Uwe Dörk | Essay |

Vom Idiom zur Norm

Zum sozialanalytischen Vokabular von „Gemeinschaft und Gesellschaft“

Einleitung

Ferdinand Tönnies ist kein einfacher Autor. Die Verständlichkeit seiner Texte kümmerte ihn herzlich wenig. Seine Sätze sind oft lang und verschachtelt, die Worte voraussetzungsvoll gewählt und eigenwillig geprägt. Das Befremden und die Verwunderung, die seine Texte hervorrufen, sind dabei keineswegs nur dem zeitlichen Abstand und dem seinerzeit gültigen Primat der Produktionsästhetik geschuldet. Tönniesʼ eigenwilliger Schreibstil sorgte bekanntlich auch schon bei seinen Zeitgenossen für erhebliche Irritationen, selbst unter den wohlwollenden. So heißt es in der wohl gewichtigsten Rezension von Gemeinschaft und Gesellschaft[1] aus dem Jahr 1888:

„Die ganz individuelle Schreib- und Darstellungsweise des Verfassers führt die Dinge wie Nebel- und Schattenbilder an uns vorbei, wir staunen, wie überall Gold reinsten Lichtes durchbricht und diese Nebelgestalten erleuchtet, die in tausend Farben und Linien vor uns flimmern und schillern; wir können ihrer aber nicht recht habhaft werden; die Bilder treten uns nicht konkret, nicht abgerundet, nicht fest auf der Erde stehend vor die Augen.“ Und so endet der Rezensent trotz der spürbaren Wertschätzung mit dem harten Urteil, dass dieses Buch wohl „gar keine Wirkung ausüben“ werde. Es sei „das Bekenntniß eines einsamen Denkers, der zwar mit den allgemeinen Bahnen“ der Wissenschaft wohl vertraut sei, aber in „Kenntniß“ des historischen und „wirklichen […] Lebens nicht auf der festen Muttererde steht, sondern da in einer Art Phantasievorstellung sich bewegt.“[2]

Der Rezensent hieß Gustav Schmoller, Ordinarius für Staatswissenschaften an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin und Mitglied der ebenfalls dort ansässigen Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, zudem Mitgründer, Vorstand und ab 1890 Vorsitzender des renommierten Vereins für Socialpolitik.[3] Aufgrund seiner Stellung und seiner Kontakte war Schmoller eine zentrale Figur auf dem Gebiet der Staatswissenschaften, die ein historisch gewachsenes Gefüge zwischen Sozialphilosophie, Wirtschafts- und Geschichtswissenschaften repräsentierten. Sein Votum konnte erheblichen Einfluss auf die Karrierewege jüngerer Wissenschaftler haben, zumal er überaus enge Beziehungen zu dem preußischen Kultuspolitiker Friedrich Althoff pflegte,[4] der seinerseits nahezu jede universitäre Personalfrage auf diesem Gebiet mit Schmoller besprach.[5]

Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich jedoch weniger auf die Karrieremöglichkeiten und -strategien eines vielversprechenden Gelehrten, der sich mit seinem Werk die Exploration eines noch hochgradig offenen, aber politisch sensiblen Gebiets vorgenommen hatte.[6] Mich interessiert vielmehr Tönniesʼ Umgang mit der Herausforderung, für die mit dem Buchtitel umrissene Problematik eine angemessene analytische Position und eine passende Sprache zu finden, mit der Leseerwartungen angereizt, aber nicht überreizt werden. Erschwert wurde dieses generelle Problem durch den Umstand, dass sich für den Gebrauch und die Bedeutung zahlreicher Begriffe noch keine festen disziplinären Zuständigkeiten eingespielt hatten. Auch Tönnies selbst hatte schließlich bis in die 1890er-Jahre, als er mit dem von René Worms begründeten Institut International de Sociologie in Paris in Kontakt kam und ein disziplinäres Selbstverständnis als Soziologe auszubilden begann,[7] ernsthafte Schwierigkeiten, sich in einer der zahlreichen bestehenden Disziplinen oder Subdisziplinen, die von den Staatswissenschaften und der Nationalökonomie über die Sozial-, Rechts- und Culturphilosophie bis hin zu Ethik und Völkerpsychologie reichten, zu verorten. Dasselbe gilt für die Spannung zwischen nomologischen und idiografischen Argumentationsmustern, die nicht nur dem sozialanalytischen Idiom von Gemeinschaft und Gesellschaft eigen ist, sondern die sich damals auch in Kontroversen und konkurrierenden Methodologien niederschlug. Zu den miteinander wetteifernden Ansätzen gehörten etwa Johann Gustav Droysens Historik, Karl Lamprechts historisch-genetische Methode, Adolf Bastians ethnologisch-teilnehmende Beobachtung, Gustav von Rümelins Moralstatistik oder Wilhelm Wundts psychologisches Experiment. Nicht zu vergessen die unterschiedlichen Leitorientierungen, etwa die etatistische in der Tradition von Adam Müller, Heinrich von Treitschke und Leopold von Ranke, die sozialtheoretische im Anschluss an Buchholz, Lorenz von Stein, Robert von Mohl oder Ludwig Gumplowicz, die dialektische nach Georg Wilhelm Friedrich Hegel oder Karl Marx sowie die deszendenztheoretische von Jean-Baptiste de Lamarck und Charles Darwin.

Ausgehend von Schmollers Beobachtung, dass sich Gemeinschaft und Gesellschaft durch eine „ganz individuelle Schreib- und Darstellungsweise“, mithin durch ein eigentümliches Idiom auszeichne, will ich im Folgenden zunächst die Wahrnehmung der idiomatischen Eigenheit des Werks anhand weiterer Kritiken und Besprechungen illustrieren. Anschließend werde ich das Konzept des „Idioms“ näher erläutern, um sodann mit Hilfe dieser Interpretationsfolie die sprachliche Eigenart des Textes anhand ausgewählter Einzelstellen genau zu beschreiben. Im vierten und letzten Abschnitt werde ich den weiteren Rezeptionsverlauf in den Blick nehmen und die sich nach 1905 fundamental wandelnde Bewertung des Tönniesʼschen Werks zu erklären suchen: Denn auch wenn die von Tönnies in Gemeinschaft und Gesellschaft entworfene Sprache von den Zeitgenossen anfangs als idiosynkratisch empfunden wurde, entwickelte das Vokabular sich doch im weiteren Verlauf der Karriere des Autors zu einer normsetzenden Instanz, die nicht nur für die Sozialwissenschaften folgenreich definierte, was unter Termini wie „Gesellschaft“, „Gemeinschaft“ und „Soziologie“ zu verstehen sei, sondern die auch enormen Einfluss auf die politische Sprache der Zeit ausübte.

