierung zu einer veränderten Funktionsweise von Märkten: erst heute habe sich eine tatsächliche Vermarktlichung von Märkten durchgesetzt, weil die kulturellen Güter nach dem Eindruck von Reckwitz auf eine Weise hyperkompetitiv seien, wie das in der Vergangenheit nie der Fall gewesen sei (S. 152). Ja, mehr noch, die Prägung der spätkapitalistischen Ökonomie durch das Kunstfeld erzeuge auf den Märkten kultureller Güter eine Überflusssituation, in der nicht die Güter selbst knapp seien, sondern die für ihre Konsumption unabdingbare Wertschätzung je spezifischer Warenangebote (S. 157ff.). Wie Reckwitz mit einer schlagenden Formulierung sagt, funktioniere die Ökonomie der Singularitäten im Modus einer „Dauerrezension“ (S. 168). In ihr steht die Nichtknappheit der Güter der Knappheit der Wertschätzungen gegenüber, weshalb Kunden und Konsumenten nur dann gefunden werden, wenn die Angebote ihren stets volatilen Wertungsgesichtspunkten korrespondieren.

So phänomennah und bündig Reckwitz‘ Beschreibung der postindustriellen Ökonomie auch erscheint, so wirft sie doch mindestens drei kritische Rückfragen auf. 1) Seine Gleichsetzung der aktuellen Ökonomie mit derjenigen der „creative economy“ und die damit einhergehende Konzentration auf immaterielles Wissen und Valorisierungen verdeckt, dass heute – wie Robert J. Gordon jüngst vermerkt hat – nur 7% des Bruttosozialprodukts im Bereich von Kommunikation und Entertainment erwirtschaftet werden.[24] Zudem bleibt unklar, von welcher Region in der Epoche der Spätmoderne Reckwitz eigentlich spricht, produzieren und konsumieren doch große Teile des Globus nach wie vor hauptsächlich industrielle Güter. Von daher ist der von Reckwitz erhobene Anspruch, eine globale gesellschaftstheoretische Perspektive zu entwickeln (S. 20), fragwürdig. 2) Dass seine gesamte Argumentation und der Zugriff auf die Problemstellungen entscheidende Impulse nicht zuletzt Lucien Karpiks Buch Mehr Wert. Die Ökonomie des Einzigartigen verdanken, gibt Reckwitz selbst zu Protokoll (S. 11, FN 5). Zieht man Karpik zu Rate, stellt sich freilich heraus, dass er keineswegs von einer Ökonomie spricht, in der alle wesentlichen Güter einzigartig sind. Vielmehr sind es nur vereinzelte Waren und Dienstleistungen, bei denen nicht mehr der Preiswettbewerb, sondern ein Qualitätswettbewerb im Vordergrund steht, man denke etwa an „Kunstwerke, Haute-Cuisine-Produkte, Filme, Musikaufnahmen, Luxusgüter, Bücher, Reisen, bestimmte handgefertigte Artikel, freiberufliche Dienstleistungen und besondere Expertisen.“[25] Dieser Kosmos an Waren ist sicherlich umfangreich, doch gehört keineswegs alles zu ihm, weshalb sich Reckwitz fragen lassen muss, ob er die Karpik entlehnte Analyseweise nicht deutlich überzieht. 3) Die von Reckwitz verfolgte und auf die Ökonomie bezogene Analyse bietet eine reine Marktsoziologie. Die Produktionsseite interessiert ihn kaum, auch die Frage nicht, was Kapital ist und was man sich – jenseits des Marktes – unter Wertschöpfung vorzustellen habe. Nachdem er Marx mit dürren Worten als irrelevant erledigt hat (S. 28f.), fällt es ihm schwer, überhaupt noch etwas Erhellendes zur politischen Ökonomie der Spätmoderne zu sagen. Auch bleibt unerörtert, wie das, was man als Finanzialisierung bezeichnet, mit den von Reckwitz analysierten Dynamiken der gesellschaftlichen Singularisierung genau korrespondiert. Ist die Gesellschaft der Singularitäten etwa kein denkbarer Gegenstand makroökonomischer Theorie? Offenbar hat Reckwitz‘ kulturtheoretisch verfahrende Gesellschaftstheorie nicht nur ihre blinden Flecken, in Wahrheit ist nicht einmal ansatzweise zu erkennen, wie sich solche Blindstellen mit dem zur Verfügung gestellten begrifflichen Instrumentarium aufhellen ließen.