1. Kürwillige Sprache und wesenswillige Rezeption

Als Tönniesʼ Schrift 1887 erschien, war es keineswegs nur Schmoller, der sich von der eigentümlichen, bisweilen zwischen spielerischem Logizismus und akademischem Poetizismus schwankenden, häufig aber auch nur unverständlichen Sprache ebenso irritiert wie fasziniert zeigte. Andere Rezensenten äußerten sich ähnlich. Und auch dem Autor war das Problem nur allzu deutlich bewusst, hatte doch Tönnies selbst im „Vorwort“ zur ersten Auflage betont: „Ganz und gar allein stehe ich mit Terminologie und Definitionen.“[8] Sogar sein Freund und Förderer Friedrich Paulsen, der mit der Entstehung des Werks bestens vertraut war, gestand in einem Brief vom 19. August 1887 gegenüber Tönnies, nach der ersten Lektüre über die eigegensinnigen und sperrigen „Satz- und Begriffsbildungen“ wirklich geflucht zu haben.[9] Auch in seiner 1888 veröffentlichten Rezension nannte er es ein „gedankenschweres Buch, über dessen Inhalt“ nicht gerade leicht Auskunft zu geben sei und nannte als Grund nicht nur die Komplexität der Gedanken und die „gedrängte Kraft der Sprache“, sondern nochmals die „schwerfällige Satzbildung“.[10] Schmoller fühlte sich durch die Schreibweise, die „in schwerer Form“ die „letzten Probleme menschlichen Wesens psychologisch-sittlicher Entwicklung erörtert“, sogar „fast in die Zeiten Fichtes und Hegels zurückversetzt“.[11]

Andere Kritiker – übrigens durchgehend Männer – meinten nur einen provisorischen, eklektizistischen oder gar spekulativen Charakter der Begriffsarchitektur im Text erkennen zu können: So schrieb etwa der Göttinger Philosoph Julius Baumann in einem Gutachten, dass Tönnies „seine philosophischen Grundüberzeugungen […] mehr andeutet als darlegt“.[12] Auch Paulsen schrieb in seiner Rezension, dass es sich hier trotz der „wohlgeregelten Paragraphen“ um kein „Lehrbuch einer abgeschlossenen Disziplin“, sondern um „ein philosophisches System in keimhafter Gestalt“ handle.[13] Émile Durkheim sah in dem Buch eine Zusammenstellung völlig unterschiedlicher Philosopheme und Disziplinen – eine „synthèse aussi écletique“ –, welche die Lektüre bedauerlicher Weise „très laborieuse“ mache, zumal sich die Begriffe „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“ letztlich nicht ins Französische übertragen ließen.[14] Demgegenüber nannte der ebenfalls zu den Pionieren der Soziologie zählende Ludwig Gumplowicz das Werk in seiner Rezension einen „Versuch in der Form abstracter Speculation“.[15]

Zusammengefasst kritisierten die Rezensenten Tönniesʼ Idiom also aufgrund der umständlichen Satzbildung, der antiquierten Sprache und der ebenso sperrigen wie eklektizistischen Synthese gegensätzlicher Theorieelemente. Darüber hinaus bemängelten sie fehlende Belege, spekulative Aussagen und – was bei einem soziologischen Buch besonders schwer wiegt – fehlenden Wirklichkeitsbezug. Positiv hervorgehoben wurden hingegen die analytische und poetische Kraft, der außerordentliche Themen- und Gedankenreichtum sowie überraschende Synthesebildungen, die den Umriss eines neuen philosophischen Systems erkennen ließen. Tönniesʼ Werk hatte die Leseerwartungen seiner Zeitgenossen ganz offenbar in einer heute nur schwer nachvollziehbaren Weise konterkariert, obwohl sich Gemeinschaft und Gesellschaft immerhin durch eine kleinteilige, wohlgeordnete Argumentationsführung auszeichnet.

2. Idiom, Macht und Karrierechancen

Bevor ich mich der Frage zuwende, worin denn das sozialanalytische Irritationspotenzial des Buches genau besteht, will ich kurz erläutern, was hier mit dem Begriff „Idiom“ bezeichnet wird. Laut Duden bezeichnet der Ausdruck eine sprachliche Eigenart, eine „Abweichung von einer als Regel gesetzten Sprachvarietät“, die sich mit Synonymen wie „Jargon“, „Argot“, „Idiolekt“ oder „Soziolekt“ wiedergeben lässt.[16] Übertragen auf den wissenschaftlichen Kontext der Zeit verweist der Terminus auf das Phänomen, dass auch hier Codes vorherrschten, die es zu beachten galt, da Abweichungen marginalisiert und sanktioniert wurden. Als These formuliert: Auch im wissenschaftlichen Feld existierten Machtstrukturen, die über die Geltung von Deutungsregeln und die Akzeptanz von Begriffen und Konzepten entschieden. Der Einfluss dieser Strukturen wurde insbesondere bei Abweichungen von den etablierten Codes und Regelsystemen deutlich. Denn abgesehen von der Frage der reinen Verständlichkeit ging es in diesen Fällen um die Chance, unsanktioniert auf Anschlusskommunikation – in Schmollers Worten: auf „Wirkung“ – hoffen zu dürfen. Dafür war es erforderlich, dass sprachliche Neuschöpfungen oder Umdeutungen positiv aufgenommen und gleichermaßen als sinnvoll und zulässig anerkannt wurden. Im Fall des wissenschaftlichen Nachwuchses standen dabei Karrierechancen auf dem Spiel.

Komplex wurde die Sache nun dadurch, dass das Wissenschaftssystem nicht, wie es in zeitgenössischer Diktion hieß, das „mechanische“ Befolgen von Regeln verlangte, sondern die Hervorbringung und Prägung einer eigenen sprachlichen Signatur, die als Markenzeichen einer wissenschaftlichen Persönlichkeit Geltung erlangen musste. Denn das Merkmal einer wissenschaftlichen Persönlichkeit[17] war vom späten Kaiserreich bis über die 1920er-Jahre hinaus ein entscheidendes Berufungskriterium, zumindest seitens der Kultusministerien der damaligen deutschen Gliedstaaten. Das System prämierte also durchaus Devianz und verlangte von jenen, die eine akademische Karriere einschlagen wollten, eine ‚hazardiöse‘ Risikobereitschaft.[18] Die Herausforderung in dem riskanten ,Sprachspiel‘ bestand darin, einem neuen oder noch nicht vollständig erschlossenen Geistesgebiet ein eigenes Idiom aufzuprägen, um auf dem akademischen Markt ein eigenes Profil auszubilden, ohne als idiosynkratisch oder unverständlich eingestuft zu werden und ins wissenschaftliche Abseits zu geraten. Angesichts des schwer überschaubaren Geflechts an disziplinären Schulen und Codes brauchte es dazu nicht selten Protektion, da die Konkurrenz groß war und Außenseiter rücksichtslos vom Feld gedrängt wurden. Wie aus den Rezensionen hervorgeht, stand es für Tönnies in allen genannten Punkten nicht zum Besten. Er hatte eine idiomatisch riskante Strategie verfolgt, damit aber für mehr Irritationen als für Begeisterung gesorgt und seine Chancen auf eine wissenschaftliche Karriere damit nicht gesteigert.

Doch aus welchen Elementen besteht überhaupt ein Idiom und wie funktioniert es? Andreas Langenohl nennt drei ineinandergreifende Momente: Arretieren, Gestikulieren und Annähern.[19] Während das Arretieren sich, formal betrachtet, als Fixieren einer syntagmatischen und paradigmatischen Variabilität von Satzgliedern – etwa in Form von Tropen – vollzieht, lässt es sich inhaltlich in Anlehnung an Michael Oakeshotts Erkenntnistheorie als Anhalten einer unaufhaltsamen Reflexionsbewegung zugunsten erkenntnisleitender Standpunkte beschreiben:[20] Produktiv ist demnach nicht das unbändige Fortschreiten des Geistes in eine unbekannte Welt, sondern deren allmähliche Bändigung durch das Fixieren zentraler Begriffe und deren Immunisierung gegenüber dem permanenten Vorwärtsdrang der sozialanalytischen Reflexion. Dieses zweite Element beschreibt Langenohl als ein Gestikulieren, da das Arretieren erkenntnisleitender Begriffe einer Geste gleichkomme, die zwar noch nichts Konkretes über die soziale Welt aussagt, aber doch immerhin einen Raum markiert, der dann im weiteren Verlauf unter Verwendung eines analytischen Sprachspiels erschlossen werden kann. Als dritten und letzten Akt nennt Langenohl schließlich das Annähern an den Gegenstand: Mithilfe der arretierten Leitbegriffe kommt es zu einem sukzessiven sprachlichen Erfassen jener Dinge, die innerhalb des zuvor lediglich gestisch ausgewiesenen Feldes liegen. Im Verlauf dieses Prozesses muss die zunächst gestisch-analytisch eingenommene Distanz zum Gegenstand überwunden werden, damit das analysierende Subjekt sich mit dem analysierten Objekt in Beziehung setzen und sich ihm sprachlich anverwandeln kann.

3. Das sozialanalytische Idiom von Gemeinschaft und Gesellschaft

In Tönniesʼ Schrift lassen sich sowohl die Schwierigkeit als auch die idiomatische Eigenart des Arretierens, Gestikulierens und Annäherns gut nachvollziehen, und zwar gerade an den Leitbegriffen „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“, wie sie scheinbar eingängig unter § 1 der Einleitung in das Thema eingeführt werden:

„Alles vertraute, heimliche ausschliessliche Zusammenleben […] wird als Leben in Gemeinschaft verstanden. Gesellschaft ist die Oeffentlichkeit, ist die Welt. In Gemeinschaft mit den Seinen befindet man sich, von der Geburt an, mit allem Wohl und Wehe daran gebunden. Man geht in die Gesellschaft wie in die Fremde.“[21]Auf diese Weise hat Tönnies eine Lesart der leitenden Begriffe gestisch ausgewiesen, diese aber noch nicht präzise syntagmatisch, das heißt in Form einer sequentiellen Anordnung von zu Erklärendem und Erklärtem arretiert. Doch hat er beide Leitbegriffe immerhin schon paradigmatisch eingeführt: „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“ werden parallel angeordnet und mit unterschiedlichen Attributen belegt, sodass beide Phänomene anschaulich werden und der markierte Gegensatz leicht verständlich erscheint. Im Verlauf der weiteren Lektüre wird jedoch spätestens nach den erkenntnistheoretischen Präliminarien in § 2 schnell klar, dass das knapp skizzierte Arrangement sehr viel komplexer ist. Im ersten Abschnitt seiner „Theorie der Gemeinschaft“ wird dies deutlich:

„Die Theorie der Gemeinschaft geht […] von der vollkommenen Einheit menschlicher Willen als einem ursprünglichen oder natürlichen Zustande aus, welcher trotz der empirischen Trennung und durch dieselbe hindurch sich erhalte, je nach der nothwendigen und gegebenen Beschaffenheit der Verhältnisse zwischen verschieden bedingten Individuen mannigfach gestaltet.“[22]

In paradigmatischer Anordnung, das heißt in einer Anordnung, die zum spielerischen Austausch der Leitbegriffe einlädt und dies auch selber vorführt, definiert er „Gesellschaft“ im parallel hierzu gesetzten Theorieteil des zweiten Abschnitts wie folgt:

„Die Theorie der Gesellschaft construirt einen Kreis von Menschen, welche, wie in Gemeinschaft, auf friedliche Art neben einander leben und wohnen, aber nicht wesentlich verbunden, sondern wesentlich getrennt sind und während dort verbunden bleibend trotz aller Trennungen, hier getrennt bleiben trotz aller Verbundenheiten.“[23]

Tönnies bietet uns mithin eine parallel angelegte Theorie, die das psychosoziale menschliche Da- und Sosein auf zwei verschiedene, aber vergleichbare Weisen gewissermaßen normaltypisch konstruiert: eine durch Geburt und Tod naturbedingt existenzielle und eine willkürlich arbiträre, für welche die der Familie gegenübergestellte Welt des kapitalistischen Handels als Muster dient. Das ist soweit bekannt.

Was hingegen meines Wissens bisher nie infrage gestellt wurde, ist die eigenartige Komplexitätsdynamik, die infolge dieses terminologischen Arrangements einsetzt und die in den weiteren Kapiteln regelrecht eskaliert. Denn das Verhältnis dieser beiden Konstruktionen ist einerseits ein gleichzeitiges, andererseits ein historisch aufeinander folgendes beziehungsweise aufbauendes; es handelt sich sowohl um eine epochale als auch kategoriale Differenz: „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“ stehen sowohl in einem evolutiv-konstitutiven als auch in einem antagonistisch-konkurrierenden Verhältnis zueinander. Es handelt sich um ein sowohl zeitliches als auch räumliches Verhältnis, wobei der erste Typus – „Gemeinschaft“ – primär räumlich gedacht wird, der zweite hingegen eher temporal, sodass Tönnies seine Sozialphilosophie mit einer erstaunlich weitreichenden, zugleich aber höchst diskreten Raum-Zeitphilosophie unterfüttert.[24] Kurzum: Schon die scheinbar einfachen und eingängigen Grundbegriffe geraten, näher betrachtet, ungeheuer komplex.

Doch ist es nicht nur die vertrackte Komposition der Grundbegriffe, die den Leserinnen und Lesern einiges an Anstrengung abverlangt. Auch die Neigung des Autors zu Paradoxien und seine Lust am Spiel mit logischen Kalkülen sind herausfordernd. Nie bleibt der Text bei einer einfachen syntagmatischen Ordnung, das heißt in einer genau festgelegten sequenziellen Ordnung nicht-austauschbarer Worteinheiten der Grundbegriffe stehen. Es reicht Tönnies also nicht, zu schreiben, dass das Soziale einmal naturhaft-organisch-anthropologisch (Gemeinschaft) und ein anderes Mal künstlich durch einen historisch fortschreitenden Differenzierungsprozess der ersten Ordnung (Gesellschaft) bedingt sei. Vielmehr treibt er, da er sich dem Sog einer weiterführenden Reflexion schlecht entziehen kann, den Komplexitätsgrad seiner Termini soweit voran, dass dieser in eine Paradoxie umschlägt: Es geht dann etwa um Einheiten, die durch Trennung entstehen, deren heterogene Elemente erst durch die Bindung von dauerhaft Getrenntem zu einer Einheit in Vielheit und zur Vielfalt in Einheiten finden.[25] Sicher knüpft Tönnies bei seinem vielfältigen Gebrauch des Topos von Teil und Ganzem an die Tradition der ungeschriebenen Lehren Platons an, die über dieses Verhältnis regelrecht meditieren. Auf ähnlich paradoxe Beziehungsmuster trifft man aber auch an zahlreichen anderen Stellen, die keine vorgeprägten philosophischen Topoi bemühen. So stellt Tönnies etwa „Gemeinschaft“ als ein natürlich-organisches Sein vor, erklärt aber zugleich, dass es sich dabei ebenso wie bei den übrigen der im Buch vorgestellten Begriffe und Konzepte nicht um eine reale Entität, sondern um ein Konstrukt, ein kürwilliges „Gebilde des Denkens“ handele.[26] Oder wenn er über das Schicksal von „Gesellschaft“, die Sphäre des Kürwillig-Künstlichen, nachdenkt und am Ende die Frage stellt, ob diese kürwillige Ordnung nicht zum existenziellen Untergang der abendländischen Welt führen werde. „Wir schweben immer im Zweifel“, hatte Schmoller zu Recht in seiner Rezension geschrieben, „ob die Dinge so wirklich seien, ob wir sie uns nur so denken sollen, wann und wo wir uns so diese Theilinhalte des Lebens, die der Verfasser getrennt vorführt und später wieder mit Virtuosität verbindet, denken sollen.“[27]