Ähnliche Defizite weist auch das nächste Kapitel auf, in dem sich Reckwitz der „Singularisierung der Arbeitswelt“ zuwendet. Auch hier ist signifikant, dass er den von ihm ausgemachten Trend an einer Sozialfigur festmacht, die G. Günter Voß und Hans J. Pongratz vor fast zwanzig Jahren unter dem Rubrum „Arbeitskraftunternehmer“ [26] vorgestellt haben (S. 181). „Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft?“ war die Frage, die ihren Aufsatz seinerzeit untertitelte. Und wie sich in der Diskussion herausgestellt hat, war das Fragezeichen angebracht, denn so grundlegend und universell ist dieses Arbeitsmodell tatsächlich nicht gewesen.[27] Der Arbeitskraftunternehmer prägte allenfalls bestimmte und dann auch nur wenige Bereiche der Ökonomie, ein Befund, der Reckwitz in seiner Bereitschaft, Verallgemeinerungen vorzunehmen, freilich nicht anficht. Auch im Hinblick auf andere Aspekte der spätmodernen Arbeitswelt, die Reckwitz hervorhebt, wäre nach deren Generalisierbarkeit zu fragen: Ist Projektförmigkeit der Arbeitswelt wirklich so verbreitet, wie von ihm unterstellt (S. 193)? Ist die Kulturalisierung vormals so starrer Organisationen und Betriebswelten mehr als nur eine mittlerweile gängige PR-Masche (S. 197)? Haben formale Qualifikationen wirklich in dem Umfang ausgedient, den Reckwitz konstatiert, wenn er von der Ablösung der Leistungsgesellschaft durch die Heraufkunft einer Erfolgsgesellschaft spricht (S. 211)? Ungeachtet solcher Vorbehalte sind Reckwitz‘ Bemerkungen zu den hohen Einkommens- und Entlohnungsunterschieden angesichts der Logik der Singularitäten höchst interessant (S. 220), treffen seine Überlegungen doch einen Punkt, der sicherlich weiter zu verfolgen ist, selbst wenn auch hier die anstehende Analyse ohne die politische Ökonomie nicht recht weiterkommen dürfte.