Diese und andere scheinbare epistemische Widersprüche sind nun keineswegs das Ergebnis gedanklicher Irrtümer oder unzureichender Darstellung. Schon die so souverän bezogene radikal- konstruktivistische Position macht klar, dass hier jemand schreibt, der eine genaue Vorstellung davon hat, welche Aussagen eines forschenden Subjekts über das zu erforschende Objekt sinnvoll getroffen werden können und in welchem Verhältnis dieses Subjekt zu seinem Objekt überhaupt steht – zumal es ja selbst ein Teil des untersuchten Objekts, das heißt ein Teil der zu beschreibenden Sozialwelt ist. Der apokalyptische Ausgang des Buchs vermittelt dem Ganzen in diesem Zusammenhang sogar ein eigenartiges Pathos: Selbst im Fall des eigenen Untergangs mit der abendländischen Welt solle das analysierende Subjekt, so die erkenntnistheoretische Forderung, in leidenschaftsloser Distanz zu seinem Gegenstand verharren.[28]

Aufschlussreich ist hier Tönniesʼ wechselnde, inkohärente Erkenntnismetaphorik. So forderte er etwa 1910 in seiner Eröffnungsansprache auf dem Ersten Soziologentag in Frankfurt am Main – und somit schon im Kontext des zuvor im Verein für Socialpolitik ausgebrochenen Werturteilsstreits –, dass die „Beobachtung sozialer Vorgänge unserer Umgebung“ von einer Position aus erfolgen müsse, „als ob sie Vorgänge auf dem Monde wären, die uns gar nichts angehen“; auch die „Ansichten der menschlichen Leidenschaften und Bestrebungen“ sollten so analysiert werden, „als ob sie Winkel im Dreiecke oder berechenbare Kurven wären“.[29] In Gemeinschaft und Gesellschaft weist er zudem auf das Vorbild des Naturforschers hin, der die „Prozesse des Lebens einer Pflanze oder Tieres“ beobachtet.[30] Auf den ersten Blick scheint die Sache klar zu sein: Die soziale Welt soll wie die natürliche Welt more geometrico auf ihren Ist-Zustand hin untersucht, beschrieben und begrifflich konstruiert werden. Da es sich bei der sozialen Welt aber nicht um ein starres Objekt beziehungsweise um einen nur aus der Distanz zu beobachtenden Untersuchungsgegenstand handelt, sind mit der Zielstellung bestimmte Schwierigkeiten verbunden. Um nun die mit dieser Position verbundenen erkenntnistheoretischen Schwierigkeiten zu verdeutlichen, rekurriert Tönnies auf zwei weitere Metaphern, die dann aber unweigerlich ins Paradoxe und Rätselhafte kippen.

Die erste Metapher bezieht Tönnies ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert, genauer aus dem Hobbesʼschen Atomismus, der für ihn eine Vorbildfunktion besitzt. Die Letzteinheit des Sozialen liegt für Tönnies in interagierenden Willensbeziehungen, die wie atomare Bewegungen und Bindungen beobachtet werden sollen. Dabei müsse jedem klar sein, so Tönnies, dass das was hier „als Subject einer Bewegung oder als integrirender Theil eines Ganzen […] vorgestellt wird“, lediglich „Product einer wissenschaftlich nothwendigen Fiction“ ist. Und weiter: „Im strengen Sinne können nur die letzten Einheiten, metaphysische Atome, als ihre adäquaten Repräsentanten gelten: Etwasse welche Nichtse oder Nichtse, welche Etwasse sind; wobei man doch der blos relativen Bedeutung aller Grössen-Vorstellungen eingedenk ist.“[31]

Die Leserschaft wird hier mit erkenntnistheoretischen Problemen konfrontiert wie das Verhältnis von Mikro- und Makrokosmos, innerer und äußerer Unendlichkeit, der Beziehungsfrage von Repräsentanten und Repräsentation sowie dem möglichen Referentenverlust. Die Frage ist nun: Welchen Zweck verfolgt diese Rhetorik des Paradoxen, die etwas erklärt, indem sie es verklärt? In diesem Fall lautet meine These: Tönnies will die Konstruiertheit von Welt angesichts ihrer inneren und äußeren Unbegrenztheit dadurch verdeutlichen, dass er ihre Letzteinheiten durch ein Nichts repräsentiert, während umgekehrt dieses Nichts etwas repräsentieren soll, etwa unsichtbare Willensmomente oder Atome, was in seiner Wirkung empirisch untersucht werden kann. Doch wie kann und soll „nichts“ beobachtet und durch nichts erklärt werden? Dreht sich somit am Ende nicht alles um – Nichts?

Ich komme zur nächsten Metapher. Im letzten Satz von Gemeinschaft und Gesellschaft wird eine andere Beobachterhaltung wortsinnig arretiert, die mit den bisher betonten epistemischen Tugenden wie Leidenschaftslosigkeit, „Uebung“ und „Kälte des Verstandes“ nicht ohne Weiteres im Einklang steht: Der Forschende, so Tönnies, hätte den Moment der Zeit festzustellen, um so das soziale Geschehen „mit den Augen seiner eigenen Erfahrung zu beobachten und, wenn auch an den Felsen der Zeit geschmiedet, der nahenden Okeanos-Töchter Töne und Duft zu vernehmen.“[32]

Anders als die kühl distanzierte Betrachtung more geometrico spielen hier Leiden, Empfindsamkeit und vor allem Pathos eine große Rolle. Tönnies ruft keinen anderen als den Mythos des Prometheus auf: Dieser wurde, nachdem er den Göttern das Feuer gestohlen und es den Menschen gebracht hatte, zur Strafe auf Zeusʼ Befehl an einen Felsen am Rand des Kaukasus geschmiedet. Okeanos Töchter besingen sein Schicksal, das er auch selbst beklagt, indem er hervorhebt, dass ihn die Menschen trotz allem, was er ihnen an Wissen und Kenntnissen gebracht habe, vergessen hätten. Am Ende stirbt er, weil er sich weigert, Zeus sein Wissen über dessen Ende zu offenbaren. Was uns Tönnies mit der voraussetzungsreichen Metapher sagen will, ist vielleicht dies: Der prometheische Verstand müsse märtyrergleich an den empirischen Felsen der Seinserkenntnis gekettet bleiben und dürfe sich nicht im utopisch Gesollten und Gewünschten verlieren. Doch wie weit soll diese Metapher ausgedeutet werden – bis zur märtyrerhaften Weigerung, Wissen zu teilen und zu kommunizieren? Tönnies bietet hier keine Hilfestellung. Es scheint eher so zu sein, dass er seine Leserschaft dazu verleiten möchte, die gewählte Metapher selbst weiterzuspinnen. Zumal Tönnies hier mit dem Verweis auf den Gesang der Töchter des Okeanos das Motiv des Sirenengesangs aus der Odyssee aufruft und damit sicherlich nicht zufällig ein treffendes Bild der Verführbarkeit von Erkenntnis evoziert.