Lehrreich ist auch das 5. Kapitel des Buches, das sich mit der singularistischen Lebensführung beschäftigt. Hier definiert Reckwitz die Neue Mittelklasse als die Klasse der primär urbanen Akademikerinnen und Akademiker. Diese Sozialformation der Gegenwart trägt und verkörpert ihm zufolge den Lebensstil singularisierender Valorisierungspraktiken. Man könnte vermuten, dass Reckwitz diesbezüglich eine ähnliche Position vertreten würde, wie sie der jüngst verstorbene Ulrich Beck in seinem Buch Risikogesellschaft vor mehr als 30 Jahren verfochten hat. Dem ist aber mitnichten so. Reckwitz kritisiert Becks Rede vom „kollektiven Fahrstuhleffekt“ und spricht davon, dass sich in der spätmodernen Ökonomie massive Klassenspaltungen aufgetan hätten. Eine Neue Mittelklasse würde im Zuge von Polarisierungsprozessen einer zunehmend prekären Unterklasse gegenüberstehen. Der in dieser innergesellschaftlichen Konfrontation angelegte Konflikt werde allenfalls durch die Existenz der alten, sich tendenziell im Abstieg befindlichen Mittelklasse modifiziert. Reckwitz geht also von einer Drei-Drittel-Gesellschaft aus, die durchaus und ganz ohne Frage echte Verlierer kennt, weshalb er mit Blick auf Tatbestände sozialer Mobilität ganz im Gegensatz zu Beck von einem Paternostereffekt spricht (S. 283). Seine diesbezüglichen Überlegungen sind allemal erhellend und aufschlussreich, wirklich ausgereift sind sie jedoch noch nicht. Einige wenige Bemerkungen hierzu: Erstens, Reckwitz, was ihm kaum vorzuwerfen ist, scheitert, wie andere auch, mit dem Versuch, den Klassencharakter seiner drei Klassen tatsächlich zu bestimmen. Lässt sich ernsthaft und mit der nötigen empirischen Unterfütterung von Kollektivsubjekten sprechen? Ebenso wenig wie die meisten derjenigen Soziologinnen und Soziologen, die heutzutage Sozialstrukturanalyse betreiben, stellt er sich dieser Frage. Daran ist bei ihm freilich irritierend, dass sie doch einen Punkt berührt, der angesichts seiner Hauptthese schlechterdings zentral ist: Kann man im Zeitalter der Singularitäten überhaupt noch von sozietären Allgemeinheiten wie Klassen sprechen? Oder dementiert, anders gefragt, Reckwitz‘ Sozialstrukturanalyse genau genommen nicht seine Zeitdiagnostik? – Es fällt zweitens auf, mit wieviel zarter Empirie Reckwitz die Angehörigen der Neuen Mittelklasse in all ihren Artikulationen und Spleens zu beschreiben weiß, demgegenüber aber deutlich weniger zu der von ihm so bezeichneten Unterklasse und erst recht zu jener Alten (nämlich: akademisch nicht-gebildeten) Mittelklasse zu vermelden hat. Wird für die Angehörigen der Unterklasse immerhin noch festgehalten, sie seien nicht nur als Modernisierungsverlierer, sondern vor allem als Kulturalisierungsverlierer zu begreifen (S. 351), so fallen die Ausführungen zur Alten Mittelklasse entschieden diffuser und dürrer aus. Im Grunde wird sie lediglich als eine Art Überbleibsel der bürgerlichen Gesellschaft beschrieben (S. 281f.; S. 366f.). Solche Kargheit ist fairerweise allerdings nicht Reckwitz anzulasten, vielmehr liefert seine Idee einer Klassentrinität der Sozialstrukturforschung einen ernstzunehmenden Impuls, den sie unbedingt aufgreifen sollte, um uns mit neuen und sicherlich interessanten Gesichtspunkten auszustatten.