Zur Rhetorik schrieb Tönnies in seiner 1898 mit dem Welby-Preis gekrönten Schrift Philosophische Terminologie in psychologisch-soziologischer Ansicht, dass Redefiguren und Metaphern nicht zwangsläufig verständlich sein müssten. Es komme durchaus vor, dass ein Redner „nur sich selber verstehen“, nur „stückweise“ oder nur zum Schein verstanden werden möchte, etwa weil es ihm eher auf das Erzeugen einer „Stimmung“ ankomme, die der „Aufnahme seiner Gedanken“ günstig sei.[33] Nicht zufällig wählte er das Goethe-Zitat „Das Beste wird nicht deutlich durch Worte“ zum Motto dieses Buchs. Sicher ist, dass Paradoxien, Metaphern und überkomplexe Begriffsbeziehungen einen poetischen Überschuss erzeugen und die Lesenden dazu anregen, das Angedeutete selbst ohne Anleitung und explizite Aufforderung fortzuspinnen. Als Ausweis von Bildung und intellektueller Kompetenz zielt diese rhetorische Strategie darüber hinaus auf die Akkumulation von symbolisch-intellektuellem Kapital zugunsten des Redners beziehungsweise Autors, das er für seine Person in Anspruch nehmen und zugunsten der weiteren akademischen Karriere in Anschlag bringen kann.

Eine ganz andere idiomatische Strategie geht mit Tönniesʼ Neigung einher, Begriffe gegen den Strich der Zeit zu bürsten, sie also nicht in der damals geläufigen Weise zu verwenden, sondern sie umzuprägen, ihnen dann aber in dieser veränderten Form eine konventionelle Bedeutung unterzuschieben. Ein schönes Beispiel hierfür bietet ausgerechnet die von Tönnies kritisierte sprachliche Nachlässigkeit, „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“ synonym und unscharf zu verwenden. Heute mag uns die von ihm vorgenommene Zuordnung von „vertraut“ und „heimlich“ zu „Gemeinschaft“ und von „fremd“ und „künstlich“ gegenüber „Gesellschaft“ vertraut sein. Zu der Zeit, als Gemeinschaft und Gesellschaft entstand, war das aber noch nicht der Fall, wie etwa die nahezu zeitgleich (1886) von dem Philologen Rudolf Hildebrand für das Grimmsche Deutsche Wörterbuch verfassten Artikel zur Etymologie von „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“ deutlich machen. Zur Vorsilbe „Gemein-“ schrieb Hildebrand, dass damit einst „ein altes hochwichtiges und edles Wort“ betitelt wurde, sie „nun aber übel heruntergekommen“ sei.[34] Und so zeichnet sich der ganze Artikel zu „Gemeinschaft“ durch eine Ambivalenz aus, die zwischen Gemeinschaft der Heiligen („communio sanctorum“) und Gemeinschaft der „anruchtigen und rechtelosen luten“ schwankt.[35] Für „Gesellschaft“ notiert er dagegen, dass dieses Wort als Ausdruck für ein räumliches Verbundensein mit Menschen, Dingen und Tieren gebraucht werde und seit dem frühen Mittelalter (ab 750) weitgehend positiv konnotiert sei, wie am Antonym „ungesellig“ (= ohne Freunde) erkennbar sei. Diese positive Bedeutung wird insbesondere mit der Herkunft des Wortes aus dem althochdeutschen (vor 1050) „Saal“, dem vornehmen, geräumigen Wohnraum erklärt, dessen Übertragung auf die Saal- beziehungsweise Hausgenossenschaft schließlich diesen Begriff erst konstituiert. Die ebenso mögliche negative Verwendung wie etwa „gesellschaft in schlechten Dingen“ wird nicht verschwiegen.[36] Doch Hinweise darauf, dass die Sympathien bei der Verwendung dieser beiden Begriffe wie bei Tönnies klar verteilt waren und der allgemeinen Tendenz nach sozial-funktional differenziert zugeordnet wurden, geben die Einträge im Grimmschen Wörterbuch nicht.

Im Gegenteil. So können wir in Hildebrands Artikel lesen, dass der Begriff „Gemeinschaft“ auch die Allmende umschloss, weshalb er bis um 1800 im Lateinischen auch mit „commercium“ übersetzt und zur Bezeichnung von gemeinschaftlichem Handel, Geschäftsverkehr, Briefwechsel Vorteil und Gewinn verwendet wurde. Aufgrund der Bedeutung „allgemein“ konnte „gemeinschaftlich“ auch die Bedeutung von „öffentlich“ und „publizitär“ annehmen.[37] Beide Begriffe wurden also seinerzeit ganz anders als durch Tönnies gebraucht, der „Gemeinschaft“ in der intimen, häuslich-dörflichen Lebenssphäre und „Gesellschaft“ in den großstädtischen, literat-öffentlichen und strategisch-kommerziellen Beziehungen verortete. Dass heute die von Tönnies entwickelte Variante einschlägig ist, verdankt sich offenbar dem späteren Erfolg dieses Werks, das somit – anders als von Schmoller prophezeit – ganz und gar nicht wirkungslos geblieben ist.[38]

4. Schluss: Vom Idiom zur Regel

Ich komme zum Schluss und mache einen großen zeitlichen Sprung: Als Ferdinand Tönnies 1919 dem preußischen Kultuspolitiker Carl Heinrich Becker beigesprungen war und dessen Programm zur Hochschulreform gegen die Polemik des konservativen Historikers Georg von Below verteidigt hatte, schrieb ihm Becker, dass er, Tönnies, ihm einen „großen Dienst erwiesen habe.“ Als Systematiker könne er „mit viel größerem Sachverstand und in viel objektiverer Form“ diese Reform verteidigen. Er selbst wirke ja nur als Pädagoge, der aber „die Notwendigkeit“ der „Volkserziehung nach dem Zusammenbruch der alten Autoritäten sehe und neue „Bindungen“ herstellen müsse. „Die […] neue Bindung, die wir brauchen, ist die Selbstverantwortung gegenüber dem eigenen Ich und gleichzeitig über der Gemeinschaft.“ Und weiter: „Ich weiß nicht, ob Sie meinen Kieler Vortrag gehört haben. Ich habe damals, ohne Ihren Namen zu nennen, Ihren Geist beschworen, indem ich davon sprach, dass die aus der Gemeinschaft entwickelte Gesellschaft in höherem Sinne sich zu einer Gemeinschaft zusammenfinden müsse.“[39]

Zu diesem Zeitpunkt war Gemeinschaft und Gesellschaft gerade in dritter Auflage erschienen und schon soweit kanonisiert, dass ihm wesentliche Motive für die umfassende, demokratische Gesellschaftsreform entliehen und Tönnies selbst als Autorität hierfür in Anspruch genommen werden konnte. In der Folgezeit wurden – als ein wichtiges Element von Beckers Hochschulreform – auch zahlreiche Lehrstühle für Soziologie eingerichtet und das Fach als akademische Disziplin in Deutschland etabliert. Tönnies war somit nicht nur von einem Pionier zu einer anerkannten Autorität der neuen, sich endlich auch universitär durchsetzenden Wissenschaft geworden, sondern repräsentierte auch den Geist der zeitgenössischen postrevolutionären Sozial- und Bildungsreformen der jungen deutschen Republik.

Dieser Überhöhung waren zahlreiche Umwertungen der bis dahin häufig kritisierten Eigenschaften des Gelehrten und seines Werks vorausgegangen: So wurde das Erratische seines Werks, das zum Zeitpunkt seiner Formulierung auch Ausdruck seiner Ort- und Rastlosigkeit war, die bisweilen in starke Selbstzweifel umschlagen konnte,[40] zum Signum des Prophetischen, und zwar genau in dem Maße, wie Tönnies institutionell Tritt fasste. Schon 1908 wurden ihm bei dem Versuch, dem immer noch marginalisierten und zunehmend verbitterten Gelehrten zu einem Stipendium zu verhelfen, herausragende Qualitäten gutgeschrieben: In der dem Antrag beigefügten Denkschrift – die neben Paulsen, Adolf Wagner und Wilhelm Dilthey auch Gustav Schmoller unterschrieben hatte – wurden nicht nur seine wissenschaftlichen Verdienste „auf soziologischem Gebiet“ genannt; vielmehr wurde nun auch seine bisher kritisierte konstruktivistische Position als Idealismus vom Range eines Fichte verklärt, seine Vorliebe für logische Kalküle und Paradoxien als „Scharfsinn“ nobilitiert und sein Zug zum Rätselhaften als „Tiefsinn“ und als prophetische Gabe überhöht.[41]

Zugleich wurde in diesem Dokument die Gefahr beschworen, dass dieser Prophet leicht zum gefährlichen Revolutionär werden könnte, wenn ihm weiterhin die Anerkennung verweigert werde – eine Gefahr, die nach Tönniesʼ Eintreten für die streikenden Hamburger Hafenarbeiter von 1896 und seine karriereschädigende Weigerung, aus der „Deutschen Gesellschaft für Ethische Cultur“ auszutreten, nicht ganz grundlos war. Hatte doch Tönnies selbst 1906 nach der ministerlichen Obstruktion seiner (von Schmoller unterstützten) sozialempirischen Gefängnisstudien in einem Brief an Schmoller mit einer solchen Radikalisierung gedroht.[42]

Der Versuch, Tönnies durch professorale Fürsprache ein Stipendium zu verschaffen, hatte zwar keinen Erfolg. Doch nachdem Friedrich Althoff im Herbst 1908 gestorben war, kam der ,ewige Privatdozent‘ doch noch zu professoralen Ehren. Insbesondere durch die Fürsprache von Bernhard Harms[43] wurde Tönnies zum Jahresende 1908 zunächst zum etatmäßigen, 1909 zum Honorarprofessor und schließlich 1913 zum Ordinarius berufen. Als 1909 die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) gegründet und Tönnies in den Vorstand gewählt wurde, war er schon längst national und international gut vernetzt und als führender Vertreter der deutschsprachigen Soziologie anerkannt. Als 1914 der erste Weltkrieg ausbrach, war er das einzige kontinuierliche Vorstandsmitglied der DGS geblieben. So sah er sich aufgrund seines persönlichen und organisationsgeschichtlich errungenen Status dazu berufen, die Fachgesellschaft nach Krieg und Revolution wieder neu ins Leben zu rufen. Wie sicher er sich seiner Rolle als Nestor der Soziologie inzwischen sein konnte, wird nicht zuletzt daran ersichtlich, dass er – wenn auch in enger Absprache mit Werner Sombart und Rudolf Goldscheid – die DGS in ihrer alten Form zunächst liquidierte um sie dann, 1922, als eine präsidial strukturierte Gesellschaft mit ihm selbst an der Spitze neu aufzubauen.[44] Tönnies bildete nun einen größeren Schülerkreis und bestimmte auch auf Anfragen des Berliner Kultusministeriums maßgeblich die Nomenklatur derjenigen, die für die Besetzung der neu zu schaffenden Soziologieprofessuren in Frage kamen.[45] In dieser Zeit wurde Gemeinschaft und Gesellschaft, der Ladenhüter von einst, zu dem „Lesebuch der sozialwissenschaftlich gebildeten Deutschen“,[46] als das René König es später pointieren sollte.

Wurde „Idiom“ eingangs als „Abweichung von einer als Regel gesetzten Sprachvarietät“ bezeichnet, das im Fall von Tönnies gar als „Idiolekt“ wahrgenommen wurde, so konnte von einer solchen „Abweichung“ nach Tönniesʼ Berufung an die Kieler Universität und seiner Wahl zum Präsidenten der DGS keine Rede mehr sein. Das von ihm entwickelte Idiom und dessen Semantik fand Nachahmung und wandelte sich zur neuen Norm. In seiner präsidialen Funktion hatte Tönnies zudem qua Amt die Macht, sprachliche Äußerungen zu normieren und Diskutanten und Vortragenden das Rederecht zu entziehen, wenn sie etwa in seinen Augen gegen den Code der Werturteilsfreiheit verstoßen hatten. Er gehörte damit nun selbst zum Kreis derjenigen, die ihre Macht geltend machen konnten, um zu definieren, was ein Idiom von der legitimen Fachsprache unterscheidet.[47] Spätestens aber, als Plessner 1924 glaubte, die Gesellschaft rehabilitieren und die zum Fetisch gewordene Gemeinschaft in die Schranken weisen zu müssen,[48] zeigte sich, wie allgegenwärtig und unentrinnbar die Tönniesʼsche Terminologie geworden war. Was einst als sprachliche Anomalie gegolten hatte, war inzwischen zur Norm eines sozialanalytischen Codes geworden, der über die Fachgrenzen der Soziologie hinaus Anerkennung fand und nicht zuletzt auch den politischen Erwartungshorizont der Zeit bestimmte.

Plessners Kritik ist aber auch noch in einer anderen Hinsicht interessant. Sie verweist darauf, dass die Termini „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“ inzwischen ubiquitär geworden waren. Deshalb ist es nicht zuletzt dem Paradoxen, Sperrigen, Rätselhaften, Unfertigen und Unauflösbaren in Tönnies Gemeinschaft und Gesellschaft zu verdanken, dass das Werk trotz der Verbreitung seiner Schlagwörter von Trivialisierung weitgehend verschont geblieben ist. Die rhetorische Strategie des jungen Gelehrten war zweifellos riskant gewesen, musste sie doch die anfängliche Ablehnung des Publikums geradewegs provozieren; für die Steigerung des Symbolkapitals erwies sich das Raffinement des Werks gleichwohl als vorteilhaft. Es wurde nicht nur zum Movens einer künftigen Wissenschaftskarriere, sondern avancierte zu einem Kristallisationskern, um den sich ein neues Forschungsfeld, gar eine neue Disziplin anlagern konnte. Nicht Allgemeinverständlichkeit und Klarheit, sondern die Bereitschaft zu Komplexität und die Lust am Ausreizen logischer Kalküle bis hin zur Paradoxie erwiesen sich dabei als Wettbewerbsvorteile.

Für Tönnies selbst war dieses Spiel mit Widersprüchen jedoch keine Frage des möglichen Nutzens. Es entsprang seiner ästhetischen Haltung zur Welt. Sehr treffend hatte er seinem ersten Buch zur „allgemeinen Bestimmung der Hauptbegriffe“ ein Zitat Augustins vorangestellt: „Deus ordinem saeculorum tanquam pulcherrimum carmen ex quibusdam quasi antithetis honestavit.“ „Gott hat die Ordnung des Weltganzen wie ein wunderschönes Gedicht mit vielerlei Antithesen geziert."[49] Bei seinem Versuch, die Konstruktionsprinzipien des Gedichts in Hinsicht auf das Soziale zu entschlüsseln, hat er diesem mit Gemeinschaft und Gesellschaft zumindest ein weiteres Poem beiseite gestellt, das durch immer wieder neue Akte des Entschlüsselns fortgesponnen werden will.