Das letzte empirische Kapitel befasst sich mit dem Wandel des Politischen, in dem sich wieder ebenso erhellende wie problematische Überlegungen finden. Zentral für die Argumentation ist die Behauptung, dass sich selbst die von Reckwitz so betitelten „Neo-Gemeinschaften“, das heißt etwa auch populistische Bewegungen der Gegenwart der Logik der Singularität beugen müssen (S. 418). Die These klingt überraschend und ist es in der Tat auch, was nicht zuletzt an dem argumentativen Aufwand abzulesen ist, den Reckwitz betreiben muss, um die Vergemeinschaftungsformen der Vergangenheit, die seiner Grundthese zufolge ja der Logik des Allgemeinen verpflichtet gewesen sind, von den Vergemeinschaftungsmodalitäten zu unterscheiden, wie sie sich in der Jetztzeit manifestieren. Hier verlangt vor allem der Versuch, progressive Vergemeinschaftungsformen von weniger progressiven abzusetzen, einiges an begrifflicher Akrobatik. Die unterschiedlichen ideologischen Ausrichtungen der meisten heutigen politischen Bewegungen sortiert Reckwitz, indem er eine Dichotomie postuliert, in der ein apertistischer, differentieller, das heißt auf Diversität setzender Liberalismus einem nicht unbedingt antipluralistischen, wiewohl illiberalen Kulturessenzialismus gegenübersteht (S. 371f.).[28] Dass der differentielle Liberalismus Ausdruck und Resultat der spätmodernen gesellschaftlichen Verhältnisse sei, ist für Reckwitz unstrittig, während die rechtspopulistischen Bewegungen demgegenüber einen eigentlich früheren Epochen zugehörigen Kulturessenzialismus vertreten würden. Diese Zuordnungen klingen irgendwie allzu sauber, um ‚wahr‘ zu sein. Vor allem klingen sie so, als hätten bei ihrer Formulierung Wünschbarkeiten linker oder liberaler SozialwissenschaftlerInnen Pate gestanden. Wer wollte sich selbst nicht als offen, tolerant, progressiv, apertistisch liberal verstehen? Doch gerät Reckwitz mit seiner Zuordnung in ein Dickicht, das er in Wahrheit nicht durchdringen kann, insbesondere dann nicht, wenn sein eigenes Verständnis als Sozialwissenschaftler berührt ist. Er will ja, wie betont, auf Ideologiekritik verzichten, während seine eigenen Äußerungen bei handgreiflich unreflektierten normativen Setzungen geradezu nach ideologiekritischer Dezentrierung verlangen. Wenn Reckwitz etwa im Einklang mit Martina Löws stadtsoziologischen Forschungen den Singularitätsdiskurs und das Singularitätsmanagement bestimmter Städte geradezu feiert (S. 384), so fragt man sich als Leser von Löw und Reckwitz doch, ob sich eine Stadtsoziologie den Sprüchen von Werbefachleuten aus der Touristikbranche anvertrauen sollte, die natürlich einen standortpolitischen Diskurs der Singularisierung betreiben.[29] Wichtiger noch ist allerdings die Frage, warum Reckwitz, wenn er schon „Schwarmstädte“ lobt, nicht auch Schwarmnationen preist, was ja das Geschäft von Nationalisten ist, die ihre Nation stets als die bester aller Nationen wertschätzen. Wieso ist der nationalistische Diskurs also eigentlich keiner der Singularisierung?[30] Dass Reckwitz sich derart naheliegende Einwände erspart, dürfte ein Indiz dafür sein, dass sich der Verlauf der von ihm sorgsam gezogenen Linie zwischen differenziellem Liberalismus und Kulturessenzialismus tatsächlich komplizierter gestaltet als er bereit ist einzugestehen.

Eine nächste Frage, die sich in diesem Kontext aufdrängt, lautet, was etwa die Neo-Gemeinschaft der Lesben oder Planespotter eigentlich von derjenigen der White Supremacists unterscheidet? Reckwitz‘ Antwort lautet, dass in der modernen Hyperkultur – und dazu zählen die Lesben ebenso wie die Planespotter – gegenüber anderen Subkulturen zwar Indifferenz, aber nicht Feindschaft herrscht (S. 396). Dem Befund wird man bei ausgewählten Beispielen vielleicht intuitiv zustimmen, gleichzeitig aber doch fragen wollen, wie kennzeichnend Toleranz und Indifferenz für das ganze ‚progressive‘ Ensemble der Gemeinschaftsbildungen in einer Zivilgesellschaft sind. Zudem wäre zu klären, ob wechselseitige Vergleichgültigung einer solchen Zivilgesellschaft wirklich gut bekommt und nicht vielmehr Fragmentierung befördert.

Reckwitz entgehen die Untiefen seiner Kartierung nicht, weshalb er gegen Ende dieses Kapitels eine Art Eigenkritik des differentiellen Liberalismus vorträgt (S. 421). Auf die dort vorgebrachten Bedenken kommt er in seinem Schlusskapitel, „Die Krise des Allgemeinen?“ betitelt, noch einmal zurück. Dort fragt er rhetorisch, ob sich das Paradigma des differentiellen Liberalismus nicht erschöpft habe. An diese Frage schließt seine Vermutung an, wir befänden uns bereits auf dem Weg zu einem neuen, nämlich (wieder) regulativen Liberalismus, auf dem sich eine Stärkung von staatlichen Institutionen wahrnehmen lasse (S. 441ff.). Allerdings bleibt in Reckwitz‘ Ausführungen unklar, warum und vor allem: durch wen es angesichts seiner Diagnose eines spätmodernen Zeitalters der Singularitäten nochmals zu einem solchen etatistischen Impuls kommen könnte. Siegreich könnte ein regulativer Liberalismus doch eigentlich nur dann sein, wenn Reckwitz‘ Befund, wir lebten in einer Gesellschaft der Singularitäten, entweder falsch oder bereits veraltet wäre, weil wir uns faktisch schon in einem post-spätmodernen Zeitalter aufhalten.

V.

Den Lesern von Reckwitz‘ neuem Buch wird die Lektüre Einiges abverlangen. Unbestreitbar ist, dass ihnen eine Fülle von neuen Einsichten, zum Teil brillanten Beschreibungen und glänzenden Formulierungen geboten wird. Eine Gesellschaftstheorie, noch dazu eine mit globalem Anspruch, werden sie aber nicht finden, auch wenn Reckwitz‘ Deutung der Moderne sicherlich zu den interessantesten zählt, die derzeit auf dem florierenden Markt der Moderne-Interpretationen zu haben sind. Diese Moderne deuten zu wollen, ist meiner Meinung nach ohnehin ein vergebliches Geschäft, schon weil die Suggestion eines das Ganze von Gesellschaft erfassenden ‚Blicks von nirgendwo‘ (Thomas Nagel) in Zeiten der Globalisierung und unter den Bedingungen globalen Vergleichs nicht mehr zu überzeugen vermag. Zudem ist zu vermuten, dass es eine so konsequent kulturtheoretisch angelegte Gesellschaftstheorie wie diejenige, die Reckwitz entfaltet, zumal angesichts der Krisenwahrnehmung der Gegenwart besonders schwer hat. Die scheint doch mit großer Dringlichkeit Analyseverfahren anzumahnen, die sich auf den Werkzeugkasten der politischen Ökonomie stützen.