  1. Ferdinand Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft. Abhandlung des Communismus und des Socialismus als empirischer Culturformen, Leipzig 1887.
  2. Gustav Schmoller, Rez. zu Ferdinand Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft. Abhandlungen des Communismus und des Socialismus als empirischer Culturformen, Leipzig 1887, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft 12 (1888), 2, S. 727–729, hier S. 727 u. 729.
  3. Zu Schmollers Werdegang vgl. Jens Herold, Der junge Gustav Schmoller. Sozialwissenschaft und Liberalkonservatismus im 19. Jahrhundert, Göttingen 2019.
  4. Althoff war seit 1882 als Universitätsreferent im preußischen Ministerium der geistlichen-, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten für die Personalpolitik an Preußens Hochschulen verantwortlich.
  5. Schmoller setzte sich im Laufe der Jahre wiederholt für Tönnies ein. Als Tönnies Privatdozent in Kiel war, setzte er sich zunächst für dessen Besoldung ein (vgl. die Briefe von Tönnies an Schmoller in: Geheimes Staats-Archiv Preußischer Kulturbesitz, VI HA Nl. Schmoller, 194b, Bl. 43 u. 79 vom 15.6. u. 23.7.1902 sowie 195a, Bl. 82 vom 23.3.1903).Einige Jahre später, Tönnies war immer noch Privatdozent, verwendete er sich für ein Forschungsstipendium (GehStA PK, VI HA Nl. Schmoller, 199a, Bl. 56 f.). Und er sprach sich auch für Tönniesʼ Berufung als Extraordinarius (1909) beziehungsweise als Ordinarius für Wirtschaftliche Staatswissenschaften (1913) aus, obgleich hier vor allem das Engagement von Tönniesʼ Kieler Kollege Bernhard Harms entscheidender gewesen sein dürfte. Zum Verhältnis von Schmoller und Tönnies siehe auch Herold, Der junge Gustav Schmoller, S. 287 f.
  6. Wie dieses Gebiet von Tönnies abgesteckt und eingeschätzt wurde, geht aus dem Briefwechsel mit Friedrich Paulsen hervor. Vgl. dazu u. a. Paulsens Brief vom 30.12.1877 und Tönniesʼ Schreiben vom 2.5.1880. Zur politischen Sensibilität der Thematik und ihrer Relevanz für Tönniesʼ Universitätskarriere siehe Paulsens Brief vom 20.2.1898. Die genannten Briefe finden sich in Ferdinand Tönnies / Friedrich Paulsen, Briefwechsel 1876–1908, hrsg. v. Olaf Klose, Eduard Georg Jacoby und Irma Fischer, Kiel 1961, S. 7–10, 79 f., 327 f.
  7. Vgl. Ferdinand Tönnies, Der Soziologen-Kongreß in Paris (1894), in: Ferdinand Tönnies Gesamtausgabe, Bd. 15: 1923–1925, hrsg. von Dieter Haselbach, Berlin / New York 2000, S. 197–204. Siehe dazu auch Tönnies/Paulsen, Briefwechsel, S. 312.
  8. Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft (1887), S. XVIII.
  9. Paulsen/Tönnies, Briefwechsel, S. 234.
  10. Friedrich Paulsen, Rez. zu Ferdinand Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft. Abhandlungen des Communismus und des Socialismus als empirischer Culturformen, Leipzig: Fues 1887, in: Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie XII (1888), S. 111–119, hier S. 111.
  11. Schmoller, Rez. zu Ferdinand Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft, S. 727.
  12. Julius Baumann, Gutachten über Ferdinand Tönnies, zitiert nach: Alexander Wierzock, „Der Ort, denke ich, wird Dir gefallen.“ Dokumente über Ferdinand Tönnies’ Pläne einer sozialwissenschaftlichen Privatdozentur an der Universität Göttingen im Jahre 1890, in: Zyklos 4. Jahrbuch für Theorie und Geschichte der Soziologie, Wiesbaden 2018, S. 395–436, hier S. 411. Den Anlass für das Gutachten bot der von Tönnies unternommene Versuch, sich an die Georg-August-Universität umzuhabilitieren.
  13. Paulsen, Rez. zu Ferdinand Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft, S. 111.
  14. Émile Durkheim, Rez. zu Ferdinand Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft. Abhandlungen des Communismus und des Socialismus als empirischer Culturformen, in: Revue philosophique de la France et de l’étranger XXVII (189), S. 416–422.
  15. Gumplowicz besprach das Buch zusammen mit Herbert Spencers Prinzipien der Sociologie. Vgl. Ludwig Gumplowicz, Rez. zu Ferdinand Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft. Abhandlungen des Communismus und des Socialismus als empirischer Culturformen, Leipzig: Fues 1887, in: Deutsche Literaturzeitung 9 (1888), Nr. 4, Sp. 139 f.
  16. Vgl. dazu Johann August Eberhard, Synonymisches Wörterbuch der deutschen Sprache [1837], 13. Auflage, Leipzig 1910, S. 180 f.
  17. Ihren geradezu idealtypischen Ausdruck fand diese Hochschätzung der individuellen Persönlichkeit im sogenannten „Harnack-Prinzip“, nach dem die verschiedenen Institute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft jeweils um eine wissenschaftliche ‚Persönlichkeit‘ herum errichtet wurden. Aufschlussreich sind in diesem Kontext auch die Ausführungen Othmar Spanns in einem Brief an den späteren preußischen Kultusminister Carl Heinrich Becker vom 7.6.1919 (GehStA PK VI. HA, Nl. Carl Heinrich Becker, Nr. 4835) oder das Dankschreiben Beckers an Ferdinand Tönnies für dessen Unterstützung der Hochschulreform (ebd., Nr. 3255). Zum Diskurs über Persönlichkeit siehe auch Wolfgang Martynkewicz, Salon Deutschland. Geist und Macht 1900–1945, Berlin 2009, S. 155–168.
  18. Max Weber, Wissenschaft als Beruf [1919], in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, hrsg. von Johannes Winckelmann, 7. Aufl., Tübingen 1988, S. 582–613, hier S. 585. Vgl. auch Franz Eulenburg, Der akademische Nachwuchs. Eine Untersuchung über die Lage und die Aufgaben der Extraordinarien, Leipzig/Berlin 1908, S. 4–17.
  19. Siehe Andreas Langenohl, Der voranalytische Moment der Analyse. Zugänge zu ,Idiomen der Gesellschaftsanalyse‘, in: Geschichte der Sozialwissenschaften. Idiome – Praktiken – Strukturen, hrsg. von Uwe Dörk und Fabian Link, Berlin 2019, S. 39–56.
  20. Vgl. Michael Oakeshott, On Human Conduct, Oxford 1975.
  21. Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft (1887), S. 4.
  22. Ebd., S. 9.
  23. Ebd., S. 46.
  24. „Alle drei Arten der Gemeinschaft hängen unter sich auf das engste zusammen, so im Raume wie in der Zeit: daher in allen einzelnen solchen Phänomenen und deren Entwicklung, wie in der menschlichen Cultur überhaupt und in ihrer Geschichte.“ Ebd., S. 16. Ebenso legt Tönnies dar, dass Gemeinschaft auch eine des Ortes ist und im Vorgeschichtlichen wurzelt, während Gesellschaft eine hochgradig flüchtige, temporale Beziehung ist. Zeitphilosopheme finden sich an zahlreichen Stellen, etwa in seinen Ausführungen zu Gewohnheit, Gedächtnis, Lernen und Geschichte. Vgl. ebd., S. 18–22.