  1. Alle nicht näher gekennzeichneten Seitenangaben beziehen sich auf das hier besprochene Buch.
  2. Andreas Reckwitz, Das hybride Subjekt. Eine Theorie der Subjektkulturen von der bürgerlichen Moderne zur Postmoderne, Weilerswist 2010.
  3. Andreas Reckwitz, Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung, Berlin 2012.
  4. Reckwitz, Das hybride Subjekt, S. 14f. (Hervorh. im Original; W.K.).
  5. Ebd., S. 15.
  6. Ebd.
  7. Ebd., S. 26.
  8. Ebd., S. 78.
  9. Ebd., S. 30.
  10. Ebd., S. 34.
  11. Ebd., S. 34-38.
  12. Ebd. S. 17.
  13. Ebd., S. 29.
  14. Ebd., S. 16.
  15. Ebd., S. 313ff.
  16. Er selbst verweist darauf, dass mit dem neuen Buch die Diskussion der Kreativität in eine der Singularität überführt worden sei (Reckwitz, Gesellschaft der Singularitäten, S. 24).
  17. „Indem die soziale Welt sich zunehmend an Menschen, Gegenständen, Bildern, Gruppen, Orten und Ereignissen ausrichtet, die sie als singulär begreift und empfindet, ja diese teilweise gezielt als solche hervorbringt, entfaltet die soziale Logik der Singularitäten für ihre Teilnehmer eine Realität mit erheblichen, sogar unerbittlichen Konsequenzen.“ (Reckwitz, Gesellschaft der Singularitäten, S. 14, Hervorh. von mir; W.K.)
  18. Hier nicht als Beleg oder Falsifikationsversuch gedacht (sondern nur als anekdotisch gemeinter Hinweis zur kritischen Reflexion) ein Zitat zum deutschen Faschismus aus der Cambridge World History, das zufälligerweise den Begriff („Valorisierung“) von Reckwitz verwendet: „A leader, emerging from the people and mystically bound to them, embodied the will of the nation and enabled its mission in the world. Struggle, violence, and war were positive virtues in fascist thought, as they ennobled humanity and allowed the stronger and the superior to prevail over the weak and inferior. ‘Those who want to live, let them fight,’ declared Hitler in Mein Kampf. This valorization of all things military was associated with an extreme emphasis on the masculine principle, a corresponding ‘flight from the feminine,’ and a ‘pathological fear of […] softness.’” (Robert Strayer, Communism and Fascism, in: The Cambridge World History, Vol. VII. Production, Destruction, and Connection, 1750-Present. Part I: Structures, Spaces, and Boundary Making, hrsg. von J.R. McNeill/Kenneth Pomeranz, Cambridge 2015, S. 442–464, hier S. 448). Reckwitz würde darauf vermutlich antworten, dass im Faschismus eine Valorisierung des Allgemeinen betrieben worden sei. Das kann man so sehen, allerdings scheint mir diese Art der Valorisierung von derjenigen in heutigen Neo-Gemeinschaften, die Reckwitz gegen Ende des Buches diskutiert, so unterschiedlich nicht zu sein.
  19. Craig Calhoun, New Social Movements of the Early 19th Century, in: Social Science History 17 (1993), 3, S. 385–427.
  20. Peter Wagner, Soziologie der Moderne. Freiheit und Disziplin, Frankfurt am Main und New York 1995.
  21. Rogers Brubaker, The Limits of Rationality. An Essay on the Social and Moral Thought of Max Weber, London 1984, S. 2; Hans Joas, Gefährliche Prozessbegriffe. Eine Warnung vor der Rede von Differenzierung, Rationalisierung und Modernisierung, in: Karl Gabriel/Christel Gärtner/Detlef Pollack (Hg.): Umstrittene Säkularisierung. Soziologische und historische Analysen zur Differenzierung von Religion und Politik, Berlin 2012, S. 603–622.
  22. Helmut Thome, Wertewandel in der Politik? Eine Auseinandersetzung mit Ingleharts Thesen zum Postmaterialismus, Berlin 1985.
  23. Es ist etwas merkwürdig, wenn Reckwitz‘, der zur Charakterisierung der Spätmoderne und ihrer Kultur eine enorme Masse an Literaturbelegen heranzieht, diese archaischen und traditionellen Gesellschaften mit Durkheim, Weber und Lévi-Strauss definieren zu können glaubt (ebd., S. 93ff.).
  24. Robert J. Gordon, The Rise and Fall of American Growth. The U.S.-Standard of Living Since the Civil War, Princeton, NJ/ Oxford 2016, S. 8; siehe auch S. 441.
  25. Lucien Karpik, Mehr Wert. Die Ökonomie des Einzigartigen, Frankfurt am Main / New York 2011, S. 13.
  26. G. Günter Voß / Hans J. Pongratz, Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft?, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 50 (1998), 1, 131–158.
  27. Vgl. Michael Faust, Der ‚Arbeitskraftunternehmer‘ – eine Leitidee auf dem ungewissen Weg der Verwirklichung, in: Eva Kuda / Jürgen Strauß (Hg.), Arbeitnehmer als Unternehmer? Herausforderungen für Gewerkschaften und berufliche Bildung, Hamburg 2002, S. 56 –80.
  28. Auch hier mögen manche Leser Probleme haben, weil sie sich weder in der einen noch in der anderen Rubrik wiederfinden und auch nicht wiederfinden wollen.
  29. Vgl. die zu recht vernichtende Kritik an Löw durch Friedrich Lenger, The Intrinsic Logic of Cities: A Historian‘s Doubts and Questions, in: Informationen zur modernen Stadtgeschichte 2 (2013), S. 95–107.
  30. Insgesamt fällt auf, dies sei hier nur nebenbei vermerkt, wie wenig Reckwitz‘ Soziologie der Singularitäten die Möglichkeit des Entstehens (oder eben: Nicht-Entstehens) von kollektiven Akteuren diskutiert.

Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Martin Bauer.

Kategorien: Moderne / Postmoderne

Wolfgang Knöbl

Professor Dr. Wolfgang Knöbl, Soziologe, ist Direktor des Hamburger Instituts für Sozialforschung und Gastprofessor für Soziologie und Kulturorganisation an der Leuphana Universität Lüneburg.

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