  25. Zitat: „Jedes solche Verhältnis [gemeint ist eine durch Bejahung gestiftete Willensbeziehung, U. D.] stellt Einheit in der Mehrheit oder Mehrheit in der Einheit dar.“ Ebd., S. 4. Zu den Figuren von „Trennung“ und „Einheit“ siehe die vorstehend zitierten Definitionen von „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“.
  26. Ebd., S. 100.
  27. Schmoller, Rez. zu Ferdinand Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft, S. 727.
  28. Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft (1887), S. 294. Zum Bild des entrückten Zuschauers siehe auch den Beitrag von Alexander Wierzock, Eine Wissenschaft über den Parteien. Über das Verhältnis von Soziologie und Politik bei Tönnies, in: Soziopolis, 7. Oktober 2021.
  29. Ferdinand Tönnies, Wege und Ziele der Soziologie, in: Verhandlungen des Ersten Deutschen Soziologentages vom 19.-22. Oktober in Frankfurt am Main. Reden und Vorträge, Tübingen 1911, S. 17–38, hier S. 19.
  30. Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft (1887), S. XXIII, XXV.
  31. Ebd., S. 6.
  32. Ebd., S. 297.
  33. Ferdinand Tönnies, Philosophische Terminologie in psychologisch-soziologischer Ansicht, Leipzig 1906, S. 21, 23; wiederabgedruckt in: ders., Gesamtausgabe, Bd. 7: 1905–1906, hrsg. von Arno Bammé und Rolf Fechner, Berlin / New York 2009, S. 119–250. Die zitierten Stellen finden sich auf den Seiten 160 und 162.
  34. Jakob Grimm / Wilhelm Grimm (Hg.), Deutsches Wörterbuch, Bd. 5, München 1984, Sp. 3169.
  35. Ebd., Sp. 3264–3268.
  36. Ebd., Sp. 4049–4061.
  37. Ebd., Sp. 3264, 3267.
  38. Dirk Käsler, Erfolg eines Mißverständnisses? Zur Wirkungsgeschichte von „Gemeinschaft und Gesellschaft“ in der frühen deutschen Soziologie, in: Hundert Jahre „Gemeinschaft und Gesellschaft“. Ferdinand Tönnies in der internationalen Diskussion, hrsg. von Lars Clausen und Carsten Schlüter, Opladen, S. 517–526.
  39. Carl Heinrich Becker an Ferdinand Tönnies, GehStA PK VI, HA Nl. Carl Heinrich Becker, Nr. 3255.
  40. So schrieb er etwa an seinen Freund Paulsen, als dieser ihm auf eine erste Skizze von Gemeinschaft und Gesellschaft nicht sogleich geantwortet hatte: „Dein Schweigen kann ich nur durch […] melancholische Betrachtung deuten: das kleine Manuskript, welches ich Dir geschickt habe, hat so sehr Dein Mißfallen erregt, daß Du mir nichts darauf zu sagen weißt und an allem meinem Werte zweifelhaft geworden bist.“ Tönnies/Paulsen, Briefwechsel, S. 138). Auch in seinen Lebenserinnerungen finden sich zahlreiche Hinweise auf Stimmungsschwankungen und Zweifel. So heißt es an einer Stelle mit Blick auf die akademischen Anfänge: „Ich wußte oder glaubte zu wissen, daß ich zwischen den Fächern schwankte, denn ich war einerseits Philosoph, u. ein Philosophieren, das sich wesentlich auf das soziale Leben bezog, hatte keine großen Chancen […]. Ich fühlte, daß meine Lehrtätigkeit unter dieser Zwiefachheit litt.“ Ferdinand Tönnies, Lebenserinnerungen aus dem Jahre 1935, in: ders., Gesamtausgabe, Bd. 23.2: 1919–1936. Nachgelassene Schriften, hrsg. von Brigitte Zander-Lüllwitz und Jürgen Zander, Berlin / New York, S. 507–550, hier S. 547.
  41. Denkschrift über die wissenschaftliche Bedeutung von Ferdinand Tönnies und die Berechtigung seiner Anstellung und Versorgung, ebd., hier: Bl. 5. Die folgenden Zitate ebd. in folgender Reihung: Bl. 6, 1 u. 6.
  42. Ferdinand Tönnies an Gustav Schmoller, GehStA PK VI HA, Nl. Gustav Schmoller, Nr. 199a, Bl. 57.
  43. Zu Tönniesʼ Hochschullehrertätigkeit ab 1908 siehe ferner Nicole Holzhauser / Alexander Wierzock, Zwischen Philosophie, Staatswissenschaften und Soziologie: Ferdinand Tönniesʼ Lehrveranstaltungen an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, in: Zyklos 5. Jahrbuch für Theorie und Geschichte der Soziologie, Wiesbaden 2019, S. 209–245.
  44. Siehe dazu Uwe Dörk, Die frühe Deutsche Gesellschaft für Soziologie. Zum organisatorischen, epistemischen und sozialen Profil einer Fachgesellschaft, in: Stephan Moebius / Andrea Ploder (Hg.), Handbuch Geschichte der deutschsprachigen Soziologie, Bd. 1, Wiesbaden, S. 809–828; Uwe Dörk, Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie in der Zwischenkriegszeit (1918–1933), in: Moebius/Ploder, Handbuch Geschichte der deutschsprachigen Soziologie, Bd. 1, S. 829–848; Uwe Dörk / Sonja Schnitzler / Alexander Wierzock, Die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vor 110 Jahren, in: Soziologie 48 (2019), 3, S. 309–316.
  45. Alexander Wierzock, Ferdinand Tönnies über den wissenschaftlichen Nachwuchs in der Soziologie. Eine Denkschrift aus der Zeit der Weimarer Republik, in: Zyklos 3. Jahrbuch für Theorie und Geschichte der Soziologie, Wiesbaden 2017, S. 313–339.
  46. René König, Zur Soziologie der Zwanziger Jahre, in: Die Zeit ohne Eigenschaften. Eine Bilanz der zwanziger Jahre, hrsg. von L. Reinisch, Stuttgart 1961, S. 82–118, hier S. 98.
  47. Siehe dazu Dörk, Die frühe Deutsche Gesellschaft für Soziologie.
  48. Vgl. Helmuth Plessner, Grenzen der Gemeinschaft. Eine Kritik des sozialen Radikalismus [1924], Frankfurt am Main 2001, S. 61–78.
  49. Ferdinand Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft, in: ders., Gesamtausgabe, Bd. 2: 1880–1935, hrsg. von Bettina Clausen und Dieter Haselbach, Berlin / Boston, MA, S. 1. Alexander Wierzock hat mich auf dieses Zitat aufmerksam gemacht.

Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut von Karsten Malowitz.

Kategorien: Geschichte der Sozialwissenschaften Kommunikation Normen / Regeln / Konventionen Universität Wissenschaft

Uwe Dörk

Uwe Dörk, Dr. phil., Fellow am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) und designierter Projektleiter des Vorhabens „Ferdinand Tönnies Briefe: Eine digitale Edition“. Arbeitsschwerpunkte: Historische Epistemologie der Sozialwissenschaften, Geschichte der deutschsprachigen Soziologie und der „Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ sowie Geschichte der Geschichtswissenschaft.

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